Unsere Wälder stehen vor dem Kollaps. Die Bäume haben Stress. Klimastress. Anhaltende Hitzeperioden, zu wenig Regen und Stürme setzen ihnen zu. Nach Angaben der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW) sind seit 2018 120.000 Hektar Wald abgestorben. Ein einziger Hektar Wald bindet jährlich knapp elf Tonnen Kohlendioxid. Damit ist klar: Die Bundesrepublik – und nicht nur sie – bekommt ein riesiges Problem mit der Einhaltung dringend notwendiger Klimaziele. Der Wald ist eine CO2-Senke, er holt das Treibhausgas aus der Atmosphäre. Wenn er in dieser Funktion zunehmend ausfällt, sind die Klimaziele Makulatur. Ein Teufelskreis.
Das Problem ist vom Menschen gemacht. Nein, hier ist ausnahmsweise nicht der anthropogene CO2-Ausstoß gemeint, der darauf beruht, dass die Menschheit nicht schnell genug von ihrer unzeitgemäßen Form der Energiewirtschaft wegkommt, dem Verbrennen fossiler Energieträger. Gemeint sind hier Fehler in der Forstwirtschaft. Der „Brotbaum“ der Waldbesitzer, so schreibt Joachim Wille in seiner umfassenden Analyse, sei die Fichte, die jedoch in viel zu hoher Zahl gepflanzt worden sei. Da sie schnell wächst, verspricht sie hohe Erträge. Sie ist jedoch ein Baum, der ein kühl-feuchtes Klima bevorzugt. In Zeiten, in denen sich die Klimazonen verschieben, wird allmählich deutlich, dass sie vom Profitbaum zum Problembaum wird. Zudem werden Fichten meist in großen Monokulturen angepflanzt, in denen Schädlinge wie der Borkenkäfer es leicht haben, sich explosionsartig zu vermehren, da der nächste Baum nur einen kurzen Weg entfernt ist. Und dann sind da noch wir Menschen, die dem Ökosystem Wald Wasser entnehmen, da wir Trinkwasser brauchen. In normalen Jahren – normal gemessen am Durchschnitt etwa der Jahresniederschlagsmenge – ist die Wasserentnahme möglicherweise unproblematisch. Doch was ist derzeit noch normal? Die Jahre 2015 bis 2018 waren im globalen Mittel die wärmsten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen.
Wir haben nicht viel Zeit. Keinesfalls können wir warten, bis der Evolution eine Lösung für die nötige Anpassung einfällt oder bis widerstandsfähigere Baumarten sich bei uns ausbreiten. Wir brauchen den Wald, um die schädlichen Folgen unserer Lebensweise zu dämpfen. Es ist ja nicht so, dass Förster und Waldbesitzer nicht bereits versucht hätten, junge Bäume zu pflanzen. Doch die sind vertrocknet. Logisch, denn die Wurzeln der Sprösslinge müssten rasch in die Tiefe greifen, um an Erdschichten zu gelangen, die noch feucht sind. In ihren oberen Bereichen sind viele Böden in Deutschland kaum durchfeuchtet. Es ist einfach zu trocken. Hinzu kommt noch, dass die Bäume auch unter Stickstoffeintrag leiden – eine weitere Zivilisationsfolge. Der erste Leserbrief unten berichtet davon.
Vor 30 Jahren, als Förster schon einmal Alarm gegeben haben, blieb das große Waldsterben aus. Diesmal könnte es anders sein. Vor 30 Jahren war das Waldsterben ein großes Thema in so gut wie allen Medien. Und heute? Wo bleibt der Aufschrei?
Unsere Wälder sind seit langem vorgeschädigt
Es ärgert mich, dass in einem Artikel zum Waldsterben einer der Hauptgründe für die katastrophale Entwicklung nicht genannt wird: die Überdüngung der Wälder mit Stickstoffverbindungen. Obwohl dies vielfach untersucht und in jedem Waldschadensbericht als zentrale Ursache genannt wird, kommt dieser seit Jahrzehnten alle Lebensräume verändernde Faktor nicht in ihrem Artikel nicht vor. So viel Komplexität muss man dem Leser doch wohl zumuten können. Obwohl wir ein globales Stickstoff-Problem haben, dass schon 2009 von der UNO zum drittwichtigsten Handlungsfeld für Politik erklärt wurde, nach Biodiversität und Klimawandel, taucht es in den Medien kaum auf.
Sie schreiben in Ihrem Artikel von überraschend vielen Borkenkäfern und der Tatsache, dass Schnee- und Windbruch die Wälder zerstöre und davon, dass Fachleute besonders überrascht seien, dass die Buchen besonders betroffen sind. Alle diese Einzel-Phänomene haben mit den N-Einträgen zu tun und lassen einen Zusammenhang erkennen. Wälder waren ehemals durch Stickstoffmangel in ihrem Wachstum begrenzt. Seit dem Beginn der 60er Jahre lässt sich mit den zunehmenden N-Einträgen ein erhöhtes Baumwachstum nachweisen. Klimaerwärmung und die Verlängerung der Vegetationszeiten unterstützen den Prozess. Bei der Buche summieren sich die Effekte auf eine Beschleunigung des Wachstums von 30 Prozent gegenüber dem langjährigen Mittel. Die Bäume wachsen sich zu Tode und vernachlässigen die Risikovorsorge. Ähnlich einem überdüngten Salat werden die saftigen Blätter von Schädlingen gefressen oder fallen dem Mehltau zum Opfer. Die Wurzeln decken ihren Mineralstoffbedarf normalerweise mithilfe von Pilzen, mit denen sie ein dichtes unterirdischen Wurzel-Pilz- Geflecht bilden (Mykorrhiza). Diese fein ausbalancierte Kooperation zerbricht unter der Stickstoffflut. Die Bäume bekommen auch ohne Pilz zwar genügend Stickstoff, aber zu wenig von den anderen lebensnotwendigen Nährstoffen. Sie reagieren darauf, indem sie ihr Wurzelwachstum auf die oberen Bodenschichten konzentrieren, wo die Mineralstoff-Nachlieferung aus der Streu-Zersetzung noch ausgewogener ist. Bei der ohnehin flach wurzelnden Buche eine fatale Reaktion, denn bei der nächsten Sommerdürre kann der Baum seinen Wasserbedarf nicht mehr decken. Verschärft wird dieser Vorgang durch die Versauerung, die ebenfalls Folge der N-Einträge ist. Tiefere Bodenschichten werden immer spärlicher durchwurzelt. Die flacher ausgebildeten Wurzelteller halten dem nächsten Sturm oft nicht mehr stand.
Selbstverständlich ist der Klimawandel beteiligt, aber vor dem Hintergrund einer jahrzehntelangen Vorschädigung und einer anhaltenden Eintragssituation (25 Prozent aller Brunnen sind wegen Nitratbelastung geschlossen). Hier tun sich politische Optionen auf, die mit Landwirtschaftspolitik zu tun haben. Wer diese Zusammenhänge kennt, findet ihren Artikel dramatisch unterkomplex. So als seien die Redakteure ihrem eigenen Headlining erlegen. Bitte nicht alles nur noch mit dem Wetter erklären! Es gibt lange verschleppte Hausaufgaben für die Politik, um den Wald zu retten. N-Einträge herunterfahren (Ammoniak aus der Massentierhaltung, Stickoxide aus Motoren) und die Eutrophierung der Landschaft stoppen. Übrigens auch ein wichtiger Aspekt beim Bienensterben, der aber im Artikel vom Vortag auch nicht vorkam. Ist der Begriff „Stickstoff“ zu unsexy oder passt er nicht zur aktuellen Klimadiskussion? Ich verstehe nicht, warum es das Thema nicht in die Schlagzeilen schafft.
Friedrich Twenhöven, Bohmstedt
Intensive Holzwirtschaft trägt eine Mitschuld
Die Aufzählung der Ursachen des aktuellen Waldsterbens ist unvollständig Vom Mittelalter bis zum 18. Jahrhundert sank der Waldanteil in den meisten deutschen Landschaften auf einen Tiefststand ab. Die Wiederaufforstung erfolgte gemäß industrieller Bedürfnisse vor allem mit den schnellwachsenden Fichten und Kiefern („Brotbaum“ der Waldbesitzer) und nicht mit den für die jeweilige Landschaft typischen und geeigneten Baumarten. In der FR vom 03. April 2019 („Wir brauchen naturnahe Wälder“) hatte sich der Forstexperte Lutz Fähser zum nötigen Umbau der Forste geäußert. Er schrieb zutreffend, dass von Natur aus der Anteil der Nadelhölzer in Deutschland nur auf etwa 10 Prozent kommen würde, ihr tatsächlicher Anteil aber bei 60 Prozent liegt. Jahrzehntelang nahm der Anteil der Nadelhölzer kontinuierlich langsam ab, auf 26 (Fichte) und 22,9 Prozent (Kiefer) um 1990 (KÜSTER, 1995) Unter dem Druck wirtschaftlicher Vorgaben setzten die Staatsforstbetriebe bedauerlicherweise in den letzten 20 Jahren wieder verstärkt auf den Anbau von Nadelbäumen, darunter die amerikanische Douglasie.
Die gestiegene Nachfrage für deutsche Edelhölzer wie Rotbuche und Eiche hat die Preise steigen lassen und so werden in den Staatsforsten gesunde alte Bäume gefällt, was das Zeug hält. Diese preisgetriebene, intensive Holzwirtschaft lichtet die Wälder aus und macht sie im Vergleich zu naturnahen Wäldern oder gar Urwäldern empfindlicher gegen die trocknen, heißen Sommer, die der Klimawandel mit sich bringt. All das ist nicht neu, hat aber bislang keine Konsequenzen.
Das Ernten der Bäume soll nicht viel kosten, daher werden Verträge mit zum Teil zweifelhaften Unternehmen geschlossen, die mit Großgerät die Waldwege kaputtfahren und auf brutalste Weise Zufahrten von den Hauptwegen in die Wälder schlagen; wer sich gelegentlich im Wald aufhält, dem werden die Spuren dieses Treibens bereits aufgefallen sein.
Vergessen sollten wir auch nicht die Schäden, die durch zu dichten Wildbestand in den Wäldern durch Verbiss angerichtet werden. Daran sollten sich die Forstpächter und Jäger erinnern, die jetzt in den Chor einfallen und die Klimaschäden beklagen.
In die Überlegungen ist schließlich noch die Wasserwirtschaft im weitesten Sinn einzubeziehen. Unsere Mittelgebirge sind gespickt mit Trinkwassergewinnungsanlagen, die das Grundwasserniveau flächendeckend kräftig absenken. Dort, wo früher Quellen austraten und Quellbäche rauschten, findet man heute trockene Rinnen, allenfalls im Winter und zeitigen Frühjahr fließt noch etwas Wasser. Bei einem Spaziergang im Taunus lässt sich die Behauptung leicht überprüfen. Die von Wasserbehörden erteilten Entnahmegenehmigungen gehören hinsichtlich ihrer Umweltverträglichkeit und Relevanz für die Gesundheit der Wälder auf den Prüfstand und sind in Richtung niedrigerer Gewinnung zu korrigieren. Leider tauschen sich die verschiedenen Fachrichtungen, z.B. bei den Regierungspräsidien, kaum miteinander aus, andernfalls könnten die für die Grundwasserentnahmen Zuständigen von den Oberflächengewässerleuten hören, dass die Fließgewässer immer weiter austrocknen, und sie hätten gute Argumente, um Beschränkungen der Wasserentnahmen zu veranlassen. Da Trinkwasser ohne Zweifel auch in Zukunft benötigt wird, muss es um weitere Anstrengungen zur Bedarfsreduzierung, also beim Wassersparen gehen.
Auch die Art und Weise, wie das Abwasser gesammelt und gereinigt wird, gehört in die Überlegungen einbezogen. Der Trend geht schon lange in Richtung zentraler Großkläranlagen, denen das häusliche und gewerbliche Abwasser mittels ausgreifender und teurer Kanalsysteme zugeführt wird. Beispielsweise gelangt das Trinkwasser, das im Taunus gewonnen wird, in Wiesbaden-Auringen oder Frankfurt-Kalbach verbraucht wird, nach der Reinigung des Abwassers nicht zurück in die Bäche, sondern es landet in den Großkläranlagen in Frankfurt-Niederrad am Main oder in Wiesbaden am Rhein und ist damit dem lokalen Wasserkreislauf entzogen. Vermeiden ließe sich das durch den Bau und Betrieb kleinerer, dezentraler Abwasserreinigungsanlagen, wie sie teilweise bestanden haben und nach und nach aus behaupteten wirtschaftlichen Gründen den Zentralanlagen weichen mussten.
Ernst Kluge, Frankfurt
Ab und zu redet auch Klöckner von der Gefahr
Alle reden vom Wald, vor allem von dessen schwerer Gefährdung. Julia Klöckner, die Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft, redet ab und zu auch davon. Gut so. Doch hätten wir das Jahr 2001, so wäre sie Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Seitdem sind die „Forsten“ verschwunden. Zuständig dafür ist in ihrem Haus gerade mal eine von sieben Abteilungen (sie nennt sich „Biobasierte Wirtschaft, Nachhaltige Land- und Forstwirtschaft“), muss sich also auch um andere Themen kümmern. Ich finde es nicht gut, dass die Forsten so aus der öffentlichen Wahrnehmung entfernt wurden; schließlich sind 32 Prozent des Fläche Deutschlands mit Wäldern bedeckt. Ist das keiner Erwähnung mehr wert?
Die Katastrophe wird deutlich, wenn man die gelegentlich vorkommenden Sendungen im TV verfolgt. Vor kurzem auf Phoenix ein Bericht über die mafiotischen Strukturen in der Landwirtschaft. Ämteranhäufung, Lobbyismus, Geldverteilsysteme, die die Ökologie mit Füßen treten, das ganze bis weit in die EU hinein, es ist unglaublich. Wo bleiben die Staatsanwälte ? Das gleiche gilt für das Trinkwasser, sowohl für den Wald als auch für die Menschen in diesem Land . Wiederum die gleiche Situation hinsichtlich Artensterben, wenn man mehr als die Hälfte der Flächen komplett vergiftet, darf man sich doch nicht wundern, dass die Arten sterben, es wäre doch ein Wunder, wenn dem nicht so wäre.
Bestätigen kann ichdie Wasserknappheit am Beispiel der Nidder, das Frühjahrshochwasser ist schon seit Jahren nicht mehr vorhanden, im Gegenteil, die Wasserstände in diesem Frühjahr waren extrem niedrig, eine Änderung nicht in Sicht. Man kann mit diesem Lamento beliebig weitermachen, das Problem ist, die Menschheit scheint es nicht zu merken. Beispiel, die vielgerühmten Blühstreifen, sie haben mit Natur nichts zu tun, es ist Natur aus der Samentüte, überall das gleiche Bild. Um eine vernünftige Blumenwiese zu bekommen bedarf es Jahrzehnte, ohne Dünger und ohne Chemie, es ist ein Unsinn, zu behaupten, dass das der Natur hilft, es streut nur Sand in die Augen der Menschen, seht her, wie toll wir für die Insekten sorgen. Vom Artensterben wird auch schon kaum noch gesprochen, ja wenn einmal mehr als zwei Wespen herumfliegen spricht man von Wespenplage. Die Dummheit der Menschen ihre Umwelt betreffend ist erschütternd. Die Menschen früher kannten sich da besser aus.die mussten aber auch das Unkraut noch mit der Hend zupfen, heute geht das mit Round up .