Eines muss einmal gesagt werden: Die katholische Kirche hat es wirklich nicht leicht! Dauernd muss sie sich damit auseinandersetzen, dass der Abstand zwischen ihren Doktrinen und der tatsächlich gelebten Realität größer und immer größer wird (was allerdings nicht weltweit gilt.) Da kommen Themen aufs Tapet, welche die katholische Kirche längst abgearbeitet zu haben glaubt, da tauchen hartnäckig Fragen auf wie die nach dem Sinn von Sexualität, Fragen, die sie längst beantwortet zu haben glaubt. Stichwort Homosexualität. Betrifft nur eine Minderheit, die sich jedoch emanzipiert hat und die heutzutage in den meisten Ländern Europas der heterosexuellen Mehrheit gleichgestellt ist. Selbstbewusst gelebt, stellt sie die alten Doktrinen der katholischen Kirche infrage, und das hat weitreichende Auswirkungen.
Gleichwohl hält die katholische Kirche an ihrer Doktrin fest. Homosexualität, so hat sie ein für allemal befunden, widerspreche dem Naturrecht, weil die Weitergabe von Leben, also die Zeugung von Kindern, dabei nicht möglich ist. Sexualität ist nach diesem Verständnis auf die Fortpflanzung ausgerichtet. Praktizierte Sexualität ist auf dieses Ziel der Fortpflanzung zu beschränken. Homosexuelle Handlungen entsprängen keiner „wahren affektiven und geschlechtlichen Ergänzungsbedürftigkeit“ und seien daher „in keinem Fall zu billigen“ (zitiert nach Wikipedia). Nur ein homosexueller Mensch, der seine Sexualität nicht praktiziert, ist demnach ein möglicherweise guter homosexueller Mensch, denn die Neigung an sich sei nicht sündhaft. Allerdings wohne ihr die Tendenz zu einem „sittlich betrachtet schlechten Verhalten“ inne.
Es verwundert nicht, dass die Kirche zunehmend Probleme hat, solchen Kokolores ernsthaft und glaubhaft zu vertreten. Auch Papst Franziskus, der gern als Hoffnung für die Kirche gefeiert wird, ist in dieser Hinsicht nicht frei von überkommenen Denkweisen. Wenn sich Homosexualität bereits in der Kindheit zeige, gebe es „viel, das mit Psychiatrie gemacht werden kann“, hat er beispielsweise gesagt. Aber Hoffnung für die Kirche – das muss sich erst noch zeigen. Er hat wohl Unterstützer im Vatikan, aber mindestens ebenso viele Gegner – und viele, die opportunistisch erst mal abwarten, wohin die Reise geht. In diesem Machtkampf, der – davon darf die Öffentlichkeit ausgehen – hinter den Kulissen des Vatikan derzeit ausgetragen wird, hat die Bildungskongregation jetzt einen Pflock eingerammt.
Da gibt der Rektor der Theologisch-Philosophischen Hochschule Sankt Georgen zu Frankfurt, Professor Ansgar Wucherpfennig, den Kollegen von der Frankfurter Neuen Presse (FNP) im Jahr 2016 ein Interview, in dem er zu diesem und jenem befragt wird – und auch zur Homosexualität. Er habe homosexuelle Paare gesegnet; warum habe die katholische Kirche Homosexuellen gegenüber so eine ablehnende Haltung? Professor Wucherpfennig antwortet:
„Mein Eindruck ist, dass das tiefsitzende, zum Teil missverständlich formulierte Stellen in der Bibel sind. Beispielsweise bei Paulus im Römerbrief. Homosexuelle Beziehungen in der Antike waren starke Abhängigkeits- und Unterwürfigkeitsverhältnisse. Liebe sollte eine egalitäre, freie Beziehung sein, keine mit Gefälle. Das wollte Paulus eigentlich sagen, so meine These.“
Fünf Sätze, eine These – weg ist das Rektorenamt! Der Mann ist zu liberal für den Vatikan. Die Bildungskongregation verweigert dem Geistlichen das „Nihil obstat“, die Unbedenklichkeitserklärung, ohne die er sein Lehramt nicht weiterführen darf. Dabei hat er eigentlich nichts anderes getan als das, was Wissenschaftler, auch Theologen, eben so tun: Er hat die Quellen gefragt. Das ist etwas, was vom Islam heute ständig verlangt wird: Man solle den Koran historisch-kritisch lesen und ihn auch als zeitgeschichtliches Dokument verstehen. An die Bibel scheint man im Vatikan nicht gern auf diese Weise herangehen zu wollen. Dabei sind die Paulus-Briefe selbstverständlich historische Dokumente, die vor dem Hintergrund ihrer Zeit entstanden sind und die von der Wahrnehmung des Paulus gekennzeichnet sind. Der hat als Mensch seiner Zeit die Welt mit den Augen seiner Zeit gesehen. Falls man also eine theologische Debatte über Homosexualität führen will, dann ist die Frage, welches Bild Paulus von Homosexualität haben konnte und gehabt hat, eine der ersten Fragen, die überhaupt zu stellen sind. Das ist eine Selbstverständlichkeit bei einer wissenschaftlich fundierten Annäherung an diese Texte.
Aber dem Vatikan geht es offenkundig nicht um Wissenschaft, sondern um die Wahrung seiner Doktrinen und Dogmen. Denn die sind in Gefahr. Einerseits durch die Lebenswirklichkeit in den aufgeklärten Gesellschaften, die Thesen wie die von der Sündhaftigkeit der Homosexualität schlicht als Unsinn entlarvt. Andererseits aber auch aus der Kirche heraus. Der Verdacht: Am Verdikt der Bildungskongregation über Ansgar Wucherpfennig habe der Pater Hermann G. mitgewirkt, der in Österreich bei der erzkonservativen katholischen Sekte „Das Werk“ eine Nonne sexuell missbraucht hat (hier ein ausführlicher Bericht über diese Gruppe und den Fall aus der „Zeit“). Der Pater ist geständig, die Kirche beließ es aber bei einer internen Ermahnung „wegen unklugen Verhaltens“. Das passt ins Bild, das die Öffentlichkeit von einer Kirche hat, in der Missbrauchsfälle – gerade hat es in Deutschland eine große Studie dazu gegeben, über die wir hier im FR-Blog diskutiert haben – gezielt und systematisch unter den Teppich gekehrt werden.
Bei Sexualstraftätern hat die katholische Kirche offenbar keine Probleme, sie an einflussreichen Stellen wirken zu lassen. Dreizehn „Ave Maria“, und die Sache ist vergessen. Außerdem ist Heterosexualität nach dem „Naturrecht“ bekanntlich auf die Fortpflanzung ausgerichtet, und die hatte Pater G. ganz gewiss im Kopf (oder wo auch immer), als er sich der Nonne Klara genähert hat. Wer wird das nicht verstehen? Da zeigt sich die „affektive Ergänzungsbedürftigkeit“ in ihrer ganzen Schönheit.
Erneuerung der Kirche? „Nicht mit dem Vatikan„, kommentiert Joachim Frank in der FR. Ich füge hinzu: Niemand braucht eine Kirche, die menschenfeindliche Doktrinen vertritt. Ein weiteres Beispiel dafür, was für ein Unheil damit angerichtet werden kann.
Leserbriefe
Horst Quirmbach aus Frankfurt meint:
„Und da schließt sich der Kreis. Letzte Woche bezichtigt in einer großen Wochenzeitschrift eine ehemalige Nonne des von Benedikt XVI. anerkannten Ordens „Das Werk“ ihren Ordens“bruder“ des sexuellem Missbrauchs an ihr. Nun taucht dieser mittlerweile lediglich abgemahnte und in die Bildungskongregation des Vatikans entsorgte Pater bei der Abberufung des engagierten und theologisch versierten Rektors der Jesuitenhochschule St. Georgen, P. Ansgar Wucherpfennig, wieder auf. Ausgerechnet! Als Ankläger! Und das mitten im Missbrauchsskandal! Was muss noch passieren, damit auch dem Letzten in der Kirche klar wird, wie sehr es bei den Themen Zölibat, Machtgefüge und Sexualität im Argen liegt? Genau das beweist das klandestine Vorgehen der Bildungskongregation auf das Betreiben einiger reaktionär-fundamentalistischer Kreise. Nur wenige – aber sie scheinen mehr Einfluss zu haben als die den Jesuiten unterstützenden Professoren, Studierenden, KollegInnen und den Limburger Bischof zusammen.
Die Abberufung des Rektors wegen dessen seelsorgerischen Einsatzes für Homosexuelle inklusive Segnungen (Segnungen von Autos, Waffen und sonstigem Gerät sind kein Problem) steht in einer klaren Gegenposition zu den Aussagen des Papstes Franziskus: „Wer bin ich, über sie zu richten?“ Dieser forderte doch genau dazu auf: zur Seelsorge und zur Integration in die Gesellschaft. Schlägt man hier den Sack, um den Esel zu treffen?
Als wäre das nicht genug, soll der renommierte Neutestamentler auch noch seine exegetisch hinterlegten Folgerungen für den Umgang mit Homosexuellen und für ein mögliches Diakonat der Frau widerrufen. Was folgt dann? Autoritäres Lehrverbot, weil man dem auf der inhaltlichen Seite nichts entgegensetzen kann?
Wenn Kirche sich nicht ständig überprüft, korrigiert und erneuert, wie es das letzte Konzil verlangt, dann verliert sie ihr Innerstes, ihren Kern. Und diejenigen, die unermüdlich, getrieben von Hass und Hetze, diese Art von Entkernung betreiben, sitzen scheinbar mittendrin.“
Thomas Fix aus Frankfurt:
„Als Katholik sträuben sich bei mir die Haare, man kann von einem handfesten Skandal sprechen: Im „Bürgerkrieg“ im Vatikan gegen Papst Franziskus und die Jesuiten haben die Erzkonservativen eine Schlacht gewonnen, dass ist traurig und ich vermute, dass der Papst gar nichts von dieser Personalentscheidung weiß oder man ihn falsch beraten hat. Franziskus kann nicht alles wissen und ich vermute, er wäre nicht damit einverstanden. Das riecht sehr danach, dass man hier den Papst besonders perfide treffen wollte, nach dem Motto: Euer Papst ist ja doch nicht so liberal und man ggf. die Homosexuellen enttäuschen wollte. Das ist Hochverrat im Vatikan und geht (hoffentlich) nach hinten los. Die Aussagen sind natürlich theologisch und durch die Meinungsfreiheit gedeckt. Hoffentlich wird Kardinal Marx als höchster Katholik im Lande sich auch dazu äußern. Die Kirche ist im Wandel, dass merkt man anhand solcher Entscheidungen . Doch Angst vor dem Neuen war nie ein guter Ratgeber.“
Markus Grass aus Weinheim:
„Meine Wut über den Kinderschänderskandal in der katholischen Kirche macht es mir unmöglich, in den Formulierungen Rücksicht auf religiöse Gefühle zu nehmen. In Anbetracht der von Kirchenvertretern an Kindern begangenen Verbrechen jetzt auch noch gegen einen menschlicheren Umgang mit Homosexuellen zu schimpfen, ist ja wohl mehr als nur dummdreist und unverschämt. Wie kann ein normal intelligenter Mensch dieses Geschwätz von wohl eher sexualneurotischen alten Männern noch ernst nehmen? Zumal es doch ein offenes Geheimnis ist, dass unter Priestern ein recht hoher Prozentsatz homosexuell ist.
Mein lieber Herr Wucherpfennig, selbst wenn Ihre Einstellung, Homosexuelle seien gleichwertige Menschen, nicht mit der katholischen Lehre übereinstimmen sollte, was ist dann wohl zu korrigieren? Ihre selbstverständliche Auffassung christlicher Nächstenliebe oder das – Entschuldigung! – dumme Festhalten an irgendwelchen Äußerungen, die mal vor tausenden von Jahren irgendwelche Männer zu Papier brachten? Ginge es nach der katholischen Lehre, drehte sich die Welt immer noch um die Erde.
Skandalös finde ich, dass an Ihrer Entlassung mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Priester mitgewirkt hat, der eigentlich ins Gefängnis gehört.
Ich kann nicht nachvollziehen, dass diese kirchlichen Betonköpfe immer noch glauben, ihr Gott sei so krank, wie sie es wohl zu sein scheinen, dass er homosexuelle Frauen und Männer erschafft, um ihnen dann zu verbieten, ihre Sexualität auszuleben. Ihr geweihten Betonköpfe, wann kapiert ihr endlich, dass Sexualität nichts Schändliches und Sündhaftes ist, widernatürlich ist doch wohl eher der Zölibat.
Dass Ihr von der unbefleckten Empfängnis redet und somit alle normalen Frauen als befleckt Empfangende diskriminiert, ist doch schon seltsam genug und lässt auf ein krankhaftes Verhältnis selbst gegenüber der Heterosexualität schließen. Wissen diese geweihten Nächstenlieber eigentlich, wie viel Elend und Qual sie mit ihrer verlogenen Sexualmoral über die Menschen gebracht haben und scheinbar immer noch bringen.
Herr Wucherpfennig, hätten Sie doch lieber ein Kind sexuell missbraucht, dann wären Sie mit einer kardinalsberingten Hand ermahnt worden und weiter so. Das aber, nein das geht gar nicht. Diese sich auf Gott berufenden „Würdenträger“ haben aus den an Kindern begangenen Verbrechen und deren Vertuschung nichts aber auch gar nichts gelernt. Schande über sie.
Übrigens: Gehorsam, auch dem Klerus gegenüber ist keine Tugend, sondern Voraussetzung jeglicher Willkür.“
„Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde“ – so heißt es in KOHELET, Kapitel 3, Vers 1 (zitiert nach der Luthertext-Revision von 1964).
Die Zeit der Katholischen Kirche scheint längst abgelaufen zu sein, nur haben das weder ihre Oberhirten noch die Mehrheit ihrer internen Kritiker begriffen, von der frommen Gemeinde ganz zu schweigen. Mit ihrem dürftigen bis falschen Faktenwissen über die Ergebnisse der historisch-kritischen Erforschung der Bibel dürften sowohl der Papst als auch die meisten Kardinäle heute kein theologisches Examen mehr bestehen. Und die Bewegungen von unten, in Deutschland beispielsweise die Gruppen „Initiative Kirche von unten“, „Wir sind Kirche“ oder die Leser von „Publik Forum“, sind zur institutionalisierten Opposition geworden, die kein Kleriker mehr ernst nimmt (ähnlich wie die Montagsdemonstrationen der Fluglärmgegner am Frankfurter Flughafen keine Bedrohung für FRAPORT & Co darstellen).
Die Katholische Kirche hat mindestens seit dem Ersten Konzil von Nicäa (325), auf dem die Grundlagen des Glaubens definiert wurden, ein Problem mit der Sexualität. So lautet der Kanon 3 der dort beschlossenen kirchlichen Grundsätze: „Das Konzil verbietet absolut, dass Bischöfe, Priester und Diakone mit einer Frau zusammenleben, ausgenommen natürlich ihre Mutter, Schwester oder Tante oder eine über jeden Verdacht erhabene Frau.“ Der angesprochene Verdacht meint, dass der weibliche Mensch, die vermeintliche Verführerin des Adam, als personifizierte Sünde gilt und vom Priesteramt ausgeschlossen ist. Da dem allmächtigen Schöpfer aber kein anderes Verfahren zur Fortpflanzung eingefallen war, sind die Frauen und die auf sie hereinfallenden Männer entschuldigt (lässliche Sünde). Das im katholischen Sinn ideale Weib aber ist das unberührte, was in der Jungfrauenideologie und der Legende von der unbefleckten Empfängnis Marias bis heute durch die Kirche geistert.
Völlig dem Bösen verfallen sind alle, die nicht-heterosexuellen Formen anhängen. Entsprechende Bibelstellen sind auf Begegnungen mit babylonischen Stämmen zurückzuführen. Beispielsweise im Deuteronomium (Fünf Bücher Mose), das erst nach dem Babylonischen Exil entstanden ist. Oder im Neuen Testament, dessen einzelne Schriften in einer von altgriechischen Traditionen bestimmten Welt verfasst wurden und zum Teil gegen diese Stellung beziehen.
Dabei hat die Kirche immer dann ein Einsehen mit sich selbst und erteilt großzügigen Dispens, wenn es um die Fleischeslust ihres Politbüros und ihres Zentralkomitees geht. Zur Vorbereitung des Konstanzer Konzils (1414 – 1418) wurden zeitgenössischen Dokumenten zufolge unaufhörlich Wagenladungen mit Prostituierten beiderlei Geschlechts an den Bodensee verbracht (Ulrich von Richental, Chronik des Konstanzer Konzils, Faksimile und Textübersetzung, Konstanz 1984). Ähnliches gilt für die Missbrauchsfälle, die erst allmählich bekannt werden.
Als gottloser Protestant harre ich der Entwicklung der Dinge. Bald, am 31. Oktober, ist wieder Reformationstag. Vielleicht kleben dann an sämtlichen katholischen Kirchentüren unübersehbar Plakate, auf denen „Wir sind Kirche“, „Initiative Kirche von unten“ und „Publik Forum“ den gesamten Klerus für abgesetzt erklären, dem Papst die Gefolgschaft verweigern und die „Kirche Jesu Christi“ ausrufen. Denn anders als durch Verwegenheit wird sich nichts ändern.
Wenn die Gläubigen (weltweit!) in der Mehrheit homophob sind, was erwartet man da von der Kirche?
Zitat:
„Homosexuelle Handlungen entsprängen keiner „wahren affektiven und geschlechtlichen Ergänzungsbedürftigkeit“ und seien daher „in keinem Fall zu billigen“ “
Da fehlt den Würdenträgern wohl die Erfahrung, daß die „Ergänzungsbedürftigkeit“ mit klarem Verstand als „Liebe“ bezeichnet wird und, daß die Erfüllung der „Ergänzungsbedürftigkeit“ in Form eines gezeugten Kindes einer Herabwürdigung des neuen Menschen entspricht.
Durch Liebe ergänzt man sich selbst um ein vermisstes Glück, auch ohne Nachkommen,
Eine „Ergänzung seiner selbst“ einem neuen, fremden und von Geburt an freien Menschen aufzubürden ist Unfreiheit in ihrer schlimmsten Form.
Ein neuer Mensch ist in keiner Weise eine „Ergänzung“ aus zwei unterschiedlichen, (scheinbar) definierten „Ausgangsdispositionen“. Das wäre ein äusserst primitives Verständnis der Genetik. Es wäre blosse, mißverstandene „Fortpflanzung“.
Eine „Ergänzung“ kann, selbst nach katholischer Lehre, nur nach vollständiger Erkenntnis überhaupt definiert werden, und das wäre, wenn von Menschen definiert, nur blasphemisch.
Die Verwirklichung von Liebe hat nichts mit dem Zeugen von Nachkommen zu tun.
Da der Papst selbst nicht weiß, wie er mit den „völlig dem Bösen verfallenen“ – wie Herr Mertens das so wunderbar ausgedrückt hat – umgehen soll. Wen wundert es da, dass seine Mitbrüder im Geiste erstarrt sind.
Der „berühmte“ Ausspruch im Flugzeug, vielleicht lag es an der Losgelöstheit von der Erde, „wer bin ich ……, was auf tiefe Einsicht schließen lassen könnte und dann die Worte, dass bei jungen Menschen die Psychiatrie helfen könnte, Homosexualität zu verhindern.
Nix war es mit der Einsicht!
Diese Kirchenorganisation geht lieber unter, als auch nur den Versuch zu machen, Menschlichkeit in ihrer ganzen Bandbreite verstehen und akzeptieren zu wollen.
Man möchte ihnen zurufen – Willkommen in diesem Jahrhundert und auf geht’s Jungs, schaut euch die Vielfalt dieser Welt an – mit Dogmen führt der Weg hier nicht weiter.
Das ist das Problem der Buchreligionen, dass sie davon ausgehen, ihre jeweilige „Heilige Schrift“ (Thora, Bibel, Koran) sei ein von Gott diktierter Text, der für den Rest aller Tage allein gültige Wahrheiten enthalte. Wenn man dann feststellt, dass bestimmte Inhalte nicht mehr zu den in späteren Zeiten gewonnenen wissenschaftlichen Erkenntnissen und Vorstellungen von Humanität passen, muss man sich furchtbar verbiegen, um das heilige Buch durch spitzfindige Interpretationen als ewig gültiges zu retten. Anstatt einfach zuzugeben, dass dieses Buch zwar sicherlich viele kluge Gedanken enthält, die man weitertragen kann, dass es aber ein von Menschen in einem bestimmten historischen Zusammenhang verfasster Text ist und weiter nichts.
Thora, Bibel und Koran sind Werke, die einer patriarchalischen Gesellschaftsordnung entsprungen sind. Folglich finden sich dort eine Menge Frauen und auch Homosexuelle verachtender und ausgrenzender Inhalte. Je enger sich der jeweilige Glaube am Wortlaut des „Heiligen Buches“ orientiert, wie das bei Fundamentalisten jeglicher Couleur (strenge Katholiken, Evangelikale, orthodoxe Juden, Islamisten) der Fall ist, umso stärker halten sie an einem alten, heute unzeitgemäßen und Menschen schädigenden Weltbild fest. Da hilft, so fürchte ich, nur eine Abkehr von einer Institution wie der katholischen Kirche. Wenn es über Jahrhunderte hinweg nicht gelungen ist, Frauen in dieser Kirche als dem Mann gleichwertige Geschöpfe anzuerkennen, wie sollte das bei Homosexuellen, deren Gleichberechtigungsbewegung in unserer Gesellschaft ja viel neuer ist, so schnell gelingen?
@Brigitte Ernst
„Wenn es über Jahrhunderte hinweg nicht gelungen ist, Frauen in dieser Kirche als dem Mann gleichwertige Geschöpfe anzuerkennen, wie sollte das bei Homosexuellen, deren Gleichberechtigungsbewegung in unserer Gesellschaft ja viel neuer ist, so schnell gelingen?“
Es stimmt, Ersteres ist bis heute nicht gelungen.
Wahrscheinlich findet eher ein Reicher Eingang ins Himmelreich, bevor sich daran etwas ändert.
Wir leben aber jetzt in einer Zeit des rasanten Informationsaustausches rund um die Welt. Das heißt, der Druck der heute auf die Kirche ausgeübt werden kann, ist um ein Vielfaches höher. Die Geschwindigkeit, in der sich auf vielen Ebenen Veränderungen vollziehen, wird auch vor dem Vatikan nicht halt machen. Die Macht und ihr Missbrauch aus diesen Reihen bröckelt.
Die Bereitschaft der Gläubigen sinkt die Skandale mitzutragen und zuzuschauen, wie Menschen innerhalb dieser Gemeinschaft aufgrund verkrusteter Strukturen an den Rand gedrängt werden. Egal ob es die gleichgeschlechtliche Liebe, die Wiederverheiratung geschiedener oder die Ausgrenzung von Ansgar Wucherpfennig betrifft.
Vielleicht haben die Herren in Rom den Gong noch nicht gehört, aber sie sind angezählt.