Ich fürchte, es wird wieder passieren. Die Überschrift zeigt es schon an. Ja, gleich wird es wieder eine eurozentrische Debatte hier geben, wenn es um muslimische Mode geht und um die Ausstellung „Contemporary Muslim Fashions“ im Frankfurter Museum Angewandte Kunst, die schon im Vorfeld heftig polarisierte. Jetzt ist sie eröffnet, und FR-Redakteur Manuel Almeida Vergara, bekannt aus der Serie „Ich habe Ihnen einen Fummel mitgebracht“ im FR-Wochenendmagazin FR7, hat sie besucht und rezensiert: „Blick auf eine kontroverse Schau“ lautet online die Überschrift seines Artikels. Im Print: „Sieh mich an!“
Worum geht es? Die Ausstellung will zeigen, „wie Musliminnen ihre eigenen modischen Vorstellungen von ‚Modest Fashion‘ umsetzen, und andererseits, wie internationale Modeunternehmen mit eigenen Kreationen auf die zunehmende Nachfrage nicht nur muslimischer Frauen nach ‚dezenten‘, weniger körperbetonten und zugleich modischen Styles reagieren“, heißt es auf der Homepage des MAK. Der Markt ist riesig, die Nachfrage vorhanden, die Vielfalt auch. Es besteht ein Bedürfnis nach „bedeckender Bekleidung“, wie Kollege Almeida Vergara es formuliert. Die Gründe für dieses Bedürfnis können vielfältig sein: „Persönliche Frömmigkeit ist nur einer davon, auch individueller Geschmack oder politisches Statement gehören mittlerweile dazu.“
„Chanel #VII“ aus der Serie „Al-Kouture“
von Wesaam Al-Badry (2018)
Bild: Wesaam Al-Badry /FR-Grafik
Sonderbar eigentlich, dass muslimische Frauen sich dafür erklären sollen, warum sie welche Mode wählen, und dass sie sich gefallen lassen müsen, nach den Gründen dafür gefragt zu werden. Zugleich richten wir dieselbe Strenge nicht gegen uns selbst. Ist ein Business-Anzug nicht auch ein Symbol der Konformität, Ausdruck eines Konformismus, der Zugehörigkeit zu einer Gruppe? Warum tragen Seniorinnen und Senioren allzu häufig dieses hässliche Seniorenbeige? Oder, wenn wir schon gruppenbezogen an die Mode rangehen: die Jogginghose! Selten ist sie schön anzusehen, aber sie wird mit Stolz getragen – vielleicht weil sie dem Betrachter genau jene Verachtung ins Gesicht schleudert, die ihr Träger für ihn empfindet? Niemand regt sich über Business-Anzüge, Seniorenbeige oder Jogginghosen auf. Jedenfalls nicht so wie über Burkas und Niqabs. Dabei geht es in der Ausstellung gar nicht mal ausschließlich um Komplettbedeckung.
Trotzdem: Das Bild von Al-Badry oben ist ein Hingucker. Es polarisiert. Wir nehmen als erstes die Vollverschleierung wahr, als zweites erst die kommerzkritische Aussage, obwohl die doch eigentlich viel mehr ins Auge sticht: Chanel auf den Kopf gestellt, Prunk und Glanz im Kontrast zum dunklen Habit – da haben wir so ein politisches Statement. Ist dieses Outfit wirklich das Gefängnis aus religiösen und kulturellen Sitten der islamischen Welt, das wir als erstes darin sehen? Oder sehen wollen, weil es unserem Bild von Muslimas entspricht? Oder könnte sich die Trägerin etwas dabei gedacht und es bewusst gewählt haben?
Zur Einordnung: Wir befinden uns inmitten eines Kulturkampfes zwischen westlicher und islamischer Welt. Diese Kulturen, beide jeweils vielfach gegliedert in nationale, ethnische und Gruppenkulturen, die sich keineswegs untereinander grün sind, prallen in Europa aufeinander in verschiedenen Fraktionen von muslimischen Migranten auf der einen Seite. Diese Gruppen haben ihre Lebenswirklichkeit – dazu gehören Religion und Kultur – natürlich mitgebracht. Daneben gibt es Muslime, die schon länger hier leben und sich unterschiedlich weit in die Aufnahmegesellschaft integriert haben. Auf der anderen Seite stehen „wir“. Dieses „Wir“ entsteht erst durch die Anwesenheit der anderen, und es ist natürlich keineswegs so homogen, wie es behauptet wird. Und, paradox, aber wahr: Es gibt „Überläufer“, säkulare Muslime einerseits, Konvertiten und sogar Islamisten andererseits. Es handelt sich im Vergleich zur Masse der Großgruppen um Einzelfälle, doch umso schärfer werden sie für ihre Werte-Entscheidung von der jeweiligen anderen Seite angegriffen. Seyran Ateş etwa von konservativen Muslimen, Nora Illi (sie saß vollverschleiert bei Anne Will) von liberalen Westlern.
Zugleich wird dieser Kulturkampf aber auch in den islamischen Ländern ausgetragen, sogar gewaltsam, durch einen übergriffigen Westen, der unterstellt, dass seine Werte, etwa die Menschenrechte, universell seien, also auch für die islamischen Kulturen gälten. Im nächsten Atemzug demaskiert der Westen sich selbst, indem er diese Werte durch Drohnenattacken, herbeigeredete Feldzüge und andere postkoloniale Einmischungen in den Dreck tritt, sobald es um Macht und Einfluss geht.
Obwohl auch in vielen westlichen Ländern Frauen immer noch nicht vollständig gleichberechtigt sind, werden gerade die Rechte der Frauen in diesem Kulturkampf herangezogen, um damit gegen „den Islam“ zu argumentieren. Nicht die Männer stehen im Fokus der Kritik, welche immerhin die ausführenden Werkzeuge dieser patriarchalen Kulturtaktiken sind, sondern die Frauen, die das mitmachen. In den Herkunftsländern der Migranten sind Frauen häufig weitgehend entrechtet. Darum ist eine Ausstellung über muslimische Mode für Frauen bei uns ein Politikum: Es geht um unser Bild von der muslimischen Frau im Kulturkampf zwischen Islam und Westen. Die Mode wird dabei zum Werkzeug der Frauen.
Diese Stellvertreterdebatte verrät uns etwas – über uns: Wir sind Besserwisser! Ich nehme mich selbst dabei keineswegs aus. Die Ausstellung „Contemporary Muslims Fashions“ wird – zum Beispiel durch „Terre des Femmes“ – zum Rundumschlag im Kulturkampf genutzt. Inge Bell, die deutsche Vorsitzende des Vereins, sagte nach einem Bericht der Vogue, dass die Ausstellung ein „Schlag ins Gesicht von Mädchen und Frauen weltweit“ sei, „die das Kopftuch nicht tragen wollen oder es ablegen möchten“. Auch andere Aktivistinnen missverstehen die Ausstellung als „Werbung für Bekleidungsvorschriften“. Ja, formal bleiben die Kleider wohl größtenteils konform mit den strengen Gesetzen etwa im Iran oder in Saudi-Arabien – sieht man von Farben und Materialien ab. Mit Modellen wie dem oben gezeigten kann sich in diesen Ländern keine Frau auf der Straße blicken lassen. Erst recht nicht, wenn man weiß, dass Al-Badrys Niqabs aus seidenen Schals von Gucci, Chanel oder Fendi genäht sind. Ist das subversiv?
Wir sind Besserwisser. Wir glauben zu wissen, was für muslimische Frauen richtig und gut ist. Gleichzeitig fordern wir von ihnen Selbstbewusstsein. Dabei zeigen manche es schon. Allerdings nicht so, wie wir es uns wünschen oder wie wir es uns vielleicht vorgestellt hätten. Auch Feministinnen scheitern hier. Wir verstehen nicht, dass ein einfaches Kopftuch, das – jetzt erst recht! – aus Trotz gegen unseren Kulturimperialismus umgewickelt wird, ein politisches Statement sein kann, das eben dieses Selbstbewusstsein ausdrückt, nicht Unterdrückung. Es kann! Es muss nicht! Wir behaupten aber, dass alle muslimischen Frauen unterdrückt seien, wofür Kopftuch und Niqab bzw. Burka der weithin sichtbare Beweis seien. Wir irren uns: So pauschal formuliert, stimmt das Verdikt nicht. Wir müssen genauer hinsehen. Genau das will die Schau im MAK, die uns viele selbstbewusste muslimische Frauen und ihre Werke vorführt, welche „nicht die Aufmerksamkeit jener Kritikerinnen und Kritiker brauchen, die ihnen verlässlich die Opferrolle zuschreiben“, schreibt Kollege Almeida Vergara. Blicken wir durch sie auf uns!
Leserbriefe
Christina Eretier aus Kelkheim meint:
„Als ich das Foto auf Seite 32 der FR vom 6.4. sah in Kombination mit dem Titel „Sieh mich an“, hielt ich es für eine Satire, statt einer jungen Frau (?) sah ich nur Chanel. Ich musste schmunzeln, aber als ich den Text las, verging mir das Schmunzeln.
Schon bei Kästner heißt es, dass besonders Großes immer besonders wahrgenommen wird, auch besonders große Dummheit!
Sich mit so einem Niqab, wie Sie ihn zeigen, zu verschleiern, setzt der weiblichen Dummheit, sich als lebendige Werbefläche missbrauchen zu lassen, die Krone auf, es sei denn, Sie interpretieren in diesen Niqab ein politisches Statement hinein à la: „Wir haben auch ein Recht darauf, eine Werbefläche zu sein!“ Dass islamische Frauen die Dummheit westlicher Frauen in Bezug auf überflüssigen Modefirlefanz übernehmen, macht sie leider auch nicht weniger dumm.
Wenn schon islamische Mode gezeigt wird, wäre es schön gewesen, ein emanzipiertes Vorbild islamischer Frauenmode von Frauen für Frauen vorgestellt zu bekommen, um altfeministischen, überkommenen Gedankenwelten mal so richtig den emanzipierten Stinkefinger zu zeigen und islamischen Machos wie alten weißen Männer zu zeigen, wo die moderne, islamische Frau hin will mit ihrer ureigenen Aussagekraft, ihrer Spiritualität, religiösen Unabhängigkeit und ihrer grundanständigen Haltung, die wir westlichen Schwestern im Hängerchen oder Bikini, dazu noch mit offenen Haar und unbedecktem Gesicht, offensichtlich missen lassen. Damit hätten sie mal so richtig die Nasen vorn gehabt! Schade eigentlich!
Schön, tröstlich und verbindend ist, dass wir Frauen sämtlicher Kulturkreise alle von denselben Modeschöpferinnen und internationalen Labels bedient werden, die nichts anderes im Sinn haben, als unsere Persönlichkeit, unsere weiblichen Alleinstellungsmerkmale und unsere geistig-moralische Haltung aufs vorteilhafteste nach außen zu bringen und für die Öffentlichkeit sichtbar zu machen. Danke dafür!“
Walter Unger aus Maintal:
„Zwei Artikel hätten eigentlich nebeneinander gehört: Die Hommage an Mary Quant und die ihr gewidmete Ausstellung in London in der FR vom 5.4.2019 und die Besprechung der Frankfurter Ausstellung „Contemporary Muslim Fashions“ in der Samstagsausgabe der FR.
Zunächst zum Minirock. In dieser Ausstellung geht es – so die Besprechung – „um sehr viel mehr als das Stück Stoff“, nämlich um „Freiheit und Lust. Um Spaß, Hoffnung und Revolution. Und vor allem um Frauen, die sich emanzipierten, ein neues Selbstbewusstsein endeckten“. Der Minirock war – so heißt es weiter „Symbol des Triumphs der Jugend, der Freiheit, der Lust und Freude über den Mief des Establishments“.
Ganz anders die Ausstellung im Frankfurter Museum für Angewandte Kunst. Zwar meint der Autor dieser Besprechung – Manuel Almeida Vergara –, die Kritik an der Ausstellung sei Ausdruck eines überholten Altfeminismus. Die Ausstellung entfalte dort ihre Stärke, „wo sie die Lebensrealität vieler muslimischer Frauen dokumentiert, die sich heute aus verschiedenen Gründen für eine bedeckende Kleidung entscheiden“. Persönliche Frömmigkeit sei nur eine davon, „auch individueller Geschmack oder politisches Statement“ gehörten mittlerweile dazu.
Da verkennt der Autor wohl doch einen entscheidenden Punkt: In den Ländern, in denen die in der Ausstellung gezeigten Kleidungsstücke getragen werden, schreiben der Staat oder die religiösen Führer vor, wie sich Frauen zu kleiden haben. Selbst der Koran ist da eigentlich liberaler – er verlangt in Sure 24 Vers 31 nur vor, dass die gläubigen Frauen „ihre Reize nicht zur Schau stellen sollen außer was (anständigerweise) sichtbar ist“ (zitiert nach der Übersetzung von Max Henning – em-Buch e.K., vertrieben in deutschen Moscheegemeinden, z.B. in Köln).
Aber das wird dann vielerorts sehr restriktiv verstanden – vom Kopftuch bis zur Ganzkörperverschleierung. Frauen, die sich an die jeweils verordnete Kleidung nicht halten, werden bestraft. Nicht allen Frauen ist die euphemistisch als „Modest Fashion“ bezeichnete Kleidung ein persönliches und/oder religiöses Bedürfnis. Auf einer kürzlichen Reise in den Iran konnten wir erleben, wie jüngere städtische Frauen die Grenzen des staatlich und religiös Erlaubten ausreizten, das staatlich verordnete Kopftuch fast ganz in den Nacken schoben, enge Jeans oder fast durchsichtige Umhänge trugen. Und wir wurden des Öfteren darauf angesprochen, was wir von den Kleidungsvorschriften hielten, wobei die Gesprächspartnerinnen davon wenig begeistert erschienen.
Die von Mary Quant populär gemachten Mode war Ausdruck des Aufbegehrens gegen eine altbackene konservative Gesellschaft. Dagegen zeigen die im Museum für Angewandte Kunst ausgestellten Kleidungsstücke, wie Modeschöpfer und Frauen in islamisch geprägten Gemeinschaften mit viel Kreativität das Beste aus den für Frauen geltenden Bekleidungsvorschriften machen. Aber der dahinter stehende staatliche oder religiöse Zwang wird dabei ignoriert.
Eine Gefängniszelle wird sicherlich dadurch schöner und fast wohnlich, wenn Bilder an der Wand hängen und ein Tisch mit bequemen Stühlen zur Verfügung steht. Aber es bleibt eine Gefängniszelle.“
Paul Pfeffer aus Kelkheim:
„Der Artikel und das Foto auf der Seite 32 der FR vom 6.4. haben mich fasziniert und inspiriert. Nie vorher sind mir die Vorzüge der muslimischen Mode, speziell des Niqab, so einfühlsam und überzeugend vor Augen geführt worden. Die interkulturelle Zusammenarbeit von orthodoxem Islam und westlichem Kapitalismus auf dem Gebiet der Haute Couture könnte der Anfang einer wunderbaren Freundschaft zwischen den Kulturen sein.
Das Foto der (jungen?) Frau im Niqab hat mich im Innersten berührt. So sollten sich in Zukunft alle anständigen Frauen verkleiden! Wozu Gesicht zeigen? Das lenkt nur von den inneren Werten und vom Markennamen ab! Eine besondere Pointe ist, dass dort, wo normalerweise ein Frauenmund zu sehen ist, wie eine goldene Maulschließe der Name der Firma Chanel
prangt. Großartiger Einfall!
Ich möchte diesen Niqab von Chanel unbedingt haben! Ich bin selber eine eher kleine, hässliche (aber anständige!) Frau und habe mein ganzes Leben lang darunter gelitten. Jetzt sehe ich endlich eine Möglichkeit, diesen Makel hinter mir zu lassen. Der Niqab ist die Lösung! Übrigens auch für meine Nikotinabhängigkeit. Mit dem Niqab könnte ich mir die Raucherei (zwei Schachteln pro Tag!) endlich abgewöhnen.
Der Chanel-Niqab ist wahrscheinlich sehr teuer. Zu teuer für mich? Wäre es eventuell möglich, dass mir Chanel eine Vergütung dafür zukommen lässt, dass ich als Werbefläche für die Firma herumlaufe? Ich habe nur eine schmale Rente und kann das Geld gut brauchen.
Mit den besten Grüßen und der Hoffnung auf Ihre Hilfe bleibe ich mit einem dreifach kräftigen ‚Niqab für alle!'“
Uwe Thoms aus Frankfurt:
Es ist schon erstaunlich, was die Modewelt alles hervorbringen kann. Man schaue bitte in die islamisch beherrschten Länder. Dort gibt es wahrscheinlich keine einzige Frau, die eine solch „farbenprächtige“ Kleidung sich zu tragen wagt. Zeitweise findet man jetzt leicht farbig besetzte Kopftücher mit minimalem Durchblick auf eine Haarsträhne (Hoffentlich ist kein Schariapolizist in der Nähe!). Eine „facettenreiche muslimische Mode“ kann sich also allenfalls in demokratischen Ländern eine Geltung verschaffen, wo sich eine gewisse Liberalisierung einzelner muslimischer Gruppen durchgesetzt hat. Ein Lichtschimmer am Horizont ist das noch lange nicht.
Für die etablierten Modeschöpfer und deren Industrie ist das alles nur „ein Geschäft“. Für diese ist die Verhüllung der Frau ein Modegag und erfüllt angeblich den Anspruch einer absoluten Freiheit. Für mich eine Verfälschung der Realität der islamischen Religion, was mir Angst macht.
Wir haben immer noch nicht begriffen, dass die Verhüllung der Frau einschließlich des Kopftuchs immer noch eine Waffe darstellt (Seyran Ates), die auch als solche benutzt wird. Eine Waffe zur Erlangung religiöser und politischer Macht in Europa. Die pure Akzeptanz der Verhüllung der Frau in unseren Ländern führt zwangsläufig zu einer normativen Kraft des Faktischen. Übrigens: Das Bild auf Seite 32 (samstags) zeigt, wie die Frau gesehen wird: in Ketten. Chanel soll sich schämen. Honi soit qui mal y pense.“
Brigitte Ernst aus Frankfurt:
„Ein höchst ärgerlicher Artikel. Nicht, weil er sich positiv über die Ausstellung „Contemporary Muslim Fashions“ im Museum für Angewandte Kunst äußert – das ist sein gutes Recht – sondern weil er gegensätzliche Positionen auf inakzeptable Weise abqualifiziert.
Das Verhüllungsgebot im Islam und der Umgang damit ist ein hochkomplexes Thema, doch Manuel Almeida Vergara tut so. als sei bereits die Diskussion, die durch die Ausstellung angeregt wurde, per se verwerflich.
„All white girls, I guess“, zitiert er eine indische Journalistin, als sie auf die Kritik an der Ausstellung angesprochen wird. Soll das heißen, Weiße haben weder die Kompetenz noch das Recht, sich zu einem Thema, das die Frauenrechte weltweit betrifft, zu äußern? Das grenzt ja schon an Rassismus!
In sehr selektiver Weise reduziert der Autor die Kritiker*innen der Ausstellung auf „politische Akteure des rechten Spektrums“ und „Fürsprecherinnen eines überholten Altfeminismus“. Die kritischen Stimmen von liberal-muslimischer Seite, von Lale Acgün, Abdel-Hakim Ourghi, Seyran Ates sowie der Gruppe „Migrantinnen für Säkularität und Selbstbestimmung“, um nur einige zu nennen, unterschlägt er geflissentlich. Das ist unredlich.
Der Vorwurf des angeblich kolonialistischen Eurozentrismus, von dem die Kritik an der Ausstellung dominiert werde, erübrigt sich nämlich mit Blick auf die algerische Abstammung des Islamwissenschaftlers Ourghi und die Migrantinnengruppe, die von aus dem Iran geflüchteten Frauen gegründet wurde. Die scheinen Almeida Vergaras Ansicht, dass „in einer freien Gesellschaft…kein Platz“ sei „für Stimmen, die die Mündigkeit muslimischer Frauen infrage stellen…“, nicht zu teilen. Ganz im Gegenteil, in ihrem offenen Brief an den Kurator der Ausstellung empören sie sich darüber, dass ausgerechnet in Frankfurt, der „Wiege der deutschen Bürgerrechte“, dazu noch im Jubiläumsjahr des Frauenwahlrechts, in einer solchen Ausstellung der Zwangscharakter der fundamentalistischen Bekleidungsvorschriften kaum Erwähnung finde und stattdessen die Verhüllung als reiner Modetrend verharmlost werde.“
Es geht nicht um Mode. Es geht um die Deutungshoheit bei gesellschaftlichen Vorgängen. Und es ist ein politischer Kampf, der sich bevorzugt, wenn auch nicht ausschließlich, religiöser Symbole bedient. Im Kern geht es um die Herrschaft über Menschen. Diese Auseinandersetzungen greifen selbst in privateste Bereiche ein.
Bronskis Stichworte „Business Anzug“, „Seniorenbeige“ und „Jogginghose“ sind gute Beispiele für Kleiderordnungen, die auf Unterordnung und Anpassung abzielen. Die jungdynamischen Steigbügelhalter des Kapitalismus in ihren Business-Uniformen, die angepassten Arbeitnehmer, die sich in so genannte Freizeitmode zwängen und Senioren, die durch geschmacklose Outfits unfreiwillig ihre Friedhofsreife zur Schau stellen (sollen). Diese Ordnung beginnt im Kopf und deswegen lässt sie sich nur durch einen Bewusstseinsprozess verändern, keinesfalls aber durch Farben und Schnitte und erst recht nicht durch ein kleines Nein zum großen Ja.
Die Diskussion um die äußeren Etiketten in einer formierten Gesellschaft ist nicht neu und sie wird seit dem Aufbruch der 68er, also seit mehr als fünfzig Jahren, überaus kontrovers geführt. Mir persönlich ist sie beispielsweise in den Schriften von Herbert Marcuse („Der eindimensionale Mensch“, „Versuch über die Befreiung“) und Robert Paul Wolf („Jenseits der Toleranz“) begegnet. Die Generation, die in den 1950er und 1960er Jahren heranwuchs, musste sich nicht zuletzt gegen Verhaltensnormen wehren, die von den christlichen Staats-Kirchen im Verbund mit der CDU aufgestellt worden waren. Mit langen Haaren, Bärten, dem Tragen von Jeans auch bei „offiziellen Anlässen“ oder Miniröcken unterschieden wir uns deutlich vom Dress-Code der Autoritäten und stellen deren Moral infrage.
Und darin liegt auch der wesentliche Unterschied zu jener synthetischen Mode, welche die Ausstellung „Contemporary Muslim Fashions“ dem Publikum nahebringen will und deren Vielfalt sich auf Nebensächliches beschränkt. Denn sämtliche Exponate orientieren sich an Verhaltensmaßregeln für Frauen, die vom orthodoxen Islam aufgestellt werden. Jede Designerin hat eine religiöse Zustimmung abgegeben, die ihre Kreativität spürbar einschränkt. So wie Meriem Lebdiri. Die Kreativdirektorin des muslimischen Modelabels Mizaan in Mannheim, begann nach ihrem eigenen Bekunden im Alter von elf Jahren und – wie sie besonders betont – aus freien Stücken, ein Kopftuch zu tragen. Das sei der Ausgangspunkt ihres sich bald darauf entwickelten Interesses für eine Mode gewesen, die sich an islamischen Traditionen orientiert. Eine bemerkenswert naive Sicht. Denn die islamische Tradition wird von Männern bestimmt. Genauso wie die katholische, die christlich-orthodoxe und die der Evangelikalen.
Deswegen steht nicht der Islam als solcher in der Kritik – in Deutschland gibt es bekanntlich auch kleinere liberale und säkulare Fraktionen, die bezeichnenderweise in den Meinungsbildungsprozess der Aussteller nicht einbezogen wurden. Vielmehr geht es darum, dass die Ausstellung im Frankfurter Museum für Angewandte Kunst zu den zahlreichen Versuchen des politischen Islams zählt, auch in anderen Kulturkreisen gesellschaftsfähig zu werden. Missionieren will man lediglich unter Migranten. Aber Kopftuch, Niqab, Burka und Burkini sollen zur Normalität werden. Mit erwünschten Nebenwirkungen auf die Gesamtgesellschaft. Beispielsweise der Akzeptanz von reaktionären politischen Systemen (Türkei, Irak, Saudi-Arabien etc.).
Wenn diese Zusammenhänge nicht ins Zentrum einer umfassenden Diskurses gerückt werden, überlässt man die Debatte weiterhin den Rechten. Diese werden die notwendige Kritik an einer sich nicht selbst reflektierenden Religion durch die Propagierung von Nationalismus und Rassismus ersetzen.
Vielen Dank für diesen sensiblen, kulturempathischen und selbstkritischen Artikel. Das ist der Versuch, mit einer anderen Perspektive auf Muslimas zu schauen. Wie wir uns anziehen, ist nicht bedeutungslos. Das wissen wir auch. Wir haben unseren Willen. Normalerweise wird das nicht zur Kenntnis genommen. Das vertieft den kulturellen Riss. Auch die Ausstellung in Frankfurt wird von allen Seiten gleich für diese Zwecke vereinnahmt. Es geht um Mode in einem Spannungsfeld von Tradition, Religion und Selbstbehauptung. Der dritte Aspekt wird normalerweise in Ihrem Kulturkreis nicht wahrgenommen. In diesem Artikel und auch in dem von Manuel Almeida Vergara ist das ausnahmsweise einmal anders. Darüber freue ich mich und bedanke mich.
@Bronski
Das Foto zeigt wohl eine Frau in Vollverschleierung mit einer nicht zu übersehenden Kreation von Chanel um den Kopf, die nur die Augen frei lässt.
Das, was es mir sagen soll, verstehe ich nicht.
Was es auslöst ist, kein Kontakt. Ein Gespräch lebt und wird belebt auch durch die Mimik des Gegenüber. Hier kann ich mich nur mit einem auffallenden Tuch unterhalten. Vielen Dank, kein Interesse.
Dabei spielt weder die Politik noch die Religion eine Rolle. Es geht um die Art und Weise, wie Menschen in diesem Kulturraum Kontakt miteinander aufnehmen, ins Gespräch und in Berührung miteinander kommen. Diese Form des Kontaktes wird hier unterbunden.
Ich verstehe die ganze Aufregung die diese Ausstellung auslöst nicht!
Es ist ja nicht so, dass die Vollverschleierung durch diese Ausstellung neu erfunden wird. Der Hauch auf modern getrimmt ändert doch nichts an der Barrikade die diese Bekleidung darstellt.
„Der Niqab entstammt ursprünglich der Beduinenkultur auf der Arabischen Halbinsel. Dort wurden schon in vorislamischer Zeit von Frauen und Männern Tücher verwendet, um Körper und Gesicht gegen Sonne, Sand, und Insekten zu schützen.“ (Wikipedia) Das scheint mir wirklich zunächst sehr einleuchtend für diese Art der Gesichtsbekleidung. Was sich später daraus entwickelt hat, lasse ich jetzt mal außen vor. Auf dem hier vorgestellten Foto habe ich zunächst nur zwei schöne Augen gesehen. Das war mein erster Eindruck. Die Aufschriften von Chanel habe ich gar nicht sofort gesehen, die Farben des Stoffes wirkten freundlich auf mich, ein angenehmer Gesamteindruck. Wäre dieses Foto ein Gemälde aus einer anderen Welt, das man mir als unbefangenem jungen Menschen gezeigt hätte, dann hätte ich gesagt, ja, das Bild zeigt eine geheimnisvolle Frau mit schönen Augen, von der ich mehr wissen möchte. Sie hat vielleicht was zu erzählen.
Heute habe ich diese Unbefangenheit verloren, was ich sehr schade finde.
@ Bronski
Eine Passage in Ihrer Einleitung zu diesem Thread irritiert mich:
„Zugleich wird dieser Kulturkampf aber auch in den islamischen Ländern ausgetragen, sogar gewaltsam durch einen übergriffigen Westen, der unterstellt, dass seine Werte, etwa die Menschenrechte, universell seien, also auch für die islamischen Kulturen gälten.“
Das klingt ja so, als hinterfragten Sie die Allgemeingültigkeit der Menschenrechte. Meinen Sie das ernst? Dabei vergessen Sie wahrscheinlich, dass die Charta der Vereinten Nationen, in deren Präambel bereits die Gleichberechtigung von Mann und Frau festgeschrieben ist, mittlerweile von 193 Staaten dieser Erde unterzeichnet wurde. Und dass zu den 50 Gründerstaaten, die diese Charta erarbeitet und bereits 1945 unterzeichnet haben, Staaten wie Saudi Arabien, Iran, Iran, Syrien und Ägypten, aber auch China, Äthiopien, Indien und Mexiko gehörten. Von Eurozentrismus kann man da wohl kaum sprechen. Das waren nur andere Zeiten, bevor der vielfältige Islamismus mit seiner rückschrittlichen Ideologie die islamische Welt rückeroberte.
Liebe Frau Ernst,
ich werde hier nicht mitdiskutieren. Daher spiele ich den Ball an Sie zurück. Versuchen Sie mal, das Handeln des Westens und die Konsistenz seiner Werte konsequent von außen zu sehen, aus einem anderen Kulturkreis, z.B. dem islamischen.
@Brigitte Ernst:
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Kairoer_Erklärung_der_Menschenrechte_im_Islam
Diese Erklärung der Menschenrechte im Islam existiert parallel.
Daran könnete sich die Diskussion anschließen, inwieweit diese Ansicht der Menschenrechte mit unserem Grundgesetz kompatibel ist.
@ Deutscher Michel
War ja klar, dass dieser Link kommt. Das konnten Sie sich nicht verkneifen, nicht wahr? Ist Ihnen aufgefallen, dass ich die umgekehrte Perspektive zum Thema gemacht habe? Nicht wir blicken auf „den Islam“, sondern er auf uns. Versuchen Sie das mal. Halten Sie sich den Spiegel vor. Es ist nicht unbedingt schön, was da zu sehen ist. Genau das tut nämlich die Ausstellung im MAK.
@ Bronski
Ich muss vorausschicken, dass ich zwischen Werten bzw. Zielen und dem, was von Menschen realiter umgesetzt wird/werden kann, unterscheide. Dann schaue ich mir verschiedene von unterschiedlichen Kulturen bzw. Religionen aufgestellte Moralkodizes an und behalte dabei immer im Hinterkopf, dass, so wie die Menschen nun einmal beschaffen sind mit ihrer Gier und ihrem Machtstreben, damit zu rechnen ist, dass nur ein Teil dieser idealen Ziele erreicht wird, dass der Fortschritt langsam vonstatten geht und es immer wieder Rückschläge gibt. Trotzdem muss meiner Ansicht nach eine Utopie erhalten bleiben, auf die man hinarbeiten kann (z.B. die Verwirklichung der Menschenrechte), sonst würde man die Hoffnung auf jegliche Veränderung aufgeben.
Zweitens schaue ich mir die konkreten Werte und Normen an, die in verschiedenen Kulturen gültig sind und vergleiche sie miteinander, sowohl was die Inhalte angeht, als auch, was die bisherige Umsetzung anbetrifft.
Wenn ich mir jetzt die Gleichberechtigung von Mann und Frau – um die geht es in diesem Thread ja vor allem – ansehe, so stelle ich fest, dass diese im Westen weitgehend als Wert festgeschrieben ist. Es gibt Ausnahmen, z.B. in der katholischen Kirche, die Frauen von Priesteramt ausschließt. Auch ist die Gleichberechtigung de facto im säkularen Bereich noch nicht vollständig umgesetzt.
In vielen Richtungen der muslimische Religion und Kultur muss ich dagegen feststellen, dass die Frau im Wertekanon nicht als gleichberechtigt angesehen wird und dass folglich in den so geprägten Gesellschaften ihre Situation, verglichen mit der westlicher Frauen, erheblich rechtloser ist und dass sie unter der Vorherrschaft des Mannes ungleich stärker leidet. Das fällt muslimischen Neuankömmlingen ja auch gleich auf. Oft drücken sie ungläubiges Erstaunen aus über die Rechte, die Frauen hier zugestanden werden.
Auf diesem Gebiet würde ich als Frau den westlichen Werten und deren realer Umsetzung auf jeden Fall den Vorzug geben. Es sei denn, ich wäre so erzogen worden, dass ich die objektiven Vorteile für mein Geschlecht nicht wahrnehmen dürfte, und hätte mich von der Bevormundung des unterdrückerischen Systems nicht befreit.
Was die Diskrepanz zwischen dem theoretischen Bekenntnis zum Frieden und der realen Eroberungpolitik und Kriegführing anbetrifft, so stehen sich muslimische Welt und der Westen meiner Ansicht nach in nichts nach. Auch der Islam wurde ebenso wie das Christentum mit Feuer und Schwert verbreitet, es gab Kolonialismus sowie Unterdrückung und Ausbeutung der eigenen Bevölkerung, heute stärker im muslimischen Kulturkreis als im westlichen.
Die Ablehnung der westlichen Kultur seitens vieler Muslime gründet sich vielleicht gerade auf einem mehr oder weniger bewussten Unterlegenheitsgefühl, auf der Wahrnehmung, dass die muslimische Kultur, die jahrhundertelang führend war auf kulturellem und wissenschaftlichem Gebiet, ins Hintertreffen geraten ist und erheblich an politischer Macht verloren hat. Und wer fühlt sich schon gern unterlegen oder gar als Opfer? Da muss man gegenhalten und sich als besonders selbstbewusst und überlegen präsentieren und sich möglichst von der Kultur, die am eigenen Selbstwertgefühl kratzt, absetzen.
@ Bronski
Ich verstehe nicht, warum Sie so genervt auf den Beitrag des deutschen Michel reagieren. Er bestätigt doch nur das, wofür Sie in ihrer Einleitung Verständnis geäußert haben: dass nämlich ein Teil der heutigen muslimischen Gesellschaften die 1945 auch von muslimischen Staaten unterzeichnete Charta der Menschenrechte heute nicht mehr anerkennen. Tut mir leid, ich kann mich in die Situation von Frauen, die das befürworten, nicht hineinversetzen, und viele muslimische Frauen, besonders im Iran, werden mir da recht geben.
@Bronski:
Zunächst habe ich mich auf den Beitrag von Frau Ernst bezüglich der Universalität der Menschenrechte bezogen.
Im Übrigen stelle ich mir sehr wohl vor, wie unsere Gesellschaft gesehen wird bzw. gesehen werden kann.
@ Bronski
Ich gebe Ihnen gern diesen Blick auf den Westen. Bei uns wird der Westen als Ausgeburt von Doppelmoral verachtet. Der Westen ist stark darin, von Menschenrechten und Demokratie zu reden, wenn ihm danach ist. Zum Beispiel am Sonntag macht er das. Wenn er lieber Geschäfte machen will, wirft er seine Werte ganz schnell über den Zaun. Dann ist es ganz egal, ob Raif Badawi ausgepeitscht wird und ins Gefängnis kommt. Das ist nicht erst heute so bei den Rüstungsgeschäften mit Saudi-Arabien, sondern schon immer. Der Westen hat auch mit Diktatoren wie Gaddafi gute Geschäfte gemacht, sogar mit Saddam, und bei Al-Sisi ist er auch schon wieder dabei, obwohl die ägyptischen Gefängnisse noch nie so voll waren. Ich glaube, dass es dem Westen sogar gefällt, dass Ägypten wieder einen Diktator hat. Besser jedenfalls als die demokratisch gewählte Regierung der Muslimbruderschaft. Aber Demokratie predigen.
Dieselbe Doppelmoral zeigt der Westen, wenn es um Terroristen geht. Er rüstet sie aus, wenn er sich davon verspricht, dass sie für ihn die Sowjets oder Assad bekämpfen. Dann sind sie Verbündete, keine Terroristen. Echte Verbündete wie die syrischen und irakischen Kurden lässt er bei erster Gelegenheit im Stich. Er benutzt sie, solange sie ihm nützlich sind. Gleich danach sind sie ihm egal. Der Westen springt mit der islamischen Welt um, wie es ihm passt. Dabei geht es nur um Macht und Strategie. Werte?
Am deutlichsten zeigt sich das am Beispiel Israel. Die USA haben etliche UN-Resolutionen mit Veto verhindert, in denen israelisches Unrecht verurteilt werden sollte. Die Schutzmacht USA deckt alles, was Israel tut. Darum leben Millionen von Palästinensern bis heute in Flüchtlingslagern und haben keine Perspektive. Ich bin mir sicher, dass Netanjahus Pläne zur Annektion der Siedlungen im Westjordanland mit Trump abgesprochen sind. Dass es sich um Grundbesitz der Palästinenser handelt, interessiert im Westen niemanden, der Einfluss hat. Für die Bundesrepublik ist das Existenzrecht Israels Staatsräson. Dafür verschließt Deutschland beide Augen vor dem Unrecht, das Israel verübt, und hält sich die Ohren und den Mund zu.
Irakkrieg, Drohnenkrieg, die Geschäfte mit den Saudis sind das eine. Die schönen Worte über Menschenrechte sind das andere. Diese Verlogenheit empört uns, und wir ballen die Fäuste in den Taschen vor Wut über Euch. Nicht wenige von uns verachten Euch sogar. Die Wut richtet sich vor allem gegen die USA. Deutschlands Ruf ist besser. Aber auch Deutschland verkauft den Saudis Waffen und gibt den Israelis U-Boote. Insgesamt ist das Bild des Westens in der islamischen Welt katastrophal. Keine Moral, Geld ist der Kompass. Würdet Ihr von jemandem, der sich so verhält, Ratschläge annehmen, wie Ihr zu leben habt?
Behaltet Eure Denkweisen über Gleichberechtigung für Euch. Setzt sie erst mal bei Euch um, bevor Ihr uns damit ankommt, und belästigt uns nicht damit. Ich persönlich trage Kopftuch aus Überzeugung, nicht aus religiösen Gründen. Mein Kopftuch ist eine politische Botschaft. Damit will ich sagen: Ich gehöre nicht zu diesem verlogenen, verachtenswerten Westen. Das ist keine Gesellschaft, mit der ich in einen Topf geworfen werden will.
@ Brigitte Ernst
Genervt? Sie haben mich nicht lachen hören.
@ Gemma
„Ich gehöre nicht zu diesem verlogenen, veachtenswerten Westen. Das ist keine Gesellschaft, mit der ich in einen Topf geworfen werden möchte.“
Dann gehe ich davon aus, dass Sie lieber in einem muslimischen Land leben möchten, in dem Sie niemand mit Gleichberechtigung belästigt. Wie wäre es mit Afghanistan oder Saudi-Arabien?
Ich gebe niemandem Ratschläge, der sie nicht hören möchte. Ich vertraue auf Frauen wie Seyran Ates und die Gruppe „Migrantinnen für Säkularität und Selbstbestimmung“. Menschen, die die Vorteile, die sie hier genießen, nicht zu schätzen wissen, möchte ich nicht zumuten, mit mir in einem so verachteten Land zu leben.
@ Gemma
Ich wüsste auch gerne von Ihnen, welche Werte denn in den muslimischen Ländern, zu deren Gemeinschaft Sie sich offenbar mit Ihrem „Wir“ als zugehörig bekennen, als erstrebenswert gelten, tatsächlich gelebt und in den staatlichen Systemen umgesetzt werden.
@Genna:
Danke für die Klarheit.
Was Israel bzw. die palästinensischen Flüchtlingslager angeht, möchte ich ihnen insofern widersprechen, als dass der arabische Raum groß genug wäre, Palästinenser dort leben zu lassen, zumal es dabei weder große sprachliche noch kulturelle Differenzen geben sollte. Mir kommt es eher so vor, als sollen die Flüchtlingslager einer Daueranklage dienen.
Obwohl ich die Kritik an der tatsächlich häufig zu findenden Doppelmoral im „Westen“ durchaus nachvollziehen kann, bin ich absolut bei Frau Ernst.
Da wir ja zu differenziertem Denken fähig sind, wissen wir, dass es weder „den“ Islam noch „den“ Westen gibt. Dass man die Politik einiger US-amerikanischer Regierungen und einiger ihrer Verbündeten in vielen Punkten kritsieren kann, ist unbestritten. Diese aber so pauschal mit „dem“ Westen über einen Kamm zu scheren, verbietet sich schon deshalb, weil sich nicht alle westlichen Regierungen in gleichem Maße schuldig gemacht haben und größere Teile der Bevölkerungen vieler westlicher Länder immer wieder heftig gegen ihre Regierungen und deren Verbündete protestieren.
Eines wundert mich bei Ihrer Philippika gegen „den“ Westen, liebe Frau Genna: Wieso sparen Sie bei Ihrer Kritik die muslimischen/arabischen Schreckensherrscher aus? Waren sie nicht an den vielen Kriegen beteiligt? Unterdrückt das Mullah-Regime nicht die iranische Bevölkerung? Führt nicht Assad Krieg gegen das eigene Volk und attackiert es mit Giftgas? Sind es nicht die Taliban, die die Bevölkeung in Afghanistan, vor allem die Frauen, drangsalieren? Ist es nicht Erdogan, der gegen die Kurden wütet? Ist al Sisi, der seine Gefängnisse mit Gegnern füllt, ein Amerikaner oder ein Araber? Und ist es nicht Saudi-Arabien, das im Jemen Krieg führt? Warum nur die Helfershelfer an den Pranger stellen und die Haupttäter, weil sie dem eigenen Kulturkreis angehören, von ihrer Verantwortung freisprechen? Der, der die Waffen liefert, ist der Schuldige, aber derjenige, der sie einsetzt, ist nur ein Opfer, oder was?Das nenne ich Doppelmoral.
@Gemma
Whow, endlich Mal ein heruntergelassenes Visier.
Danke, niemand der sich hinter seiner Religion versteckt und seine Argumentation aus dem speist, was er, bzw. sie empfindet.
Dabei übersehen Sie aber, dass vieles von dem was Sie beanstanden, auch den Menschen im Westen auf den Nägeln brennt. Es gibt dutzende Initiativen in Deutschland, die sich gegen die Doppelmoral engagieren.
Was sind denn Ihre moralischen Werte und werden sie in dem Land, dem Sie sich zugehörig fühlen, umgesetzt?
Verachtung ist ein großes Wort, der Hass ist da auch nicht fern und Sie können sicher sein, das ich mich nicht einem Land zugehörig fühlen möchte, in dem man seine politische Meinung auf dem Kopf trägt.
Bloggerin Genna schreibt von der Doppelmoral des Westens, unterstellt aber ausgerechnet der Ausstellung „Contemporary Muslim Fashions“ andere, nämlich ehrenwerte Motive.
Deren ursprünglicher Initiator, Max Hollein, ist nicht für Systemkritik bekannt. Er war es nicht als Direktor der Schirn Kunsthalle und des Städel-Museums in Frankfurt, nicht als Leiter der Fine Arts Museums of San Francisco und er ist es nicht als Chef des Metropolitan Museum of Art in New York. Sein Ziel ist die äußere Wirkung, die seine Ausstellungen erzielen sollen. Vor allem bei Privilegierten, die sich für Kultur (auch finanziell) engagieren, welche die herrschenden Verhältnisse nicht infrage stellt.
Insofern ist die Verschleierung „Chanel # 4“ typisch für diese Art von Kunst- und Museumsverständnis. Das Modell von Wessam Al-Badry wird sich weder die Durchschnittsfrau in muslimischen noch die in säkularen Gesellschaften leisten können. Das Leben der verschleierten jungen Frau, die im benachbarten Supermarkt die Regale einräumt und nach Feierabend von ihrem Mann/Freund abgeholt wird, der sie wie einen Hund ans unsichtbare Halsband nimmt, wird dieses farbenfrohe Textil nicht verändern können. Es bleibt beim schönen Schein, der nicht weiter hinterfragt wird.
Tatsächlich handelt es sich um einen Fall von Doppelverdummung. Verdummung der Frauen, die in den muslimischen Ländern Menschen zweiter Klasse sind. Und Verdummung von Frauen (und Männern) im Westen, die diese „Mode“ für eine genuine Äußerung emanzipierter muslimischer Frauen halten sollen. Obwohl es lediglich um ein Geschäft geht, das auf Abhängigkeit (von Frauen) basiert.
Im Übrigen wundert es mich, dass ausgerechnet die FRANKFURTER RUNDSCHAU so unkritisch mit dieser Zurschaustellung von Unterdrückung umgeht. In regelmäßigen Abständen veröffentlichte sie während der letzten Monate Sonderbeiträge unter dem Titel „Das Jahr der Frauen“. Waren die allesamt nicht so ernst gemeint?
Seit ich politisch denken kann, registriere ich, dass die soziale Entrechtung in muslimisch geprägten Ländern besonders groß ist. Sie betrifft insbesondere Frauen. Wo ist die Clara Zetkin oder die Rosa Luxemburg des Orients? Wo ist das demokratisch-sozialistische Manifest Arabiens? Warum scheitern alle Versuche der Befreiung (von nationalen Oligarchen und ausländischen Kapitalinteressen) an religiösen Traditionen?
Und noch zwei weitere Punkte in Gennas Blog-Beitrag fordern meine Kritik heraus: Was heißt „Grundbesitz von Palästinensern“? Ähnliche Debatten hatten wir von den 1950er bis in die 1970er Jahre mit den aus Ostpreußen, Schlesien und Böhmen Vertriebenen. Ja, sie mussten die Politik des NS-Staates mit dem Verlust ihrer Heimat und ihres Besitzes bezahlen. Aber was wäre die Alternative gewesen? Ein weiterer Krieg, ähnlich dem im Gaza-Streifen, wo eine Herrscher-Clique junge Menschen als Kanonenfutter missbraucht?
Ebenso die Formulierung „Mein Kopftuch ist eine politische Botschaft“. Heißt das, dass sie sich der Symbole jener bedient, deren Macht sie infrage stellt? Das klingt nach Björn Höcke, der einerseits betont, kein Nazi zu sein, sich aber andererseits exakt die Phrasen zu eigen macht, welche zum Wesen der Nationalsozialisten zählten.
„Genna“ zieht hier in ihrer Kommentierung immer wieder heran, wie „der Westen“ -allen voran die USA- in der UNO Entscheidungen gegen Israel blockiert.
Erinnern sollte man sich dabei -und was ist Gennas Meinung dazu und auch zu dem was darauf folgte- dass die UN-Resolution 181 im Mai 1948 das israelische Siedlungsgebiet aus- und der jüdischen Bevölkerung zuwies. Ebenso die Gebiete für den Teil der dortigen palästinensischen/arabischen Bevölkerung.
Was war die Reaktion der arabischen Länder auf diese UN-Resolution und die anschließende Umsetzung durch die jüdische politische Führung?
Es war unmittelbarer Anlass für diese Länder, den ersten Krieg gegen Israel zu führen, dieser Krieg konnte allerdings von ihnen nicht gewonnen werden. Wie bekannt endeten auch weitere von arabischer Seite begonnene Kriege gegen Israel nicht damit, das sogenannte Palästinaproblem im Sinne der arabischen Seite zu lösen. Wer erinnert noch den martialischen Ausspruch Gamal Abdel Nassers „wir werden sie im Meer ertränken?“
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Das hier zur Diskussion stehende Thema, die Ausstellung im MAK Frankfurt, wurde meiner Meinung nach durch den Kommentar Gennas verlassen, doch eine Frage stellt sich mir bei dem was sie hier ausbreitet: Wo lebt diese Frau und warum lebt sie dort wo sie lebt?
Für mich ist diese Ausstellung auch ein Vehikel, um für Akzeptanz für etwas zu werben, das in westlichen Gesellschaften zumindest kein Verständnis verdient, es fördert nur Parallelgesellschaften und darüberhinaus ein freiwilliges und bewusstes sich Ausgrenzen. Deshalb empfinde ich den Artikel von Manuel Almeida Vergara ebenfalls als ein Ärgernis.
Trotz aller Kritik der Motive und Hintergründe der Ausstellung und der Schelte versus Gemma, würde ich mir überhaupt wünschen, dass wir den Vorwurf der „Doppelmoral des Westens“ ernster nehmen würden. Vom moralischen Thron, auf dem wir zu sitzen glauben, können wir jederzeit gestürzt werden. Ich bin es auch selbst leid geworden, unseren westlichen Wertekanon vor mich herzutragen, mit diesem eingebauten Überlegenheitsgetue, auch gegenüber der muslimischen Welt.
Der Blick in den eigenen Spiegel hinterlässt doch allzu oft einen sehr faden Beigeschmack.
Das politische Beispiel Israel und die Rolle der USA, aber auch Deutschlands, ist von Gemma durchaus richtig wiedergegeben.
Zur Ausstellung kann ich nicht viel sagen. Ich müsste sie vorher gesehen haben.
Den moralischen Thron, lieber Herr Malyssek sehe ich nicht. Es gibt einige Unumstößlichkeiten, die unsere westlichen Gesellschaften prägen und die mit dem, was in muslimischen Ländern sozialisierte Menschen an Lebensgrundsätzen mit nach Europa bringen, kollidieren. Diese Unterschiede werden zum Teil auch bewusst durch Kleidungsstücke ausgedrückt, Genna bekannte sich ausdrücklich dazu. Deshalb habe ich Probleme, dem eine uneingeschränkte Toleranz entgegen zu bringen. Diese Vorbehalte werden von vielen Menschen geteilt. Darunter sind glücklicherweise auch viele Muslime, an anderer Stelle von Brigitte Ernst bereits erwähnt.
Übrigens hatte dazu auch das bekannte kürzlich verstorbene Multitalent Werner Schneyder eine klare Meinung. Dass eben falsche Toleranz nicht angebracht sei. Beim in der FR erschienenen Nachruf auf Werner Schneyder blieb diese Facette allerdings unerwähnt und ich rätsele noch heute, ob dies nicht bekannt ist/war, oder das Weglassen seiner formulierten Meinung dazu unter das Stichwort Meinungsjournalismus fällt.
Sollte man jetzt Werner Schneyder als xenophon, populistisch oder Islamhasser einstufen?
Und nun zum von Ihnen gebrauchten Begriff Überlegenheitsgetue: Wer teilt denn die Welt in Umma, die Gemeinschaft der Muslime und die Kuffar, die Ungläubigen ein? UNGLÄUBIGE… Es ist für mich ohne Belang als solcher bezeichnet zu werden, aber die von muslimischer Seite zugewiesene Bedeutung dieser Begriffe scheint mir einem Überlegenheitsgetue näher zu kommen, als das was von „unserer Seite“ der muslimischen Welt entgegengebracht wird, ein Blick in den Quran gibt da so manchen Aufschluss.
Ein Blick auf die Webseite von islamiq.de, gestaltet u.a. vom Zentralrat der Muslime in Deutschland und DITIB gibt dort auch ein gutes Beispiel von Doppelmoral. Zu sehen an der dort zu präsentierten Deutschlandkarte, bei der jede Attacke gegen eine Moschee in Deutschland akribisch aufgezeichnet ist – im Grunde genommen jeder Furz, jedoch sucht man einen Hinweis auf Berlin Breitscheidtplatz oder andere Orte an denen islamistisch motivierte Attacken mit Todesopfern geschahen, vergeblich.
…..Die Kommentatorin die hier ihre Meinung zum Thema vertritt nennt sich übrigens Genna…..
Verehrte Frau Genna,
zunächst einmal, was ich an Ihrem Beitrag als positiv empfinde.
Wie schon Frau Hartl sagt: „Niemand, der sich hinter seiner Religion versteckt.“
Vieles, was Sie als „Ausgeburt von Doppelmoral verachten“, wird von manchem in diesem „verachtenswerten Westen“ durchaus ähnlich gesehen, in diesem Blog auch mit mindestens gleicher Schärfe kritisiert.
Aber mit einem entscheidenden Unterschied:
Solche Anklage basiert gerade auf der Überzeugung von „Werten“, von Menschenrechten (die Sie pauschalisierend „dem Westen“ – und damit auch jedem von uns – absprechen). Sie zielt auf Veränderung, auf Durchsetzung dieser „Werte“.
Ihre Kritik dient als Rechtfertigung für hochmütige Selbstbestätigung vermeintlich eigener moralischer Überlegenheit gegenüber „Euch“, für totale Abgrenzung. gegenüber einer „Gesellschaft, mit der ich (nicht) in einen Topf geworfen werden will“.
Sie konstruieren zu diesem Zweck ein ominöses „wir“ aus angeblichen Nicht-Heuchlern, das erkennbar allein von gemeinsamem Hass, gemeinsamer Verachtung bestimmt ist.
Und Sie zelebrieren Ihren Hass und Ihren Hochmut, nicht nur gegenüber „dem Westen“, sondern gegenüber uns allen, indem Sie uns entgegen schleudern: „Behaltet Eure Denkweisen über Gleichberechtigung für Euch.“
Geradezu aberwitzig und verräterisch, dies in einem Blog zu tun, der argumentative Diskussion pflegt und insgesamt von gegenseitigem Respekt geprägt ist.
Nicht ein Funken eines positiven Ansatzes, einer positiven „Moral“ für dieses „wir“.
Und erschreckend ist ihre Verdrängung der Realitäten bezüglich der „islamische Welt“, aus der Sie ihre Anti-Identität beziehen. In der Sie, wenn Sie Ihrem Idol folgten, von keinen Menschenrechten „belästigt“ würden.
Brigitte Ernst hat darauf hingewiesen und ich erspare mir nähere Ausführungen dazu.
Ein Hinweis möge genügen: Mit solchen Auslassungen gegenüber dieser „islamischen Welt“, wie Sie sie hier im so „verlogenen, verachtenswerten Westen“ äußern, würden Sie da mit einiger Sicherheit die Todesstrafe riskieren.
Geht es eigentlich noch selbstbetrügerischer, „verlogener“ sich selbst gegenüber?
@ Werner Schmidt
Lieber Herr Schmidt, ich schicke voraus, dass mir vieles aus der muslimischen Lebenswelt, besonders Kleidung, die das Gesicht (Frauen) verdeckt, sehr fremd ist. Auch in der Rangordnung von Mann und Frau. Dabei sage ich nichts Neues. Anderes versuche ich zu verstehen und durch Reisebegegnungen gelingt es mir häufig auch.
Das ändert aber nichts an meinem großen Mißtrauen gegenüber unserem hohen moralischen Anspruchs im „Westen“ (ich bleibe mal bei der Verkürzung)anderen Kulturen gegenüber. Klar sprechen wir von „Unumstößlichkeiten“, die unsere Gesellschaft prägen (sollten). Aber diese Unumstößlichkeiten wurden und werden oft mit Füßen getreten, um es etwas derb zu sagen.
Wie oft müssen wir auf (Beispiel) die Verletzung der „Würde des Menschen ist unantastbar“ erinnert werden. Etwa im Umgang mit gesellschaftlichen Minderheiten und Außenseitern? Immer wieder!
Die Schärfe der Vorwürfe von „Genna“ (Entschuldigung für „Gemma“) teile ich nicht. Ich kann sie aber im Kern etwas verstehen.
Es kommt eine große Bitterkeit in ihnen zum Ausdruck, die ich vielleicht erahnen kann.
Toleranz ist dabei bestimmt zu weit gegriffen.
Da ich die Unabdingbarkeit der Standpunkte des „Multitalentes“ Werner Schneyder ganz gut einschätzen kann, geht es mir auch nicht um falsche Toleranz. Aber ich finde, wir müssen uns auch aus der muslimischen Welt Vorbehalte unseres kulturellen Lebens, Lebensstils und unserer „Doppelmoral“ anhören lassen.
Politisch betrachtet, müssen wir uns ja nur die Waffenlieferungs-Eierei nach Saudi-Arabien anschauen, um zu erkennen, dass es mit der Moral nicht weit her ist, sondern, dass es nur um das Geschäft geht. Und das ist nur ein Beispiel von vielen.
Begriff „Überlegensheitsgetue“:
Das Beispiel der Welteinteilung der Gläubigen und Nichtgläubigen durch die „Gemeinschaft der Muslime“ ist ohne Zweifel und ebenso ein dickes Zeichen von Überlegenheitsgetue! Keine Frage.
Dennoch stelle ich seit Jahren der gesellschaftlichen Debatten fest: Sehr wohl erkennen wir den Stachel im Auge des Anderen, doch nicht den Balken im eigenen Auge, um es in biblicher Anlehnung auszudrücken.
Sie haben bestimmt recht mir Ihren Beispielen des Zentralrats der Muslime in Deutschland oder DITIB (wird ja schon lange mit großem Misstrauen beobachtet). Aber gemessen an unseren Ansprüchen von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, verdrängen wir in hohem Maße unsere moralischen Widersprüche und fühlen uns der islamischen Welt überlegen. Das kommt auch stellenweise im Diskurs hier zum Ausdruck.
Ich habe keinen lebenspraktischen Grund den Islam zu loben. Ich habe aber auch keinen Grund die westliche Moral zu mögen – die Aufklärung schon.
Nun werde ich wahrscheinlich dafür verbale „Hiebe“ kriegen. Ich scheine jedenfalls nicht im Trend des Mehrheitsmeinungsbildes zu liegen.
Mal schauen.
Nachdem Herr Engelmann die auch von mir geteilte Kritik erweitert und zusammenfassend auf den Punkt gebracht hat, noch eine kurze Bemerkung, bevor ich mich wieder dem eigentlichen Thema dieses Thread, der Ausstellung Contemporary Muslim Fashions zuwenden möchte:
Wenn ich nicht wüsste, dass Bronski sich über die Teilnehmer an diesem Blog genau informiert, wäre ich zeitweise in Zweifel gekommen, ob es sich bei Genna (arabisch „Himmel“) nicht um einen Troll (oder wie man das, was man früher als „agent provocateur“ bezeichnete) handeln könnte, um jemanden also, der als Wahlhilfe für die AfD das Klischee der Muslima bedient, deren Eltern oder Großeltern in unserem Land Zuflucht gefunden haben und von den Segnungen unseres „westlichen“ Systems profitieren (gute Schulbildung, Wohlstand, Freiheit, verlässlicher Rechtsstaat), um sich dann zum Dank dafür in eine Parallelgesellschaft zurückzuziehen und dort ihren Hass und ihre Verachtung gegen die Aufnahmegesellschaft auszuleben. Hervorragender Aufwind für Thilo Sarrazin!
Ich habe die Ausstellung besucht und mich auch über den Fotokünstler informiert, der die Bilder von den mit Tüchern aus Häusern der Pariser Haute Couture verschleierten Frauen geschaffen hat. Wesaam Al-Bady, ein als Kind nach der Flucht vor dem ersten Golfkrieg in den USA gelandeter Iraker, fungiert hier nicht als Modeschöpfer, der eine von ihm empfohlene Bekleidung präsentiert, sondern er beschreibt in einem Statement zur Ausstellung in San Francisco seine Intention folgendermaßen: „My work is a critique of Arab consumerism and Western fashion houses.“ Das heißt, er kritisiert die Neigung reicher Araber, viel Geld für westliche Luxusgüter mit imageträchtigen Namen auszugeben, zum anderen die französischen Modehäuser, in deren Land die Burka zwar verboten ist, die sich aber, wenn sie eine Marktlücke entdecken, gerne auf die Bedürfnisse ihrer muslimischen Kunden nach „modest fashion“, also züchtiger Kleidung, einstellen.
Seine Kritik richtet dich aber auch an die westlichen Konsumentinnen, die sich sklavisch jedem Modetrend unterwerfen und für einen bekannten Namen Unsummen ausgeben. In einem Gespräch mit einem Freund, so Al-Badry, habe er die Frage gestellt, ob selbst die Vollverschleierung von westlichen Käuferinnen akzeptiert würde, wenn sie von einem solchen Label als Modetrend vorgegeben würde.
Hier könnte durchaus auch der kritische Aspekt anschließen, den Christina Eretier im ersten Leserbrief anspricht: die Neigung sowohl westlicher als auch muslimischer Konsumentinnen, sich dem Modediktat unhinterfragt zu unterwerfen und damit ihre Individualität ein Stück weit aufzugeben (s. die Ketten auf dem Chanel-Tuch). Denn es sind ja nicht nur Musliminnen, die ihr körperliches Wohlbefinden und ihre Bewegungsfreiheit einer Kleidervorschrift opfern, sondern auch westliche Konsumentinnen, die jedem Modetrend folgen und sich z.B
von aberwitzig hohen Absätzen foltern lassen, mit denen sie sich auf Dauer ihre Füße und ihren Rücken ruinieren.
Demnächst mehr zur Ausstellung.
@Genna
Kommen Sie Genna, diskutieren Sie mit uns! Oder war das jetzt schon wieder alles? Sie knallen uns Ihre Verachtung um die Ohren und dann das Schweigen im Walde?
Auf diese Art und Weise kommt kein Dialog zustande. Kein Austausch, nicht der Hauch des Versuches der Annäherung, des verstehen wollen.
Oder ist das Ihr Ansinnen, das Zementieren Ihrer Verachtung? Hält Sie das in der Spur? Der Feind ist „der Westen“ und Punkt?
Sie haben vieles angesprochen in Bezug auf Doppelmoral. Sie dürften aber auch mitbekommen haben, dass das alles Themen sind, die hier kontrovers diskutiert werden, gerade das Thema Palästinenser und Israelis betreffend.
Also noch Mal, schreiben Sie mit uns!
Mich interessiert was und wie Sie denken. Vor allem, was Sie dazu gebracht hat, nur mit Verachtung auf „uns“ zu blicken.
@ Anna Hartl,
Ihre Aufforderung an Genna zur weiteren Diskussion in diesem Forum ist verständlich, wird aber wohl auf deren Seite keine entsprechende Reaktion auslösen.
Eine solche Erfahrungen konnte man bereits vor etwa einem Jahr an gleicher Stelle machen, als bei ähnlichem Thema ein sich als Muslim zu erkennen gebender Forumsteilnehmer ziemlich floskelhaft und blumig ein Loblied auf seine wunderbare Religion sang, sich dann aber nicht mehr äußerte zu all den dann folgenden Beiträgen anderer Foristen, die zumeist als kritische Erwiderungen interpretiert werden konnten. So ließ sich von diesem auch damals keine weitere Argumentation oder Antwort aufgrund der ihm gestellten Fragen entlocken, er blieb „stumm“.
Auch die von Frau Ernst geäußerte Möglichkeit, hinter „Genna“ verberge sich möglicherweise ein Troll ist nicht auszuschließen, sie (Genna) lieferte eine außerordentlich giftige Abrechnung ab, aber vielleicht tut sich da ja doch noch was?!
@Jürgen Malyssek,
wegen „Gemma“ ist doch keine Entschuldigung erforderlich, aber vielleicht können wir uns bei meinem Namen auf Manfred Schmidt einigen, statt Werner Schmidt ?. Mr. Murphy hat halt immer mal wieder seine Hand im Spiel, anders ausgedrückt, „shit happens“. Dafür hab‘ ich dann xenophon statt xenophob geschrieben, b und n liegen nun mal nebeneinander… Ich plädiere für einen Internetradiergummi.
Die Aussage Werner Schneyders können Sie unter diesem Link finden, er hat sie wohl vor 3 Jahren gemacht.
https://www.bz-berlin.de/leute/kabarettist-werner-schneyder-als-scharfer-islam-kritiker
Ansonsten sehe ich -und damit bin ich nicht allein- die von muslimischer Seite gern eingesetzte Strategie „uns“ immer ein schlechtes Gewissen einzureden und sich selbst die Opferrolle zuzuschreiben. Gennas letzter Beitrag ist ein Paradebeispiel dafür. Dazu hat Brigitte Ernst in ihrem Kommentar vom 12.04. 13:13h sehr treffend (die) Fakten der Zustände im arabischen Raum und im Iran aufgezeigt und Werner Engelmann (13.03. 00:10h) hat darüberhinaus eine Erwiderung geliefert, die damit genau so treffend die Anschuldigungen Richtung „Westen“ in Gennas Kommentar analysiert.
Zustimmung zu diesen Schlussfolgerungen.
@Manfred Schmidt
Ich erinnere mich, dachte nur, es könnte ja auch Mal anders laufen und Genna hätte, nachdem sie ihren Unmut losgeworden ist, Interesse an einem Austausch.
@ Manfred Schmidt
Es ist zum Mäusemelken mit Mr.Murphy! Ja, der Radiergummi – das hatte noch Charakter.
Wenigstens bin ich wieder im Lot mit Ihrem Namen.
Schuld ist ‚Werner‘ Schneyder …
Seine Aussagen kann und will ich auch gar nicht groß in Frage stellen, einschl. denen zu Elfriede Jelinek oder Thomas Bernhard. Er wird seine östereichischen Landesbewohner besser kennen als ich.
Das Schwierige ist, dass ich bei meinen Positionierungen bewusst den „Terror im Namen des Islam“ zur Seite gestellt habe und auch den damit verbundenen Größenwahn, die Weltherrschaft anzustreben (W. Schneyder). Nicht, weil ich das ignoriere, sondern weil ich dem Islam an sich seinen gesellschaftlichen Stellenwert nicht absprechen möchte („Der Islam gehört zu Deutschland“, Wulf). In dieser Balance lässt sich zweifellos die gegenseitige Doppelmoral von westlicher und arabischer Welt problemlos nachweisen. Insofern stimmen die Entgegnungen von Brigitte Ernst oder Werner Engelmann zu Genna – wer auch immer Genna sein mag.
Mir ging es jedenfalls um die Überlegenheitsgefühle und -gedanken der westlichen Gesellschaft. Das ziehe ich auch nicht zurück.
Wir sollten überhaupt viel mehr in den eigenen Spiegel schauen. Feinde und Feindbilder gibt es genug.
Nochmal: Damit rechtfertige ich keinen Terror im Namen des Islam und keine autoritären und diktatorischen Systeme.
Ja, die Abrechnung von Genna war giftig!
Es sind solche Momente, da müsste man sich von Angesicht zu Angesicht gegenübersitzen und sprechen, streiten, verstehen können oder …
@ Jürgen Malyssek
Haben Sie vergessen, was Genna geschrieben hat?
„Ich gehöre nicht zu diesem verlogenen, verachtenswerten Westen.“
Da kann sich der Altbundespräsident Wulf den Mund fusselig reden über den Islam, der zu Deutschland gehöre. Genna und die Muslime, die sie mit „wir“ bezeichnet, wollen doch gar nicht zu uns gehören.
@ Manfred Schmidt, 12. April, 19:43
Noch eine Bemerkung zu der Liste von Anschlägen gegen Moscheen in Deutschland, die Sie auf der Plattform islamiq gefunden haben.
Um nicht falsch verstanden zu werden: Grundsätzlich verurteile ich jede Gewalttat, sei es gegen Sachen oder gegen Menschen, so natürlich auch Attacken gegen Moscheen. Es würde mich allerdings interessieren, ob es eine von Muslimen geführte Liste gibt, die Terroranschläge von Muslimen
gegen ihre eigenen Glaubensbrüder und -schwestern verzeichnet, so wie sie täglich in der muslimischen Welt verübt werden, etwa von Sunniten gegen Schiiten und umgekehrt, oder von Taliban gegen ihre eigenen Landsleute, von Boko-Haram-Milizen, die unschuldige Mädchen entführen etc.
Schließlich ist es bekannt, dass die meisten Opfer von islamistischen Terrorakten Muslime sind.
Machen sich Leute wie Genna das eigentlich bewusst?
@ Anna Hartl
Danke für Ihren Versuch, auch Dialogverweigerer in den Dialog mit einzubeziehen!
Ich schließe mich dem an, und aus diesem Grund habe ich auch die Form der direkten Ansprache gewählt.
Auch wenn ich skeptisch bin, dass dies erfolgreich sein wird: Den Versuch ist’s allemal wert.
@ Jürgen Malyssek, 13. April 2019 um 2:08
Lieber Herr Malyssek,
nun kennen sich die meisten Blogger hier ja zu Genüge, um nicht aus Angst vor gegenseitigen „verbalen Hieben“ erstarren zu müssen. Zudem meine ich, dass Ihre Grundposition hier wohl insgesamt Zustimmung findet.
Zugespitzt auf einen Satz, was ich an Ihrem Beitrag bedenklich finde:
„Aber ich finde, wir müssen uns auch aus der muslimischen Welt Vorbehalte unseres kulturellen Lebens, Lebensstils und unserer „Doppelmoral“ anhören lassen.“
Problematisch ist hier das verallgemeinernde und vieldeutige „wir“.
Bei „Genna“ zeigt dies dichotomisches Denken an, mit dem Ziel der Rechtfertigung totaler Selbstausgrenzung. Uns, den anderen Bloggern gegenüber, zielt die gezielte Schwammigkeit auf Erzeugung schlechten Gewissens. Solcher Sprachgebrauch ist somit Einlasstor für Pseudokritik -und selbstkritik, die objektiv totalitären Ideologien entgegen kommt.
Ich beziehe in die Kritik auch den Titel dieses Threads mit ein – wobei ich davon ausgehe, dass dieser von Bronski bewusst mit einem bewussten provokatorischen Einschlag gewählt ist. Auch das gehört hier zu seiner Rolle.
Wer also ist hier das „wir“?
Nach sprachlicher Analyse sind das eindeutig alle, die sich am Dialog in diesem Blog beteiligen.
Nun liefert aber keiner von „uns“ Waffen nach Saudi-Arabien, stützt keiner aggressive israelische Siedlungspolitik. Und keiner hat auch ausreichende Macht, dies ändern zu können.
Mit welcher Berechtigung sollten „wir“ uns also den Vorwurf der „Heuchelei“ oder der „Doppelmoral“ zu eigen machen?
Zur Frage des „Lebensstils“ und des „kulturellen Lebens“:
Unser „Lebensstil“ (von meiner Frau und mir) ist dadurch mitgeprägt, über zwei Jahrzehnte ein Doppelhaus mit muslimischen Nachbarn im besten Einvernehmen geteilt zu haben, mehrfach unser Haus für muslimische Flüchtlinge bzw. Familien geöffnet zu haben, Muslime gezielt und erfolgreich in verschiedene Projekte einzubeziehen – ohne dass auch nur ein einziges Mal der Vorwurf der „Heuchelei“ erhoben worden wäre (ganz im Gegenteil).
Und Ihr soziales Engagement ist hier gleichermaßen bekannt.
Mit welcher Veranlassung sollten „wir“ uns also diesen Schuh anziehen müssen?
Die Frage des „Lebensstils“ wäre vielleicht in Zusammenhang mit Umweltfragen kritisch aufzugreifen. Die aber stehen hier nicht zur Debatte.
Bleibt also die entscheidende Frage der „Universalität der Menschenrechte“ bzw. der durch diese begründeten „Werte“. Konkret: Ob das wirklich nur „westliche Werte“ sind, die – so der Vorwurf – anderen Kulturen „aufoktroyiert“ werden.
Prinzipiell steht (zumindest in unserem Kulturkreis) jedem das Recht auf Kritik jedweder „Überzeugung“ zu, im eigenen Kulturkreis wie auch außerhalb – im konkreten Fall also auch Frau „Genna“.
Auf einem anderen Blatt steht aber die Frage der Glaubwürdigkeit (für „Genna“ wie für uns): Die ist nur dann gegeben, wenn die Kriterien, die an andere Überzeugungen, Kulturkreise u.a. angelegt werden, auch für sich selbst, das eigene Land oder den eigenen Kulturkreis anerkannt werden.
Unglaubwürdig werden „wir“ nicht dann, wenn „unsere“ Regierungen (auf die wir keinen oder nur äußerst geringen Einfluss haben) den eigenen Wertekanon offensichtlich verletzen, sondern dann, wenn „wir“ die Kritik daran und ggf. auch den Widerstand dagegen unterlassen.
Dies ist – zumindest in diesem Blog – offensichtlich nicht der Fall, wohl aber bei der „Argumentation“ von „Genna“. Und ihre Methode, sich mit „Moral“ total auszugrenzen und jeden Dialog zu verweigern, entspricht erkennbar der islamistischen „Opfer“masche.
Wer etwa eine katholische Sozialisation in den 50er Jahren „genossen“ hat, kennt solche Unterwerfungsstrategien, die mit psychologischer Erpressung arbeiten, zu Genüge, um noch gewillt zu sein, sich auf Derartiges einzulassen. In der ominösen „islamischen Welt“ der Frau „Genna“ gehört dies freilich bis heute nicht nur zur üblichen Praxis, sondern auch zur Werteordnung und zum Weltverständnis.
Damit zur Frage der theoretischen Grundlage von „Menschenrechten“ und ihrem universalen Anspruch bzw. dem islamischen Gegenentwurf.
In diesem Zusammenhang hat „deutscher Michel“ durchaus zu recht die „Kairoer Erklärung“ verlinkt, auf die ich mich im Folgenden auch beziehe.
Die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ bezieht sich in ihrem Anspruch der Universalität ausschließlich auf „Naturrecht“, d.h. auf das menschliche Sein als solchem. Sie enthält in dieser Hinsicht keine ideologischen Prämissen, ist prinzipiell offen für alle Kulturkreise.
Insbesondere enthält sie keine imperialistischen Elemente der Bevormundung. Ganz im Gegenteil: So etwa räumt die Kantsche Definition von „Aufklärung“ den Angehörigen jedweder Kultur das Recht und die Möglichkeit des „Ausgangs aus der selbst verschuldeten Unmündigkeit“ ein.
Das heißt natürlich nicht, dass nicht auch mit dem Etikett von „Menschenrechten“ Kulturimperialismus betrieben werden kann, wie insbesondere von den USA mehrfach vorexerziert. So mit der „Dominotheorie“ im Vietnamkrieg oder dem erlogenen Vorwand einer universalen Bedrohung der Menschenrechte im Irakkrieg.
Solcher Missbrauch setzt aber auch eine prinzipielle Fehlinterpretation voraus, die in der „Heuchelei“ zutage tritt, besonders deutlich etwa in Guantanamo oder den Folterpraktiken von Abu-Ghuraib.
Der Angriff der „islamischen Welt“ gilt aber nicht diesen Fehlinterpretationen, sondern den Menschenrechten an sich. Es geht gar nicht darum, diese „Heuchelei“ zu bekämpfen, sondern sie als Vorwand zur Durchsetzung eigenen kulturimperialistischen Denkens zu benutzen: für den Kampf des „wir“ („die Gläubigen“) gegen „die anderen“ (die „Ungläubigen“, die „Heuchler“). Ein Denken, das aus christlicher Sicht mit dem Begriff „Kreuzzugsideologie“ verbunden ist.
Die „Kairoer Erklärung“ kann sehr wohl als Wiederaufnahme solcher Kreuzzugsideologie im islamistischen Gewand aufgefasst werden. (hier nochmal der Link: https://de.m.wikipedia.org/wiki/Kairoer_Erkl%C3%A4rung_der_Menschenrechte_im_Islam).
Dies ist z.B. in Art.2a erkennbar, wo es in Bezug auf das Grundrecht auf Leben heißt: „…es ist verboten, einem anderen das Leben zu nehmen, außer wenn die Scharia es verlangt.“
Nachdrücklich auch in Artikel 24 und 25, welche die „islamische Scharia“ als „einzig zuständige Quelle für die Auslegung oder Erklärung jedes einzelnen Artikels dieser Erklärung“ benennen.
Oder in der Präambel, welche die grundlegende „kulturelle Rolle der islamischen Umma“ betont, „die von Gott als beste Nation geschaffen wurde und die der Menschheit eine universale und wohlausgewogene Zivilisation gebracht hat.“
Zweifellos kann dies als Manifest eines expliziten „Kulturimperialismus“ angesehen werden, dem zuvörderst die Menschenrechte ein Dorn im Auge sind, welche eben diesem die pseudomoralische Legitimation entziehen. Ein Kulturimperialismus, der mit Hilfe pseudoreligiöser, antidemokratischer patriarchaler Ideologie, staatlichem Zwang und notfalls auch Terror durchgesetzt werden soll.
Wir tun gut daran, bei aller Offenheit und Toleranz diesen Sachverhalt immer im Auge zu behalten.
Praktische Schlussfolgerung:
Dem islamistisch geprägten „Kulturimperialisms“ ist Dialogverweigerung immanent. „Genna“ hat dies hier in frappant offener Weise vorgeführt, und dafür sei ihr gedankt.
Die Schlussfolgerung kann freilich weder lauten, solche Unterwerfungsstrategien zu verharmlosen oder sich ihnen zu beugen, noch wie selbst ernannte „Abendlandretter“ mit gleichen ideologischen Mitteln „zurück zu schlagen“. Deren ideologische Nähe wird gerade im gleichen dichotomischen ideologischen Schema des „wir“ und „die“ (nur mit umgekehrtem Vorzeichen) erkennbar, mit dem beide Seiten sich gegenseitig befeuern.
Der Auftritt von „Genna“ hat aber noch etwas anderes gezeigt:
Die Schwäche ideologischer, insbesondere religiös-fundamentalistisch geprägter Systeme liegt gerade in der Unfähigkeit zum Dialog, in panischer Berührungsangst vor dem „verachtenswerten“ anderen. Und eben darin liegt die Stärke von Demokraten.
Sich dieser Stärke bewusst zu werden, heißt aber auch, die von Ideologie geprägte dichotomische Sprache, das Denken in Kategorien des „wir“ und „die anderen“ zu hinterfragen, nicht auf solche Verunsicherungsstrategien hereinzufallen, die mit Schuldkomplexen arbeiten.
Es heißt, den Dialog offen zu halten für diese „anderen“ (sofern das möglich ist), genau zu unterscheiden zwischen Ideologien und einzelnen Menschen, zwischen Machthabern und denen, die unter diesen leiden (insbesondere in der Flüchtlingsfrage).
Und es heißt, das verschleiernde, diffuse „wir“ im eigenen Dialog zu vermeiden, Sprecher und Adressaten klar zu benennen.
Es heißt aber auch, den Anspruch auf die universelle Gültigkeit von Menschenrechten unter keinen Umständen aufzugeben. Was von der Frage der Durchsetzung deutlich zu unterscheiden ist.
Wir können hier sehr wohl Missstände in der „islamischen Welt“ kritisieren, wie wir das im eigenen Land auch tun. Diese zu beseitigen, die zugrunde liegende Ideologie in Hinblick auf Öffnung zu verändern, obliegt freilich in erster Linie denen, die in dieser Kultur verwurzelt sind.
Eine Seyran Ates, eine Necla Kelek (um nur zwei zu nennen) können das besser als wir, und sie tun dies auch.
Mein Vertrauen (und vielleicht auch Optimismus) beruht darauf, dass reale Erfahrungen in einer offenen Gesellschaft, praktischer Umgang mit Menschen und deren Einbezug in einen umfassenden Dialog langfristig mehr und nachhaltiger wirken als ideologische Indoktrination.
Ich habe mir lange überlegt, ob ich hier noch mitreden will. Es ist wohl nicht sinnvoll, denn die meisten von Ihnen sind zu festgefahren in ihrem Denken. Sie begreifen nicht, was ich gesagt habe. Das ist mein Hauptvorwurf gegen die meisten von Ihnen. Sie hören nicht zu. Sie versuchen nur, ihre Positionen durchzusetzen. Ich empfehle Ihnen etwas mehr Demut und Entgegenkommen.
Ich habe in meiner Schimpfrede den Westen so beschrieben, wie er in weiten Teilen der islamischen Welt von den meisten Menschen wahrgenommen wird. Dass diese Wahrnehmung nicht mit Ihrer Selbstwahrnehmung übereinstimmt, ist völlig klar. Aber warum hören Sie nicht einfach zu? Warum polemisieren Sie gleich gegen meine Positionen, als wären Sie der Westen? Fühlen Sie sich angesprochen? Halten Sie sich etwa für aufgeklärt? Ein paar von Ihnen haben geschrieben, dass der Westen tatsächlich ein übles Außenbild abgibt. Danke, so ist es. Die anderen versuchen, uns was einzureden. Was sollen wir mit Carla Zetkin oder Rosa Luxemburg? Die Fehler wiederholen, die der Westen gemacht hat? Wozu brauchen wir Kommunismus? Ohne diese westlichen „Denker“ hätten wir manche Probleme nicht.
Die Krönung liefert aber Frau Brigitte Ernst, die mein Statement so umdeutet, als würden wir grundsätzlich die Menschenrechte verneinen. Frau Ernst, Ihr Textverständnis lässt wirklich zu wünschen übrig. Ich habe den Westen für massive Verletzungen von Menschenrechten kritisiert, die sich nicht leugnen lassen. Ich habe in meiner Schimpfrede auch islamische Regierungen kritisiert. Sie tun so, als hätte ich das nicht getan. Sie hören nicht zu. Ich rede nicht mit Menschen, die nicht zuhören.
Sie sind saturierte Menschen, die zu Hause in ihren weichen Sesseln vor ihren Computern sitzen. Wir in den islamischen Ländern haben aber direkt mit den Umbrüchen zu tun, die viele Menschen betreffen. Wenn Sie uns Ratschläge zu Frauenrechten geben, als wären Sie Revolutionäre, dann verhöhnen Sie uns. Kommen Sie runter von Ihrem hohen Ross! Begeben Sie sich in unsere Straßenkämpfe, wo Ihnen die Kugeln um die Ohren fliegen. Dann haben Sie meinen Respekt. So aber …
Und noch etwas: Es ist herb verlogen, den Modeschöpferinnen vorzuwerfen, dass sie Mode nach den Bekleidungsvorschriften in den Ländern machen, in denen ihre Kundschaft lebt. Ich bin gegen diese Gesetze und hoffe, dass es im Iran bald einen Umsturz gibt. Aber solange die Zwänge so sind, gibt es Vorgaben für die Mode. Man kann aber etwas anderes machen. Man kann die Grenzen des Erlaubten austesten. Genau das tun die, die in der Ausstellung gezeigt werden. Das müssen Sie natürlich nicht erkennen. Das zeigt aber vor allem nur, wie wenig Sie über uns wissen. Aber jederzeit mit einem schnellen Urteil dabei!
An Herrn Schmidt:
Wenn Sie Fragen an mich haben, warum fragen Sie mich dann nicht? Das ist ein sehr unhöfliches Verhalten. Aber das ist man von Westlern ja gewohnt.
Ich erwische mich bei Deutschlandbesuchen, die mich auch hin und wieder z.B. nach München führen, dass mich beim Anblick von Niqab-Frauen dort im Stadtbild nicht das Gefühl beschleicht, die Augenbrauen so hoch ziehen zu müssen wie’s nur geht. Dies deshalb, weil mir bewusst ist, dass diese Frauen touristisch unterwegs sind, in der Regel ihre Kreditkarten in den Läden auf der Leopoldstraße für teure Konsumgüter zum Glühen bringen und nach 2 Wochen wieder in die Niqab-Welt ihrer Heimatländer eintauchen.
Aber es ist anders wenn offensichtlich ist, dass es sich um Frauen handelt, deren Lebensbereich „im Westen“ liegt. Dann sind das für mich genau die bewusst und gewollt gesendeten Signale der Ablehnung an die (andere) Gesellschaft, an der sie nicht teilnehmen wollen.
Es hat lange gedauert, bis auch das Wulf-Zitat (Jürgen Malyssek) in der Diskussion hier auftaucht, das für mich allerdings eine verunglückte Botschaft enthält, denn die ist (mir) zu pauschal. Zur Erinnerung: Der Islam gehört zu Deutschland.
Bei der Diskussion hier im vergangenen Jahr, bei der der erwähnte muslimische Forist nach seinem Loblied sich anschließend jedes weiteren Kommentars enthielt, war eben diese Aussage von Wulf genau das Thema des Threads.
Es ging dabei natürlich auch darum, ob der -ich nenn‘ ihn jetzt mal den Niqab-Islam, oder in gemilderter Form Kopftuch-Islam- eingeschlossen sein soll, oder man ihm die Toleranz versagen sollte. Versagen aus dem Grund, da durch diese hier bei „uns“ textil ausgedrückte Botschaft die Ablehnung gegen „uns“ und wohl auch westlich-liberale Lebensformen transportiert wird. Der Beitrag von Genna hat diese Ablehnung sehr deutlich gemacht.
Abschließend noch, mir ist schon klar, dass Niqab und Burka in Deutschland selten in Erscheinung treten.
Zurück zur Ausstellung
Eine Menge „bedeckender“ Kleidung, von langweilig-trist bis phantasievoll, farbenfroh und opulent, mit Kopftuch, anderen Kopfbedeckungen und ohne. Z.T. schön anzusehen, aber was soll das aussageb?
Es gibt neben Al-Badrys Fotoserie noch andere kritische Ansätze, so das winzigen Video, neben den vielen großen Kleiderpuppen fast zu übersehen, mit einer Iranerin, die, auf einem Podest stehend, ihr Kopftuch an einem Stab herumschwenkt, eine Protenstaktion, für die sie schwer bestraft wurde.
Ein Raum besteht aus zwei einander gegenüber projizierten Videos. Auf der einen Wand sieht man in Überlebensgröße einen Mann, der in einem Saal voller Zuschauer eine Gesangsvorführung darbieetet, auf der Wand gegenüber eine Frau, die im selben Saal in ein Mikrophon singt, diesmal aber vor vollständig leeren Sitzplätzen. Ein Hinweis auf das Verbot öffentlicher Auftritte für Frauen im Iran.
In einem Raum, der der Sportbekleidung (u.a. mit der Kopfhaube von Nike) gewidmet ist, werden die Besucher*innen darauf hingewiesen, dass es für Frauen im Islam bereits eine Befreiung bedeute, wenn sie überhaupt öffentlich Sport treiben dürfen, und dass dieses Recht gegen erhebliche Widerstände durchgesetzt werden musste.
Ein Video erregt wegen der Kombination von Bild und Ton besondere Aufmerksamkeit: Der Rap-Song, den die syrisch-stämmige US-Amerikanerin Mona Haydar 2017 bei YouTube hochgeladen hat, mit dem Titel „Rap /Wrap) my Hijab. (Man beachte das Wortspiel Rap und Wrap = einwickeln)
https://www.youtube.com/watch?v=XOX9O_kVPeo
Das Video erregte in den USA großes Aufsehen, zum einen, weil sich die Sängerin als Hochschwangere mit deutlich sichtbarem Bauch präsentiert, was im prüden Amerika als sehr gewagt gilt. Zum anderen wurde seitens der muslimischen Community bemängelt, dass das Video gegen die Züchtigkeitsregeln verstoße, weil dort Frauen in westliochem Stil tanzen.
Die Sängerin gehört zu den im Westen angesiedelten Muslim*innen, die unter dem Misstrauen, das ihnen seit 9/11 entgegengebracht wird, leiden und die ein postiveres Bild vom Islam verbreiten möchten. Sie habe sich im Alter von 13 Jahren für das Kopftuch entschieden, so Haydar, um spirituelle Disziplin zu üben, und empfinde es als „badge of honor“ (Ehrenabzeichen). Es gebe ihr Kraft, weil ihr Entschluss bewusst nach reifer Überlegung erfolgt sei und ihre Individualität betone, nachdem sie wie jeder Teenager vorher mit ihrem Körper gehadert habe und unter den vorgegebenen Normen, wie ein Frauenkörper beschaffen sein müsse, gelitten habe. Sie plädiert für Diversotät und Selbstfindung durch individuelle Entscheidungen.
Im Text zitiert sie auch Fragen Außenstehender: Wie sieht dein Haar aus? Ist das Kopftuch nicht zu eng? Schwitzt du nicht darunter?
Antwortern gibt die nicht darauf, sie wiederholt nur im Refrain die Lobpreisungen des Hijab. Für Nichtmuslim*innen nicht ganz nachvollziehbar.
@Manfred Schmidt:
Zu Ihrem letzten Satz:
dann sollten Sie sich z.B. einmal in der Hanauer Innenstadt umsehen.
@ Genna
Sie empfehlen uns etwas mehr Demut und Entgegenkommen. Das aus dem Mund einer Frau, die gerade vom hohen moralischen Ross herunter mit pauschalem Verdikt einen Jaucheeimer der Verachtung über „den Westen“, wen und was auch immer Sie damit meinen, ausgekippt hat! An keiner Stelle haben Sie differenziert zwischen kritischen und wohlmeinenden Bürger*innen, die ihre Werte ernst nehmen und zu leben versuchen, und heuchlerischen Regierungen und Geschäftemachern, sondern Sie haben immer nur auf “ den Westen“ eingedroschen. Meinten Sie nicht auch uns, die Bevölkerung, sollten wir uns nicht angesprochen und schuldig fühlen? Wenn das nicht der Fall war, dann drücken Sie sich in Zukunft doch bitte präziser aus.
Und im Übrigen: Rechnen Sie auch die Musliminnen, die sich hier in Deutschland für Frauenrechte einsetzen, zum verachtenswerten Westen? Zu denen, von denen Sie nicht behelligt werden wollen? Das allen bleibt im Getöse Ihrer Schimpfkanonaden im Dunklen.
Den Vorwurf an mich, nicht genau zu lesen, kann ich an Sie zurückgeben. Wo bitte habe ich Ihnen unterstellt, dass Sie grundsätzlich die Menschenrechte verneinen. Ich habe nach den Werten, die in der Gesellschaft, der Sie sich zugehörig fühlen, gültig sind, gefragt, und nach der Umsetzung dieser Werte. Und das, nachdem Sie von uns, den bösen Westlern, gefordert hatten, Sie nicht mit unserer Gleichberechtigung zu behelligen. Woher soll ich Ihren Wertekanon kennen, wenn Sie nicht über Gleichberechtigung sprechen wollen? Woher soll ich wissen, ob Sie die Kairoer Erklärung gutheißen? Oder das in einigen islamischen Glaubensrichtungen verteidigte Züchtigungsrecht des Mannes der Ehefrau gegenüber? Sie verteilen ja nur Rundumschläge, bekennen selbst aber nie Farbe.
Interessant auch Ihr Statement, „ohne diese westlichen Denker hätten wir manche Probleme nicht“. Wollen Sie im Ernst den westlichen Ideen die Schuld dafür geben, dass in so vielen islamischen Ländern Chaos herrscht, dass die Bevölkerungen unterdrückt werden und weit und breit kein Rechtsstaat in Sicht ist? Dann sollten Sie sich in Ihren Ländern (bitte nicht bei uns) in Zukunft auf Ihren Koran, Ihre Scharia stützen, deren Emblem, das Kopftuch, Sie ja tragen. Meinen Sie, damit kämen Sie weiter als mit „unserer“ Aufklärung? Nur zu! Das Gemetzel unter den verschiedenen Staaten und Religionsgruppen in der islamischen Welt gibt ja reichlich Anlass zu Hoffnung. Wie wäre es hier mit ein bisschen Demut Ihrerseits, anstatt dem bösen Westen an allem die Schuld in die Schuhe zu schieben?
@Brigitte Ernst:
Ich gebe Ihnen in einem Punkt (allerdings ohne Kenntnis) nicht Recht. Ich nehme an, Gennas Land ist Deutschland.
@ Deutscher Michel
Aus ihren hervorragenden Deutschkenntnissen meine ich schließen zu können, Genna sei in Deutschland aufgewachsen. Zwei Zitate aus ihrem letzten Beitrag lassen mich aber vermuten, dass sie sich eher in mindestens einem islamischen Land zu Hause fühlt. Zu uns will sie ja bekanntlich nicht gehören.
„Wir in den islamischen Ländern haben aber direkt mit den Umbrüchen zu tun, die viele Menschen betreffen.“
Und weiter unten: „Begeben Sie sich in unsere Straßenkämpfe, wo Ihnen die Kugeln um die Ohren fliegen.“
Wobei mit den Straßen, in denen einem die Kugeln um die Ohren fliegen, vielleicht auch Berlin-Neukölln oder Duisburg-Marksloh gemeint sein könnte ?.
Frau Brigitte Ernst!
„An keiner Stelle haben Sie differenziert zwischen kritischen und wohlmeinenden Bürger“
Sie verfehlen das Thema. Ich habe das Image des Westens dargestellt, das er in der islamischen Welt hat. Nur darum ging es.
„Sie haben immer nur auf “den Westen“ eingedroschen.“
Ja, weil der Westen immer nur auf uns eindrischt. So fühlt es sich nämlich an. Es ist gut, wenn Sie einen Eindruck davon bekommen, wie es sich anfühlt. Diese Ohnmacht. Ich mag es, wenn Sie das fühlen.
„drücken Sie sich in Zukunft doch bitte präziser aus.“
Mache ich, wenn ich Lust dazu habe, Frau Oberlehrerin!
„Rechnen Sie auch die Musliminnen, die sich hier in Deutschland für Frauenrechte einsetzen, zum verachtenswerten Westen?“
Das war nicht das Thema. Bitte sorgfältiger lesen!
„Woher soll ich Ihren Wertekanon kennen, wenn Sie nicht über Gleichberechtigung sprechen wollen?“
Sie könnten einfach fragen. Aber Sie haben ja längst ein fertiges Bild.
„Woher soll ich wissen, ob Sie die Kairoer Erklärung gutheißen?“
Sie könnten einfach fragen.
„Sie verteilen ja nur Rundumschläge, bekennen selbst aber nie Farbe.“
Ich will, dass Sie begreifen, wie die islamische Welt Sie sieht. Dafür greife ich zu groben Mitteln, aber es ist wohl zwecklos. Sie ziehen aus allem nur Gründe für die nächste Attacke.
„Wollen Sie im Ernst den westlichen Ideen die Schuld dafür geben, dass in so vielen islamischen Ländern Chaos herrscht“
Das habe ich nicht gesagt. Ich habe gesagt, dass westliche „Denker“ uns viele Probleme gebracht haben. Ihnen übrigens auch.
„Wollen Sie im Ernst den westlichen Ideen die Schuld dafür geben, dass die Bevölkerungen unterdrückt werden und weit und breit kein Rechtsstaat in Sicht ist?“
Ja, daran gebe ich dem Westen eine Mitschuld, weil er immer Diktatoren unterstützt hat. Mit den demokratisch gewählten Muslimbrüdern in Ägypten konnte er jedenfalls nichts anfangen. Aktuell hätte der Westen die Gelegenheit zu beweisen, dass er doch für Demokratie eintritt, was aber in der islamischen Welt niemand glaubt. Gerade demonstrieren viele in Algerien und im Sudan für Wahlen und zivile Regierungen. Aber der Westen sorgt sich nur darum, ob in Libyen ein General militärisch siegt, der von Russland unterstützt wird. Heuchelei!
Der Rest, den Sie schreiben, ist einfach Demagogie.
@Genna
Hallo Genna,
danke für Ihre Bereitschaft sich hierauf einzulassen.
Ich möchte gerne mit dem Gefühl der Ohnmacht beginnen. Glauben Sie wirklich, das wir dieses Gefühl nicht kennen?
Es geht vielleicht nicht darum, dass jemand auf uns eindrischt, doch die Ohnmacht nicht gehört zu werden, unsere Politiker auf den Weg der notwendigen Veränderungen zu bringen und nichts zu erreichen, sondern ignoriert zu werden, da sehe ich immer häufiger lila und fühle mich zutiefst ohnmächtig.
Als schwierig empfinde ich es, mich mit „einem Image“ auseinander zu setzen. Image ist hörensagen. Was davon entspricht der Realität, den Empfindungen und den Gedanken der Menschen die hier leben?
Schwierig ist auch, sich auf die islamische Welt zu beziehen und den Westen als Gegenpart zu nennen.
Ich kann nur für mich selbst sprechen, nicht für den Westen, denn ich bin nicht der Westen.
Wer sind die „westlichen Denker“ die nach Ihrer Meinung Ihnen und uns Probleme bringen und was an ihrem Denken ist problematisch?
@ Brigitte Ernst
Trotz alledem bleibt das, was der Altbundespräsident Wulf gesagt hat, für mich wichtig.
Und Gennas „Abrechnung“ hat auch ernst zunehmende Aussagen. Auch wenn ‚wir‘ mit dem „wir“ unsere Probleme haben.
@Genna:
Es interessiert mich,ob Sie Deutsche sind und ob Sie in Deutschland leben?
Und sie bewegt sich doch….. Nachhause gekommen und noch einmal in’s Blog geschaut. Nun ja, same procedure as every time….
Zu Genna am besten kein Wort mehr, wenn’s genug ist, ist’s genug.
@Deutscher Michel,
Leider war ich gefühlt seit Napolen Bonaparte? nicht mehr in Hanau, so dass ich schon überrascht bin, was Ihre Bemerkung bedeutet..
Einen Gedanken hab‘ ich noch und mit dem eine Frage an den Moderator Lutz Büge:
Lieber Bronski, haben Sie etwa Genna kreiert oder kreieren lassen um noch mehr Leben in die Bude zu kriegen? Wenn ja, Chapeau…..
@ Genna, 14. April 2019 um 7:13
Zunächst einmal finde ich begrüßenswert, dass Sie den Dialog doch nicht aufgegeben haben.
Auch, wenn mir Zweifel kommen, dass Sie wirklich wissen (wollen), was ein Dialog ist:
ein AUSTAUSCH von Gedanken, bei dem BEIDE Seiten sich nicht nur darum bemühen, die jeweils andere zu „begreifen“, sondern auch die eigene Position begreiflich zu machen.
Dass Sie wirklich wissen (wollen), dass Sie nicht mit „dem Westen“ kommunizieren, sondern mit Menschen, die diesen Dialog zum Teil schon seit Jahren führen. Die sogar Ihre Äußerungen über „den Westen“ sogar sehr weitgehend teilen, insbesondere, was das Verhalten der USA (Trumps) und Israels (Netanjahus) gegenüber Palästinensern betrifft.
Daher einige Fragen zur Klarstellung, denn nur was konkret dargelegt ist, kann man auch „begreifen“:
(1) Sie reden permanent von „wir“ und von der „islamischen Welt“, ohne einen einzigen konkreten Hinweis. Nun zählt Wikipedia 1,6 Milliarden Muslime, verteilt auf 199 Länder der Welt.
– Wer ist Ihr „wir“? Wer ist für Sie die „islamische Welt“?
(2) Sie behaupten, Sie hätten „auch islamische Regierungen kritisiert“. Auch nach mehrmaligem genauen Lesen kann ich dazu nicht den geringsten Hinweis erkennen.
– Darf ich erfahren, wo und wie Sie Ihre „Kritik“ geäußert haben?
(3) Sie fordern von anderen „Demut“.
Und Sie antworten auf Verlangen von Frau ernst, sich „präziser“ auszudrücken: „Mache, ich wenn ich Lust dazu habe, Frau Oberlehrerin!“ – Für Sprecher der deutschen Sprache drückt sich so „Hochmut“ oder „Arroganz“ aus.
Und Sie fügen hinzu: „Diese Ohnmacht. Ich mag es, wenn Sie das fühlen.“ – Das nennt man im Deutschen „Rachsucht“ oder „Hass“.
– Was ist für Sie „Demut“? Wie drückt sie sich aus?
(3) Sie behaupten: „Mein Kopftuch ist eine politische Botschaft.“
Es gibt viele Möglichkeiten für „politische Botschaften“, um deutliche Kritik zu üben, um sich zu distanzieren:
So zahlreiche Kampagnen „Not in my name“. Unter anderem gegen den Vietnamkrieg, ähnlich in Deutschland gegen den Irakkrieg. Auch von Muslimen zur Distanzierung gegen die Grausamkeiten des IS.
In Deutschland 1992 Lichterketten mit etwa 1 Million Teilnehmern zum Protest gegen ausländerfeindliche Ausschreitungen.
1992, von mir persönlich initiiert, zusammen mit unseren muslimischen Nachbarn, eine Solidaritätserklärung an die türkische Botschaft Luxemburg, mit Ausdruck der Scham anlässlich des Brandanschlags deutscher Neonazis gegen eine türkische Familie in Mölln (mit 3 Todesopfern), unterschrieben von zahlreichen deutschen Lehrern der Europäischen Schule.
Ähnlich dieses Jahr die Solidaritätserklärung und Trauer in Neuseeland anlässlich des Mordanschlags gegen eine muslimische Gemeinde in Christchurch.
– Welche „Botschaft“ soll Ihr Kopftuch konkret beinhalten? An wen? Gegen wen? Für wen? Wie sollen die Adressaten Ihre „Botschaft“ verstehen? Welche Reaktionen auf Ihre „Botschaft“ kennen Sie?
(4) Nachdem Sie ausgiebig ihre Verachtung kund getan haben, nicht nur gegen „den Westen“, sondern gegen uns alle, uns „saturierte Menschen in ihren weichen Sesseln“, nennen Sie tatsächlich Voraussetzungen für Ihren „Respekt“:
„Begeben Sie sich in unsere Straßenkämpfe, wo Ihnen die Kugeln um die Ohren fliegen. Dann haben Sie meinen Respekt.“
– Welches Ziel haben diese „Straßenkämpfe“? Wer ist konkret „der Feind“? (Und kommen Sie jetzt nicht mit „dem Westen“!)
(5) Ohne irgendetwas unterstellen zu wollen:
– IS-Kämpfer(innen) erfüllen offenbar Ihre Voraussetzung für „Respekt“. Haben die auch Ihren „Respekt“?
Aus Europa stammende IS-Kämpfer geben ähnliche Begründungen wie Sie, Hass und Verachtung „des Westens“ an. Die von ihnen erfahrene Realität ist eine völlig andere: Kulturen und Menschen, gegen die sich der Zerstörungswahn und die bestialische Mordlust des IS richteten, haben mit „dem Westen“ und dessen „Heuchelei“ nicht das geringste zu tun: Die zerstörten Kulturdenkmäler, etwa in Palmyra, sind Jahrtausende alt, die massakrierten Jesiden lebten seit annähernd tausend Jahren in Syrien und im Nordirak.
– Wie stehen Sie dazu, rational und emotional? Welche Möglichkeiten der Distanzierung fassen Sie ins Auge?
Um meinen Senf auch noch dazuzugeben: ich meine, eine solche Diskussion ist nur im direkten Austausch möglich, von Angesicht zu Angesicht, vielleicht mit Moderation. In dieser schriftlichen Auseinandersetzung bekommen meiner Meinung nach viele Argumente einen scharfen Ton, der nicht der Annäherung dient. Wären wir geografisch alle nicht so weit voneinander weg, fände ich einen persönlichen Austausch richtig gut.
@ all
Hier ist es ja wirklich ziemlich heftig zur Sache gegangen. Damit Sie nicht glauben, mir wäre dabei langweilig geworden, möchte ich – mit Gennas Erlaubnis – kurz informieren, dass hinter den Kulissen noch weit mehr passiert ist, als hier nach außen gedrungen ist. Genna ist ein Nickname. Es ist in diesem Blog erlaubt, Nicknamen zu benutzen. Entsprechend neutral werde ich jetzt formulieren: Genna hat ihre Zelte in Deutschland im Dezember 2010 abgebrochen und ist in das Land ihrer Eltern gereist, Tunesien. Sie ist in Deutschland geboren. Den Ausschlag für diese Entscheidung gab die Selbstverbrennung des Gemüsehändlers Mohammed Bouazizi. Seitdem lebt sie in Tunesien und engagiert sich dort politisch. Sie hat funktionierende Demokratie in Deutschland zu schätzen gelernt, sagte sie mir. Allerdings hat sie auch Ausgrenzung und Diskriminierung erfahren, so dass ihr der Abschied nicht schwergefallen ist. Sie hat die deutsche Staatsbürgerschaft und kann zur Not zurückkehren. Ich fasse das grob zusammen, wie gesagt: mit Gennas Erlaubnis. Das hat ein wenig Mühe gekostet, aber das war es mir wert angesichts der Tatsache, dass hier erstmals mit einer Muslima hätte gesprochen werden können und nicht, wie schon so oft, nur über Muslimas. Leider ist dieses Statement auch schon so etwas wie ein Schlussstrich, denn Genna hat mir am Sonntagabend geschrieben, dass sie sich nichts davon verspricht, sich weiter an dieser Debatte zu beteiligen.
Dies auch als Reaktion auf den Kommentar von Manfred Schmidt, 14.4., 20:50 Uhr. Ich hoffe, Sie haben das scherzhaft gemeint, Herr Schmidt!
@ Werner Engelmann
So groß ist die Angst, lieber Herr Engelmann, dann auch wieder nicht, dass ich erstarren müsste. Aber danke, dass Sie es ansprechen.
Meine Verwendung des „Wir“ sollte nicht überproblematisiert werden, weil ich in einer Richtungsdebatte nicht allen Bewußtseinsgruppen gerecht werden kann. Ich schließe mich in diesem „Wir“ mit ein, denn ich gehöre dieser „westlichen“ Gesellschaft an, auch den Widersprüchen, den Heucheleien, der „Doppelmoral“. Ich muss immer wieder darauf achten, nicht von Überlegenheitsvorstellungen oder plakativen Moralkodexen verführt zu werden. Deshalb das „Wir“.
Sie sprechen unseren beiderseitigen „Lebensstil“ an, und da finde auch vieles Gemeinsame bzw. Vergleichbare. Aber das möchte ich nicht alleine zum Ausgangspunkt meiner Gesellschaftskritik, meines ganz unterschiedlichen Engagements machen.
„Ich“ liefere keine Waffen nach Saudi-Arabien oder kann diese reaktionäre Siedlungspolitik Israels nicht verhindern. Richtig! Aber ich lebe trotzdem in diesem „westlichen“ Land und vieles beschämt und bedrückt mich.
Vieles vom dem, was Sie in der Folge ansprechen
(Glaubwürdigkeit, Widerstand, Kultur und Einfluss …)kann ich gut folgen. Dafür kennen wir uns auch ganz gut. Aber ich glaube, dass wir, trotz der Schärfe ihrer Vorwürfe, „Genna“ nicht ganz gerecht werden. Ich habe es bereits angedeutet.
Natürlich ist die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ ein Segen. Wahrscheinlich wären wir ohne diese in der Welt noch viel stärker der Barbarei ausgeliefert, die wir zumindest im ökonomischen Bereich schon lange haben.
Bei diesem Punkt hat mich (wieder einmal)Jean Ziegler (FR-Feuilleton vom Samstag)beeindruckt, seine Haltung, seine Unabdinbarkeit!
Will sagen, der Westen hat die Menschenrechte genau so nötig hat wie asiatische oder die arabische oder afrikanische Welt. Wir sind nicht aus dem Schneider, nie und nimmer.
Ich bin kein Kenner des islamischen Korans, deswegen maße ich mir auch nicht an, in einen Kulturstreit einzusteigen. Der islamistische Terror der letzten zwei Jahrzehnte hat vieles kaputt gemacht und damit auch im Westen (siehe Kriege der USA gegen das Böse) an weltlicher Offenheit und Toleranz zerstört.
Ich mache hier aus nächtlichen Gründen eine Pause und schließe mich aber gerne Ihrem letzten Absatz an:
„Mein Vertrauen … beruht darauf, das reale Erfahrungen in einer offenen Gesellschaft, praktischer Umgang mit Menschen und deren Einbezug in einen umfassenden Dialog langfristig mehr und nachhaltiger wirken als ideologische Indoktrination.“
Vor allem schützt es einen (oder kann es)vor der Ohnmacht und Verzweiflung gegenüber dem Irrsinn in dieser Welt.
@ Genna
Ja, Sie haben das Image „des Westens“ dargestellt, aber genau das kritisiere ich ja, denn „den Westen“ gibt es so wenig wie es „die muslimische Welt“ gibt. Jemanden, der so wenig in der Lage oder bereit ist, zu differenzieren, kann ich als Gesprächspartner*in kaum ernst nehmen.
Sie geben zu, auf „den Westen“ eingedroschen zu haben, weil „der Westen“ immer nur auf ein nicht präzisiertes „uns“ eindresche.
Ich erinnere mich nicht, vor Ihrer Hetzrede auf irgend jemanden in der muslimischen Welt eingedroschen zu haben. Ich habe in einem Leserbrief den Artikel von Manuel Almeida Vergara kritisiert, sonst nichts.
Und wie kommen Sie darauf, dass ich Ihnen gegenüber Ohnmacht verspüren würde? Ich verspüre lediglich Befremden und Abscheu gegenüber Ihrem Hass, Ihrer Selbstgerechtigkeit und Ihrem schlechten Diskussionsstil (Sie drücken sich nur präzise aus, wenn Sie Lust dazu haben? Das klingt wie eine patzige Pubertierende).
Sie fordern mich ständig auf, doch bei Ihnen nachzufragen. Wenn ich das aber tue und die Frage Sie in Schwierigkeiten bringt, blocken Sie ab mit der Behauptung, das gehöre nicht zum Thema. Selbstverständlich gehört die Einstellung der von mir genannten Musliminnen zur Gleichberechtigung zum Thema, Sie selbst haben es doch angeschnitten und gefordert: „Behaltet Eure Denkweise über die Gleichberechtigung für Euch […..] und belästigt uns nicht damit.“
Da werde ich wohl nachfragen dürfen, wie Sie die Auffassung einiger muslimischer Frauenrechtler*innen zur Gleichberechtigung einschätzen.
Ich habe Sie auch mehrfach zum Wertekanon der Gruppe, die Sie mit „Wir“ bezeichnen, und zum Stand von dessen Umsetzung befragt, aber Sie antworten nie darauf, werfen mir aber gleichzeitig vor, Sie nicht zu fragen. Wie soll man mit so jemandem diskutieren?
Interessant finde ich, dass Sie „dem Westen“ eine Mitschuld geben am Scheitern jeglicher Versuche in muslimischen Staaten, ein einigermaßen humanes Gemeinwesen aufzubauen. Warum verlangen Sie denn überhaupt Unterstützung? Warum schaffen die muslimischen Staaten es nicht allein, Ihre Angelegenheiten auf die Reihe zu bekommen? Haben die westlichen Staaten je von den islamischen verlangt, ihnen beim Aufbau ihrer Demokratie oder bei der Erhaltung des Friedens in ihrer Region zu helfen? Das haben unsere Vorfahren und wir selbst innerhalb Europas und mit den USA mit großen Anstrengungen und mit bitteren Rückschlägen und Lernprozessen selbst erarbeitet, und wir haben keinem als uns selbst für unsere Kriege und unser zeitweiliges Scheitern die Schuld gegeben.
Das Zeitalter des Kolonialismus ist lange vorbei, die Franzosen sind aus dem Maghreb abgezogen, die Osmanen aus Arabien, die Briten aus Pakistan usw.. Die islamische Welt sollte endlich lernen, ohne Hass gegeneinander und ohne Vergeltungsdrang ihre Sache in die eigenen Hände zu nehmen. Mir persönlich wäre es sehr recht, wenn sich alle westlichen Staaten aus dem Nahen und Mittleren Osten zurückziehen würden, auch mit Entwicklungshilfe, und es den dortigen Bevölkerungen überlassen würden, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln, schließlich sind wir nicht deren Kindermädchen. Das Problem wäre nur, dass wir dann noch mehr Flüchtlinge aus Kriegs- und Unrechtsstaaten aufnehmen müssten.
Liebe Genna,
soeben habe ich Bronskis Information über Ihre Person gelesen.
Ich finde es bewundernswert, dass Sie sich aktiv für eine positive Entwicklung im Land Ihrer Eltern einsetzen, einem Land, mit dem Sie sich offenbar enger verbunden fühlen als mit Deutschland, das einmal Aufnahmeland für Ihre Familie war und in dem Sie eine gute Schulbildung – vielleicht auch die Voraussetzung für Ihr jetziges Engagement – genießen durften.
Ich wünsche Ihnen, dass Ihre Aufbauarbeit in Tunesien so erfolgreich sein möge, dass es Ihnen erspart bleibt, nach Deutschland, einem Teil des von Ihnen so verachteten Westens, zurückkehren zu müssen.
@Genna:
mich würde noch interessieren, was Sie von der Präsidentschaft Obamas und seiner Außenministerin Clinton halten.
Hallo Herr Büge, lieber Bronski,
Ihre Information über den Hintergrund Gennas findet hier sicher eine dankbare Aufnahme – ich gehe da mal von meiner Empfindung aus und denke die findet Zustimmung.
Nach dem Abschicken meines Kommentars der die Spekulation enthielt, Genna könnte ein von Ihnen geschaffenes Forumsprofil sein, kamen mir anschließend Bedenken, der Satz könnte auch ernst genommen werden.
Daraufhin dachte ich schon darüber nach, einen entsprechenden Hinweis nachzureichen, nahm dann aber Abstand von dieser Idee, es wäre mir wie die Erklärung eines Witzes vorgekommen.
Im übrigen beschreibt I. Werner die Problematik von Diskussionen innerhalb eines Blogs in seinem Kommentar vom 15.04. 01:03h sicher richtig. Da Rede und Gegenrede hier nicht spontan aufeinander treffen können, sondern naturgemäß nur „Schreibe“ und „Gegenschreibe“ mit manchmal großem zeitlichen Abstand, fällt nun mal vieles von dem was eine Diskussion en face ausmacht, unter den Tisch.
Nachdem wir nun alle etwas klüger sind, ist mir dennoch der Furor Gennas mit dem sie hier aufgetreten ist, immer noch unerklärlich.
Nach dem Beginn der Unruhen in Tunesien Anfang 2011 erschien in der taz eine erste Betrachtung darüber, unten der Link dazu. Der Artikel war kommentierbar und wurde von einem Nick DI BRI weiter unten auch beachtenswert kommentiert wie ich meine…
http://www.taz.de/!5128547/
Vielleicht sollten wir über einiges nachdenken, was Genne „im Furor“ (?) gesagt hat.
Es gibt wenig Grund, etwa zynisch darauf zu reagieren …
@Jürgen Malyssek:
Es gibt da einen Aspekt zum Thema Scheinheiligkeit, den ich auch Beachtenswert finde:
https://www.rubikon.news/artikel/der-scheinheilige
@ Bronski, all
Huch! War das nun die „Botin aus der Fremde“ im naturalistischen Drama, die für einen Augenblick den handlungsunfähigen, ohnmächtigen „Helden“ einen „tragischen“ Anstrich gab, um sie dann frustriert in ihrer Misere zu hinterlassen?
Ich möchte die Rolle dieser „Botin“ doch sehr stark hinterfragen, und es stellt sich wohl die Frage, wer hier wen entlarvt hat.
Mir fielen an ihrer „Helden“rolle von Anfang an einige Ungereimtheiten auf, die mit dem großmäuligen Gerede von „um die Ohren“ fliegenden Kugeln noch um einiges verschärft wurde.
Das wäre ernst zu nehmen gewesen von einer – von Trump betrogenen – kurdischen Anti-IS-Kämpferin. So aber sicher nicht.
Der von Manfred Schmidt verlinkte Link gibt Aufschluss auf Herkunft der Verschleierungstaktik und vermutlicher „Qualität“ des „politischen Engagements“ unserer „Genna“. Der Verteidigung „des Volkes“ dient dies sicher nicht.
Hier einige weitere Hinweise auf die politische Hintergründe:
Nach meinen Recherchen deutet alles auf „politisches Engagement“ für die islamistische Partei „Ennahada“ hin, die in der tunesischen Regierungskoalition die größte Partei ist, aber nicht die Mehrheit besitzt:
„Die ideologischen Wurzeln der Partei gehen zum Teil auf die Muslimbruderschaft zurück.(…) In dem Text mit dem Titel „Sind wir ein handlungsfähiges Volk?“ wurde der Dschihad als Verteidigungskrieg legitimiert und als Mittel für Eroberungskriege propagiert.“
In Bezug auf die Zusammenarbeit mit Hamas heißt es:
„Jebali (Parteiführer) bezeichnete das Ereignis als einen „göttlichen“ Moment in einem „neuen Staat“ sowie „hoffentlich in einem sechsten Kalifat“, und dass die „Befreiung“ Tunesiens „mit dem Willen Gottes die Befreiung Jerusalems“ mitbringen werde.[41] Kritiker unterstellen der Partei daher, sich moderat und demokratisch zu geben und ihre wahre Intention zu verbergen.“
(https://de.wikipedia.org/wiki/Ennahda)
Warum „Genna“ auf die Frage von Frau Ernst zu demokratischen Muslimas so aggressiv reagierte, erklärt sich vielleicht aus folgendem Hinweis:
„2012/13 kam es zu Übergriffen auf Abgeordnete und Politiker, die nicht der Ennahda-Partei angehörten. Die Ermordung des linken Oppositionspolitikers Chokri Belaïd am 6. Februar 2013, eines prominenten Kritikers der Ennahda-Partei, und Mohamed Brahmis am 15. Juli 2013 führten zu Massendemonstrationen gegen die Regierungspartei. Auch viele Frauen fühlten sich nach dem Sieg dieser Partei in ihren Rechten gefährdet, die ihnen schon Bourguiba 1956 und danach Ben Ali zugestanden hatten. So sollten sie zum Beispiel dem Mann nicht mehr „gleichgestellt“ sein, sondern ihn „ergänzen“ (Verfassungsentwurf vom August 2012).
https://de.wikipedia.org/wiki/Tunesien#Revolution_und_neue_Verfassung_(2010%E2%80%932014)
Die ominösen „Kugeln“ stammen demnach aus den Gewehren der Islamisten und fliegen ihren Gegnern „um die Ohren“.
Die „Märtyrer“-Rolle passt nun ganz und gar nicht zu diesen Islamisten.
Die Verabschiedung von Genna ist sehr bedauerlich.
Keinen Schritt weiter auf dem Weg des etwaigen Verstehens.
Wo fliegen denn zur Zeit in Tunesien die Kugeln?
Mir scheint, das über anstatt miteinander zu sprechen hat hier wie dort kein Ende!
Habe dazu auch keine Lust mehr.
Ich eigne mich nicht für konspirative Konversationen und schließe mich Frau Hartl an.
Die Ansprüche an eine Modeschau – wie der „Contemporary Muslim Fashions“ im Frankfurter „Museum für angewandte Kunst“ – sind maßlos übertrieben. Nach den noch vor der Ausstellung auch in der FR erschienenen Artikel hierzu konnte ich mir jetzt ein eigenes Bild machen. Für mich war es der 1. Besuch einer Modenschau überhaupt. – Von der Farbenpracht der ausgestellten Kleidungsstücke war ich sehr angetan. „Kritik“ an ´muslimischer Mode` wurde mitgeliefert. Des Tschadors – nicht in dunkel-schwarz mit „vergitterten“ Sehschlitz gehalten, sondern schön bunt – wurde ich in drei Varianten angesichtig. Die Video-Installation der vor leeren Stühlen singenden Frau – Soloauftritte von Frauen vor Publikum im heutigen Iran sind wohl untersagt – ist beeindruckend und ein wahres Hörvergnügen. Geht noch mehr „Kritik“? – Ja! – Aber seit wann erwartet „man“/“frau“/“divers“ von Ausstellungen, dass die versierte Gegenkritik mitgeliefert wird? – „Linke“ und feministische Kritik schon gar?
Die vorgeführten Kleidungsstücke sind teuer und aufwändig produzierte Unikate, die sich die muslimisch-orientierte normalverdienende ´Durchschnittsfrau´ nicht wird leisten können und vielleicht auch nicht wollen, deshalb vielleicht auch „modest-fashion“ mit eigenen Akzenten beim Massenkonsum. Und hier kommen dann auch die fiesen Arbeitsbedingungen der in der Textilindustrie tätigen Frauen weltweit in den Blick.
Störend, unangemessenen und übertrieben empfand ich die Einlasskontrolle in den muslimische Kleidung verwahrenden „Hochsicherheitstrakt“ Museum für „angewandte“ Kunst. Mein Ökoapfel durfte nicht in die Ausstellung, sondern wurde von mir eigenhändig (!) – was verlangt wurde – in einen „grünen“ (!) Beutel Nr. 19 gelegt und am Eingang durch die Kontrolleurinnen verwahrt. Meine frischen Eindrücke und Empfindungen nach dem Besuch konnte ich in keinem Buch zur Ausstellung vor Ort unterbringen; die freundliche Kassiererin verwies mich aufs Internet. Da gäbe es schon massenhaft Kritik! Sehr schade!
Auch und gerade nach diesem Ausstellungsbesuch: Gerne dürfen auch katholische Nonnen (welcher Nationalität auch immer!) in ihrer Tracht und mit ihrer sehr besonderen Kopfbedeckung in deutschen Großstädten flanieren; das gilt selbstredend auch für die (gerne modebewußte) muslimische Frau. Dass Frauen im Iran für das demonstrative Ablägen des frauenunterdrückerischen (!,?, TEW) Kopftuches Gefängnis erhalten, geht gar nicht – kein Kleiderzwang nirgends – bitte keine Mißverständnisse in dieser verkehrten Welt !! – Bei der Kleidung hört die Toleranz in alle Richtungen auf!
@ Thomas Ewald-Wehner
Ein bisschen mehr als eine einfache Modenschau (Werbung für verschiedenen Pariser und amerikanische Marktführer inklusive) erwarte ich schon von einer Ausstellung in einem Museum, das von meinen Steuergeldern finanziert wird.
Wie ich am 14. April, 12:55, bereits berichtet habe, gibt es ja durchaus kritische Ansätze, aber nur am Rand und für den Besucher, die Besucherin, der/die sich danach nicht im Internet ausgiebig mit dem Gesehenen befasst, schwer erkennbar. Beispiel: die Fotoserie von Wessaam al-Badry, die, als Teil einer Modenschau aufgefasst und ohne mitgelieferte Erklärung, von den Blogteilnehmer*innen und wahrscheinlich auch von den Besucher*innen der Ausstellung gründlich missverstanden wurde/wird.
Also, eine deutlichere Einbettung der z.T. ästhetisch durchaus ansprechenden Kleidungsstücke in die jeweiligen gesellschaftlichen Zusammenhänge (z.B. die ausbeuterische Produktion) sollte von einer solchen Ausstellung schon geleistent werden.
Aber der Anspruch, den der Kurator und die Koordinatorin formulieren, reicht gar nicht so weit. Ihnen geht es vorwiegend um die Darstellung des gegenseitigen kommerziellen Austauschs: Musliminnen kreieren etwas ausgefallene, ansprechende, nicht traditionell unscheinbare Mode für den eigenen Kulturkreis, die auch von Nicht-Musliminnen gekauft werden kann, und die europäischen Modehäuser profitieren von diesem neuen Absatzmarkt und booten damit die kleinen Produzent*innen aus, weil die Kundinnen in der westlichen als auch in der musliminchen Welt gleichermaßen dem Diktat der „brand names“ hörig sind und die hippe Muslimin deshalb ein Sportkopftuch mit dem Nike-Zeichen dem der Modeschöpferin ais ihrem Kulturkrei vorzieht.
Wie stark diese jungen, sich als hip, modern und selbstbewusst inszeneirenden Musliminnen dem westlichen Modestil verhaftet sind, zeigt das Video einer Gruppe namens „Mipsterz“ (eine Kombination aus Muslim und Hipster), das voe einigen Jahren in derUSA großes Interesse hervorrief („es ging Viral“) und in der Ausstellung an die Wand projiziert wird. Sein Ziel war eine Verbesserung des Images von Muslim*innen in den USA, die nach 9/11 besonders unter dem Misstrauen und der Ablehnung ihrer Umgebung litten.
Viel kulturelle Eigenständigkeit findet man auf dem Video nicht, vielmehr soll wohl deutlich gemacht werden, wie wenig sich diese jungen Musliminnen von der Mehrheitsgesellschaft unterscheiden. Vor dem Hintergrund afroamerikanischer Hip-Hop-Klänge hüpfen die Frauen leicht und cool durchs Leben, zeigen sich in ihrer Bewegungsfreiheit kein bisschen eingeschränkt (bein Handstand, Holzhacken, Klettern, Skateboardfahren etc.). Auch von „modest“, also züchtig, weniger körperbetont, kann nicht bei allen die Rede sein, wenn man sich die junge Dame in der knallengen Streifenhose anschaut. Das einzige, was sie von anderen Teenagern unterscheidet, ist das Kopftuch. Wozu das noch dienen soll, wenn man sich über andere Vorschriften (nicht auffallen, im Hintergrung bleiben, keine Aufsehen erregenden sexy Bewegungen etc.), bleibt unklar. Bei vielen ist es sicher das Bedürfnis, sich als anders als die Mehrheitsgesellschaft in Szene zu setzen, als Gegenreaktion gegen Ausgrenzung und Naserümpfen seitens der Nichtmuslim*innen: „Schaut her, wie cool und besonders wir sind!“
https://www.google.com/search?client=firefox-b-d&q=mipsterz%2C+somewhere+in+America
Ein Raum der Ausstellung hat mich richtig wütend gemacht. Er zeigt die teuersten Roben von Gaultier, Lagerfeld, Dior etc., alle inspiriert von muslimischen Kleidungsstilen, und dann sieht man an der Wand eine Videosequenz, die die Frau des Emirs von Katar bei verschiedenen offiziellen Anlässen zeigt (mit der spanischen Königsfamilie, dem Papst etc.), gewandet in eben diese Kleidungsstücke. Soraya lässt grüßen!
Ich weiß nicht, ob das eine Vorführung im Stil von Klatschgazetten sein soll (die Gattin des Emirs in Dior) oder ob der Zorn, der in mir hochstieg, von der Museumsleitung beabsichtigt war. Eine Gegenüberstellung dieses unanständig luxuriösen Lebensstils mit den ausgebeuteten, entrechteten Arbeitsmigranten in diesem Land fehlt an dieser Stelle.
@ Brigitte Ernst
Nun habe ich keine Gelegenheit, diese Ausstellung zu sehen. Nach dem, was hier zu lesen ist, fällt es mir aber schwer, hier „Kritisches“ hinein zu interpretieren.
Das dem Thread vorangestellte Niqab-Bild ist für mich nicht weniger erschreckend, als wenn es in Schwarz wäre. Weil ich nicht nur die höchst fremdartige Person sehe, sondern auch den voyeuristischen Blick auf mich gerichtet fühle.
Dazu zwei Erinnerungen (vor etwa zwei Jahren):
Die erste auf dem Flughafen Atatürk in Istanbul: Ein junger Typ, den ich auf etwa 25 schätzte. Rechts neben ihm, einen halben Schritt davor, eine Niqab-Trägerin. Außer den Augen noch knapp wahrzunehmen schwarze Pumps mit halsbrecherischen Absätzen.
Nun bin ich mir der Subjektivität meiner Wahrnehmung bewusst. Es fiel mir aber schwer, mich der Assoziation eines Sklavenhalters, der seine „Ware“ auf den Markt führt, zu entziehen.
Die zweite Erinnerung bei der Überfahrt vom Kreuzfahrschiff nach Santorini. Bei Hitze, annähernd 40 Grad. Vor uns eine Gruppe leger weiß gekleideter junger Männer (nach dem Aussehen vielleicht Indonesier) mit zwei Frauen, im Niqab, auch in Weiß. Es hätte auch die Vorbereitung einer Mode-Demonstration der hier genannten Art sein können.
Dies fällt mir bei Ihrer Bemerkung vom 14. April 2019, 12:55 ein:
„Ist das Kopftuch nicht zu eng? Schwitzt du nicht darunter? – Antworten gibt die nicht darauf, sie wiederholt nur im Refrain die Lobpreisungen des Hijab. Für Nichtmuslim*innen nicht ganz nachvollziehbar.“
Fragen, die mit der Fähigkeit zu tun haben, die Befindlichkeiten anderer überhaupt wahrzunehmen. Die bei solchen Typen offenbar nicht einmal im Ansatz vorhanden ist.
Die mich aber weit mehr interessiert als das, woran sie glauben.
Fragen zur Ausstellung:
Wäre die in der Machart in einem muslimischen Land überhaupt denkbar?
Wie weit hier wirklich ein Einblick in muslimisches Leben gegeben wird, erscheint mir fragwürdig.
Und da die Trägerinnen (bzw. deren Beherrscher) offenbar der obersten Schicht angehören: Könnten nicht blankes kommerzielles Interesse einerseits, die Demonstration von Überlegenheit (im Sinne von imperialen Intentionen) und „Modernität“ andererseits nicht eine weit größere Rolle spielen?
Dazu fällt mir auch die geradezu aberwitzige Protzerei ein, etwa in Qatar, mit der Verhältnisse überspielt werden, die einer Sklavenhaltergesellschaft nahe kommen. (Seit die Eigentümer von PSG Paris sind, freue ich mich über jedes von denen verlorene Spiel.)
Aber das mit der „Heuchelei“ und der Verschleierung (nicht bezogen auf Frauen) hatten wir hier ja schon.