Und weiter geht die wilde Hatz! Wir haben die Verkehrswende noch nicht auf den Weg gebracht. Im Streit um die Mobilitätskonzepte der Zukunft geht es weiterhin – wie schon seit Jahrzehnten – darum, wie man Radfahrern und anderen CO2-neutralen Fortbewegungsweisen mehr Vorrang einräumen kann, ohne dass der individuelle Autoverkehr darunter leidet. An den will nämlich keiner so richtig rühren, weil ja jeder irgendwie Autofahrer ist. Da betritt das nächste Fortbewegungsutensil die Bühne und macht alles noch viel komplizierter: Elektro-Tretroller!
Ist es nicht ein Wahnsinn? Die kleinen, zusammenklappbaren Dinger, die man jederzeit problemlos in Bus und Bahn mitnehmen kann, um sie nach dem Aussteigen aufzuklappen und dem eigentlichen Ziel entgegen zu fahren, machen alles noch komplizierter. Wo sollen die kleinen Flitzer gerade in engen Großstädten wie Frankfurt, wo schon manche Radwege kaum einen halben Meter breit sind, noch ihren Platz finden, ohne alle anderen – und auch die Rollerfahrer selbst – in Gefahr zu bringen? Konkrete Situation: die Verkehrsführung im Bereich der Frankfurter U-Bahn-Station Höhenstraße. Vierspuriger Autoverkehr mit Abzweigungen, schmale Radewege in katastrophalem Zustand, und daneben drängeln sich Fußgänger auf schmalen Streifen: Menschen, die aus der U-Bahn kommen oder die einkaufen wollen. Dieser Hotspot zeigt schon heute: Es geht nichts mehr darüber hinaus. Es ginge nur dann etwas, wenn man einer der am Verkehr teilnehmenden Parteien merklich etwas wegnehmen würde. Aus Perspektive der Verkehrswende wären das nicht die Fußgänger und die Radfahrer sein – und auch nicht die E-Tretroller -, sondern die Autofahrer. Aber an die traut sich die Politik nicht ran in der Pendlerstadt Frankfurt.
Schon gibt es Warnungen vor den E-Tretrollern, die vor allem Fußgänger vermehrt in Gefahr bringen könnten. Trotzdem will Verkehrsminister Scheuer, dass die Roller auf Gehwegen fahren dürfen. Derweil machen kommunale Verbände Front gegen die Roller. Und in Frankfurt, wo jetzt schon Massen von Leihfahrrädern herumstehen, werden tausende von E-Rollern obendrauf erwartet. Vielfalt ist gut, CO2-Neutralität ist nötig, und wenn die Menschen sich dabei auch noch physisch betätigen: Wunderbar! Aber wie soll das alles in der ohnehin angespannten Verkehrssituation zusammenkommen, ohne dass nicht deutlich mehr Unfälle passieren und Menschen zu Schaden kommen? Das ist Verkehrspolitik ohne Sinn und Verstand.
Leserbriefe
Ursula Langer aus Wiesbaden meint:
„Wer von einem beliebigen Ort in Wiesbaden mit dem ÖPNV irgendwo in Frankfurt reisen möchte, sitzt davon etwa 40 Minuten im Zug und ist mit der „letzten Meile“ebenfalls noch mal jeweils 30 Minuten oder mehr beschäftigt. Denn der ÖPNV (oder auch Fernverkehr) fährt in der Regel von einer Stelle an der man nicht ist, zu einem Ort an dem man nicht sein möchte und zu einer unliebsamen Zeit. Transportmittel mit der Geschwindigkeit zwischen 15 und 20km/h sind in der Lage diese Defizite abzumildern, besonders wenn sie in Bussen oder Bahnen unkompliziert mitgenommen werden können. Um die für die CO² Einsparung erforderliche Verkehrswende ernsthaft voranzubringen, ist für diese Kombination Platz im öffentlichen Raum zu schaffen. Das kann nur auf Kosten des Autoverkehrs gehen, „konventionelle“ Radler und Fußgänger teilen sich bereits zum Teil konfliktreich anderen Platz. Die unterschiedlichen Geschwindigkeiten der einzelnen Gefährte legen das auch nahe: Fußgänger sind in der Regel mit 4km/h unterwegs, Radelnde mit demr dreifachen Tempo. Warum soll diese letzte Meile, die erwähnten 500 Meter (die durchaus auch mehr sein können, wenn der Bus weg ist oder Zubringerstrecken abgekürzt werden können) nicht Spaß machen? Es kann auch Spaß machen, mit mehreren Verkehrsmitteln flexibel unterwegs zu sein. Darum sollte für die neuen E-Roller oder andere umweltfreundliche Verkehrsmittel sicherer Raum geschaffen werden.“
Volker Harms-Ziegler aus Frankfurt:
„Es ist gut, dass der Verkehrsdezernent mit dem Argument, in Frankfurt gebe es keine Erschließungslücken im Nahverkehr, die sinnvolle Verwendung dieser Verkehrsmittel im öffentlichen Verkehrsraum bezweifelt und den Gebrauch reglementieren will. Schon jetzt haben wir täglich Konflikte zwischen Autofahrern und Radfahrern auf der Straße, was in letzter Zeit öfter zu tragischen Unfällen geführt hat. Und dankenswerterweise hat Herr Leclerc im Kommentar auf die Radfahrer hingewiesen, die durch Fahren auf Gehwegen Unfälle provozieren. Elektroroller – egal mit welcher Geschwindigkeit und egal ob auf Straßen oder Bürgersteigen – gefährden nur die Sicherheit anderer Verkehrsteilnehmer. Dass das Fahren mit Elektrorollern den Fahrern Spaß macht, ist in diesem Zusammenhang unwichtig. Daher ist es sinnvoller, die Elektroroller im öffentlichen Verkehrsraum Frankfurts ganz zu verbieten.“
Hans Dietmar Jäger aus Frankfurt:
„Da die Polizei schon mit den Verstößen der KFZ jetzt überfordert ist, was das Parken u.a. vor abgesenkten Bordsteinen, Zebrastreifen und auf Blindenleitstreifen angeht: Was haben falsch abgestellte E-Roller zu befürchten? Bzw. an wen will sich die Polizei wenden? Der Betreiber wird auf den Nutzer verweisen; und den Nutzer bekommt die Polizei nur unter großem Aufwand über den Betreiber heraus. Da kein Kennzeichen vorhanden ist, stelle ich mir die Dokumentation eines solchen Verstoßes noch schwieriger vor als derzeit schon. Aber wer sich immer mehr Regeln gibt, diese aber nicht konsequent einfordert oder einfordern kann, braucht sich auf lange Sicht nicht zu wundern.“
Kann mich an die Zeit erinnern, als die mit Muskelkraft betriebenen Roller auf den Markt kamen. Mir hat es Spaß gemacht, damit zu fahren, außer auf Pflastersteinen.
E-Roller sind eine andere Nummer.
Sie könnten ein Teil der Verkehrswende in den Städten werden, wenn der Raum für Autos auf den Straßen verkleinert wird und es breitere Spuren für Radfahrer und Roller gibt.
So wie Herr Scheuer sich das vorstellt, gibt das Ärger und Verletzte.
Viele Radwege sind zu schmal für Räder und Roller. Hinzu kommt der oft schlechte Zustand der Wege. An manchen Tagen frage ich mich, wo in all diesen Löchern im Belag die Straße ist. Die ersten die auf der Nase liegen werden sind die Rollerfahrer. Gefährden sich selbst wenn sie fallen und die Radler.
Das wird nicht schön.
@ Anna Hartl
Auch als ehemaliger Roller-Fahrer, der einmal längere Zeit mit einem Roller (Heinkel, stärker als Vespa) unterwegs war, kann ich Ihre Bedenken sehr gut nachvollziehen.
Unsere jüngsten Erfahrungen in Vietnam haben uns wieder einen plastischen Eindruck vermittelt: Auf eine Bevölkerung von 90 Mio. Einwohner 50 Mio. Roller und Motorräder.
Es gibt keinen Ort außerhalb des Hauses, wo man sich sicher fühlen kann, auch nicht auf dem Trottoir.
Seltsamerweise haben wir keinen richtigen Unfall erlebt. Die Statistik weist 55 Verkehrstote auf 100.000 Fahrzeuge aus (Deutschland 6,8), Bangla Desh aber zum Vergleich 1020.
Dieser „Erfolg“ wir aber erkauft durch Dauerstress und ganztägigem ohrenbetäubendem Huplärm.
Zu meinen, bei geräuscharmen Elektrorollern werde das ganz anders sein, ist wohl eine Illusion. Wie denn sonst sollen die sich bemerkbar machen?
Meine eigenen Bilder hier zu verlinken ist nicht möglich.
Hier aber als Eindruck ein Foto aus Hanoi von einem Reisebericht auf Google:
https://www.weltwunderer.de/heises-pflaster-hanoi/
Morgen 16:30 ZDF Planet E wie London und Paris mit dem Problem umgehen. Vielleicht setzt sich doch die Vernunft durch. Muss ja nicht in D. sein