Mittelalterliche Innenstädte können sehr malerisch sein mit ihren pittoresken Fachwerkbauten. Die Frankfurter Altstadt war bis zu ihrer Zerstörung durch die Bombardierungen ab Oktober 1943 eines der größten mittelalterlichen Häuserkonglomerate Europas. Allein in der Altstadt befanden sich laut Wikipedia zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf engstem Raum rund 2.000 Gebäude, überwiegend hölzerne Fachwerkstrukturen, daneben aber auch bereits viele Häuser aus rotem Mainsandstein. Auf dem folgenden Luftbild, aufgenommen von einem Zeppelin im Jahr 1911, kann man sehen, dass städtebaulich bereits in die alte Bausubstanz eingegriffen worden war: Bis ins Jahr 1908 war die Braubachstraße „geschlagen“ worden. Sie ist links vom Römerberg, der freien Fläche in der unteren Bildmitte klar als vergleichsweise breite Straße zu erkennen. Rund 100 Altstadthäuser, auch solche von kunsthistorischem Wert, hatten dieser Schneise weichen müssen, die vor allem dazu diente, der neuen Straßenbahn Platz zu schaffen. Insbesondere im Bereich zwischen Römer und Dom überwiegt auf diesem Bild Bebauung, die auf optimale Nutzung des wenigen Platzes zielte, der hier zur Verfügung stand. Malerisch, nicht wahr? Aber möchte man hier leben?
Verschiedene historische Umbrüche haben die Frankfurter Altstadt gezeichnet. Im 19. Jahrhundert war sie zeitweise ein Arbeiterviertel und drohte zu verfallen. Die Frankfurter Patrizier zog es viel eher ins Westend außerhalb der Walllanlagen. Verkehrstechnisch war die Altstadt abgehängt. Doch es gab schon damals Menschen, welche die malerischen Seiten der Altstadt erkannten und pflegten. Vereine wurden gegründet, die Sanierungen vornahmen, Rekonstruktionen historischer Fassaden wurden versucht. All das verbrannte in den Feuerstürmen des Bombardements der Alliierten.
Die Frankfurter Altstadt im Jahr 1911.
Bild: gemeinfrei (Wikipedia)
Es liegt auf der Hand, dass eine derart enge Bebauung riesige Probleme nach sich zieht. Im Mittelalter ging es nicht anders; damals war der Platz definiert durch die Umfänge der Stadtbefestigung. Seuchen hatten leichtes Spiel in dieser Enge, Hygiene war ein großes Problem, und über den Begriff „Frischluftschneise“, der in der heutigen Stadtplanung eine große Rolle spielt, hätte man damals vermutlich nur verständnislos den Kopf geschüttelt. Die Dinge haben sich gründlich geändert. Zum Glück, möchte man meinen.
Da wirkt es fast merkwürdig, dass Teile der Frankfurter Altstadt nun wieder aufgebaut worden sind. Auf einem Areal von der ungefähren Größe eines Fußballfeldes entstanden 35 Neubauten, darunter 15 Rekonstruktionen von im Krieg zerstörten Altstadthäusern. Rund 200 Millionen Euro hat dieses Projekt gekostet. Etwa 70 Millionen kamen durch Verkauf von Eigentumswohnungen wieder herein. Preis pro Quadratmeter: 5000 bis 7500 Euro. „Die Steuerzahler haben mit einem Betrag von 130 Millionen Euro die Luxuswohnungen mitfinanziert„, sagt Stadthistoriker und -führer Dieter Wesp. Das Projekt ist also zunächst defizitär. Und das in Zeiten, in denen auch in Frankfurt – wie in wohl allen deutschen Großstädten – dringend bezahlbarer Wohnraum benötigt wird.
Es ist schon richtig, dass auf dem infrage stehenden Areal eine angemessene Bebauung her musste, die dem Wert der Grundstücke ebenso Respekt zollt wie ihrer Historie. Das Wohnungsproblem in Frankfurt lässt sich gewiss nicht auf einem Gebiet von der Größe eines Fußballfeldes lösen, und es scheint schon jetzt klar, dass die neue Altstadt viele Touristen anlocken wird. Insofern wurde hier etwas für die Zukunft Frankfurts getan, was demnächst sicher zum Bau weiterer Innenstadthotels führen wird. Na gut, sei’s drum, wenn es Frankfurts Beliebtheit als Reiseziel nützt. Wollen wir hoffen, dass die 130 Millionen Euro Defizit, die hier anscheinend verdaddelt wurden, wenigstens mittelfristig noch irgendwie hereinkommen. Schön wäre es auf jeden Fall, wenn sich die Frankfurter Verantwortlichen mit derselben Energie um die Schaffung bezahlbaren Wohnraums kümmern würden. Dass sie mit derselben Lust, wie über die neue Altstadt diskutiert wurde, Konzepte ersinnen und vorschlagen, wie man etwas gegen die durch die Decke gehenden Mieten unternehmen kann. Denn das betrifft die Menschen in Frankfurt wirklich, persönlich und hautnah, nicht die abgehobene Debatte darüber, ob man heute wieder „historisierend“ bauen dürfe und ob Frankfurts Fassaden in Ordnung sind.
Leserbriefe
Klaus Philipp Mertens aus Frankfurt meint:
„Dass der Neubau der Frankfurter Altstadt zu einem Mekka der Immobilienspekulation würde, war von Anfang an zu erwarten gewesen. Die im Koalitionsvertrag zwischen CDU und Grünen vom Mai 2006 beschriebene künftige Nutzung des Komplexes rund um das damalige Technische Rathaus erweist sich längst als Etikettenschwindel. Hieß es darin doch:
„Anstelle des heutigen Technischen Rathauses soll ein gemischtes, kleinteiliges und lebendiges Quartier mit vielen Wohnungen, aber auch mit Läden, Lokalen, kulturellen und sozialen Nutzungen entstehen. Die Stadt wird das Gelände zwischen Dom und Römer zurückkaufen. Dort werden, ausgerichtet am historischen Stadtgrundriss, möglichst kleine Grundstücke gebildet, damit viele verschiedene Stadthäuser realisiert werden können. […] Einige wenige, historisch bedeutsame Gebäude sollen rekonstruiert und zeitgemäß genutzt werden.“
Durchgesetzt hat sich letztlich der parlamentarische Arm der Spekulantenszene. Kein Wunder, das sich unter den späteren Käufern der teuren Eigentumswohnungen trotz Losverfahrens verdächtig viele Prominente befinden.
Vielleicht überwinden sich einige charakterstarke und beherzte Stadtverordnete und plakatieren beim Altstadteröffnungsfest im September die Namen dieser Nutznießer. Ebenso Erwähnung finden sollten jene Neunmalklugen, welche die Gunst der Stunde nutzen und ihre Wohnungen zu Fantasiepreisen vermieten wollen. Denn die Bürger haben ein Recht darauf zu erfahren, an wen das einstmals kommunale Eigentum durchgereicht wurde.
Es wäre wünschenswert, wenn Oberbürgermeister Peter Feldmann bei seiner Eröffnungsrede diese unhaltbaren Zustände beim Namen nennen würde, statt weiter vom „Herz Frankfurts“ zu schwadronieren. Eine weitere Schönfärberei könnte leicht dazu führen, dass die neue Altstadt zum politischen Grabstein für die Frankfurter SPD würde.“
Ernst Hettche aus Frankfurt:
„Gedankensplitter eines Frankfurter Kleinbürgers zur unglaublich skandalösen Entwicklungsgeschichte und aktuellen Finanzierungssituation der ‚neuen Altstadt‘ (schon paradox genug, oder?): Von ewiggestrigen Rechtspopulisten initiiert; von ewiggestrigen CDUlern und (Frankfurter!) Grünen aufgegriffen und vorangetrieben, na ja, die SPD gesellte sich dann auch dazu; von ewiggestrigen „Architekten“ geplant und voller Stolz präsentiert; von braven, lethargischen Steuerzahlern (zu denen leider auch ich gehöre) finanziert; von den üblichen Gierigen günstig „geschnappt“; von den ewiggestrigen Pappnasen als entzückend empfunden; ja und? Armes, armseliges Frankfurt.“
Carsten Schwöbel aus Frankfurt:
„Sicherlich darf man nicht alles, was über die Häuser der neuen Altstadt geschrieben wird, auf die Goldwaage legen. Betrachtet man die urkundlichen Quellen zum Haus Klein-Nürnberg aber genauer, ergibt sich doch ein etwas anderes Bild.
Das Haus wird kurz vor Mitte des 14. Jahrhunderts als ein Neubau von Heile Starkerad erwähnt; Spekulationen über einen romanischen Vorgängerbau sind daher müßig.
Der springende Punkt ist, dass Klein-Nürnberg mit dem benachbarten Nürnberger Hof und der Patrizierfamilie Glauburg nie etwas zu tun hatte. Den Brauch, ein Haus nach einem bekannten Nachbargebäude zu benennen, gab es häufiger im alten Frankfurt. So hatte auch das Haus Klein-Braunfels am Liebfrauenberg mit dem berühmten Braunfels nichts zu tun.
Um 1500 gehörte Klein-Nürnberg der Patrizierfamilie Stalburg, später der Familie Humbracht. Kurz vor 1600 ließ Maria, die Witwe des Modestin Humbracht, das Haus neu errichten. Für den „Altstadtvater“ Fried Lübbecke, von Haus aus Kunsthistoriker, war Klein-Nürnberg ein typischer Bau der Renaissance inklusive Eingangshalle! Zu Messezeiten war das Haus damals an Augsburger Seidenhändler vermietet.
Interessanter als die Frage, ob es sich um ein Gewölbe der Gotik oder der Renaissance handelt, ist aber sicherlich die Tatsache, daß der ev.-luth. St. Paulsgemeinde auch die Ev. Indonesische Kristusgemeinde dieses Haus nutzen wird.“
Sigurd Schmidt aus Bad Homburg:
„Christoph Mäckler hat die in Teilen der deutschen Architektenzunft geradezu mit Inbrunst geführten Debatte, es dürfe nicht historisierend gebaut werden, mit einer klaren positiven Bewertung abgeschlossen. Entscheidend ist ja das Votum der Frankfurter Bürger, das auch nach vielen Bekundungen in Leserbriefen eindeutig positiv ausgefallen ist.“
Im Grunde geht es bei der ganzen Sache darum ob öffentliches Geld für Immobilienspekulation verwendet wird. Da man sich weigert gegen diese Spekulation ernsthaft vorzugehen wird das wohl passieren. Ich war letztes Jahr im einem Land in Urlaub das in der Diskussion ist beim Thema sichere Herkunftsländer. Da läuft auch eine Immobilienspekulation. Die Regierung hat dagegen Mindesthaltefristen gesetzt. Ich halte so etwas für ein einfach einzuführendes und wirksames Mittel. Das setzt aber voraus das man wirklich was ändern will. Letztlich sollte solche Spekulation bekämpft werden egal ob beim Bauen Steuergelder geflossen sind oder nicht. Es ist auch nicht wirklich nachzuvollziehen warum der Wertgewinn von Land steuerfrei ist wenn es Bauland wird. Das fordern nach meinem Wissen noch nicht mal die Linken.