Wir brauchen eine Bodenpreispremse

Wie wollen wir wohnen? Eine scheinbar banale Frage, welcher die FR in ihrer neuen Serie nachgeht, doch es hängt eine Menge dran. Natürlich wollen wir alle so wohnen, dass wir genug Platz haben, um uns zu entfalten und ein möglichst gutes Leben zu führen. Platz nicht nur für uns selbst, sondern auch für unsere Kinder, die wir mal haben werden, wenn wir planen, eine Familie zu gründen — und dafür muss unter anderem die Wohnungsbaupolitik die Rahmenbedingungen schaffen, damit die Deutschen nicht aussterben. Wohnraum muss erschwinglich sein, Mieten müssen auch für sozial Benachteiligte bezahlbar sein, denn Wohnen ist Menschenrecht. Auch in Frankfurt, wo die Mieten derzeit durch die Decke gehen.

Konrad Mohrmann aus Frankfurt:

„Keine Mietpreisbremse sondern eine Bodenpreisbremse brauchen wir um das Menschenrecht auf Wohnen den Spekulanten und einigen ihrer Förderer, einigen Politikern, zu entziehen.
Aus meiner fast 40 jährigen Tätigkeit als Stadtplaner ist mir das Beispiel Holland noch in Erinnerung, dort wurde die, nach germanischen Recht vollzogene, Trennung von Bau und Grundstück noch beibehalten, indem das Wert des Grundstücks nach dem Wert des Gebäudes gemessen wurde. Das Grundstück selbst wurde nur mit dem doppelten Wert eines unbebauten Grundstücks bewertet, d.h. doppelter Wert eines landwirtschaftlichen Grundstücks. Somit ist der Bodenspekulation die Basis entzogen worden, ob es noch so ist, weiß ich momentan nicht.
Als die ersten Fertighäuser gebaut wurden, hatten die Banken noch große Bedenken Hypotheken zu vergeben, da diese Häuser wieder abtransportiert werden konnten.
Als weitere Maßnahme: Vielleicht finden Sie in ihrem Archiv noch den Spiegel Artikel aus Nr.49/1973: „Wir Wilhelm. Durch Rückgriff auf ein preußisches Gesetz, das nun gerichtlich bestätigt wurde, will Frankfurt Wohnraumprobleme meistern.“ Die Anwendung des Preußischen Wohnungsgesetz vom 28.3.1918, das als Polizeiverordnung erlassen wurde, ist in Frankfurt nicht weiter verfolgt worden und könnte wieder aufgenommen werden.
Im Übrigen sind die Gesetzmäßigkeiten der Stadtentwicklung in einer kapitalistischen Großstadt seit 1925 bekannt, Park, Burgess, McKenzie „The City“, ein Reprint von 1984 liegt vor. Es wurde in Deutschland niemals übersetzt, aber allen ernsthaften „Stadtforschern“ dringend zur Lektüre empfohlen, sagt ein Praktiker. Das Räumliche Entwicklungsmodell (REM) Berlin wurde 1981 nach seinen Grundsätzen entwickelt. Danach ist klar, daß die Stadt Frankfurt für Normal- und besonders für Geringverdiener unbewohnbar geworden ist und auch bleibt. In den Restbeständen des ehemaligen sozialen Wohnungsbau werden noch einige Altmieter weiter bestehen, wenn sie gestorben sind, werden diese modernisiert und stehen dann den Gutverdienern aus der Finanzbranche zur Verfügung, den Anlegern und den Geldwäschern, wenn sie es nicht vorziehen in den Vordertaunus zu ziehen oder dort zu investieren. Und wenn der Kapitalmarkt bis dahin nicht wieder zusammengebrochen ist.“

Martin John aus Frankfurt:

„Sehr geehrte Damen und Herren, zum Artikel „Wir müssen die Spekulationen beenden“ möchte ich ihnen meine Erfahrungen in Bankfurt schlildern. Wie viele bin ich aus Jobgründen hier gelandet. Leider wurde ich dann zeitweilig arbeitsunfähig. Ich mußte zu Beginn der Harz 4 Gesetzgebung unter Gas Prom Schröder in ein Wohnklo mit Aussicht in ein Quasi Abbruchhaus auf 22m2 für überteuerte 380 E vor über 10 Jahren ziehen. Heute sind es 450E. In dieser Stadt tut man überhaupt nichts für bezahlbare Wohnungen für Harz 4 Opfer, Armutsrentner, Geringsverdiener die Aufstocken müssen vom Amt. Laufend werden neue Luxusstadtteile, wie Europa Viertel, Gateway Gardens oder Riedberg mit seinem Beton äh Merton Viertel aus dem Boden gestampft. Nun hat mein Vermieter angekündigt die Wohnung zu verkaufen, Ich bekomme solange die Eigenbedarfkündigung vom neuen Vermieter nicht gekommen ist, noch nicht einmal den Wohnberechtigungsschein auf eine Sozialwohnung. Ich muß quasi auf der Gass hocken bis man sich endlich entscheidet zu helfen. Meine Geburtsstadt Hamburg, die sich ja das Tor zum Geld nennt, ist noch ein Weisenknabe gegen dieser raffgierige kaltherzige Bänkermetropole mit seiner „feinen Stadtgesellschaft“. Wann wird endlich mal nach Bedarf gebaut? Wann werden endlich mal die Mieten gesenkt? Es reicht einfach mit dieser Raffke Mentalität.“

Thomas Ewald-Wehner aus Nidderau:

„Es bleibt dabei: Auch die Lösung der „Wohnungsfrage“ ist an den Kampf gegen das „kapitalistische System“ und seine Profitwirtschaft gebunden. – Wir sind von der alten Gewerkschaftsforderung, dass die Miete maximal ein Drittel des Einkommens betragen darf, meilenweit entfernt. Das liegt auch daran, dass die städtischen Bodenpreise spekulationsbedingt astronomische Höhen erreicht hat. Eine Stadt wie Frankfurt am Main müßte alle Kraft in die Förderung „gemeinnütziger“ Bauherren (Baugenossenschaften, städtische – am Allgemeinwohl orientierte – Baugesellschaften etc.) investieren. Städtisches Bauland wird nur gegen Erbpacht und für gemeinnützige Bauaktivitäten vergeben. Wohnungs-Leerstand ist mit einer saftigen „Hauszinssteuer“ (über einen speziell eingerichteten Hebesatz zur Grundsteuer) zu belegen, die der Finanzierung des gemeinnützigen Wohnungsbaus (vor allem auch kleiner Wohneinheiten) dient. Stadtnahe und kommunale Strukturen intensivieren ihre Bautätigkeit und berücksichtigen hierbei die ideellen und materiellen Interessen der armen Wohnbevölkerung. Die Bauweise und die Mietenkalkulation muss so ausgerichtet sein, dass die nichtbetuchte Bevölkerung zum Zuge kommt. Die Mietpreise sind an die je individuellen Verdienste anzupassen. Die so ermittelte individuelle Monatsmiete darf maximal ein Drittel des Nettoverdienstes nicht übersteigen. Das garantiert z.B. die Stadt Frankfurt. Geht nicht? – Dann schaut nach Graz (Österreich), wo eine kommunistische Baustadträtin die am Allgemeinwohl orientierte Wohnungspolitik vertritt und die kleine KPÖ mit über 20% in der Stadtpolitik mitmischt.“

Folkhart Funk aus Frankfurt:

„Der Regionalverband beklagt den Mangel an Bauland in Frankfurt und fordert die Umwandlung von Agrarflächen, weil es sonst in zehn Jahren kein Bauland mehr gäbe. Da sich aber dort, wo solche Pläne realisiert werden sollen, in der Regel Widerstand regt, fordert ein Chor von Dezernenten, Politikern, Planern und Investoren beschleunigte Genehmigungsverfahren, Abweichungsmöglichkeiten von geltenden Flächennutzungsplänen, Verzicht auf Umweltprüfungen oder Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung. „Wir müssen sicherstellen, dass alle Bevölkerungsgruppen im Zentrum der Region wohnen können“, fordert Oberbürgermeister Feldmann und tritt für die Bebauung des Pfingstbergs ein. Ein Sprecher der CDU wirbt gar für weniger Hemmnisse im Mietwohnrecht.
Ja, wie denn? In der Stadt stehen alte, bescheidene Häuser mit billigem Wohnraum jahrelang leer und verfallen, werden irgendwann durch Luxuswohnungen in verdichteten Neubauten ersetzt. Mieter werden mit allen Mitteln verdrängt, damit Mietwohnungen in Eigentum umgewandelt werden können, oft genug Thema in der Rundschau. Wie passt dazu die Forderung nach weniger Hemmnissen im Mietrecht? Bei freiwerdenden Flächen standen und stehen Immobilienfirmen und Investoren Schlange, oft von der Stadtregierung gefördert oder bevorzugt, weil sich die Stadt und ihre Unternehmen „dem Markt ja nicht verschließen können“. Bezahlbare Wohnungen, alle Bevölkerungsgruppen? Sie erwarten Rendite. Die Stadt darf dann noch für horrende Mieten bürgen, um Sozialberechtigte unterzubringen.
Ich sehe die Zukunft noch düsterer als der Regionalverband. Es wird in einer absehbaren Zahl von Jahren nicht nur kein Bauland mehr geben, sondern keine Agrarflächen und kein freies Land. Frankfurt zugestellt von Klötzchen, wie die Parkstraße in der Endphase des Monopoly: die allgemeine Lebensqualität beeinträchtigt, aber Geld im Überfluss bei Wenigen. Denn bereits heute werden demjenigen, der sich ‚empfindend‘ zu Fuß auf den Spuren von Goethe, Hölderlin oder Büchner nach Offenbach, Bad Vilbel, Butzbach oder Gießen durchzuschlagen versucht, die Tränen kommen.“

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Ein Kommentar zu “Wir brauchen eine Bodenpreispremse

  1. Der Boden, auf dem die Häuser stehen, in denen wir wohnen, lässt sich nicht produzieren wie ein Fahrrad, ein Automobil oder ein Computer. Er ist nur begrenzt verfügbar, seine Qualität ist der geologischen Entwicklung (Grundwasser, Erdbeben etc.) unterworfen und weltweit gesehen sind längst nicht alle Flächen nutzbar zu machen, was vom Klima, der geologischen Beschaffenheit und vor allem von der Verfügbarkeit von Wasser abhängt.

    Diese Eigenschaften teilt der Boden mit dem menschlichen Leben. Es ist da und trotz der relativ wenigen Jahrzehnte, die es jeweils dauert, ist es von biologischen und gesellschaftlichen Einflüssen umgeben, wird gar von diesen bedroht.

    Immerhin wird das Leben des Menschen in Staaten mit demokratischer Verfassung formalrechtlich vor dem Zugriff anderer geschützt. Aber sein Lebensraum, also der Boden, die Luft, das Wasser etc. sind längst Bestandteile eines wirtschaftlichen Denkens geworden, das verharmlosend als Marktwirtschaft bezeichnet wird.

    Der Boden in Frankfurt am Main, der Geburtsstadt Goethes, kostet heute mindestens zehnmal mehr als der in Winsen an der Luhe (der Heimat Johann Peter Eckermanns, seines engsten Vertrauten). Dabei ist die Luft in Winsen vermutlich weniger belastet als die in Frankfurt und die Qualität des Wassers mindestens gleichwertig, eher besser. Aber Winsen ist kein Finanzplatz, kein internationales Verkehrsdrehkreuz und auch die Niederlassungen großer Firmen sind überschaubar. Deswegen drängt es nur wenige Menschen nach Winsen. Im Gegenteil: An jedem Arbeitstag brechen morgens Scharen von Pendlern in Richtung Hamburg auf. Der Marktwert von Winsen ist mäßig, ebenso wie die Preise für unbebauten und bebauten Boden.

    Folglich beeinflusst der so genannte freie Markt den Wert einer menschlichen Lebensgrundlage, die eigentlich keine Ware sein dürfte, weil sie nicht vermehrbar ist. Wäre es angesichts der immensen Probleme, die der Handel mit dem Boden vor allem in großen Städten hervorruft, nicht eine Verfassungsverpflichtung (Artikel 1 des Grundgesetzes lautet: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“), ihn aus dem Handel herauszunehmen, gar diesen Handel definitiv zu verbieten?

    Wer den Boden, an dem er/sie Eigentum erworben hat, aufgeben will, könnte ihn zu einem staatlich festgesetzten Bodeneinheitswert tauschen: 500 Quadratmeter Frankfurt gegen 500 Quadratmeter Winsen oder umgekehrt (nur als Beispiel). Und wer nicht tauschen möchte, weil er/sie eine Mietwohnung bevorzugt, könnte ihn zum Einheitswert veräußern, müsste aber eine Grundverkaufs- bzw. Grunderwerbssteuer entrichten, deren Höhe sich mindestens am vollen Umsatzsteuersatz orientierte. Mit dieser staatlichen Einnahme könnten dann zusätzliche Wohnungen gebaut werden.

    Sicherlich: Ein derartiges Verständnis von Grund und Boden würde einige Tausend Immobilienhändler dazu veranlassen, ihren Lebensunterhalt künftig mit reproduzierbaren nützlichen Waren oder mit sinnvollen Dienstleistungen zu verdienen. So wie das Millionen Menschen bereits tun bzw. tun müssen. Und mutmaßlich würde jene Minderheit, die bislang eine deutliche Mehrheit wirtschaftlich kujonierte, das Ende der Freiheit, die Entwertung aller Werte und das Zusammenbrechen des Staats lautstark beklagen.
    Ja, tatsächlich wäre das ein Systemwechsel. Aber ohne einen solchen oder ähnlichen würde am Ende dieses Jahrhunderts die Bundesrepublik ein Staat sein, in dem die Mehrheit seiner Einwohner ohne wirkliche Lebensrechte und echte Lebensperspektiven vegetieren würde. Ganz zu schweigen von populistischen Nichtdemokraten, die ihr eigenes Süppchen auf dem Elend anderer kochen würden – oder es zumindest versuchten.

    Wenn ich aus meiner Wohnung in Frankfurt-Sachsenhausen aus dem Fenster sehe, fällt mein Blick auf einen Wohnturm mit geschätzten 100 oder mehr Luxus-Eigentumswohnungen, der am Ende dieses Jahres bezugsfertig sein wird. Auf einer vergleichsweise geringen Fläche wird mindestens ein (mutmaßlich großvolumiger) PKW zu jeder Wohnung gehören und die Straßen im Quartier noch unpassierbarer machen. Der gesamte Energiebedarf des Riesenhauses wird mindestens dem eines Dorfes in der Wetterau entsprechen, die Abgase denen eines mittelgroßen Industrieunternehmens, vom Wasserverbrauch ganz zu schweigen. Falls dort ein Brand ausbräche, wäre ein nennenswerter Teil der Frankfurter Feuerwehr durch den Einsatz blockiert und könnte woanders nicht helfen, der Verkehr in Sachsenhausen würde über Stunden, vielleicht Tage zusammenbrechen, der Frankfurter Süden wäre von einer Rauchwolke verhüllt, und die Strukturen der benachbarten Krankenhäuser wären überfordert. Alles zu Lasten der anderen Einwohner. Doch dem nicht genug: Im Europaviertel am Rande des Messegeländes soll ein ähnlicher Luxus-Wohnturm entstehen.

    Einer der politisch Verantwortlichen ist der bisherige grüne Bürgermeister und Planungsdezernent Olaf Cunitz (der vermutlich bald abgewählt wird). An seinem Beispiel zeigt sich, dass Ökologie (Lehre vom Haushalten) nur sehr wenig mit gelegentlich notwendiger Wohnverdichtung zu tun hat, sondern vor allem mit diversen sozialen Fragen, die vor dem Bau von Wohnungen, die sich nur wenige leisten können, unbedingt gestellt und überzeugend beantwortet werden müssen.

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