Sinnvolle Arbeitsplätze, weniger Gewinn

Die Bundesregierung hat ein umfangreiches Konjunkturprogramm aufgelegt, um die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise zu mildern. Viele profitieren davon, ein Wirtschaftszweig jedoch nicht: die Autobauer. Jedenfalls nicht direkt. Dabei hatten gerade sie am lautesten geweint, seien sie doch so schwer getroffen von der Krise. Tatsächlich warten derzeit rund eine Millionen Verbrenner-Neuwagen auf einen Käufer. Die Autobauer haben für die Halde produziert. Und nun sollte der Steuerzahler helfen, so das Kalkül, und mit einer Abwrackprämie dafür sorgen, dass die Konsument*innen zum Neuwagen greifen.

Der Gedanke klingt zunächst fast logisch: Ein moderner Verbrenner, egal ob Otto- oder Dieselmotor, läuft vermutlich mit weniger Emissionen als ein älterer. Vielleicht ließe sich so der Flottenausstoß von klimaschädlichem CO2 auf diese Weise tatsächlich leicht verringern. Wenn, ja, wenn der Trend nicht immer weiter zum großen, schweren Straßenpanzer ginge. Dieser Trend frisst die potenziellen CO2-Einsparungen wieder auf. Was die Autobauer uns da aufgetischt haben, ist also eine Milchmädchenrechnung. Die Entscheidung der Bundesregierung, lediglich den Verkauf von E-Autos und Hybride zu fördern, ist daher vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Entwicklung – wir sind noch weit von einer wirtschaftlichen, funktionierenden Wasserstoffwirtschaft entfernt – genau richtig. Die Autobauer profitieren trotzdem: Die vorgesehene Senkung der Mehrwertsteuer kann ebenfalls als Kaufanreiz für einen Neuwagen gesehen werden.

Abwrackprämie SPDDennoch sind Betriebsräte und Gewerkschafter stocksauer, vor allem auf die SPD, die eine allgemeine Abwrackprämie verhindert hat. Dafür werden von den Gewerkschaftern vor allem die neuen Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans verantwortlich gemacht. Die machen einen bemerkenswert unaufgeregten Job und schaffen es trotzdem, wie man sieht, der Politik der SPD Profil zu geben. „Mit Esken und Walter-Borjans hat die SPD wieder eine Chance„, analysierte FR-Autor Stephan Hebel unlängst in der FR.

Bei allem Respekt vor dem Einsatz der Betriebsräte und Gewerkschafter für den Erhalt von Arbeitsplätzen: Sie haben offenbar nicht verstanden, dass der Zug der Zeit ihnen vor der Nase davon zu fahren droht. Die Zukunft gehört nicht dem Verbrennungsmotor. Diese Zeiten sind vorbei. Die Anzeichen mehren sich schon seit einer ganzen Weile, dass der Ölboom bald vorbeit ist. Klares Indiz: Was auch immer man von Investoren wie Blackrock halten mag – die Erklärung des Konzerns, nicht mehr in die fossile Energiewirtschaft zu investieren, ist ein klares Indiz dafür, wohin die Reise geht. Das Beharren der Gewerkschafter auf wirtschaftlichen Strukturen, die in Bälde überkommen sein werden, sollte also geflissentlich übersehen werden.

fr-debatteMeine Herren, räumen Sie in Ihren Läden auf!

Ich war 26 Jahre lang Betriebs- und Gesamtbetriebsratsvorsitzender eines Unternehmens mit 2300 Beschäftigen. Heute leite ich Gewerkschaftsschulungen. Die Betriebsräte der Autoindustrie und die Herren der IG-Metall, viele von Ihnen Aufsichtsräte in dieser Branche, maßen sich an, von uns über die Steuer durch den Staat subventioniert zu werden. Angesichts der diversen Skandale dort ist das nun wirklich unverfroren. Erst schwindeln sie im Dieselskandal, dass sich die Balken biegen, dann müssen sie Strafen zahlen, und jetzt soll das Ganze auch noch von uns bezahlt werden. Meine Herren, räumen sie in Ihrem Laden auf und beschweren Sie sich nicht. Was machen die IG-Metall-Führer in den Aufsichtsräten? Wann protestieren sie gegen die Auszahlung schwindelerregender Gehälter und Boni an die Vorstände? Dividenden ohne Ende an die Aktionäre! Und das alles immer zur Schaffung und zum Erhalt von Arbeitsplätzen. Ach wie sozial und nett. Nein danke.
Ersetzen wir doch einmal in jedem Interview und Zeitungsartikel die Begriffe „Arbeitsplätze schaffen“ durch „Gewinne machen“. Das kann man mit einem Textverarbeitungsprogramm machen. Das Ergebnis wird Sie erstaunen. Soviel Geraune um „Arbeitsplätze schaffen“. Das sind im wahrsten Sinne des Wortes „Fake News“. Klimaschutz, aber hallo, zweitrangig. Und dann die Moral dieser Leute. Waffen produzieren, damit im Jemen und anderswo Unheil anrichten. Das sollte man nennen, was es ist: Völkermord. Wo sind die Betriebsräte, die IG Metall, um die Waffenexporte zu stoppen? Auf die Sicherung solcher Arbeitsplätze und Gewinne muss die Gesellschaft verzichten. Wir können gemeinsam vollkommen neue und andere, gesellschaftlich sinnvolle Arbeitsplätze schaffen. Die werfen vielleicht nicht so viel Gewinne ab.
Übrigens seien auch die Propagandisten des Elektroautos gewarnt. Batterien sind nicht umweltfreundlich. Und man benötigt den Rohstoff Lithium. Dessen Förderung zerstört zum Beispiel in Chile, Argentinien und Bolivien die Umwelt in außerordentlichem Maß. Was hier dem Klimaschutz dienen soll, bricht den Ländern dort das Genick. Also her mit neuen Entwicklungen, z. B. Wasserstoff. Das Elektroauto ist ein großer Schwindel. Das ist die billigste Lösung nach der Nutzung der fossilen Rohstoffe. Aber das nur am Rande.
Das Gejammere dieser Betriebsräte und Gewerkschaftsführer ist unerträglich. Ich schätze mich glücklich, dass die Abwrackprämie nicht kam. Normativ fordere ich: Wracken wir die Ideologie des „Arbeitsplätze schaffen“ ab!

Ronald Koch, Frankfurt

fr-debatteDer Vebrennungsmotor ist schlicht von gestern

Im Beitrag wird das Bild einer Demonstration gezeigt mit einem Transparent „Staatshilfen ohne Klimaschutz führen in die Sackgasse“. Ich habe auch ein Bild von dieser Demonstration gemacht. Hinter dem Transparent weht auch eine IG-Metall-Fahne.
Vielleicht trug die Fahne ein Arbeiter eines reinen Elektrowagen Herstellers, der kapiert hat, das ein Auto mit Verbrennungsmotor schlicht von gestern ist. Die Verkaufszahlen der E-Autos steigen seit Jahren exponentiell. Noch kaum bemerkbar wie ein Virus im Januar. Allerdings ist das E-Auto eher ein Antikörper, der laute und stinkende Gebrauchtwagen ab 2026 unverkäuflich macht. Ab 2030 wird der grüne Sprit, wenn es ihn je geben wird, zu Apothekerpreisen erhältlich sein, wie in der Anfangszeit des Automobils. Das E-Auto fährt für 2,50 Euro mit Strom aus der PV-Anlage 100 Kilometer weit. Es ist leise und stinkt nicht.

Michael Brod, Frankfurt

fr-debatteNicht sonderlich attraktiv für die junge Generation

Auch für Autokonzerne als sogenannte „Schlüsselindustrie“ sollten ökonomische Regeln gelten. Hapert es mit dem Absatz, muss man dem Kunden eben in der Preisgestaltung entgegenkommen. Zu deutsch: Über günstigere Preisangebote erhält der Erwerber eines Produktes seine Kaufprämie; dies ist Sache des Produzenten und nicht der steuerzahlenden Allgemeinheit. Und jeder Konzern und Aktionär muss eben damit leben, dass es wegen der geringeren Gewinnspanne auch mal Jahre mit weniger fetten Boni und Dividenden geben kann.
Und wenn jetzt diesbezüglich Betriebsräte und Funktionäre der IG Metall stinksauer auf die SPD sind: beim Abgasskandal und bei den Steueroasen für Tochterfirmen der Konzerne war nichts von irgendeiner „Säuernis“ dieser Arbeitnehmervertreter zu bemerken. Und es ist zu bezweifeln, dass eine nur klientelorientierte Gewerkschaft eine allzu große Attraktivität für die jüngere Generation ausstrahlt. Man geniert sich da schon etwas, selber Mitglied einer Gewerkschaft zu sein, in dessen Dachverband DGB auch die IG Metall beheimatet ist.
Ich bin jedenfalls froh, dass SPD und Teile der CDU bei der Kaufprämie für Benzin- und Dieselautos Rückgrat gezeigt haben.

Wulfhard Bäumlein, Bad Vilbel

fr-debatteDie richtige Marschrichtung

Die Betriebsräte der Automobilindustrie sollten lieber „stinksauer“ auf ihr Management sein. Die Autobosse habe es versäumt rechtzeitg die Weichen in Richtung Zukunft bei der Automobiltechnik zu stellen. Z. B. bei der Einführung des Katalysators oder beim Thema Abgaswerte waren sie immer im Bremserhäuschen gesessen und habe sich darauf verlassen, dass die Regierung und das davon abhängige Kraftfahrbundesamt für ihren komfortablen Sitzkomfort sorgen. Zudem: Wer Dividenden und Boni zahlt, darf dafür nicht auch noch das Geld der Steuerzahler fordern.
Wer es nicht verstanden hat ist nicht die SPD (ich bin kein SPD-Mitglied), sondern das sind die Aufsichtsräte der Automobil Industrie, die ja für die strategischen Entscheidungen bei der Produktentwicklung verantwortlich sind. Dort haben sich die Arbeitnehmer- und Gewerkschaftsvertreter offensichtlich nicht durchsetzen können. Ob aus mangelndem Willen oder mangelnder Kraft sei dahingestellt. Aber auch sie sitzen -dank der deutschen Mitbestimmung- mit am Tisch und tragen damit auch Verantwortung.
Alles, was jetzt als Argument in die Waagschale geworfen wird ist schon seit langem bekannt und die Angst um die Arbeitsplätze ist berechtigt. Industriepolitische Verantwortung kann aber nicht heißen einen Irrweg (wie bei der Kohle) weiter mit Unsummen zu subventionieren, sondern mit dem Geld so schnell wie möglich umzusteuern. Und als jahrzehntelanger ehramtlicher IG Metall Funktionär ist es für mich selbstverständlich, dass dies sozial begleitet stattfinden muss. Statt weiter rückwärtsgewandt zu diskutieren sollte die IG Metall jetzt den Weg, den sie bereits (wenn auch meines Erachtens sehr spät) eingeschlagen hat weiter verfolgen. „Aus technischem Fortschritt muss sozialer und ökologischer Fortschritt für alle werden.“ Unter diesem Motto haben bei der #FairWandel-Kundgebung der IG Metall über 50 000 Menschen am 29. Juni 2019 in Berlin demonstriert. Das ist die richtige Marschrichtung.

Roland Walter, Rastatt

fr-debatte

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3 Kommentare zu “Sinnvolle Arbeitsplätze, weniger Gewinn

  1. Die vorstehenden Leserbriefe, insbesondere der von Herrn Koch, treffen den Nagel auf den Kopf; die Oberen der IG Metall sollten diese lesen und sich zu Herzen nehmen.

    Vielleicht helfen sie sogar, dass die Betroffenen sich künftig überlegen, was sie sagen.

    Ebenso hätte die Autoindustrie längst umschwenken und damit eher die Arbeitsplätze – sicherlich auch bei der Zulieferern – halten können. Denn bereits vor ca. fünf Jahren wurden beispielsweise die Manipulationen in der Abgasverarbeitung bei VW bekannt. Und nichts ist in der Folgezeit, weder bei VW noch bei den anderen Herstellern, geschehen.

    Vielmehr wurde munter weiter betrogen, wobei die dadurch gewonnenen zusätzlichen Einnahnmen sowie auch die durch Scheinfirmen in den Steueroasen vorenthaltenen Steuern, dazu die Boni und Dividenden, sicherlich einen höheren Betrag ausmachen als es die glücklicherweise verhinderten Kaufprämien vermocht hätten.

    Gerade auch in der Rüstungsindustrie wurde und wird stets auf die Arbeitsplätze hingewiesen. So musste Rheinmetall bereits nach dem ersten Weltkrieg die Rüstungsproduktion einstellen und hat andere Güter hergestellt. Was vor 100 Jahren möglich war, muss angesichts der weit fortgeschrittenen Technologie heute erst recht möglich sein.

  2. Sigmar Gabriel konstruiert einen Dissenz zwischen der Gewerkschaft IG Metall und der SPD in der Frage der abgelehnten „Abwrackprämie“. Er hätte sich besser an den vergangenen Sommer erinnern sollen. Da hatte die IG Metall ihre Mitglieder zu einer großen Demonstration und Kundgebung für „fairen Wandel“ mit 50.000 Teilnehmer*innen in Berlin aufgerufen. Man lese auf der Homepage der IG Metall nach:
    „Bauen wir die Produkte der Zukunft oder bauen wir Arbeitsplätze ab? Beispiel Automobil-industrie: Dort häufen sich die Negativmeldungen. Gestrichene Schichten, gedrosselte Produktion, Entlassungen. Der Trend geht zum E-Auto – Zulieferer, die auf Verbrennungsmotoren spezialisiert sind, haben zu kämpfen. Gleichzeitig kommt die Verkehrswende nicht voran: Es fehlt an Ladeinfrastruktur für E-Autos, am Ausbau des öffentlichen Nah-verkehrs. Wir wollen, dass beim notwendigen ökologischen Umbau der Industrie niemand auf der Strecke bleibt. . . .Ökologie und Soziales dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden.“
    Es dürfte auch bei der IG Metall niemand damit gemeint haben, jetzt den betuchten SUV-Käufern auch noch ein paar Tausend Euro hinterher zu werfen! Der DGB hat in einer eindeutigen Erklärung das Konjunkturprogramm der Bundesregierung als richtig begrüßt. Sigmar Gabriels Kritik an der SPD-Führung ist unsinnig und überflüssig.

  3. Seit Wochen verfolgte ich Diskussionen und Beiträge im Fernsehen und in Printmedien und wartete auf die Bemerkung, dass VW und andere bitteschön sich doch so verhalten sollten wie alle anderen Marktteilnehmer, die ihre Lager räumen wollen, nämlich mit Preisnachlässen. Nicht ein einziges Mal kam dieser Vorschlag. Und selbst in den beiden angeführten Texten der FR ( SPD schaltet nicht zurück und Die Chance der SPD vom 09.06.2020) kommt dieser Gedankengang nicht vor. Man kann es nicht glauben, dass in einer hochzivilisierten Gesellschaft so etwas wie ein Tabu gibt. Ein Sachverhalt oder eine Handlungsweise wird als absolut und nicht zu hinterfragen hingenommen.
    Die SPD-Führung sollte mehr Biss zeigen und auch die braven Gewerkschafter. Wieso ist der Gewinn der Unternehmen denn sakrosankt? Wohl oder übel müssen die stolzen Herren ihre Preise ermäßigen.
    Vielleich findet sich einmal ein Karikaturist der dieses Tabu auf den Punkt bringt. Man stelle sich einmal vor, dass Geschäftsführer der Möbelhäuser vom Staat Hilfe verlangten um ihre Lager zu reduzieren. Noch grotesker die Vorstellung: zum Sommerschlussverkauf sollten Staatsvertreter vor den angeschlagenen Kaufhäusern stehen und jedem Kunden einen Hunderter für den Einkauf überreichen. Geht doch. Oder?

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