Online-Abstimmungen sind große Mode. Oder vielleicht auch mehr als Mode: Sie könnten einer der Wege sein, auf denen das Web seine gelobten basisdemokratischen Eigenschaften entfaltet. Aber welche Folgen haben solche Abstimmungen? Tanja Dückers äußert in Ihrer Kolumne „Sternchen der Beliebigkeit“ heftige Kritik: „Bestenfalls hat man es mit Zeitverschwendung, schlimmstenfalls mit einer Parodie von demokratischen Abstimmungsverfahren und Selbstbestimmung zu tun.“ Sie nennt es Abstimmungswahn – und bekommt Recht von Hermann Zayer aus Schwalbach:

„Bravo! Das Schlimme ist die Pervertierung des demokratischen Teilhabe-Grundgedankens durch die „Wahlen-Inflation“ bis zur absoluten Bedeutungslosigkeit. So viele Stimmen für einen DSDS-Kandidaten und es gewinnt doch ein Anderer: genau wie in der Politik! Warum dann noch wählen?“

Deutlich weniger zufrieden ist dagegen Richard Möbus aus Dreieich:

„Sehr geehrte Frau Dückers, Sie verurteilen Meinungsbildung und Meinungsmitteilung anhand exotischer Beispiele wie ‚Lohnbedingungen von Taxifahrern in Südafrika‘, ‚Zugunglück in Venezuela‘, ‚Einen vor Ostgrönland beinahe havarierten Tanker‘.
Da Sie keine Beispiele aus der aktuellen deutschen Politik angeben, wird deutlich, dass es bei Ihrer Schreibe einfach nur um Polemik und krasse Herabwürdigung der immer noch viel zu wenigen Menschen hier geht, die sich eine Meinung leisten. Dazu passt, dass Sie diese aktiven Menschen in Ihrem Text mit dem unsäglichen Stempel ‚Großmaul‘ versehen.
Zu glauben, dass staatliche Überwachung (Videoüberwachung, biometrische Daten, Tornados über Demonstrationen) auch deshalb immer mehr zunimmt, weil Menschen sich in Foren und Kommentaren äußern – ist vorsichtig ausgedrückt – unmöglich.
In den Foren geht es eben nicht vorrangig darum Turnschuhe, Farbskalen, Eissorten, Witzfiguren, Witzfrisuren und so weiter zu bewerten. Es geht um deutsche Politik. Bürgerbeteiligung in jeder Form kann man nicht hoch genug bewerten, sie wird durch das Internet nicht abgeschwächt, sondern erzeugt und verstärkt.“

Und Andreas Urstadt aus Berlin spricht Tanja Dückers gar das Recht ab, überhaupt zu diesem Thema zu schreiben:

„Dümmer kann man einen Text über Abstimmungen im Web kaum verfassen. Dückers übersieht, dass sie überall auf der Welt möglich sind. Sie reduziert das Phänomen auf Deutschland, aber es heißt ja ‚Internet‘ und nicht ‚Nationet‘. Das Internet ermöglicht weltweite Partizipation und Transparenz. Es gibt unzählige Blogs, wo wesentlich bessere Beiträge stehen, als das was Dückers da abgesondert hat. Kluge Leute etwa von der BBC fragen bei solchen Leuten um Beiträge an, auch wenn sie unbekannt sind. – Kritik an der FR: Warum lässt man jemanden schreiben, der zufällig einen bekannten Namen hat, anstatt die, die wirklich was zu sagen zu haben.“

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8 Kommentare zu “Partizipation und Transparenz

  1. @ „Scheindemokratisch“;

    genau das ist die zutreffende bezeichnung für ein verfahren, das entweder per anruf, bzw. wahlwiederholungsverfahren an handy oder telefon oder analog an der tastatur des pc, laptop per software usw. jede abstimmung manipulierbar und deswegen fälschbar macht! nichts kann das persönliche votum in der wahlkabine ersetzen, denn nur dort ist der wähler respektive mensch sicher, dass er seine stimme frei abgeben kann!
    alle elektonischen abstimmungsverfahren sind anfällig für manipulationen, deren möglichkeiten und ausmaß sich der normal geschulte mensch überhaupt nicht vorstellen kann.
    deshalb so viel wie möglich basisdemokratie in politischen gruppierungen zur zielbildung der gesellschaft über parteien und ähnliche organisationen und so wenig wie notwendig in der wahlkabine zur staatsführung auf den gestuften ebenen; alles andere was auf elektronische und sogar automatisierten verfahren beruht ist zu unterlassen und kann höchstens dazu dienen, bzw. helfen meinungen zu bestimmten themen zu versuchen richtig einzuschätzen!

  2. Machen wir uns nichts vor. Der wahre Wert dieser ganzen Online-Klickerei (Taggen gehört auch dazu) liegt darin, dem Nutzer Lebenszeichen abzuringen. Es ist ziemlich egal, ob ich einen Artikel gut oder schlecht bewerte. Viel wertvoller ist die Information, daß ich den Artikel überhaupt bis zum Ende gelesen habe, und wie lange ich dafür gebraucht habe, und wie lange ich möglicherweise welche Werbebanner angeguckt habe.

  3. Sicherlich ist es für den geneigten und auf diese Art gebauchpinselten Leser (beiderlei Geschlechts) schmeichelhaft, um seine Meinung befragt zu werden, aber was geschieht mit dieser Meinung? m.E. wandert sie in eine Glaskugel, um von Hellsehern und Kaffeesatzlesern (so genannten Meinungsumfrageinstituten) zu Statistiken verwurschtelt zu werden, die keiner haben will, geschweige denn braucht
    .. ausser so ein paar „Entscheidern“ in Politik, Industrie und Wirtschaft (aber auch in den Medien), die so wenig Selbstvertrauen besitzen, dass sie wegen „Furtz und Feuerstein“ die Meinung Anderer einholen müssen.
    In einigen Bereichen halte ich diese Umfragen, deren Ergebnisse auch noch lauthals als Realität herausposaunt werden, für gefährlich, ja sogar anti-demokratisch, bewirken sie doch z.B. bei Wahlen, dass die Einen Panik bekommen (könnte noch positiv bewertet werden, wenn sie ansonsten nicht zur Wahl gegangen wären) und die Anderen sich (bzw. ihre Partei) in Sicherheit wähnen (und nicht zur Wahl gehen). Beides scheint die Wahlergebnisse der letzten Jahre doch erheblich beeinflusst zu haben.
    Übrigens, noch mal zurück zu Abstimmungen im Internet: Hier wird es einem doch auch so unendlich leicht gemacht, mal auf die Schnelle ein „Urteil“ abzugeben. Was ein unter diesen Umständen erzieltes Ergebnis wert ist …

  4. Wer wegen seiner Computersucht nicht mehr auf die Zeil geht um sich durch umfragewütige Werbefuzzis belästigen zu lasssen, muss seine Meinung eben dann im Internet zum besten geben. Nur ist das Ergebnis von Website zu Website dann eben sehr unterschiedlich, je nach Klientel ……Aber ändern tut das recht wenig.

  5. Warum wird hier Tanja Dückers, einer verdienten Frontfrau der neuen FR allenthalben widersprochen? Es ist doch so, dass z.B. die FR-Kritik-Blogs tatsächlich – wie sie es beschreibt – nur so von selbstdarstellerischen Narzisten mit aberwitzigen Ansichten majorisiert wurden? Deswegen sind diese FR-Blogs doch eingestellt worden! Die „Meinungen“ der Zufriedenen waren und werden jetzt in der neuen FR verwirklicht.

    Gibt es einen besseren Beweis für die gute Begründbarkeit von Online-Abstimmungen, -foren und -blogs? – Da braucht sich auch nichts zu ändern lieber Walthor (in #4)!

  6. Das Hauptproblem der diversen Online-Abstimmungen ist einfach die mangelnde Repräsentativität. Welchen Informationswert für den Nutzer einer regionalen Zeitung aus Rheinland-Pfalz hat zum Beispiel das Ergebnis der Leserbefragung, ob ein Vorsitzender einer großen Volkspartei (Name tut nichts zur Sache, man könnte aber drauf kommen)einen guten Kanzler abgäbe, wenn sämtliche Parteimitglieder (von denen wahrscheinlich nur ein winziger Bruchteil zu Lesern dieser Regionalzeitung gehört) via E-Mail durch einen Landtagsabgeordneten aufgefordert werden, sich an der Abstimmung mit der Antwort „Ja“ zu beteiligen, und anschließend das Ergebnis der „Leserbefragung“ lautet: 98,5% der Leser trauen XX zu, einen guten Kanzler abzugeben. Entweder lässt Nordkorea grüßen, oder solche Abstimmungen sind einfach für die Papiertonne und sollten einfach ignoriert werden.

  7. iS doch vollkommen egal ob es scheindemokratisch ist: WAs Abstimmungen im Fernsehen angeht, sollen Anstalten (wie die in England) ihr Argus-Auge drauf werfen. Die im Internet haben so wieso kein Gewicht im Leben, also wo ist dass Problem?

  8. Dass hieße dann ja auch dass im Eurovision Songcontest manipuliert werden kann. Sacre dieu! Wer hätte das gedacht?
    Jetzt bleiben mir nur noch als Vorbilder die holden Männer (wo sind eigentlich die Frauen ?)
    des Ratsports die meinem Leben einen strahlenden Sirius-Stern verleihen und mich animieren an Anstand, Ehre und Ehrlichkeit zu glauben. ……..

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