Die Wohnungsbaupolitik in Frankfurt polarisiert nicht erst, seit das Großprojekt „Four“ veröffentlicht wurde, aber seitdem reißt der Fluss kritischer Zuschriften nicht ab. Vier neue Hochhäuser sollen im Bankenviertel entstehen, unweit der Alten Oper. Planungsdezernent Mike Josef (SPD) will das Bankenviertel beleben, das abends recht ausgestorben ist. Das Projekt soll eine Milliarde Euro kosten; 3000 Menschen sollen dort arbeiten und mindestens 1000 in drei der vier Türme wohnen, von denen der höchste 228 Meter hoch sein wird und der kleinste immerhin noch 100 Meter. Zustimmung zu diesem Projekt kommt in den Zuschriften der Leserinnen und Leser praktisch nicht vor.
Wir steigen in die Debatte ein mit einem Leserinbrief von Maria del Carmen González Gamarra aus Frankfurt.
Maria del Carmen González Gamarra aus Frankfurt meint:
„Schlafen und arbeiten ohne Grenzen. Nicht nur in einem Quartier. Sondern im Stadtkern? Frankfurt glänzt. Glas. Spiegel. Edelmetalle wohin das Auge auch schaut. Und mehr. Sogar die Sterne sind tagsüber bereits um 11:00 Uhr morgens sichtbar, wenn sich die Häuser spiegeln, sich gegenseitig auf Metallsäulen reflektieren. Weil die Hochhäuser so hoch sind, dass kaum die Sonnenstrahlen durch die Blech&Betontürme hindurch scheinen und schon gar nicht bis zur Straße unten ankommen, und der Himmel zwischen den schmalen Häusertürmengasse selten zu sehen ist.
Für eine alleinerziehende Mutter Mitte 30 mit einem kleinen Sohn im KiTa-Alter stellt das „Schlafen und Arbeiten ohne Grenzen“ eine Erleichterung dar; das Kind wird von der 37. Etage aus der mit Raten erworbenen Eigentumswohnung direkt in die 1. Basement-KiTa gefahren, anschließend fährt die Mutter hoch in die 17. Etage ins Managementbüro, während der 30 Minuten-Mittagspause ohne Zeitverlust fährt die moderne nicht mehr rasende Mutter, denn die Grenze zwischen Arbeiten und Schlafen ist aufgehoben, in die 41. Al Natura-Einkaufsetage hoch, die Tschernobyl freies Gemüse anbietet, um Bioprodukte für die neue KiTa-Facebookgeneration, den kleinen Donald zu kaufen, der pünktlich um 17:00 Uhr abgeholt werden kann, wenn nicht jedoch der Arbeitsethos des 21. Jhd. „Arbeiten und Schlafen ohne Grenzen“ an dem Tag Chef-mäßig angeordnet wird, so dass die vitale nie müde werdende Mutter ohne einen Schweißtropfen produziert zu haben, zwischen Schlafen und Arbeiten, den Birkenstock-beschuhten Kleinen innerhalb von 9 Minuten von der 17. Büroetage aus dem 1.Bassement-KiTa abholt und in der 8. Etage zur 24 Runduhrtagesmutter fährt, die sofort eine Nachtzulage für den Kleinen per online überwiesen haben möchte, falls der Bengel auch diesmal bei der Aktion “Schlafen und Arbeiten ohne Grenzen“ erneut die ganze Nacht bei der Runduhrnichtmehrtages sondern Nachtmutter bleiben muss. Tag ein. Tag aus. Wochen. Monaten. Und mehr.
Und bevor wir das Ausmaß -schlafen und arbeiten ohne Grenzen“ erfassen können, lesen wir in Facebook: Mütter aller Glanz-Hochhäuser hat eine von Euch eine Idee, warum mein Kind so blass und oft auch gelb wird? Und der kleine Donald twittert mit dem Sven von der 4.KiTa-Alter-Etage: Meine Mutter hat mir das letzte Mal vor dem Einschlafen vor 3 Wochen erzählt, es gibt Eichhörnchen, die von Baum zu Baum springen. Hast Du schon einmal einen Baum gesehen? Wie sieht ein Eichhörnchen aus? Existieren Bäume in Frankfurt 22? Wenn ich groß bin, möchte ich einen Baum sehen.“
Hans-Jürgen Gratz aus Friedrichsdorf
„Das Bauen in Frankfurt nach dem zweiten Weltkrieg ist wahrlich kein Ruhmesblatt für die jeweiligen Stadtregierungen. Ist der Kahlschlag durch die Altstadt noch mit den Zwängen der Nachkriegszeit zu erklären, so vermisse ich bei der Mehrzahl der inzwischen entstandenen Hochhäuser architektonisches Können, wie man es heute in vielen europäischen Großstädten findet.
Frankfurt ist meine Heimatstadt und ich liebe sie. Daher packt mich Entsetzen, wenn ich mir die geplante Gestaltung für das 140 Meter hohe One Forty West Hochhaus vorstelle. Und das soll auch noch nur wenige Meter von den Gebäuden des Senckenberg Museums entstehen, das man mit Recht als Schmuckstück klassischen bürgerlichen Bauens bezeichnet. Mit einem solchen Hochhaus entsteht keine Architektur, sondern eine Zumutung. Es ist für mich schlicht unbegreiflich, wie ein Baudezernent das genehmigen kann. Es ist mir auch schleierhaft, wie sich der Projektentwickler bei diesem ehemals in öffentlicher Hand befindlichen Grundstück offensichtlich auf einen alten städtischen Bebauungsplan stützen kann, der keine Veränderung erfuhr. Wer das liest, muss zweifeln, ob es auch nur einen einzigen kompetenten Fachmann dafür bei der Stadt gibt. Oder haben die Verantwortlichen aus bestimmten Gründen eine Veränderung einfach verschlafen? Es ist jedenfalls ein Trauerspiel und wird einen architektonischen Schandfleck bilden.“
Konrad Mohrmann aus Frankfurt:
„Viel schlimmer ist doch der Vertrauensverlust, den die Stadt durch die Genehmigung weiterer Hochhäuser erfährt. Die städtische Baugenehmigungsbehörde, die mit Billigung der Aufsichtsbehörde, der Regierungspräsidentin in Darmstadt, im Bankenviertel eine Ausnutzung zulässt, die das Mehrfache der gesetzlich zulässigen Ausnutzung überschreitet: §17 Baunutzungsverordnung für Kerngebiete eine Geschossflächenzahl von 3,0, d.h. es dürfen das Dreifache der Grundstücksfläche als Bruttogeschossfläche (BGF) bebaut werden (219 000 Quadratmeter BGF ist geplant, das Baugrundstück müsste dann 73 000 Quadratmeter groß sein, ist aber viel kleiner). Und dann gleichzeitig bei normalen privaten Bauherren die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften schärfstens kontrolliert, bei Mehrfamilienhäusern verlangt sie, contra legem, sie als Sonderbauten zu genehmigen, das bringt höhere Gebühren ein.
Wie es der letzte Fachmann als Stadtbaurat (1972-75) Hanns Adrian formulierte: „Es hatte sich ein ‚Frankfurter Landrecht‘ entwickelt, in dem man auf legale Instrumente verzichtete, um die mit der Höherzonung durch Bebauungspläne verbundene Bereicherung der derzeitigen Eigentümer zu unterbinden.“ Und: „Der §34 BBauG (Zulässigkeit innerhalb bebauter Ortsteile) wurde bis zum Zerreißen gedehnt.“
Da entsteht doch der Eindruck bei den Bürgern dieser Stadt: „Wenn Du genügend Geld hast, kannst Du mehr bauen als der Normalbürger“. Daher kommt doch auch die niedrige Wahlbeteiligung von 42,4 Prozent bei der Stadtverordnetenwahl und 35,1 Prozent bei der Stichwahl zur Wahl des Oberbürgermeisters. Oder?“
„Ich habe mir die Ausstellung zum Thema „Four“ im Abs-Saal (der leider ein Opfer des Projektes wird, er wird schlicht abgerissen – sehr schade) angesehen. Beim Vergleich der Präsentationen der Teilnehmer des Architektenwettbewerbes hat sich mir nicht erschlossen, warum das Büro UN Studio zum Sieger erklärt wurde. Es gab sogar eine ehrliche Sonnenstunden-Analyse eines Wettbewerbers. Beim Sieger habe ich dies nicht gefunden (oder übersehen?).
Auch konnte ich keine Betrachtung zum Kleinklima innerhalb des Projektraumes finden. Gerade bei den schon jetzt teilweise herrschenden stürmischen Winden in der Neuen Mainzer Str., bedingt durch die Hochhäuser, wäre es sehr sinnvoll im Vorfeld das Windumfeld bei den neuen Türmen zu analysieren, ob dort ein sinnvolles Wohnen möglich ist.
Ich gehe davon aus, die „Sozialwohnungen“ werden bestimmt nicht in den oberen Etagen der Wohntürme sein. Dies bedeutet im Kontext mit der Sonnenstunden-Analyse: In den Sozialwohnungen wird es über einige Monate (!) keinen Sonnenschein geben. Die vorhandenen oder im Bau befindlichen Türme verschatten im Winter total den unteren Bereich der Wohntürme. Wer will dann in diese „dunklen Wohnungen“ einziehen? Es sei denn, die Architekten erklären uns, die Sonne scheint auch im Norden.
Das heißt im Klartext: Oben die Reichen in der Sonne, unten die Normalverdiener im Schatten. Das ist also die hochgelobte Wohnungspolitik unserer Stadtregierung – einfach sehr traurig!“
na, toll, ich bin begeistert! Vielmehr, I’m not amused.
Keine Sozial – und Mittelstandswohnungen im Grand Tower. Dafür eine oder mehrere Etagen für reiche Saudis und ihre Frauen.
Reicht es nicht, dass diese mit ihrem zahlreichen Gefolge schon ganze Kliniken am Starnberger See, Häuserzeilen im Ex – Regierungsrevier in Bonn u.a. okkupieren.
Ganz zu schweigen von Berlin und schon seit Jahrzehnten in London und N.Y.
Also kein gemütliches Chillen mehr in evtl. Cafeteria auf der Sonnenterrasse, wo dann sehr geräuschvoll und raumgreifend nur saudische Männer sitzen, weil andere irgendwann die Flucht ergreifen.
Während ihre Frauen bei jedem Schritt unter Dauerbewachung stehen, sogar vor den Umkleidekabinen in Kaufhaus oder Therme.
Musste Frankfurt sich das aufschwatzen lassen? Viel Spass.
Wer das jetzt als Rassismus auslegen sollte, dem wünsche ich eine solche Erfahrung. Oder ist Erfahrungsaustausch inzwischen schon an sich rassistisch?
Der frühere Frankfurter Planungsdezernent Olaf Cunitz (ein Grüner) soll den geplanten „Grand Tower“ als „ein Zeichen für das moderne Frankfurt“ bewundert haben. Diese und ähnliche Äußerungen anderer zeigen, dass man in der Main-Metropole überwiegend das baut, was Immobilien-Haien ins Konzept passt. Die strukturellen, ökologischen und sozialen Folgen dieser neuen Turmbauten zu Babel sind den Investoren völlig gleichgültig. Schließlich gilt in diesen Kreisen die Maxime: Eigennutz, Eigennutz und nochmals Eigennutz. Die Folgen einer solchen asozialen Bereicherung gehen zu Lasten der bisherigen Einwohner, von denen einige bereits seit Jahren systematisch vertrieben wurden.
Denn Wohnungen zum Quadratmeterpreis von 19.000 Euro kann sich eigentlich nur leisten, wer sein Geld mit Geschäften verdient, die ein ehrenwerter Kaufmann meidet. Weil solche Gewinne sich nur mit Finanzspekulationen, Menschenhandel, Waffengeschäften, Kriegen und Umweltzerstörungen erzielen lassen. Also mit allem, was zu undemokratischen Verhältnissen führt und zu Lasten der Normalbürger und erst recht zu Lasten der wirtschaftlich Schwachen geht.
So ist es denn auch nicht verwunderlich, dass der Investor die Werbetrommel in autoritären Staaten wie Dubai, Kuwait, Singapur und in Malaysias Zentrum Kuala Lumpur rühren musste, um hinreichend solvente Käufer zu finden. Es gehört nicht viel Phantasie dazu, um sich das zukünftige Frankfurt als eine Stadt vorzustellen, die zur internationalen Geldwaschanlage jeglichen halbseidenen Gewerbes heranwächst. Und in der politische, vor allem soziale Auseinandersetzungen nicht länger demokratisch, sondern mit Gewalt ausgetragen werden. Unlängst brannte im Stadtteil Eschersheim ein Baukran; möglicherweise war das noch harmlos im Vergleich zu dem, was uns drohen könnte.