Bronskis Homeoffice-Tagebuch – Tag 12

Leben und Arbeiten in Zeiten der Pandemie

Ich bin müde. Vorhin habe ich festgestellt, dass ich gestern einen unzureichenden Text über die kritischen Wortmeldungen von Professor Mehring und Professorin Edenharter online gestellt habe. Dabei ist diese Diskussion so wichtig! Mich erreichen Reaktionen von FR-Leserinnen und -Lesern, die sich besorgt bis entrüstet äußern: Wie kann die FR es wagen, eine Schlagzeile wie die, dass die Pandemie die Demokratie gefährde, auf die Titelseite zu heben? Na ja, liebe Leute: weil es eben so ist. Da werden Freiheitsrechte außer Kraft gesetzt. Wir brauchen also eine Debatte darüber, auf welcher Grundlage das passiert. Dass forsche Maßnahmen notwendig sind, bestreitet zugleich fast niemand.

Bronskis Homeoffice-Tagebuch – Tag 12
Samstag, 28. März 2020

Man kann es wohl nicht oft genug sagen: Sars-CoV-2 ist kein Grippevirus. Daher gehen alle Vergleiche der aktuellen Pandemie mit Grippe fehl. Das gilt auch für Vergleiche mit multiresistenten Keimen und Tabaktoten. Man sollte diese Dinge nicht vermischen oder das eine gegen das andere aufrechnen. Grippe-Epidemien gehören zu unsrem täglichen Leben. Man kann sich impfen lassen, man kann daran sterben, aber wir haben erprobte Wege, auf diese Grippewellen zu reagieren. Das gilt weniger für die multiresistenten Keime, die – ähnlich wie Sars-CoV-2 – eine Folge unserer Lebensweise sind: Durch übermäßigen und zum Teil auch unkontrollierten Einsatz von Antiobiotika haben wir sie uns – nicht zuletzt in der Massentierhaltung – selbst herangezüchtet. Die multiresistenten Keime sind ein menschengemachtes Problem. Sars-CoV-2 nicht! Dieses Virus wurde erst zu einem Problem, als es durch einen immer noch nicht zulänglich aufgeklärten Vorgang vom Tier auf den Menschen übergehen konnte. Von diesem Moment an konnte es sich, begünstigt durch unsere gobale Lebens- und Wirtschaftsweise, ruckzuck um die ganze Welt verbreiten. Das bedeutet: Es hat ideale Bedingungen für seine Vermehrung vorgefunden. Das Problem ist also eigentlich nicht das Virus. Das Problem ist unsere Lebensweise.

Aber das ist nicht neu. Schon der Erreger des „schwarzen Todes“, also der Pest, hat sich im 14. Jahrhundert über Handelswege verbreitet. Die große Pestepidemie, die Europa ab dem Jah 1348 verheert hat, hätte ohne die damaligen Handelswege, mit denen auch Ratten verbreitet wurden, keine Chance gehabt. Aus Sicht des Erregers war diese massive Verbreitung ein durchschlagender Erfolg. Die Pest hat damals die mitteuropäische Bevölkerung um ein Drittel reduziert. Das wird jetzt durch Sars-CoV-2 wohl nicht passieren, auch wenn das, was ich aus Italien und Frankreich höre, durchaus beängstigend ist: Da werden Covid-19-Patienten danach beurteilt, wie ihre Fähigkeit zu überleben nach dem statistischen Mittel aussieht, und dem folgend bekommen die Menschen die lebenswichtige Beatmung oder werden zum Sterben auf die Palliativstationen geschickt. Das ist der Offenbarungseid der modernen Medizin: Wir Menschen beherrschen die Natur nicht!

Das ist ein schwieriges, aufgeladenes Thema. Für mich und mein persönliches Arbeiten im Homeoffice kann ich sagen: Ich bin an meinen Grenzen angelangt. Die Zahl der Zuschriften überfordert mich. Das Leserforum der FR ist ein Ein-Mann-Ressort. Ich mache alles allein, auch hier im Blog, wo ich Hilfestellung und Rat zu geben versuche nach bestem Wissen und Gewissen. Aber gestern war die Grenze erreicht. Sie lässt sich nicht ablesen an der Seite mit Leserbriefen, die heute im Leserforum erschienen ist. Dahinter steckt sehr viel mehr Arbeit. Die Zahl der Leserbriefe geht zurzeit in die Hunderte.

Ich bin kein Mensch, der laut klagt. Ich mache daher jetzt etwas, was sicher sinnvoll, klug und auch gesund ist: Ich mache mit meinem Mann eine Radtour. Die täglichen Fahrten mit dem Rad in die Redaktion fehlen mir. Das waren immerhin 22 Kilometer täglich, die ich auf dem Rad saß. Derzeit: Niente. Also raus jetzt. Zumal bei dem schönen Wetter!

Fotobeweis nach der Radrunde
Foto: Lutz „Bronski“ Bü
ge

Und auch heute wieder für alle, die sich für den Stand der Pandemie interessieren, die beiden folgenden Links, die leider weiterhin die exponentielle Entwicklung dokumentieren.

Worldometer   +++ SafetyDetectives

Balken 4
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3 Kommentare zu “Bronskis Homeoffice-Tagebuch – Tag 12

  1. Hallo Herr Büge,
    All die Menschen, die normalerweise irgend etwas anderes machen, sitzen jetzt zu Hause und machen sich Gedanken über den Untergang. Was da alles in den Köpfen der Menschen herumspukt, es ist nicht zu glauben, alle sind direkt verbunden mit dem Hintergrunddenken und – wissen aus grauer Vorzeit, der Höhlenzeit. Oder auch dem 3o jährigen Krieg, in dem auch die meisten Menschen an Seuchen starben, wenn auch die Mitmenschen einen hohen Anteil hatten. All das hat sich niedergeschlagen in unseren Köpfen und wurde durch die Pandemie ans Tageslicht gezerrt. Das erklärt wohl auch die Empfindung des absolut Unwahrscheinlichen, man glaubt immer, man könne durch Kopfschütteln aus dem Alptraum erwachen, aber das geht nicht. Es ist real. Und deswegen schreiben so viele Menschen Leserbriefe.Das macht sie zu einem sehr wichtigen Menschen in der Redaktion, noch nie waren ihnen so viele Leser so nah – das hat doch was.
    Ich hoffe, sie hatten einen guten Ausflug , es war ja Klasse Wetter ! Und Homeoffice bedeutet nicht, dass sie am Wochenende arbeiten müssen, auf jeden Fall ist es wichtig die Pausen einzuhalten, auch wenn, das fällt mir gerade ein, in der Zeitung andere Maßstäbe gelten, was Wochenende angeht.

  2. Herr Winter, es gibt keinen Untergang! Ich möchte wirklich vehement gegen solche Thesen angehen, obwohl ich selbst dafür plädiert habe, einen Notvorrat anzulegen: Es gibt keinen Untergang!
    Sars-CoV-2 ist ein Virus, nichts weiter. Ein Virus ist ein bisschen Erbsubstanz in einer winzig kleinen Kapsel. Ein Virus ist nicht mal lebendig. Sars-CoV-2 stellt eine Herausforderung dar, die uns als Menschheit an besonders empfindlichen Stellen trifft. Wir Menschen stehen eben nicht außerhalb der Prozesse der Evolution. Die geht ständig weiter, auch gegen uns Menschen. Aus Sicht der Evolution nutzt das Virus lediglich einige der Schwachstellen, die sich in unserem täglichen Gebrauch eingeübt haben, zum Beispiel: viel reisen. Wer viel reist, kommt viel herum und bringt dann eben gegebenenfalls auch ein Virus nach Hause. Das sind Bedingungen, die Viren für ihre Vermehrung nutzen, und das wiederum ist ein ganz normaler biologischer Prozess, dem die Menschheit seit jeder ausgesetzt ist. Viren haben schon immer unsere Abwehr herausgefordert. Dafür gibt es schon Beispiele aus dem alten Ägypten. Viren begleiten das Entstehen der Menschheit.
    Ihr Ansatz, Herr Winter, ist das Steinzeitliche in uns. Ich ziehe diesen Ansatz in Zweifel. Menschen können lernen und tun das auch. Wir sind nicht an das gebunden, was mal das Herdenleben dominiert hat, und ich ziehe auch die Thesen jener Genetiker in Zweifel, die behaupten, dass es keinen freien Willen gebe. Ob die Reaktionen auf katastrophale Entwicklungen – Ihr Beispiel ist ja der Klimawandel – in der gebotenen Geschwindigkeit und mit der nötigen Konsequenz passieren, ist eine andere Frage. Die aber, was Sars-CoV-2 betrifft, im besten Sinne beantwortet ist, denn da wurden gute und kluge Lösungen gefunden. Die Frage ist nun, wie wir diese Erfahrungen auf die anderen Herausforderungen wie etwa den Klimawandel übertragen. Auch an diese Frage sollten wir konstruktiv herangehen. Weltuntergang hilft jedenfalls niemandem weiter.
    Für Ihre Zustimmung ansonsten meinen tief empfundenen Dank. Ich kenne kein Wochenende, aber ich bräuchte wirklich mal Pause. Urlaub wäre nicht schlecht. Leider liegt er derzeit in weiter Ferne.

  3. Hallo Herr Büge,
    zum besseren Verständnis hätte ich besser Covid 19 statt Untergang gesagt, wenn auch die Reaktion auf dieses Virus den Knopf „Untergang, lebensbedrohlich“ betätigt, und deshalb die Reaktion der Menschen auf diese Situation eine völlig andere ist wie auf die Klimafrage. Seuchenfragen sind im unbewussten Gedächtnis abgespeichert, da gibt es geeignete Verhaltensmuster und die erlauben die gegenwärtige Reaktion der Bürger auf die Maßnahmen des Staates. Eine Änderung des Klimas kommt in diesem Gedächtnis anscheinend nicht vor, da ist die Reaktion eine völlig andere.
    Natürlich handelt es sich dabei um eine These, der man gewiss nicht zustimmen muss, die aber für mich weitaus besser auf das Verhalten von Menschen passt als wenn man rein rationales Denken zugrunde legt. Aber das ist natürlich Ansichtssache. Also, jedem das seine !
    Nun wünsche ich ihnen noch ein paar Ruhestunden und möchte mich bedanken für die Mühe, die sie sich mal wieder mit mir gemacht haben.

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