„Achtung, du kannst verblöden“ – diesen Spruch hat Buchautor Michael Jürgs sich zur Mahnung aufgeschrieben, um ihn sich stets vorzuhalten, während er die deutschen Fernsehprogramme auf der Suche nach verblödeten Inhalten studierte. Keine Frage, dass er da fündig geworden ist. Er meint auch, eine allgemeine Verblödung der Menschen, der Gesellschaft, der Welt festzustellen. Die Frage ist nun, jedenfalls für mich: War das nicht schon immer so? Haben nicht Ältere immer einen Hang dazu gehabt, den allgemeinen Werteverlust zu beklagen – schon vor zweihundert, nein, zweitausend Jahren?
Frank Kampmann aus Walberberg jedenfalls ist skeptisch angesichts der Frage, ob die Menschheit aufzurütteln ist:
„Ich fürchte, dass da Hopfen und Malz schon verloren sind. Im Schalterdienst der Post ist man mit Menschen konfrontiert, die im Alter von 19 Jahren nicht in der Lage sind, einen Brief zu versenden (‚Äh, Umschlag?‘), mit Paketeinlieferern, die nicht wissen, dass Österreich nicht (mehr?) zu Deutschland gehört, mit Bewerbungschreibeneinlieferern für McKinsey u.ä., die sich die Portosumme von 4,35 Euro bei drei Briefen nicht erklären können (‚Solche Beträge kann ich nicht rechnen‘); hier muss man begreifen, dass Pisa nur die Spitze des Eisberges ist. ‚Die sind ja nackt‘ wird nur den Ruf ‚Boah, geil, wo denn?‘ zur Folge haben, und das Zücken von Handykameras.“
Manfred Schmelz aus Malsfeld sieht das ganze in einem größeren Kontext:
„Es mag durchaus verdienstvoll sein, durch eine exakte Medien-Analyse die „Blödheit“ der Massen zu zeigen. Allerdings: Bereits vor 60 Jahren beschäftigte sich der „Heideschriftsteller“ Arno Schmidt auf sehr unterhaltsame Weise literarisch mit diesem Phänomen und konnte zeigen, dass diese „Blödheit“ keineswegs gebunden ist an eine perfekte Medienwelt, sondern seit Urzeiten ein Kennzeichen der menschlichen Rasse zu sein scheint. Nur dadurch sei der erbärmliche Zustand der Welt zu erklären. In seiner Erzählung „Alexander oder Was ist Wahrheit“ von 1949 bringt ein eigenwilliger Philosoph im Tross Alexanders des Großen das Problem menschlicher Massen-Dummheit und der politischen Verführbarkeit auf den Punkt: ‚Ich hätte Aristoteles und Eure ganze Sorte für vernünftiger gehalten; aber eine Isophrene (Linie gleicher Blödheit: Witzig!) verbindet unterschiedslos alle Menschen. Und Völker.‘
Wer Jürgs Buch liest, sollte sich unbedingt mit Schmidts Frühwerk beschäftigen. Dann bekommt die ‚Isophrene‘, die Jürgs meint entdeckt zu haben, auch eine historische, politische und globale Dimension.“
Frederike Frei aus Potsdam sieht nicht viel fern – und ich weiß aus meinen Leser-Kontakten, dass sie auf dieser Insel der Seligen nicht allein ist:
„Interview und Buch von Herrn Jürgs begrüße ich zwar grundsätzlich sehr, aber auf seinen blinden Fleck will ich doch hindeuten: Er spricht verächtlich von Personen oder Dingen, die z.B. eine wie ich, die sich aus dem Fernsehen nur das heraussucht, was sie sehen will, nicht kennt. Er rechnet also damit, dass jeder weiß, wer Mario Barth ist. Ich weiß es nicht und habe auch die Muppets-Show nie gesehen, kenne sie nur vom Hörensagen. Insofern stimmt sein Zettel, auf dem er notierte, er müsse selber aufpassen, dass er nicht verblödet. Wenn er ausführt, dass jener viel gescholtene Herr Barth scheint’s ins Mikro furzt, frage ich mich, wie er das meint. Ob er symbolisch, verbal oder tatsächlich furzt. Bevor Herr Jürgs gegen die Dummheit vorgeht, sollte er darüber erst mal aufklären, oder die Interviewerin hätte es für unsereiner in Klammern hinzusetzen können.“
Neelassma: Die Kulturanschaffenden plätschern in immer gleichen Wellen an die Ufer der Altersgruppen um oberflächlich den Dreck abzukratzen und als Couvertüre zu verkaufen.
Das hat nicht mehr Wert als das Strassengeschwätz von Mario B., Herr Michael J.
Ich grüße mit einem herzhaften „Gööö-lenn!“
Ich kannte Mario Barth nicht und habe mir dann bei YouTube ein Video angesehen. Nach 2 Minuten musste ich abbrechen. Die Lacher im Video können nur aus einer anderen Veranstaltung mit einem wahren Komödianten stammen. Oder gibt es doch so viele blöde Deutsche? Bisher dachte ich, das Bild-Zeitungsniveau ist nicht zu unterbieten. Mario Barth schafft es.
@Sauerländer… ich habe schon mal 3 Minuten Barth geschafft!!!
Die Geistesgaben der Menschen sind nun mal unterschiedlich verteilt, und sie waren es auch seit jeher. Ebenso wie ich skeptisch angesichts der Lieblingsphantasie aller Linken bin (und auch mancher Nicht-Linken), nach denen der Mensch als leeres Stück Papier zur Welt kommt, bei dem sich der Erfolg des Werkes am Ende allein aus der Geschicktheit des das Blatt vollschreibenden ergibt (sprich, daß man nur die richtige Förderung in Kindergarten und Schule braucht, und aus wirklich jedem Menschen könnte ein Geistes-Genie werden), so skeptisch bin ich auch der umgekehrten Idee gegenüber, daß ständige Konfrontation des Individuums mit allen möglichen Blödheiten dann unbedingt nur Dumme ergeben kann.
Dennoch scheint es einige Besonderheiten der Lebensrealität im modernen Deutschland zu geben, die Anlaß zur Sorge sein sollten. Früher war eine Reihe von Freizeit-Beschäftigungen vorwiegend männlicher Jugendlicher üblich, die dazu führten, den Betreffenden zu bereichern, ihn weiterzubilden im nichtschulischen Sinne. Das war vielleicht der Kosmos-Chemiekasten, mit dem man herumexperimentierte, das war vielleicht ein ferngesteuertes Flugzeug, daß man aus Balsaholz selber baute, das waren Elektronik- oder sonstige Basteleien aller Art (Klassiker: der Detektor), Seifenkistenbau, Baumhäuser usw. Ich wage die Behauptung, daß es so etwas heutzutage fast überhaupt nicht mehr gibt, sämtliche Freizeit, die jenseits der Schule übrigbleibt, wird entweder mit „Abhängen“ oder mit Konsum elektronischer Medien (Computerspiele, saudämliches Chatten, zielloses Herumsörfen, Videos aller Art, amerikanische Serien oder anderes downloaden oder im TV gucken) oder, bei manchen wenigstens noch, mit Sport verbracht. Ab und an vielleicht noch ein Musikinstrument, immerhin, aber das wars dann auch. Anderes wird nur kurzfristig betrieben, wenn man ein betreffendes Gerät (fix und fertig) gekauft bekommt oder es selber kauft.
Würde man einmal die Bandbreite von Tätigkeiten Jugendlicher von vor 50 Jahren mit denen der heutigen vergleichen, so ist mein rein aus der eigenen Beobachtung abgeleitete Verdacht, daß es zu einer deutlichen VERARMUNG gekommen ist.
Aber wie es immer so ist mit eigenen Beobachtungen, das sind nur Ausschnitte, und ich liege vielleicht auch schief mit einer Generalisierung (obwohl ich das bezweifle).
P.S. Wer nicht weiß, was Chatten ist, und sich an meinem Adjektiv „saudämlich“ stört, einfach mal in einen Chat Jugendlicher hineinschauen. Mario Barths Texte sind im Vergleich dazu direkt nobelpreisverdächtig, denn sie enthalten ja noch identifizierbare Inhalte.