Metastasierende Konflikte

Die Welt gerät zunehmend in Unordnung, nicht zuletzt weil ein US-Präsident Nahost-Politik aus dem Bauch heraus macht und weil ein russischer Präsident den Nahen Osten als Spielwiese zu betrachten scheint. An einer Lösung des Problems scheint keine der beteiligten Parteien ernsthaft interessiert zu sein. Hinzu kommt nun auch noch eine Eskalation des Konflikts zwischen den Golfmächten Saudi-Arabien und Iran, die das Emirat Katar politisch und wirtschaftlich isolieren. Die Saudis — mit einem militaristischen Verteidigungsminister, der nun auch zum Thronfolger ernannt wurde — treiben mit US-Unterstützung den Krieg im Jemen und den Konflikt mit Katar auf die Spitze, beides Stellvertreterkonflikte in der Auseinandersetzung mit Iran. Der Iran pusht nach langer internationaler Isolierung und nach der Lockerung der Sanktionen seine Erdölförderung und setzt die Saudis damit auf dem Weltmarkt unter Druck. In Syrien kommt dies alles zusammen: die Befindlichkeiten zwischen USA und Russland und die zwischen den Regionalmächten, nicht zu vergessen die vielen verschiedenen Gruppen von Aufständischen gegen den Schlächter Assad; und auch die Terroristen vom „Islamischen Staat“ mischen mit. Komplizierter geht es kaum. Dazu ein Gastbeitrag von Torben Waschke aus Sulzbach/Ts. Der Leserbrief wurde gekürzt im Print-Leserforum der FR am 27.6.2017 veröffentlicht. Hier folgt die ungekürzte Fassung.

Metastasierende Konflikte

Von Torben Waschke

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Im Nahen und Mittleren Osten beobachten wir eine zuspitzendende geopolitische Kategorisierung mit dem Ziel der Durchsetzung eigener politischer Interessen. In militärischen Konflikten versucht jeder involvierte Akteur mit dem Denken in Dichotomien, binären Abgrenzungen und der Aufrechterhaltung von Narrativen eine Priorisierung für sein Handeln zu begründen und das eigene interessengeleitete Vorgehen zu legitimieren.

Die Konflikte in Syrien, Libyen, im Jemen oder im Irak zeichnen sich vor allem durch drei Konfliktebenen aus: nationalstaatliche Mikroebene (Auseinandersetzung innerhalb der Länder), zwischenstaatliche Mesoebene (z.B. zwischen Saudi-Arabien und dem Iran) und internationale Makroebene, auf der sich Staaten als Mitglieder von internationalen Organisationen oder Bündnissen bewegen und in der insbesondere die Großmächte entscheidende Impulsgeber sind.

Das Risiko von einer unberechenbaren Vermischung dieser Ebenen ist eine sukzessive Radikalisierung der offenen Konfrontation in der Region. Die Lage im Nahen und Mittleren Osten ist dermaßen instabil, dass die Konflikte unkontrolliert metastasieren.

So entbrannte Anfang Mai die Rivalität zwischen Saudi-Arabien und dem Iran auf einem neuen rhetorischen Höhepunkt, als der neue Kronprinz Saudi-Arabiens Mohammed bin Salman drohte: „Wir werden nicht warten, bis die Schlacht nach Saudi-Arabien kommt, sondern daran arbeiten, dass die Schlacht im Iran statt in Saudi-Arabien stattfindet.“ Ein maßgeblicher Interessenkonflikt unterliegt dabei vor allem einem energiepolitischen Gesichtspunkt.

Durch das Atom-Abkommen hat Saudi-Arabien gegen den Iran Markanteile als Öl-Exporteur verloren. Während Saudi-Arabien seine Ölproduktion durch die Verlängerung des OPEC-Abkommen senken muss, kurbelt der Iran aufgrund des Endes der Sanktionen seine Produktion an. Mit zusätzlichen Rabatten verschafft sich der Iran einen Vorteil auf dem weltweiten Ölmarkt.

Ein weiterer wichtiger Aspekt betrifft die „Katar/Türkei Pipeline“, die in offenkundiger Konkurrenz zum Bau einer „Islamischen Pipeline“ steht. Im Jahr 2000 gab das Golfemirat Katar bekannt u.a. über Syrien eine Pipeline bis in die Türkei zu führen. Katar teilt sich mit dem Iran das weltweit größte Erdgasfeld. Sollte die Katar/Türkei-Pipeline gebaut werden, würde es den ökonomischen und politischen Einfluss der sunnitischen Herrscherhäuser gegenüber dem Iran stärken. Umgekehrt würde es den schiitischen Iran stärken, sollte die „Islamische Pipeline“ über die iranische Seite des Gasfeldes gebaut werden. Nicht ohne Grund wird derzeit um Katar geopolitisch gebuhlt.Im überlagerten Konflikt zwischen Saudi-Arabien und dem Iran erhofft sich Katar durch seine wichtige geostrategische Lage und im Sinne seiner nationalen Interessen einen bestmöglichen Deal.

Werden die ineinander verwobenen Konflikte weiterhin von einem möglichen unilateralen Endergebnis hergedacht, also entweder zur Zugehörigkeit zur sunnitischen oder schiitischen Einflusssphäre, gleicht es einer Chimäre eine konstruktive und damit verbundene friedliche Ordnung in einem System regionaler und internationaler Sicherheit zu erzielen. Auch die militärische Aufrüstung seitens der USA in der Region bzw. die diplomatische Isolierung Irans wirken eher wie ein Brandbeschleuniger im Pulverfass des Nahen und Mittleren Ostens.

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