Apathische Demokratie, schriller Nationalismus

Gestern wurde offiziell der Brexit beantragt, genauer: die Aufnahme von Verhandlungen über das Ausscheiden Großbritanniens aus der Europäischen Union. Man könnte optimistisch sein und froh, weil die Briten endlich gehen, und das auch noch freiwillig, sogar demokratisch legitimiert durch ein Referendum. Schließlich waren es namentlich sie, die Briten, die das Einstimmigkeitsprinzip nutzten, um Stillstand zu zementieren. Die Briten waren stets vor allem am Binnenmarkt interessiert, am Freihandel. Weitere Integrationsbemühungen des Staatenbundes hin zu einer übernationalen Struktur, vielleicht gar einer Europäischen Republik, haben die Briten von Anfang an hintertrieben. Bestimmte Entwicklungen, etwa die Freizügigkeitsregelungen, mussten sie dennoch akzeptieren. Manche fühlen sich überfremdet auf der Insel — durch EU-Bürger. Es ist doch ein sehr spezieller Nationalismus, der im Vereinigten Königreich nun von den Stammtischen aus die Lufthoheit über die gesamte Debatte errungen hat.

Es ist müßig, darüber zu spekulieren, wie weit sich die EU bis heute entwickelt haben könnte, wenn Großbritannien damals nicht aufgenommen worden wäre. Alles andere als müßig aber ist es, darüber nachzudenken, welche Lehren sich aus der Krise ziehen lassen, in welche die EU durch den Brexit, aber auch durch die Eskapaden der Nationalisten in Ungarn und Polen gestürzt wurde. Die Ursachen dieser Krise liegen tiefer. Ich hatte vor einer Weile einen Blogtalk mit dem Buchautor und FR-Leser Peter Boettel, der das Buch „Ist Europa gescheitert?“ geschrieben hat. Er nennt verschiedene Ursachen für die Krise:

  • Eigennutz der Mitgliedsländer
  • Klientelwirtschaft, siehe die Masse von Lobbyisten in Brüssel, die ihre Interessen durchzusetzen versuchen
  • Klüngel verschiedener Länder, erkennbar z.B. in der Eurokrise, in der sich die Staaten Kerneuropas mit Assoziierten unter deutscher Führung der Austeritätspolitik verschrieben
  • Intransparenz, z.B. in der Handhabung des Ceta-Abkommen, die großes Misstrauen in der EU-Bevölkerung erzeuge

Nun ist Eigennutz per se nicht von Übel. Natürlich schaut jeder von uns stets darauf, dass er möglichst viele Vorteile hat, im Großen wie im Kleinen. Im Idealfall verzahnt sich dies so mit den Vorteilen des Verhandlungspartners, dass daraus eine Win-win-Situation wird: Gib ihm etwas, was er möchte, und lass dir etwas geben, was du möchtest. Eine uralte politische Grundkonstante, genannt Kompromiss. Was nicht heißt, dass solche Verfahren immer zu optimalen Ergebnissen führen; doch in der Regel bedeuten sie einen Fortschritt. Intransparente Einflussnahme hingegen wie etwa die durch Lobbyisten muss zweifellos zurückgedrängt werden.

Die Eurokrise und die Folgen

Eines der Kernprobleme der gegenwärtigen EU zeigte sich in den Jahren 2008 bis 2011, als es um Griechenland und die Eurokrise ging. Die Materie war komplex, es ging um die Auswirkungen der Weltkrise, die mit dem Zusammenbruch der Lehman Brothers begann und die neben europäischen Großbanken, die „too big to fail“ waren, auch hoch verschuldete europäische Staaten erfasste. Die EU und in Sonderheit die Eurogruppe hätte in dieser Situation einen entschlossenen Schritt nach vorn tun können, hin zu einer föderalen Struktur, um jene Schulden zu vergemeinschaften. Aber einen solchen Schritt sah der Lissabon-Vertrag nicht vor, er hätte wohl auch einstimmig erfolgen müssen, und die meisten Staaten des Zentrums und des Nordens waren dazu auch deswegen nicht bereit, weil damit den Sündern im Süden, vor allem den Griechen, eine Art Absolution erteilt worden wäre. Man darf nicht vergessen: Griechenland hat seine Schulden in Jahrzehnten selbst aufgetürmt, durch ein nicht vorhandenes Steuerwesen und indem siegreiche Politiker ihre Klientel mit Posten im Beamtenapparat versorgten. Und den Zugang zum Euro hat es sich mit betrügerischen Mitteln erschlichen. Da war kriminelle Energie im Spiel.

Mit anderen Worten: Griechenland bot sich als Sündenbock auf dem Silbertablett an, und die Geldgeber in der EU griffen dankbar zu. Statt Eurobonds gab es Austeritätspolitik. Es war damals gerade der viel gescholtene Jean-Claude Juncker, der die EU-Anleihen bevorzugt hätte. Auch der heutige SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz hat sich damals für Eurobonds ausgesprochen. Diese Anleihen wurden letztlich mit dem Argument abgewehrt, „durch die ‚Vergemeinschaftung‘ der Schulden sinke der Anreiz für einzelne Staaten, eine verantwortungsvolle Fiskalpolitik zu betreiben, da sich die Zinslast für eine schlechtere Kreditwürdigkeit auf alle Mitgliedstaaten verteile“ (Zitat Wikipedia). Vor dem Hintergrund der griechischen Betrügereien war das eine recht simpel gestrickte Retourkutsche. Damit trieb das europäische Zentrum unter maßgeblicher Beteiligung Deutschlands einen Pflock tief ins europäische Herz, dessen Auswirkungen sich recht bald in Gestalt des Niedergangs der griechischen Wirtschaft zeigten. Zugleich wuchs die Angst vor Deutschland in der EU: Wollen die Deutschen Hegemonialmacht sein?

So wird ein gemeinschaftliches Europa jedoch ganz sicher nicht funktionieren. Und doch — wir brauchen Europa. Das sagt auch der italienische Autor und Friedenspreisträger Claudio Magris.

fr-balkenLeserbriefe

Rainer Holbe aus Frankfurt meint:

„Wann immer ich in den Sommerferien durch das kleine bretonische Dorf Brain spaziere, glaube ich mich in einer anderen Welt. Es ist still in den mit Schiefer gemauerten Häusern. Fremde kommen – wie ich – mit dem gecharterten Kabinenboot auf der romantischen Vilaine daher und machen am Kai fest. Vor einem der verwinkelten Häuser prangt eine blaue Tafel mit den funkelnden gelben Sternen: Errichtet von der „Europäischen Union“. Eine öffentliche Toilette mit Dusche ist es, die von den Entscheidungsträgern aus Brüssel finanziert wurde. Manch einer der Urlauber von den Kabinenbooten wird sie hin und wieder auch benutzen. Ähnliches habe ich in Mecklenburg-Vorpommern beobachtet. Da ist die Renovierung einer ganzen Stadt von der EU finanziert worden. Waren an der Müritz war vor der Wende dem Verfall preisgegeben, die alten Bürgerhäuser marode. Inzwischen strahlt der Ort in kaum übersehbarem Glanz. Bescheiden weisen ein paar versteckte Schilder mit dem EU-Zeichen auf die großzügigen Subventionen der Völkergemeinschaft.
Das Duschhäuschen in Brain und die schmucke Stadt an der Müritz gäbe es ohne Europa nicht. Und auch nicht die Mühle für Biomassen in den Wäldern Finnlands und das neue Unfallkrankenhaus in Birmingham. Auch die Idee kretischer Unternehmer, Schweinefett durch Olivenöl zu ersetzen und dadurch eine bessere Wurst zu erzeugen, wird von der EU belohnt.
Das angeblich so bürgerferne Europa ist eigentlich überall, es steht auf jedem Markplatz, seine Fahnen flattern vor jedem Rathaus. Und doch wird es von den meisten Bürgern gerne übersehen. Tausende Arbeitsplätze entstehen wenn die Franzosen klimafreundliche Häuser bauen, die Portugiesen ein neues Mobilfunknetz installieren und in Spanien Häfen mit der Eisenbahn vernetzt werden. Allein in Barcelona laufen zurzeit 1175 kleine und große EU-Programme und auch die Einwohner von Lyon, Liverpool, Luxemburg, Mailand, Wien und Warschau können sich über mangelnde Unterstützung der Solidargemeinschaft nicht beschweren. Inzwischen jährt sich zum 60. Mal die Unterzeichnung der Römischen Verträge mit denen das Abenteuer Europa begann. Wir sollten dankbar sein.“

Rasmus Ph. Helt aus Hamburg:

„Die Argumentation von Claudio Magris übersieht einen wesentlichen Punkt, auch wenn es richtig erscheint, die Begriffe „Europäische Union“ und „Europa“ voneinander zu trennen, wenn man die gegenwärtige Krise auf dem alten Kontinent verstehen will. Denn die eigentliche Achillesferse der EU besteht vor allem darin, dass jene nicht weniger als ihre historische Legitimation verliert, wenn sie wie zum Beispiel im mediterranen Raum der jungen Generation trotz bester Bildungsabschlüsse häufig nur noch eine schlechtere wirtschaftliche Perspektive als ihren Eltern anbieten kann. Deshalb gehören insbesondere andere Präferenzen in Brüssel auf die Tagesordnung, wo man bei der von Jean-Claude Juncker geführten Kommission ein derartiges Thema bislang eher ignoriert, obwohl eine fehlende finanzielle Zuständigkeit hier keine Ausrede ist, da man schon durch eine Ruckrede wie etwa nach Vorbild des früheren deutschen Bundespräsidenten Roman Herzog sehr viel im öffentlichen Bewusstsein dafür bewirken könnte, das sich etwas ändern muss!“

Torben Waschke aus Sulzbach:

„Besonders in schwachen Zeiten wird in einer apathischen Demokratie die Attraktivität des Populismus begünstigt. Diese Entwicklung ruft einen schrillen Nationalismus mit einer idealisierten Nostalgie hervor. Solange Europa seine Vorreiterrolle als universales Ganzes nicht lebhaft füllt, wird nach innen ein Machtvakuum und an seinen Grenzen ein Kräfteungleichgewicht heraufbeschworen. Henry Kissinger formulierte es folgendermaßen: „Europa befindet sich in einer Schwebe zwischen Vergangenheit, die es überwinden will, und einer Zukunft, für die es noch keine Vision entwickelt hat.“
Die Lebensfähigkeit der europäischen und der damit verbundenen friedlichen Ordnung spiegelt sich in der Balance zwischen Legitimität und Macht, sowie in dem Gewicht wider, das beiden jeweils beigemessen wird. Wird dieses Äquilibrium fragil und letztendlich zerstört, entfallen Zwänge und das Feld der populistischen Akteure öffnet sich. Sie propagieren einen starken und souveränen Nationalstaat, unabhängig von der Union, in dem jedes Land für sich Bündnisse in einem System der Machtbalance schmiedet. Wir alle stünden da, wo wir am Anfang des 20. Jahrhunderts waren.
In der Epoche „postfaktischer Diskurse“ und einer fatalen Dominanz von naiver Selbstgewissheit, ist es heute umso dringender, dass das normative Projekt der Europäischen Union einen graduellen und evolutionären Prozess erfährt. Die EU ist überholungsbedürftig. Im Gefüge der „Familie Europa“ zeigen sich Risse, die nicht zu trennenden Gräben werden dürfen und dadurch eine Abschottung immer mehr provozieren. Möchte das politische Europa zukünftig auf dem internationalen Parkett eine tragende Rolle spielen, muss es lernen als transnationale Republik zusammen zuwachsen. Im Sinne einer gesamteuropäischen Identität gilt es die Kluft zwischen den nördlichen und südlichen bzw. westlichen und östlichen Ländern zu bereinigen. Ein „europäischer Patriotismus“, wie es Claudio Magris betont, sollte gegenüber dem nationalstaatlichen Patriotismus gefördert werden. Europäische Pässe, ein gemeinsames Einlaufen von Athleten bei Olympia unter der europäischen Fahne und eine Standardisierung in der Bildungspolitik sind nur einige Möglichkeiten zur Förderung einer wahren europäischen Identität.
Im Hinblick auf die gemeinsamen humanen Werten muss sich die Union zu einem neuen Gesellschaftsmodell bewusst positionieren. Das Miteinander der Staaten auf eine rein macht- und interessenbasierte Grundlage zu stellen wird am Ende für keine Seite zufriedenstellend sein. Die reine Strategie des Gleichgewichts der Kräfte, wie sie die traditionellen europäischen Großmächte betrieben, ist durch die gegenwärtigen geopolitischen Realitäten obsolet geworden.“

Sigurd Schmidt aus Bad Homburg:

„Wenn es nur so leicht wäre, die Europa-Idee allein durch semantische Veränderungen zu befördern, also anstelle „Kern-Europa“….. „Europa der Clubs“ zu sagen oder die „Flexibilität“ Europas bezüglich des Spielraums der nationalen EU-Mitglieder zu stärken, dann wäre natürlich viel gewonnen. Aber man wird nicht verhindern können, dass das Europa der Vaterländer immer auch wieder zum Bazar nationaler Interessen mißbraucht wird. Deshalb kann man wohl auch für die Zukunft „package deals“ nicht ausschließen.
Die Frage ist, ob der europäische Zusammenhalt verstärkt werden kann, ohne dass es immer sogleich zu einem maßgeblichen Souveränitätstransfer der EU-Mitglieder nach Brüssel kommt? Vielleicht ist das Beispiel der bi- oder tri- etc. nationalen Zusammenarbeit in Militärbrigaden geeignet auch für andere Politikfelder?“

María del Carmen González Gamarra aus Frankfurt:

„Claudio Magris klingt mit dem Satz, das wäre das Ende der EU, wie ein cartesianischer Skeptiker. Was m.E. fehl am Platz ist. Auch ohne eine EU-Patriotin zu sein. Europäerin aber doch. Mit der EU-Idee bin ich aufgewachsen. Statt mit Patriotismus. Es ist nicht meine Idee, sondern die meines Vaters, der zu sagen pflegte, ya no tengo una patria pero tenemos Europa (jetzt habe ich keine Heimat, aber wir haben Europa).
Es existieren also viele Gründe sich für ein Europa einzusetzen. Daß der Egoismus von Nationalstaaten trotz EU-Vision sich unvermindert fortsetzt, ist nachvollziehbar. Besonders in Zeiten von „Geiz ist Geil“. Im Kapitalismus ein Primat.
Doch Visionen benötigen eine lange Anlaufzeit, um sich zu manifestieren, Kraft, um gegen innere sowie äußere Widerstände vorgehen zu können und Leidenschaft, um Gestalt anzunehmen. Daß Italiener z.Z. kaum Leidenschaft für die EU-Idee besitzen, ist fast entschuldbar. Wer fast so viele Regierungen als Jahre nach 1945 in seinem Land verzeichnet, kann Verständnis für eine EU-Müdigkeit erwarten.
Wenn mein Vater von der EU sprach, sagte meine Mutter nach einigen Minuten, hör jetzt auf zu philosophieren und pack an.
Ich denke, wir sind nach 60 Jahren EU an den Punkt angekommen, wo auch wir richtig anpacken müssen. Und zwar mit pasión, wie mein Vater betonte. Die Idee ist gesetzt. Der Inhalt muß folgen. Skeptiker sind wichtig. Zerstörer gefährlich. „La pasión“ eine Lösung. Sie gibt Kraft, um weiter zu machen, wo viele EU-BürgerInnen aufhören zu kämpfen, sie entfaltet Energie für eine bunte Welt, wo Schwarzmalerei sich ausbreiten will und erzeugt Lust, wo Frust Krebs wuchern läßt. Anpacken heißt aber auch Arbeit leisten. Der Begriff ist jedoch zwiespältig geworden. Zu wenig Arbeit. Arbeitslosigkeit. Zuviel Arbeit. Born out. Usw. Umdenken wäre überall angebracht. Ich liebe mein Europa. Auch wenn es noch nicht das Europa meines Vater ist, in dem Menschen nie auf dem Grund des Mittelmeeres begraben sein sollten.“

Gerhardus Lang aus Bad Boll:

„Das ist ja alles sehr schön formuliert, aber die eigentlichen Probleme werden nicht benannt, sondern nur die beklagten Folgen der bisherigen Europa-Politik.
Zuerst muss das Bestreben aufhören, aus Europa einen neuen Einheitsstaat zu machen mit einer zentralen Regierung, die sich wieder um alles kümmert, was vor Ort besser zu regeln ist. Dagegen sollte ein konsequenter Föderalismus gefördert werden, welcher die Grenzen der jetzigen Nationalstaaten sprengt und zur Bildung von Regionen führt, die in sich selbst wieder eine sinnvolle Gliederung innerhalb der Region in überschaubare Räume geben. Alles dieses mit einer direkten Selbstbestimmung der Bürger, welche die Aufgaben und Ausgaben der Region immer selbst beschließen und bezahlen müssen und die dazu notwendigen Delegationen immer nur mit gebundenem Mandat beauftragen. Die Verantwortung muss immer bei den Bürgern bleiben, eine „Abgabe“ der Stimme ist verboten! Die mit der Abgabe der Stimme verbundene automatische Entmündigung ist aufzuheben.
Ein strikte Begrenzung der „Wirksamkeit des Staates“ im Sinne von Wilhelm von Humboldt auf die rechtlichen Belange ist zu verfolgen. Bildung, Kultur, Information, Presse, Relgion usw. ist Sache eines vom Staate strikt im Sinne der Säkularisierung bestehenden Geisteslebens. Wirtschaft muss sich die Regeln seines im Sinne des unbehinderten Wettbewerbs bestehenden Zusammenwirkens selber geben, ähnlich den Regeln, die sich der Sport für den freien Ablauf des Spieles gibt. Vor allem muss durch eine Reform des Geldes als universellem Tauschmittel bewirkt werden, dass die Funktion der Bildung von Vermögen durch bares Geld total eingeschränkt wird.
Der Besitz von Boden und Ressourcen muss einer Verfügbarkeit weichen, welche der Allgemeinheit tributpflichtig ist, so dass Renten aus Besitz dieser naturgegebenen Güter nicht mehr den jeweiligen Besitzern zufließen. Die Höhe der Abgaben ist im freien Wettbewerb um die Nutzungsrechte zu ermitteln. So ist die Gewähr gegeben, dass im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen diese Güter immer dem besten Nutzer zur Verfügung stehen, der seine „beste Nutzung“ durch die von ihm selbst bestimmte Abgabe für die Nutzungsrechte offenbart.
Wenn man diese Grundvoraussetzungen für ein friedliches Zusammenleben schafft, kann Europa als Beispiel für die ganze Welt eine Aufgabe erfüllen, die weit über das eigene Wohlergehen hinausreicht. Europa als „Macht“ in Konkurrenz zu anderen „Mächten“ zu begreifen, ist ein Rückschritt in längst vergangene Zeiten.“

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12 Kommentare zu “Apathische Demokratie, schriller Nationalismus

  1. So wie es die sogenannten „Rußlandversteher“ gibt, gibt es auch neuerdings die sogenannten „England-Versteher“ .Die EU habe etwas falsch gemacht, daß jetzt das UK aus der EU-Gemeinschaft heraus wolle. Hier wird aber ein Mär“chen aufgetischt. Kein Mensch auf dem Kontinent will das UK bestrafen wollen. Aber England hat sich durch die Entscheidung, die ohne Hirn und Verstand getroffen wurde, in eine unmögliche Situation hinein begeben. England mißachtet gröblichst geopolitische Zwänge und meint, immer noch der Nabel der Welt zu sein. Im Augenblick sind die Regierenden in London reif für die Psychiatrie !!

  2. Zunächst Danke an Bronski für den Hinweis.

    Wenn auch der letzte Satz von Sigurd Schmidt etwas hart klingt, aber im Übrigen hat er Recht. Nicht die EU ist schuld am Brexit, sondern das UK hat sich diesen Schritt selbst zuzuschreiben.

    Bleibt nur zu hoffen, dass die EU bei den nun folgenden Verhandlungen, nach denen das UK unterm Strich rd. 66 Mrd. Euro zurückzahlen muss, nicht nachgibt.

    Wenn die EU gegenüber Griechenland so unnachgiebig verfährt, muss sie gegenüber dem großspurigen eigenwilligen Großbritannien, das in der Vergangenheit ohnehin stets Sonderrechte in Anspruch genommen hat, erst recht so verfahren.

  3. Eins ist sicher , Europa heute und Europa vor 60 Jahren , der Unterschied könnte größer nicht sein . Trotz allem scheint mir , dass das große Ziel langsam aus dem Fokus gerät .Herr Waschke hat sicher recht , wenn er einen „europäischen Patriotismus “ für erstrebenswert hält , besser wäre noch die Einsicht , dass das europäische Modell der Gemeinsamkeit das Ziel wäre .
    Begriffe wie Patriotismus , Nationalismus , auch Vaterlandsliebe , leiten sich aus der Steinzeit ab , sind uralte Denkmuster , die zu überwinden offensichtlich sehr schwer sind .Hier bedarf es entsprechender Aufklärung ! Wenn Herr Trump sagt , „America first“ bedeutet es ja auch der „Rest der Welt second“ .Dies ist genau das , was es zu vermeiden gilt , auch hier in Europa .
    Gefordert ist hier vor allem Deutschland .Wenn es gelänge , Europa weiter zusammenzuführen , eine gemeinsame Wirtschaft , gemeinsame Finanzen einzurichten , wäre es kein Problem die deutschen Exportüberschüsse verschwinden zu lassen .Die notleidenden Länder im Mittelmeerraum wären zu behandeln wie früher die Zonenrandgebiete während der Teilung .Mit anderen Worten , es würde sehr teuer , würde aber den Europagedanken positiv und überzeugend weiterstricken .Hier wäre eine Aufgabe für Herrn Schulz , eine Herkulesaufgabe.Vor allem würde es dem Rest Europas demonstrieren , dass Deutschland gewillt ist sich weiterzuentwickeln , unter Mitnahme der Länder Europas .Wenn das kein Ziel ist !
    Leider wird es nicht so kommen .Es fehlt an Mut , an Überzeugungskraft , für Merkel,Schäuble und Co und dem Kapital vor allem auch am Willen .Die Aufgabe ist wohl zu groß .
    Aber es ist machbar , Leute , packt es an ,schwere Zeiten kommen sowieso .

  4. @ Jürgen H. Winter

    Ihre Überlegungen überzeugen mich.
    Deutschland sollte seine Vorreiterrolle endlich dazu nutzen, einen ökonomischen Ausgleich in der EU herzustellen, und aufhören, anderen Ländern schädliche Spardikate aufzuerlegen. Nach dem Krieg wurde unsere Wirtschaft mit Hilfe des Marshallplans wieder aufgerichtet, obwohl unsere Eltern- bzw. Großelterngeneration schreckliches Elend über Europa gebracht hatte. Wir haben deshalb eine Bringschuld, die wir durch Hilfe für notleidende Staaten begleichen könnten.

  5. …und die Franzosen haben die Bringschuld das Heidelberger Schloss wiederaufzubauen.
    Nein, mit einer «Bringschuld» aus früheren Jahrhunderten überzeugt man kaum jemanden, dass ein Finanzausgleich innerhalb der EU nötig ist. Auch mit dem Appell an den Altruismus wird das nichts. Man muss die Menschen überzeugen, dass es für alle ökonomisch vorteilhaft ist.

  6. @ Henning Flessner

    Wenn es um den ökonomischen Vorteil für Deutschland geht, dann machen wir doch am besten so weiter wie bisher, denn davon profitiert unser Land ökonomisch am meisten.
    Und wenn es nur um meinen eigenen Vorteil ginge, würde ich mir auch keine Gedanken um mehr Gerechtigkeit in meinem Land und der restlichen Welt machen. Mir geht’s nämlich prima.

  7. @Brigitte Ernst
    Ich glaube, dass Sie mich missverstanden haben. Ich denke, dass ein Finanzausgleich langfristig auch den reicheren Staaten dient.
    Wenn der Rest der Menschen um Sie herum immer ärmer wird, dann geht es Ihnen irgendwann auch nicht mehr prima.

  8. Hallo Herr Flessner Sie glauben nicht ernsthaft , dass ökonomisch gut leben in einem zerfallenden Europa möglich ist . M.E.ist die vorgeschlagene Richtung einfach ein „Muss“ .Eigentlich hätte der Aufbau von vorn herein so laufen müssen.Alles andere führt zu Nationalismus , siehe Brexit . Die Engländer sind in dieser Hinsicht kaum zu schlagen und gucken sie sich doch in Europa einmal um . Ich glaube nicht , dass die Deutschen so dämlich sind , das nicht zu begreifen . Es fehlt einfach an einem zugkräftigen Programm mit meinetwegen jemand wie Schulz an der Spitze um wenigstens in diese Richtung zu gehen.

  9. Hallo Frau Ernst,
    freut mich , dass sie zustimmen .Es hilft uns doch wenig , wenn der Markt vor der Tür kaputt gespart wird und die Unzufriedenheit immer weiter wächst und zu noch mehr Nationalismus führt .Die daraus entstehenden Krisen möchte ich mir nicht vorstellen . Ich kann mir auch gut vorstellen , dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch in Deutschland Zustimmung zu finden wäre , es gehört eben etwas Mut dazu,mit hohlen Sprüchen nach mehr Gerechtigkeit kann man diese Probleme nicht lösen .

  10. @Jürgen H. Winter
    Sie unterstellen mir Äusserungen, die ich gar nicht gemacht habe. Lesen Sie bitte meinen Beitrag noch einmal. Ich habe mich nur dagegen gewandt, eine deutsche „Bringschuld“ als Argument zu benutzen.

  11. @ Herr Flessner , tut mir leid , wenn ich sie falsch verstanden habe , mir war die Sache mit dem Heidelberger Schloss nicht ganz klar , mit der Bringschuld . Aber wie immer , es ist mir schon bewusst ,dass mit der gegenwärtigen Polittruppe Europa nicht zu retten ist , wo die neue Truppe herkommen soll , ist auch nicht gerade offensichtlich . Trotzdem ist mir wichtig ,den Gedankengang wie oben geschildert mal in die Diskussion zu bringen , denn es geht nur , wenn Deutschland , das vor Kraft nicht gehen kann , endlich von seinem hohen Ross herunter kommt und endlich von miteinander spricht und nicht nur vom Sparen und schwäbischen Hausfrauen .

  12. Die Lage ist verfahren und unübersichtlich .Die Beiträge von Thomas Witt , Hans Peter Leitenberger und Friedrich Gehring gehen bei aller Unterschiedlichkeit in die richtige Richtung ,zeigen aber auch deutlich , dass wir mehr Europa brauchen und die jetzige Regierung dies offensichtlich nicht schafft und wohl auch nicht will . Das Problem heute ist doch , dass die Politik in Deutschland viel zu sehr pro domo handelt und so ,wie es läuft auch mit Herrn Schulz keine große Änderung zu erwarten ist . Man kann kein Europa schaffen , wenn man nicht alle beteiligten Länder mitnimmt . Natürlich sind die Briten keine Dummköpfe , aber die Geschichte zeigt , dass damals , als die EWG geschaffen wurde ,es die Briten waren ,die partout nicht mitmachen wollten und dann das Kuriosum EFTA dabei herauskam , das vorhersehbar nicht funktionierte . Das liegt nicht zuletzt daran , dass die Menschen auf der Insel damals , in den 60er Jahren deutlich nationaler waren , schließlich hatte man den Krieg gewonnen . Ich habe damals 60/61 ein Jahr in London gelebt und gearbeitet , im gleichen Job wie in Bremen , es war ein Unterschied ,der kaum zu begreifen war .Es wurde in den Häfen ein halbes Jahr gestreikt , weil die Hafenarbeiter keine Gabelstapler wollten .Nun sind diese Zeiten vorbei aber wenn man sich die Entwicklung des englischen Pfund anschaut von damals bis heute , so sagt das doch eine Menge aus . Es hilft also alles nichts , es muss mehr Europa her , wie auch immer und die Politik in diesem Land wäre gut beraten , dies in die Tat umzusetzen . Mit dem Weiter so fährt das ganze an die Wand , und das kann keiner wollen .

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