Selbstgespräche haben Tradition im FR-Blog. Alle Jahre wieder unterhält sich FR-Blogger Bronski mit seinem Alter Ego Lutz Büge, FR-Redakteur und Romanautor. Dafür gibt es jetzt wieder einen Anlass: Seit 13 Jahren zeichnen die beiden verantwortlich für das FR-Leserforum und das FR-Blog. Und es ist ein neuer Roman erschienen und im Buchhandel erhältlich: „Evan – Virenkrieg IV“ ist der vierte Teil des „Virenkrieg“-Epos von Lutz Büge.
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Wer kann schon behaupten, Herr über das eigene Leben zu sein?
Bronski im Selbstgespräch mit „Evan“-Autor Lutz Büge
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Bronski: So sieht man sich wieder. Es ist gerade mal acht Monate her, dass wir zusammen auf dieser Couch gesessen haben.
Lutz Büge: Ich hoffe trotzdem, dass es in diesem Jahr noch einmal dazu kommt, wenn mein Romanzyklus „Virenkrieg“ mit „McWeir“, dem fünften Teil, abgeschlossen wird. Dazu gibt es so viel zu erzählen, dass ich schon jetzt damit anfangen könnte.
Lass uns beim aktuellen Roman bleiben. Worum geht’s in „Evan“?
Um Gefahr für die Demokratie, ganz knapp gesagt. Die Hauptfigur Jan Metzner befindet sich in der Gewalt der CIA, doch die kann mit ihm nicht viel anfangen und versteht das selbst nicht so richtig. Er verzweifelt fast, weil ihm niemand glauben will, dass den USA ein verheerender Terroranschlag mit der Biowaffe SVO bevorsteht. Man nimmt ihn schlicht nicht ernst. Allerdings steckt die CIA gerade in einer schweren Krise. Zugleich planen Rechtsradikale einen Putsch in den USA. Wie Jan leidet, lässt sich, glaube ich, ganz gut anhand der Leseprobe nachvollziehen, die im FR-Magazin veröffentlicht wurde.
Siehe unten. Aber warum heißt der Roman „Evan“?
Weil es auch um diese Figur geht. Wie immer in meinen „Virenkrieg“-Romanen gibt es mehrere Handlungsstränge, aber die Figur des Evan taucht in so gut wie allen auf. Das heißt, eigentlich taucht sie nicht auf. Evan tritt nie persönlich in Erscheinung. Zugleich ist er aber ein Meister darin, Menschen auf einem imaginären, globalen Spielfeld herumzuschieben wie Schachfiguren. Wie er das macht, habe ich im Vorgängerroman „Incubus – Virenkrieg III“ am Beispiel des Polizisten Marc Johnson gezeigt, der von Evan scheinbar aus dem Spiel genommen wird, jedoch nur, um im Hintergrund eine wichtige Arbeit zu erledigen und den Kennedy-Experten Fitzgerald zu reaktivieren. Das bringt die Kette der Veröffentlichungen in Gang, die jetzt, in „Evan“, Früchte trägt. In diesem Roman erfährt man endlich, wer Evan ist. Das wird vielleicht für die eine oder den anderen eine Überraschung.
Das klingt alles ein bisschen mysteriös.
Sind wir nicht alle wie Schachfiguren? Wer von uns kann schon behaupten, Herr über sein eigenes Leben zu sein? Wir sind fremdbestimmt. Das hat sich gerade am Beispiel der Corona-Einschränkungen ganz deutlich gezeigt. Es war nicht möglich, ihnen zu entkommen, selbst wenn man das gewollt hätte. Bei meinen Romanfiguren habe ich diese Frage aber noch ein bisschen zugespitzt. Sie sind sich dessen bewusst, dass sie manipuliert werden. Es gibt keine Freiheit. Deswegen ist für Jan Metzner die Selbstbehauptung so wichtig. Das ist sein Kampf.
Leseprobe aus „Evan – Virenkrieg IV“,
erschienen im FR-Magain am 16. Juni 2020.
Hier auch als pdf-Dokument.
Du schreibst Bücher wie am Fließband. Zugleich hast Du im FR-Leserforum einen Job, der viel Kraft kostet. Wie schaffst Du das?
An den „Virenkrieg“-Romanen habe ich bis Ende 2018 geschrieben. Die Romane sind also schon seit einer Weile fertig, abgesehen von den Überarbeitungen. Sie kommen jetzt zeitverzögert heraus, einfach weil man zwischen den Veröffentlichungen ein bisschen Luft lassen muss. So hat der Verlag das geplant. Zurzeit habe ich neben meiner Arbeit für die FR keine Luft zur Arbeit an meinen Romanprojekten.
Trotzdem noch mal die Nachfrage: Deine Romane sind ja nun nicht gerade dünn. Selbst wenn Du die Hauptarbeit daran schon länger abgeschlossen hast – wie schaffst Du das alles?
Das geht auf Kosten von Freizeitaktivitäten. Früher sind mein Mann und ich zum Beispiel durchaus zweimal pro Woche ins Kino gegangen. Seit ich so intensiv an meinen Romanen arbeite, kommen wir vielleicht noch dreimal im Jahr dazu. Ich arbeite praktisch jede freie Minute an diesen Romanen, auch im Urlaub. Wenn einem etwas wichtig ist …
Lutz „Bronski“ Büge. Foto: Thomas Vögele
Siehst Du unsere Demokratie wirklich in Gefahr?
Ich sehe gewisse Gefahren, ja. Zum Beispiel die um sich greifende Empörungskultur, wie ich das nenne. Immer mehr Menschen, wie mir scheint, empören sich. Dabei ist mir oft nicht klar, ob sie wirklich empört sind oder ob sie es nur glauben. Vielleicht springen sie auf einen Zug auf. Ein Beispiel: Im Netz kursieren ein paar randständige Statements zu Sars-CoV-2, in denen Professoren Stellung dergestalt beziehen, Covid-19, also das von Sars-CoV-2 ausgelöste Krankheitssyndrom, sei letztlich nichts als eine Grippe, wie wir sie ständig in Wellen erleben, und die Aufregung darüber sei nicht gerechtfertigt, weil sich nicht mal mit Sicherheit sagen lässt, ob die Todesopfer tatsächlich Sars-CoV-2 anzulasten sind oder ob sie nicht sowieso gestorben wären.
Boris Palmer lässt grüßen.
So ungefähr. Die Menschen, die solche Botschaften weitertragen, halten sich für kritisch und versuchen nun, den von ihnen so wahrgenommenen Mainstream zu diskreditieren. Sie sind empört über diesen Mainstream. Empörend ist aber eigentlich, dass sie kritiklos Positionen übernehmen, ohne sie überprüfen zu können. Sie verfügen meist nicht über das nötige Wissen dafür. Sars-CoV-2 ist eben kein Grippevirus, und Covid-19 ist eben nicht mit einer landläufigen Grippe vergleichbar, schon aus dem einfachen Grund, weil es zum ersten Mal aufgetaucht ist und weil es keinerlei Immunität in der Bevölkerung dagegen gibt. Daher bringt das Virus die Gefahr für eine exponenzielle Ausbreitung mit sich, was zum Zusammenbruch unseres Gesundheitssystems hätte führen können. Das schafft kein Grippevirus.
Und warum übernehmen solche vermeintlich kritischen Menschen diese Positionen?
Gute Frage. Vielleicht weil sie genervt sind von den Einschränkungen oder davon, dass die von so vielen Menschen weitgehend klaglos mitgetragen werden? Ich finde es gefährlich, wenn Menschen sich praktisch nach dem Baukastenprinzip Positionen aussuchen, die ihnen jetzt gerade mal gefallen, statt zu versuchen, sich gründlich ein Bild zu machen, und statt zu akzeptieren, dass es da, wo sie das nicht können, vielleicht angeraten wäre, schlicht vorsichtig zu sein. Denn es ist ja wohl klar: Was Sars-CoV-2 betrifft, haben wir viele Wissenslücken. Solange das so ist, ist es in jedem Fall besser, vorsichtig zu sein. Sogar lieber zu vorsichtig. So könnte man das böse Erwachen vermeiden, dass es in Großbritannien, Brasilien, Russland und auch in den USA gegeben hat oder noch geben wird.
Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste?
Kanlerin Merkel hat das Bild vom dünnen Eis bemüht. Das finde ich sehr treffend. Gehst Du auf einen zugefrorenen See, wenn Du nicht weißt, wie dick das Eis ist und ob es Dich trägt?
Nun werden sicher bald viele Menschen gespannt sein auf „Virenkrieg V“. Wann kommt der raus?
Es gibt noch keinen festen Termin. Sars-CoV-2 bringt alles durcheinander. Wir machen es davon abhängig, wann es möglich sein wird, das Erscheinen angemessen zu feiern. Es soll ja auch wieder Crémant geben. Ich hoffe, dass es im Herbst dieses Jahres so weit sein kann. Und ich hoffe, dass wir dann wieder in Bibliothekszentrum Sachsenhausen zu Gast sein werden. Dann wird natürlich auch das Erscheinen von „Evan – Virenkrieg IV“ nachgefeiert.
Thriller. Mehr Info zum Roman auf der Webseite des Autors
Paperback. Ybersinn-Verlag Offenbach. 496 Seiten.
ISBN 9783982088716. Preis: 18 €
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Frühere Selbstgespräche:
Was gemacht werden kann, wird gemacht, vor allem wenn es um Waffen geht
anlässlich des Erscheinens von „Incubus -Virenkrieg III“
Ein neuer Roman und ein Jubiläum
anlässlich des Erscheinens von „Skylla – Virenkrieg II“
Nach neun Jahren FR-Blog – Bronskis Outing
anlässlich des Erscheinens von „Virenkrieg – Erstes Buch“
Nach den Bänden „Virenkrieg 1“, „Skylla“ und „Incubus“ habe ich auch „Evan“ gelesen. Und mich von den 471 Seiten nicht abschrecken lassen. Im Gegenteil. Für einige Tage bin ich in die beschriebenen Ereignisse völlig eingetaucht. Am Ende angelangt, wünschte ich mir rasch die angekündigte Fortsetzung.
Ebenso wie die vorher erschienenen Teile des Virenkrieg-Zyklus besticht auch der vierte Band durch ein spannend erzähltes dramatisches Geschehen. Regelmäßig werden ausführliche Informationen über das Regierungssystem der USA, über Parteien und Interessensverbände und über die bedenkliche Nähe des Landes zum Militarismus eingeflochten. Sämtliche gestalterischen Elemente kumulieren zu realitätsnahen Szenarien über ein Land, in dem vieles möglich erscheint und in dem leider auch eine alltäglich gewordene Geringschätzung menschlichen Lebens, insbesondere des Lebens Schwarzer und des anderer Völker, anzutreffen ist.
Verfasst ist der Roman in einer sehr präzisen Sprache, die beim Leser den Eindruck vermittelt, dass es sich nicht um Reality Fiction, sondern um Reportagen aus den USA von heute handeln könnte. Ich hatte die Lektüre des Buches längst beendet, als die Bilder vom martialischen Aufmarsch der Nationalgardisten vor dem Weißen Haus um die Welt gingen. Und ich assoziierte sofort Lutz Büges „Virenkrieg“ und speziell die Vorgänge in „Evan“.
Für das Magazin der Frankfurter Literaturinitiative PRO LESEN hatte ich den Thriller unter dem Titel „Acht Wochen, die die Welt erschüttern werden“ rezensiert. Und kam dabei zu dem Schluss, dass sich in dieser fiktiven Erzählung, die im Jahr 2025 angesiedelt ist, die amerikanische Demokratie am Rand des Abgrunds bewegt. Die Realität des Jahres 2020 zeigt, dass das nicht nur Spekulation sein könnte.
Durch die Literaturintiative PRO LESEN auf den Thriller-Zyklus aufmerksam geworden, habe ich mich über die Leseprobe in der heutigen FR sehr gefreut. Alle Teile des Zyklus sind, obwohl sie in der Zukunft verortet sind, äußerst realitätsnah und damit besonders spannend. Nach dem ich die Teile „Die JFK-Akten“, „Virenkrieg“, „Skylla“ und „Incubus“ erworben habe, freue ich mich schon sehr auf die Lesung zu „Evan“ und „McWeir“ im Bibliothekszentrum Sachsenhausen.