Diese Art Mensch bestimmt das Weltgeschehen

Erika Steinbach erfreut das Herz der Konservativen, das in Hessen, ihrem Heimatland, jenseits von Frankfurt traditionell besonders schwarz ist, und wirft der in der Mitte weichgespülten Merkel-CDU den Bettel hin: Sie tritt aus der CDU aus. Ihr Abgeordnetinnen-Mandat behält sie und gehört dem gegenwärtigen Bundestag jetzt erst einmal als Fraktionslose an, aber eigentlich erwartet der halbe Bundestag, dass sie flott in die AfD eintritt und zur ersten Bundestagsabgeordneten dieser neuen Partei wird.

steinbach mit MerkelSteinbach war, was wohl niemals jemand wirklich verstehen wird, Sprecherin für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Bis November 2014 war sie Präsidentin des Bundes der Vertriebenen (BdV). Sie stimmte 1991 im Bundestag gegen die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze. Sie als Konservative zu bezeichnen, wäre untertrieben. Sie war immer eine richtige Schwarze, wie es sie heute nur noch wenige gibt. Sie würde nie sagen, dass sie für Diskriminierung ist, aber sie ist immer gegen die rechtliche Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften eingetreten. Eine Würdigung von FR-Autorin Daniela Vates: „Abgang mit Getöse„.

Insofern meine Hochachtung, Frau Steinbach: Sie stehen für vieles, was ich wirklich richtig blöd und vorgestrig finde — aber Sie stehen dafür! Von Ihrer Sorte gibt es nur noch ganz, ganz Wenige. Und die sind alle alt und wirken bei ihren Auftritten selten wie von heute. Warum musste auch damals unbedingt der Bischof Dyba sterben? Damit war die Luft raus aus dem ultraschwarzen Hessen-Dregger-Konservatismus. Auch wenn manche sich bemüht haben, ihn wieder aufzupumpen. Da haben auch Sie Ihre Verdienste, Frau Steinbach. Aber wie das mit Gummipuppen so ist: Man bläst und bläst.

Ihr früherer Parteifreund Martin Hohmann, einst zu Recht als Antisemit kritisiert, ist bereits zur AfD übergetreten. Der hat gerade in Fulda für Aufsehen gesorgt, weil er den Höcke von der AfD als Redner eingeladen hat. Der Auftritt wurde dann verhindert. Wir erwarten nun bald Ihren Partei-Eintritt in die AfD, damit auch Sie künftig sagen können: Man wird ja wohl noch mal sagen dürfen …

fr-balkenLeserbriefe

Peter Wagner aus Witten meint:

„Geht es noch perverser? Frau Steinbach tritt aus der CDU aus. Ich finde, dass die Partei sich darüber nur freuen sollte. Rückwirkend aber müssen sich einflussreiche Leute fragen lassen, wie sie eine solch ewiggestrige Person ausgerechnet zur Sprecherin für Menschenrechte ihrer Bundestagsfraktion bestimmen konnten. Eine (Ex-?) Vorsitzende des Bundes der Vertriebenen, die per Zufall in Ostpreußen geboren wurde, weil ihr Vater zu Zeiten des Zweiten Weltkriegs dort stationiert war? Meine Eltern und meine Schwiegereltern waren „echte“ Vertriebene aus Schlesien, die dort viele Jahre ihres Lebens verbracht haben. Bei Frau Steinbach können es so viele Jahre nicht gewesen sein. Und was den BdV angeht, so gehört der für mich schon längst „auf den Müllhaufen der Geschichte“. Kein Wunder, dass Frau von Storch die Gesinnungsgenossin zum Eintritt in die AfD eingeladen hat. Und wenn Frau Steinbach konsequent wäre, würde sie diese Einladung dankend annehmen. Ihr Mandat im Bundestag aber sollte sie ebenso konsequent abgeben und nicht noch die letzten Monate bis zur Bundestagswahl die satten Diäten einsacken.“

Josef Nesshold aus Frankfurt:

„Die Bundestagsabgeordnete, Erika Steinbach, 42 Jahre Mitglied in der CDU, hat mit ihrem Parteiaustritt die unvermeidbaren Konsequenzen gezogen. Für diesen Schritt gebührt ihr Anerkennung und Respekt. Mit ihrer Beanstandung z.B. an der Eurokrise und der Flüchtlingspolitik, ist sie immer wieder bei der kritikresistenten Kanzlerin auf taube Ohren gestoßen. Über die Köpfe der Parlamentarier hinweg hat Frau Merkel beispielweise zum Parteibeschluss über eine doppelte Staatsangehörigkeit selbstherrlich gegen den Parteiwillen entschieden. Frau Steinbach hat bei vielen politischen Themen mit ihrer Meinung nie hinter dem Berg gehalten und sich auch nicht verbiegen lassen, allerdings hat sie sich damit nicht nur Freunde in der Partei gemacht. Der politischen Landschaft in Deutschland würde jedenfalls ein Mehr an „bachs“ (Steinbach und Bosbach) gut zu Gesicht stehen. Frau Steinbachs Wunsch, die AfD möge den Sprung in den Bundestag schaffen, hätte sie sich allerdings verkneifen können, denn voraussichtlich schafft diese Partei dies ohnehin. In diesem Falle, wird sich im September bereits nicht nur die CDU mit ihrer Kanzlerin „warm anziehen“ müssen.“

Andreas Haupt aus Berlin:

„Zum Kommentar von Daniela Vates quält mich eine Frage. Am 13.9.2002 hielt im Bundestag eine Politikerin eine Rede, aus der ich ein Fragment zitiere: „Bevor wir neue Zuwanderung haben, müssen wir erst die Integration der bei uns lebenden ausländischen Kinder verbessern.“ Diese Rede hielt nicht Erika Steinbach, sondern Angela Merkel. Über welchen Rand soll Frau Steinbach nochmal gekippt sein?“

Michael Rosin aus Schöneck:

„Was, so frage ich, macht einen konservativen Politiker vom rechten Rand hauptsächlich aus? In meinen Augen ist es deren innere Einstellung, die die Welt, das Außen, mit kritischen und häufig mit verängstigten Blick betrachtet. Konservative Politik ist selten Gestalter, dafür eher Verhinderer von Gestaltungswillen. Konservative Menschen verbinden häufig Lebensfreude mit der Vergangenheit und haben meist viele Gründe, sich vor der Zukunft, aber auch der Gegenwart zu fürchten. Sie werden zumeist nicht von Jungwählern gewählt, haben bei Kindern überhaupt keine Lobby und finden erst im angepassten und desillusionierten Alter Zustimmung.
Diese Art Mensch bestimmt leider das Weltengeschehen, produziert Ungerechtigkeit und reproduziert ständig neue Radikale, große, kleine, alte und junge frustrierte und verängstigte Menschen. Wenn einem Menschen, der ständig Angst hat etwas zu verlieren (Wohlstand, Status, Arbeit, Jugend, Schönheit, Sicherheit), sein Leben lang eingetrichtert wird, dass Andere (Flüchtlinge, Frauen, Sunniten, Schiiten, Juden, Palästinenser, Rentner, Arbeitslose) an seinem Schicksal Schuld haben, wird sich das in Feindseligkeit, Wut aber auch Hass manifestieren.
Viele dieser Menschen vergiften sich und ihre Umwelt verbal, ob als Nachbar, Journalist oder eben Politiker. Manche gehen noch weiter und vergiften die Seelen vieler junger Menschen, indem sie sie radikalisieren, sie zu Mördern machen gegen Andersdenkende, Freiheitskämpfer, Friedensstifter, „Gutmenschen“. Sie rufen zum heiligen Krieg auf, zum Kampf gegen Schmarotzer, gegen Muslime, gegen „die Anderen“.
Schauen wir in die Gesichter der Frustrierten, Ewiggestrigen so sehen wir Kälte, Fanatismus und häufig eine große Leere.
Es wäre einfach, die wenigen noch seriösen Medien zu bitten, diesen traurigen, aber auch gefährlichen Gestalten keine Plattform zu bieten, um ihre Propaganda unters Volk zu bringen. Ich sage aber: Lasst sie sprechen, denn sie entlarven sich doch fast immer selbst. Viel wichtiger erscheint es mir, den Menschen weltweit die Möglichkeit zu geben zu lernen, solchen seelenlosen Verführern und Mahnern nicht zu verfallen.
Kinder sollten in der Schule lernen mit dem Herzen zu lesen, zu hören und zu fühlen. Dann wären der IS, die Trumps, Le Pens, Putins, Erdogans, aber auch Dreggers, Irmers und Steinbachs irgendwann nur noch rechte Randotizen.“

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3 Kommentare zu “Diese Art Mensch bestimmt das Weltgeschehen

  1. Ohne jetzt auf ihre politischen Ansichten einzugehen,verurteile ich ihr Vorgehen gegenüber der CDU und ihrer Vorsitzenden. Für mich spricht es nicht für einen lauteren Charakter bzw. für preußische Tugenden. Ihr Mandat zurückzugeben, auch wenn sie direkt gewählt wurde, würde sie noch retten.
    Ich bin geborener Sudetendeutscher, Jahrg. 1938. Meinem Vater, als Sozialdemokraten, wäre es nie in den Sinn gekommen, Mitglied der Sudetendeutschen Landsmannschaft zu werden, wo viele ehemalige Nazis den Ton angaben. Er war Mitglied der Seliger-Gemeinde.

  2. Frau Steinbachs mutiger Schritt zum Austritt aus der CDU kam spät, aber er kam. Wir werden sehen, ob auch andere Unionsabgeordnete noch so viel Rückgrat zeigen werden. Gefragt wären da natürlich nicht zuletzt die CSU’ler. In Richtung Merkel bellen, aber nicht beißen. Allzu glaubwürdig wirkt das nicht.

    Es darf einfach nicht angehen, dass sich die ehemals wichtigste deutsche Volkspartei CDU zu einem reinen Kanzlerinnen – Hurra – Klub degradiert und Parlament und Regierung nicht mehr die Interessen des Volkes vertreten, von denen sie gewählt wurden.

    Für den Bürger wäre es ferner hilfreich, wenn Frau Steinbachs Begründung für ihren Parteiaustritt möglichste viele Menschen in Deutschland und Österreich erreicht. Die Österreicher gehen schon seit langer Zeit wesentlich interessierter und kritischer mit Angela Merkel um wie die bundesdeutschen Medien (siehe z. B. KRONE.at und den dazugehörigen Blog).
    Unsere Republik befindet sich in der wohl kritischsten Phase ihres Bestehens. Es wird Zeit für eine effektive Schadensbegrenzung! An echte Lösungen für die (T)EURO – Katastrophe, der Sicherung der Sozialsysteme und die Immigrationsprobleme glaubt doch fast niemand mehr.

  3. „Von Ihrer Sorte gibt es nur noch ganz, ganz Wenige.“
    Lieber Bronski, da klingt ja fast etwas Wehmut durch! – Sicher, wenn man hierzulande mit den Höckes und Gaulands, auf internationalem Parkett mit den Trumps, LePens, Farages usw. zu tun hat, könnte man dem fast zustimmen. Aber auch die „stehen dafür“, was sie sagen – von Trump vielleicht abgesehen. Und die verstehen sich besser darin, wie man unbedarften Menschen in die Ohren zwitschert – und so manchen Kot hinterlässt.
    Einer Frau Steinbach ob ihrer „Standhaftigkeit“ eine Träne nachzuweinen will ich mir dennoch versagen. Sie hat es nicht verdient.
    Im Übrigen schließe ich mich den Ausführungen im Leserbrief von Peter Wagner an.

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