Die Nachfrage nach Waffen steigt weltweit. Auch nach deutschen Waffen. Das ist ein direkter Indikator dafür, dass auch die Gewalt wächst. Sei es in Form von Angst vor Angriffen durch andere, vor denen Staaten sich mit Rüstung schützen, sei es in Form von Waffen als Drohmittel, mit denen Staaten sich größeres Gewicht verschaffen wollen, sei es in Form von konkreter Gewalt durch Einsatz dieser Waffen. Die steigenden Rüstungsausgaben zeigen unmittelbar an, dass diese Welt immer unsicherer wird. Wen wundert das, wenn die USA aus ihrer (selbst angemaßten) Rolle als Weltpolizei aussteigen? Als „Leuchtturm der Werte“ taugen sie ebenfalls nicht mehr. Wo soll das Vertrauen in eine stabile, friedliche Entwicklung herkommen, wenn die USA lediglich ihre eigenen Interessen und Ziele verfolgen und beispielsweise ein Bündnis mit den Kurden, das ihr eben noch nützlich war, im nächsten Moment aufkündigen, weil US-Präsident Donald Trump im Wahlkampf versprochen hat, die US-Soldaten zurückzuholen?
Russland annektiert die Krim, weil es seinem Präsidenten so gefällt, entfesselt Konflikte in der Ukraine, Georgien und anderswo in jener Sphäre namens „Nahes Ausland“, die es als seine Hegemonialsphäre betrachtet. Die Türkei fällt in Syrien ein, als handle es sich nicht um einen anderen Staat, zündelt in Konflikten mit Zypern und Griechenland und will sich militärisch in Libyen engagieren. Saudi-Arabien verursacht mit der von ihm geführen Militärallianz im Jemen ein Blutbad. Der Iran versucht, seine Einflusssphäre – auch mit Militär in Syrien – bis ans Mittelmeer auszudehnen. Es gibt haufenweise schwelende Konflikte und heiße Kriege, für die sämtlich alte Männer mit Großmachtfantasien verantwortlich sind. Ich habe nur jene genannt, die Europa am nächsten sind. Eine vollständige Liste wäre wesentlich länger. Sie alle zusammen führen unter dem Strich zu einem klaren Ergebnis: Das Waffengeschäft boomt.
Und mit ihm boomen Elend, Not und Tod – grausame Resultate eines Milliardengeschäfts. Der Rettungssanitäter Sherwan Bery vom Kurdischen Halbmond spricht darüber im FR-Interview: „Krieg hat den Geist des Volkes zerstört„. Der junge Mann ist sehr engagiert, aber ich wage vorherzusagen, dass noch lange nicht Schluss ist mit Elend, Not und Tod.
Wir dürfen uns nicht an das Entsetzen gewöhnen
In Albert Camus‘ Drama „Die Pest“ wird die fundamentale Frage zur Stellung des Menschen in der Welt gestellt. Der Arzt Dr. Rieux in Oran, der Stadt der Pest, will sich nicht mit dem sinnlosen Tod von Menschen und der eigenen Ohnmacht abfinden. Es kann als Dokument des Widerstandes gedeutet werden. Und in seinen Tagebüchern (1935-1951) sagt Camus: „Das Übel der Welt ist kein Plan eines Gottes“.
Das Interview mit dem Rettungskräfte-Koordinator des KRC in Nordsyrien, Sherwan Bery, erinnert sehr an die „Die Pest“, die skeptische Ethik und den Widerstandswillen von Rieux. „Am Ende sind doch alle nur Menschen […] Jeder ist ein Mensch (Zivilisten, Soldaten, IS-Kämpfer). Krieg ist doch einfach nur sinnlos.“ (Sherwan Bery) Auch die Frage, wie man mit diesen enormen Belastungen als Helfer zurechtkommt und ob man dieses tägliche Entsetzliche durchhalten kann.
Nüchtern konstatiert Bery, ein Ende des Krieges sei durchaus zu sehen, nur seine Konflikte werden dadurch nicht gelöst werden. Bedenkt man dass die eigentlichen Verursacher des Elends bei Despoten wie Trump, Erdogan und Assad auszumachen sind, dann wird die Sinnlosigkeit der Tragödie in Syrien noch greifbarer.
Dr. Rieux in der „Pest“ geht es um eine Entscheidung, was geschieht, nicht einem göttlichen Willen zu überlassen, sondern um zu kämpfen! Es geht um die Verneinung des Übels in der Welt. Der Philosoph Tarrou konfrontiert Rieux mit der Feststellung: „Sie glauben aber doch wie Paneloux (Prediger), dass die Pest ihr Gutes hat, dass die Augen öffnet, dass sie zum Denken zwingt!“ Worauf der Arzt ungeduldig antwortet: „Wie alle Krankheiten in der Welt. Aber was für die Übel dieser Welt gilt, gilt auch für die Pest. Das kann einigen dazu verhelfen zu wachsen. Wenn man jedoch das Elend und den Schmerz sieht, den die Pest bringt, muss man verrückt, blind oder feige sein, um sich mit ihr abzufinden.“
Nicht viel anderes höre ich aus den Worten von Sherwan Bery heraus. Wir dürfen uns an dieses Entsetzen in Syrien, auf den griechischen Inseln oder im Jemen nicht gewöhnen. Wir dürfen uns nicht an Trump, Erdogan oder Assad gewöhnen.
Jürgen Malyssek, Wiesbaden
Erst kommt das Fressen, dann die Moral
Niemals zuvor hat eine Bundesregierung eine so hohe Anzahl an Exportgenehmigungen für Rüstungsgüter erteilt wie im Jahr 2019. Im Vergleich zum Vorjahr gab es eine Steigerung von mindestens 65 Prozent.
Natürlich sollte man sich keinen Illusionen hingeben, denn wenn die Waffen, die für immenses Leid und Elend in den vielen Kriegsgebieten der Erde verantwortlich sind, nicht aus Deutschland kommen, werden sie von anderen Ländern geliefert. Selbst wenn man auf einen Schlag alle Waffen auf der Erde vernichten könnte, würde sich umgehend jemand bücken und einen Stein zum Faustkeil machen. Und der nächste macht einen Speer, und der dritte einen Bogen usw.. Die „Rüstungsspirale“ würde wieder von vorne beginnen, sich zu drehen. Das sollte jedoch nicht bedeuten, das man sich auf diesem Argument ausruhen und keine Veränderung anstreben sollte.
Deutschland geriert sich auf vielen Gebieten, wie beispielsweise bei der Flüchtlings-, Klima- und Energiepolitik gerne als Moralweltmeister. Ausgerechnet jedoch beim Rüstungsgeschäft kommt anscheinend erst das Fressen und dann die Moral. Mit den Rüstungsexporten von heute werden bestehende Konflikte befeuert und neue angefacht. Für mich ist es unverständlich, dass Waffensysteme aus Deutschland global offenbar sehr begehrt sind, die Bundeswehr allerdings, die immerhin die Aufgabe hat, im Verteidigungsfall die eigenen Bürger wirksam zu beschützen, nur über veraltete oder schlecht bis gar nicht funktionierende Waffen und sonstige Verteidigungstechnik verfügt.
Auch im Rüstungsgeschäft werden Gewinne privatisiert, die Folgeerscheinungen unter anderem in Form von steigenden Flüchtlingszahlen jedoch sozialisiert.
Alfred Kastner, Weiden
Von wo geht die Gefahr für den Weltfrieden aus?
Mit dieser, nicht der ersten, Genehmigung in diesem Ausmaße, und dies auch noch zur Weihnachtszeit, hat Deutschland als Teil des christlichen Abendlandes den lebenden Beweis erbracht, von wo die Gefahr für den Weltfrieden ausgeht. Wenn man in dieser Zeit, wo man hier zur Weihnachtszeit die Kirchen besucht und für den Frieden in der Welt betet, solche Rüstungsexporte genehmigt, stößt eine solche Politik mehr als auf Unverständnis. Auch Deutschland hat für die internationale Kriegspolitik ebenso eine historische Verantwortung wie gegenüber dem Existenzrecht Israels in den Grenzen von 1967. Deutschland hat im Laufe seiner Geschichte alleine während der letzten einhundert Jahre eine Menge Pflöcke der deutschen Waffen in die Welt eingeschlagen. So hat die Marine des deutschen Kaisers sehr weite Teile der maritimen Kriegsschauplätze bevölkert und hat damit dafür gesorgt, daß Deutschland die Folgen des Versailler Vertrages mittragen mußte; die Folgen sind hinlänglich bekannt. Denkmale in den ehemaligen deutschen Kolonien in Togo, Kamerun und Namibia, ehemals Deutsch Südwest, zeugen auch dort für deutsche Waffeneinsätze. Deutsche Waffen und deutsche Armeen haben den europäischen Boden vom Atlantik bis hin nach Stalingrad in Blut getränkt. Diejenigen, die Rüstungsexporte genehmigen und auch diejenigen, die in den Chefetagen der Rüstungsfirmen sitzen, mögen sich nur ansatzweise einmal vorstellen, ob sie auch so entscheiden würden, wenn direkte Angehörige, wie ihre Kinder, auf den internationalen Kriegsschauplätzen eingesetzt wären. Ebenso sollten sich der hier angesprochene Personenkreis einmal überlegen, wie sie reagieren würden wenn ihre Kinder entweder im Sandkasten oder in den „Flegeljahren“ auf dem Höchstpunkt der Pubertät gleichgelagertes Verhalten zeigen würden wie es durch die Kriegswaffen geschieht. Man möge sich erinnern, daß der Sohn von Kai-Uwe von Hassel mit einem Starfihter ums Leben kam und sein Vater diese Anschaffung mitgenehmigte. Bedauerlich ist ebenso, daß die Sozialdemokraten an der Durchsetzung dieser Genehmigung mitwirkten, obwohl sie eigentlich als Friedenspartei bekannt ist; sie hat schon in der Weimarer Republik, während des Dritten Reiches, während der Adenauer-Regierungen und der Brandt-Ära als Friedensstifter agiert. Eine solche „Politik des Umfallens“ birgt die Gefahr in sich, daß die SPD weiter ins Hintertreffen gerät. Die Lieferung findet in keinster Weise für die Landesverteidigung und für die Defensive statt; das beste Beispiel liefert hier die Türkei: Auch wenn es sich hier um eine NATO-Macht handelt und Erdogan in den Augen der Bundesregierung bevorzugt zu behandeln ist, darf man nicht vergessen, daß er einen Angriffskrieg gegen die Kurden führt und er völkerrechtswidrig in Syrien einmarschiert ist. Hier sei noch einmal die Friedensbewegung, die immer noch in Deutschland schlummert, auf den Plan gerufen. Würde man die gesamte Energie und das gesamte Engagement, welches hier in die internationale Aufrüstung gesteckt wird, dahingehend verwenden und sich darum bemühen, die dort leidenden Menschen satt zu bekommen und ihnen dort eine Lebensgrundlage zu schaffen, wäre der gesamten internationalen Welt mehr gedient anstatt den gesamten Weltfrieden immer wieder zu gefährden. Die Schaffung von Arbeitsstellen für die gesamte Welternährung kann ebenso ein Konjunkturmotor sein wie die Aufrechterhaltung der internationalen Politik der Aggression. Aber Deutschland und Donald Trump persönlich machen derzeitig in keiner Weise den Eindruck als wollten sie irgendwie auf einen Frieden hinarbeiten, da ein Krieg mit der dazugehörigen subsidiären Peripherie Politik immer noch lukrativer erscheint. Der amerikanische Präsident scheint sich mit der Politik der neuen Kriegsschauplätze, in die er Deutschland involviert und der internationalen Spaltungspolitik einen Platz in den Geschichtsbüchern sichern zu wollen. Donald Trump sowie die deutsche Rüstungsindustrie zeigen hier auf, daß es keines Kim Jong-ungs bedarf, um die Welt durch Hochrüstung an den Rand des nächsten Weltkrieges zu manövrieren.