Bei den Ursachen ansetzen

Komasaufen bei Kindern und Jugendlichen nimmt zu. Ein Beispiel: Drei Kinder zwischen elf und dreizehn Jahren tranken so lange Wodka, bis sie besinnungslos ins Krankenhaus eingeliefert werden mussten. Zahlen der Techniker Krankenkasse zufolge gab es zwischen 2007 und 2008 einen Anstieg von 177 auf 214 Fälle bei deren Versicherten. Wenn man diese repräsentativen Angaben hochrechnet, kommt man bundesweit insgesamt auf knapp 2400 Fälle von akutem Alkoholrausch in der Altersgruppe unter fünfzehn Jahren. Bei den unter 18-Jährigen gibt es einen Anstieg auf fast 20 000 minderjährige Komasäufern, die 2008 im Krankenhaus landeten. Das ist längst kein Spaß mehr, denn hier entsteht massive Alkoholsucht. Politiker rufen daher jetzt nach Verschärfung der gesetzlichen Bestimmungen. Dazu meint Manfred Kirsch aus Neuwied:

„Die neuen Zahlen über die Zunahme des Komasaufens bei Jugendlichen und die Tatsache, dass Alkoholpatienten immer jünger werden, sind erschreckend. Doch von verantwortlichen Politikern erwarte ich mehr als die Forderung nach sicherlich berechtigten zusätzlichen Kontrollen und Verboten. So greifen auch die Forderungen von Karl Lauterbach nach Verschärfung der gesetzlichen Bestimmungen zur Alkoholabgabe an Jugendliche viel zu kurz.
Die Verantwortlichen sollten sich darüber im Klaren sein, dass das Saufen von Jugendlichen schwerwiegende Gründe hat. Jenseits aller Diskussionen über Gesetze, Verbote und Kontrollen sollten sich Politiker nicht in die Tasche lügen und sich endlich einmal grundsätzlich Gedanken über die sozialen und gesellschaftlichen Ursachen des hemmungslosen Saufens, übrigens nicht nur unter Jugendlichen, machen. Wer erst einmal abhängig von Alkohol ist, der wird sich diesen trotz Verboten immer irgendwie beschaffen können. Bei den Ursachen für den Alkoholmissbrauch muss angesetzt werden. Der übermäßige Alkoholkonsum hat doch eher etwas mit bei sehr vielen – nicht allein jungen – Menschen vorhandener Perspektivlosigkeit, Verarmung sowie Zukunfts- und Lebensangst zu tun.
Wir brauchen eine gesellschaftliche Realität, die Menschen nicht dazu zwingt, die Flucht in den Alkoholrausch anzutreten. Und wir brauchen eine Gesellschaft, in der positive Werte wie Mitmenschlichkeit und Solidarität wieder im Vordergrund stehen. Das wäre in der Tat etwas gänzlich anderes als unsere lieblose kapitalistische Ellenbogengesellschaft, in der das Prinzip ‚Jeder gegen Jeden‘ gilt. Anders wird das Drama um die gesellschaftlich akzeptierte Droge Alkohol und die zunehmende Gefährdung junger und ganz junger Menschen nicht beseitigt werden können.“

Detlef von Seggern aus Pforzheim:

„Es ist erschreckend, ‚fast‘ hilflos mit ansehen zu müssen, wie immer mehr Jugendliche beiderlei Geschlechts dem Alkohol verfallen, aus welchen Gründen auch immer.Aber dieses Problem des Alkoholmißbrauchs, ist ja in allen Bevölkerungsschichten dieser Republik gegeben, und wie auch bereits erwähnt mit gravierenden gesundheitlichen Schäden nach jahrelangen Alkoholexzessen verbunden.
Den Herstellern, sprich der Alkoholindustrie, ist dieses Schicksal der dann ‚irgendwann‘ Betroffenen, im Grunde genommen egal! Hauptsache ihr Umsatz, und die finanziellen Gewinne stimmen.
Seitens von Politikern, können noch so gute Vorschläge kommen, man ’sollte‘ dieses und jenes machen, damit Jugendliche nicht mehr so schnell an Alkohol gelangen. Diese Ratschläge sind vielleicht alle schön und gut, aber so gut wie nicht realisierbar. Diejenigen, welche sich Alkohol beschaffen wollen, tun dies auch. Wege und Mittel finden sie immer. Wie bei jedem Süchtigen. Gesetzgebung hin oder her. Hier gibt es bei Tankstellen, oder sonstigen Ladenketten, genügend Verkaufspersonal, das, ob gedankenlos oder auch nicht, Alkohol an Minderjährige abgibt.“

Georg-Michael Mathes aus Frankfurt:

„Keine (oder sehr wenige) Angebote für Kinder und Jugendliche, ihre Freizeit sinnvoll zu gestalten, keine Perspektiven, jetzt schon wissen, dass es im Alter wahrscheinlich nicht zum Leben reicht, dazu noch vage Aussichten, den Zwischenraum von Jugend bis zur Rente zu überbrücken, mit einer sog. gebrochenen Erwerbsbiographie leben müssen – da wundert es mich, dass nur so ‚wenige‘ Kinder und Jugendliche zur Flasche greifen.
Wenn sich die Politik nur um notleidende Banken oder die Autoindustrie kümmert, um ihre Kinder und Jugendlichen aber nicht, ist das ein Armutszeugnis für alle Entscheider in Deutschland. Die Ignoranz fängt bei Merkel an und hört auf der untersten Ebene der Politik auf. Unsere Jugend hat eben keine Lobby, wie z. B. die Pharmariesen, da wird dann auch nichts getan.“

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16 Kommentare zu “Bei den Ursachen ansetzen

  1. Der Alkoholmissbrauch hat doch auch etwas mit den Forderungen der Gesellschaft an die Jugendlichen zu tun. Wer heute nur mit ausreichenden Noten seine Prüfung im Beruf besteht, hat kaum Chancen, einen seiner Qualifikation entsprechenden arbeitsplatz zu erhalten. Der Druck auf Jugendliche nimmt so früh zu, dass diese schon mal zur Flasche greifen. Dass sich ganz nebenbei dann ein angenehmes Leichtigkeitsgefühl breitmacht, welches die Probleme in der Schule oder bei der Ausbildung auftreten, führt dann sehr schnell dazu, dass der Alkohol zum Problem wird. Es ist also ein Problem dieser Gesellschaft, wie sie diese Missstände in den Griff kriegt. Dazu ist die Politik berufen. Nur die Alkoholindustrie macht immer gute Lobbyarbeit gegen Verschärfungen beim Alkoholverkauf.

  2. zu 1: Ich gebe Ihnen Recht.
    Leider ist es so: wer Alkohol im Übermaß trinkt, hat keine Probleme mit dem Alkohol sondern mit dem nüchternen Leben. Hier erträgt er/sie bestimmte Gefühlslagen nicht, die er mit Alkohol platt machen kann. Das ist dann der Lerneffekt, der zu wiederholtem Alkoholgebrauch führt. Ich finde, es müsste z. B. in der Schule angefangen werden, Unterricht mit psychologischen Inhalten zu geben: Wie funktioniert die Psyche, wie gehe ich konstruktiv mit Frustrationen/Problemen um, welche Alternativen entwickele ich, wie will/kann ich leben, wie sieht mein Lebensstil aus usw.
    Bei Jugendlichen ist sicher auch Probierverhalten dabei, das dann sich fehlentwickelt. Frage ist auch: Welches Vorbild bin ich als Erwachsener beim Umgang mit Alkohol.
    Restriktionen und Verbote helfen nicht oder nur minimal, das haben wir in Amerika gesehen (Prohibition). Im Gegenteil, die Gefahr, ist dass man anfängt, sich das Zeug selbst herzustellen, mit noch erheblicheren gesundheitlichen Folgen ( siehe Türkei: Schnapsbrenner, die den Prozess nicht beherrschen und lebensgefährliches Zeug herstellen)

  3. An den Ursachen ansetzen… sehr schöner Gedanke. Vielleicht sind aber die Ursachen andere als bei „normalen“, will sagen 18-80jährigen Trinkern.
    Das Phänomen ist doch gerade, dass sich immer mehr Kinder mit Alkohol fast schon terminieren, und Sie werden mir nur schwerlich klar machen können, dass sich 11jährige wegen ihrer Rente den Kummer von der Seele trinken.
    Vieleicht eher mittelbar. Als Nachahmungsverhalten wäre vorstellbar. Nachahmungsverhalten ihrer Eltern, die Alkohol nicht merh als Genußmittel, sondern als Problemlöser begreifen. Hier ist die Perspektivlosigkeit meiner Meinung nach eher nachzuweisen.
    Der Probiereffekt wird sicherlich durch die zahlreichen sehr zuckerlastigen Neuerscheinungen auf dem Markt der Alkoholika erleichtert, das Problem Alcopops war ja durchaus mal Thema, das erledigt scheint, doch ist der Einstieg leckerer geworden.

  4. Nicht schon wieder diese heuchlerische Deutschstunde zum Thema Alkohol. Es wird mir nie einleuchten, weshalb es als Genussmittel eingestuft wird. Alkohol dient zum Verbrennungsmotoren. Lasst die Blagen doch früh abhängig werden, dass wir insgesamt noch immer Ölabhängig sind schert schliesslich auch keinen. Gesetzeswerk soll nur wieder Aktionismus vertuschen. Natürlich ist es ein ernsthaftes Problem, wenn Jugendliche zunehmends Krankenhauskosten verursachen die keine Bank mehr bezahlen kann, geschweige der Staat. In dem Fall hilft es, dem neoliberalen fördern vertippt fordern zu erinnern. Animiert die Menschen zu mehr in-house Brennerei, Massengräber machen die Entsorgung dann preiswert, der Stoff gibt Zündung. Ganz zu schweigen der Impulswirkung die für Wirtschaften davon ausginge. Cheers.

  5. Also Sie sind ja vielleicht ein Blödschwätzer. Wieso „Deutschstunde“ im Zusammenhang mit Alkohol? Grammatik auch ganz schlecht: „Alkohol dient zum Verbrennungsmotoren“. Und wieso soll „Gesetzeswerk nur wieder Aktionismus vertuschen“? Das wäre nicht mal umgekehrt richtig. Krankenhauskosten werden auch nicht von der Bank bezahlt.

    Bitt ja, nichts gegen den einen oder andern Schwips hier und da, und auch nichts gegen Kabarett im Blog, aber dann muss es auch sitzen. Der Beitrag von b.n.w. ist einfach nur dumm!!!!!!!!!!!!!!

  6. Manfred Kirsch hat in seinem Leserbrief meiner Meinung nach den Nagel auf den Kopf getroffen. Ich möchte als Vater von 3 Kindern, zwischen 24 und 15 Jahren,sagen wie überrascht ich war wie schwer der Einstieg in das Berufsleben inzwischen geworden ist.Wenn man bedenkt das die Kinder, zumindest in intakten Familien, unter paradisischen Verhältnissen groß werden,ist der Schritt in die heutige Ellenbogengesllschaft sehr groß. Die Gesellschaft sollte Maßnahmen ergreifen um den Einstieg in das Brufsleben zu erleichtern.

  7. Ich rege mich schon seit ewig über die eiskalte „Jägermeister-Kampagne“ auf. Die Jugendlichen bekommen erzählt, wie cool und geil man damit die Nacht durchfeiern kann, in dieser Form ist das Zeug pures Rattengift für den menschlichen Körper. Dann gibt es noch parallel in der Presse einen Kult-Bericht, wie die Firma es schaffen konnte, aus dem Nichts, eine Weltfirma zu werden – Leichen pflastern ihren Weg (mein Statement zum Kult).

    Ob mit Kräuter, Lemmon oder reiner Seele serviert – Alkoholwerbung gehört verboten! Ganz schnell aber.

  8. Aber noch zur Aufklärung für die Presse, wie es kommen konnte, daß Jägermeister eine Weltmarke wurde:

    Anfang der 90er gab es eine Clubszene in DE, diese Szene, von DE für bekloppt erklärt worden (Tatsache), hatte nichts anderes zu tun, als Wortspielereien zu betreiben und diese auf Clubware zu drucken. Aus Dash wurde Hash, aus Jägermeiser – – > Ravermeister. (Was die Frankfurter mit MainKaffee (Maawasser), MyZeil ist sowas von oberpeinlich und einfallslos… *abwinkt*)

    Na, klingelt’s?

    Jetzt kommt’s aber. Die Firma Jägermeister fand das damals gar nicht lustig. Hatten sogar Rechtsschritte überlegt. Waren noch damals anständig, die Zielgruppe Förster, Waldmeister und andere ältere Herrschaften.

    Viele Jahre später ist es denen dann gedämmert, was die Technoszene ihnen für ein Marketingkonzept frei haus geliefert hat.

    Also liebe Presseleutchen, das waren die ewig klickenen Smartieskids der 90er im letzten Jahrhundert.

    Und ich war an der Front – viele nicht. Was ist eigentlich aus den Smartieskids geworden?

  9. Frau Juncker, wo wir von Dummheit schwätzen, da war er wieder, der falsch programmierte spell checker. Deutschstunde deshalb, weil es einzig dort ein Reinheitsgebot gibt, zur Definition arischer Blut-, Brut- und Braukunst. Und Verbrennungsmotoren ist Besonderheit alemannischer Dudenhoheit. Ein zusammengesetztes Kunstwort das eine Tätigkeit beschreibt. So wie bspw. Holocausteln, oder -kausalen. Was ich nicht verstehe ist, was Sie mit „umgekehrt“ meinen. Ändern Sie vertuschen in vertuscheln, vllt trinkt der Sinngehalt danach ’nen Klaren. Hicks!

  10. Der ordentliche Ökodeutsche lässt sich seine Obstler schliesslich auch vom Biobauern aus der Region bringen. Ehrlich gesaggt, wer ist so kaputt, dass ihm Ethanol schmeckt? Bzw. könnte nun Verwechslung mit Meth. vorliegen, Chemie war mein schwacher Punkt der Mittelstufe. Später hätte es nichts geändert, auch nicht daran, dass wir zu viel geschwipst hatten. Wir sind den Vorbildern unserer Vorfahren gefolgt, hatten jedoch Glück mit jungen Jahren den Unsinn von Erziehung schon verstanden zu haben. Anderes Paradoxon und klang zuletzt nach abgebabbelt.

    Herr Admin, der RSS Feed läuft nicht mit dem Webspace synchron. Seit Ihr erfolgreich gehäckt worden?? Sach sprich ..

  11. Wenn man/frau und Gesellschaft eine Generation von Schwachen -Verschuldeten-Perspektivlosen „usw“ Kinder und Jugendliche großzieht ,sollte sie sich nicht über ein Alkoholproblem wundern.
    Ist leichter zu bekommen als Drogen und ist der geringste Weg des Widerstandes.
    Und nicht zu vergessen „ein gutes Geschäft“
    Die öffentliche Diskusion in der Gesellschaft und Politik ist genau so verlogen wie die Diskusion mit dem Rauchen.
    Der letzte Satz wird lauten:“freie Marktwirtschaft“ was sollen wir machen.Oder mündiger Bürger:auch ein tolles Argument!

  12. Wir sind uns ja alle erstaunlich einig darüber, wo die Ursachen des jugendlichen Kampf-Saufens liegen – die problemlosen Beschaffungsmöglichkeiten und das coole, spassige Image, das den jungen Alkohol-Konsumenten innerhalb ihrer Generationsgruppe zugeschrieben wird, sind ganz klar nur die Spitze des Eisberges.
    Sicherlich sind die Anforderungen an die heutige Jugendgeneration vielschichtiger und unübersichtlicher geworden – aber klare Orientierungshilfen fehlen leider auf weiter Flur. Die Eltern neigen heute verstärkt dazu, ihre Sprösslinge in Watte zu packen, materiell zu überschütten und ihnen keine altersgemäße Verantwortung zu übertragen – andererseits werden dann aber schon in der Schule hohe Anforderungen gestellt und rigoros aussortiert, was sich im Studium und bei der Jobsuche fortsetzt. Alkohol bietet hier ein leichter und unter den Jugendlichen höchst anerkannter Fluchtweg aus der daraus resultierenden Überfoderung und Frustration.
    Es reicht zwar nicht, den Zugang zu Alkohol zu erschweren und Aufklärung über die Risiken des Missbrauchs zu betreiben, aber es wäre immerhin ein erster Schritt…

  13. Naja, vor 30 Jahren hat das niemanden interessiert, wurde genauso gesoffen wie heute auch. Damals hießt es nur: kannst saufen, kannst auch schaffen. Der eine ist in der Psychiatrie gelandet, ein anderer im Knast, gibt es noch mehr Geschichten, und das alles unter den Fitischen/Augen von Vater Staat.

    Damals hat nur niemand hingeschaut, angefangen zu zählen, auch nicht die FR und die Jugendliche waren sowieso sowas von egal … zumindest diese Sorte Jugendliche (nicht pflegeleicht, schon gar nicht willig).

  14. Der Mensch hat ja das grösste Gehirn bekommen – und daher auch am meisten Langeweile.

    Nur die doofsten Jungs kaufen sich Computerspiele – die intelligenten Jungs erfinden sich die Spiele für ihr Hirn gleich selber.

    Leider fällt aber den meisten Leuten heute fast nur Saufen, Sex (Nadia et al.) und Musik ein…

    Dabei hätten wir all unsere Hände voll zu tun, endlich einmal Krebs und Aids zu heilen und die Finanzkrise zu stabilisieren (statt uns lediglich tot zu saufen)…

    Ja, ja, schnöde dumme Welt…
    Hoffentlich gibt es irgendwo Planeten mit etwas intelligenteren Köppen…

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