Der Bundestag hat sich kürzlich in einer von Fraktionszwängen freien Debatte mit dem Thema Sterbehilfe befasst und einen Gesetzentwurf angenommen, der hinter das geltende Recht zurückfällt. Um es mal ein wenig überspitzt zu formulieren: Wir werden nicht gefragt, ob wir geboren werden wollen — warum sollten wir also bei unserem Tod ein wenig Mitsprache haben dürfen?

Zweifellos ist der Einwand berechtigt, dass alles getan werden muss, damit aus der „geschäftsmäßigen“ Sterbehilfe kein florierender Wirtschaftszweig wird. Der soeben angenommene Gesetzentwurf aber ist wieder einmal ein Beispiel dafür, wie die Politik meint, die Bürgerinnen und Bürger bevormunden zu dürfen. Wie FR-Autor Joachim Frank in seinem Leitartikel schreibt: Die Politik dürfte den Menschen in diesem Land durchaus etwas mehr Vertrauen entgegenbringen. Dem Menschen immanent ist der Wille zu leben. Wenn Menschen diesen Willen verloren haben, wird es dafür Gründe geben. Statt pauschal Sterbehilfe zu erschweren, sollte die Politik meines Erachtens mehr nach den Gründen für diesen Lebensunwillen fragen und ihnen Rechnung tragen — und dabei das selbstbestimmte Ich jedes Einzelnen nicht aus dem Auge verlieren, denn wie heißt es noch gleich im Grundgesetz:

„Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“

Gegen diese schlichten und zugleich schwierigen Worte setzt der Bundestag im Fall Sterbehilfe das Prinzip Bevormundung. Ich hoffe sehr, dass die Gegner dieses Gesetzes vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe Recht bekommen.

Katja Wolf aus Frankfurt meint:

„Der 5. November 2015 war kein guter Tag für künftige totkranke, Schmerzen leidende oder befürchtende Menschen. Was bedeutet denn eine „auf Wiederhoung angelegte Handlung“? Es ist gut vorstellbar, dass ein Arzt unter den Patienten eine überdurchschnitlich hohe Anzahl an unheilbar Erkrankten hat (vielleicht z.B. durch ein besonders empathisches Wesen oder besondere Erfahrungen in der Palliativmedizin). Soll dieser Arzt dann genau EINEN Patienen „frei“ haben, um ihn von seinen Qualen zu erlösen und die andern haben dann „Pech gehabt“?“

Walter Unger aus Maintal:

„Die Zulässigkeit der Sterbehilfe wäre auch ein gutes Thema für die sehr anerkennenswerte Serie der Frankfurter Rundschau über die Freiheit gewesen. Denn die Debatte und die Entscheidung des Bundestags darüber sind wieder einmal ein Zeichen dafür, wie gering der deutsche Gesetzgeber die Freiheit des Einzelnen in ethischen und moralischen Fragen schätzt.
So hat es bis Ende der neunziger Jahre gebraucht, bevor homosexuelle Beziehungen zwischen Männern endlich straflos gestellt wurden (für Frauen galt das Verbot übrigens nie). Auch mit Abtreibungen tut man sich schwer. Die Debatte darüber in den siebziger Jahren und noch einmal nach der Wiedervereinigung führte zu dem auch für Juristen schwer verständlichen Ergebnis, dass eine Abtreibung zwar nach § 218 StGB eigentlich eine Straftat ist, aber nach § 218a StGB manchmal doch keine, manchmal nicht rechtswidrig ist und manchmal die Schwangere nur nicht bestraft wird.
Ähnlich verquer ist die jetzt vom Bundestag beschlossene Regelung der Sterbehilfe. Dass man Selbstmord nicht bestrafen kann, dürfte aus rein praktischen Gründen einleuchten, auch wenn manche Kirchengemeinden dem Selbstmörder immer noch ein christliches Begräbnis verweigern und ihn so der vermeintlichen Strafe Gottes überantworten. Aber eine Beratung oder gar Hilfe wird dem zum Selbstmord Entschlossenen durch die jetzt beschlossenen gesetzlichen Regelungen verwehrt. Denn wer ihm dazu die Gelegenheit gewährt, verschafft oder vermittelt macht sich strafbar, wenn es „geschäftsmäßig“ – also mehr als einmal – geschieht. Professionelle Hilfestellung wird damit unmöglich gemacht.
Erstaunlich ist dabei immer wieder der Glaube (oder besser die Selbstüberschätzung) der Politiker an die Möglichkeit, die Freiheit des Einzelnen in existentiellen Fragen beschränken zu können. So gab es trotz der Strafbarkeit der männlichen Homosexualität nicht weniger Schwule, aber mehr menschliche Tragödien. Das Verbot der Abtreibung verhinderte über die Jahrhunderte hinweg keine Abtreibungen, aber führte dazu, dass Schwangeren im besten Fall im Geheimen von mitleidigen (oder geschäftstüchtigen) Ärzten und Hebammen geholfen wurde oder dass sie durch alle möglichen – oftmals tödliche – Mittel die Abtreibung selbst bewerkstelligten. Als dann die Abtreibung in anderen Ländern legalisiert wurde, hatten finanziell besser Gestellte die Möglichkeit, z.B. nach Holland auszuweichen.
Auch das Verbot der „geschäftsmäßigen“ Sterbehilfe wird Todkranke nicht daran hindern, ihrem Leben ein Ende zu setzen, wenn sie das wollen. Es wird nur schwieriger, eine kompetente Beratung zu finden. Aber ein kurzer Blick ins Internet genügt, um Möglichkeiten in den Nachbarländern zu finden, in denen die Sterbehilfe legalisiert wurde. Man muss es sich nur leisten können, dorthin zu fahren.“

Robert Maxeiner aus Frankfurt:

„Es ist ein ungewöhnlicher Tag im Bundestag, auch deshalb, weil fraktionsübergreifend und sachlich debattiert wurde, Politiker sich persönlich betroffen zeigten oder sich sensibilisieren ließen. Sachliche und gefühlsbetonte Auseinandersetzung widersprechen sich eben nicht. Wenn der Mensch nicht ausschließlich als Kunde, Verbraucher, oder Konsument betrachtet wird, wird er weniger gegängelt. So wird auch demokratische Kultur gepflegt. Diesen Mut wünsche ich den Parlamentariern auch, wenn es um mächtigere Gegner und Geschäfte anderer Größenordnungen geht, zum Beispiel Waffenhandel mit Saudi-Arabien oder in der Auseinandersetzung um TTIP. Leider konnte es nicht ganz ohne Machtdemonstration vonstatten gehen, sonst wäre es bei der bisherigen gesetzlichen Regelung geblieben.
Sterbehilfe-Vereine wie Dignitas könnten sich in Zukunft für Lebende engagieren, die den Lebensmut zu verlieren drohen, weil sie unheilbar krank sind, sich kein Mensch um sie kümmert oder sie nur noch als Konsumenten wahrgenommen werden.“

Dr. Thomas Pitsch aus Rostock

„Am Freitag (6.11.2015) hat der Bundestag mit einer Mehrheit von 360 von 602 Abgeordneten beschlossen, jegliche Form organisierter Sterbehilfe zukünftig mit bis zu 3 Jahren Gefängnis zu bestrafen. Damit ist eine Beratung und gegebenenfalls Hilfe beim Freitod sterbenskranker Patienten auch für ehrenamtlich tätige Sterbehelfer und Ärzte verboten.
Von dieser Entscheidung bin ich schockiert. Die weitaus meisten Kommentare im Internet zeigten ganz schnell die breite Ablehnung dieses Vorgehens in der Bevölkerung. Zahlreiche Umfragen belegen, dass rund 80 % der Menschen für straffreie Sterbehilfe eintritt.
Die Pharmaindustrie, Pflegeheime, Krankenhäuser und die Ärzteschaft machen einen großen Teil ihres Umsatzes von 300 Milliarden Euro pro Jahr mit Betreuungen und Behandlungen in der Sterbephase. Sie und die Kirchen haben jetzt Lobbyarbeit geleistet mit dem Erfolg, dass die bislang erlaubte Unterstützung notleidender Kranker am Lebensende durch eine ergebnisoffene Beratung und gegebenenfalls Sterbehilfe nun verboten ist.
Ich achte die Entscheidung aller Menschen, die es aus persönlichen, ethischen oder religiösen Gründen ablehnen, Sterbehilfe in Anspruch zu nehmen oder anderen beim Freitod in auswegloser Lage zu helfen. Es widerspricht aber der Trennung von Kirche und Staat, wenn diese Haltung nun der gesamten Bevölkerung aufgezwungen wird. Und das, obwohl auch unter den Christen eine Mehrheit für die Freigabe von Sterbehilfe ist.
Ich befürchte sehr, dass durch die Abstimmung mir und allen Mitbürgern nun die Möglichkeiten, in verzweifelter Situation am Lebensende Hilfe zu bekommen, stark eingeschränkt werden. So wie viele Menschen habe ich große Angst, zum Leben gezwungen zu werden. Wollen wir wirklich, dass sich verzweifelte Menschen aus dem Fenster oder vor einen Zug stürzen?
Der Bundestag hat dieses Gesetz gegen organisierte Sterbehilfe verabschiedet, obwohl seit langem bekannt ist, dass die weit überwiegende Mehrheit (80 %) der Bevölkerung nicht nur strikt gegen dieses Gesetz ist, sondern sogar eine weitere Liberalisierung (z.B. in Richtung Tötung auf Verlangen) verlangt. Dies konnte nur geschehen, weil wir in Deutschland keine Möglichkeit zu Volksbegehren und Volksentscheiden auf Bundesebene haben. Und dies ist so, obwohl Volksabstimmungen im Grundgesetz (Artikel 20, Absatz 2) als unabänderbares Verfassungsgebot verankert sind und nicht einmal mit 100 % der Stimmen des Bundestages gestrichen werden könnten (Artikel 79). Dieses Verfassungsgebot wird in Deutschland aber seit 60 Jahren schlicht ignoriert, erst vor 2 Jahren scheiterten Verhandlungen darüber am Widerstand der CDU.
Abgeordnete sind ihrem Gewissen verpflichtet. Das verstehen viele anscheinend so, dass sie die Bürger zwingen dürfen, entsprechend ihrer Moral zu leben und zu sterben.
Oft höre ich an dieser Stelle als Begründung, dass die Menschen schlecht informiert seien und sich deshalb keine überlegte Meinung bilden könnten. Dieses billige Argument „Wir wissen es besser“ richtet sich doch gegen die Demokratie schlechthin.
Wer dem Volk politische Entscheidungen nicht zutraut, der kann doch eigentlich nur die Beteiligung des Volkes an der Macht generell ablehnen. Das hat sicher manches für sich, sollte dann konsequenterweise aber auch als Abkehr von der Demokratie benannt werden.
Und in diesem konkreten Fall geht es ja auch nicht um Fragen, für deren Beurteilung detaillierte Fachkenntnisse erforderlich sind. Wir müssen und sollten uns alle eine Meinung darüber bilden, wie wir selber sterben und wie wir uns anderen Menschen in der Sterbesituation gegenüber verhalten wollen. Und an dieser Stelle werden wir gerade entmündigt.
Mir ist aus den letzten 60 Jahren kein Fall bekannt, wo die demokratische Mehrheitsmeinung in einer so wichtigen Frage so eklatant übergangen wurde.
Es gibt aber zahlreiche Hinweise, dass das nun verabschiedete Gesetz juristisch fragwürdig und möglicherweise nicht verfassungsgemäß ist. Bleibt uns also die Hoffnung, dass es mit einer sicherlich zu erwartenden Klage vor dem Verfassungsgericht in unser (fast) aller Interesse zu Fall gebracht werden kann.
Und ich persönlich überlege nun, aus der evangelischen Kirche auszutreten und stattdessen Organisationen zu unterstützen, die sich für die Möglichkeit, selbstbestimmt sterben zu können, einsetzen.“

Volkmar Marschall aus Frankfurt:

„Die Entscheidung des Bundestages entspricht nicht dem Willen des Volkes und ist menschenunwürdig! Leider wurde Art. 1 GG nicht beachtet: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt“. Zur Würde des Menschen gehört auch der „menschenwürdige“ Tod! Es bleibt zu hoffen, dass das Bundes-verfassungsgericht dieses „menschenunwürdige“ Gesetz gegen den Willen des Volkes möglichst schnell wieder aufhebt.
Das Sterben und das Leben werden zurzeit so diskutiert, als sei die christliche Morallehre für alle Menschen verbindlich. Sie ist es nicht (s. DIE ZEIT v. 26.4.2001, S. 6)! Es geht vor allem darum, den Betroffenen die Möglichkeit zu einem selbstbestimmten und würdevollen Sterben zu geben.
Nach Umfragen stimmen über 70 % der Bevölkerung für die Möglichkeit, selbstbestimmt zu sterben (lt. DAK). In einer ganzseitigen Anzeige der „Ärzte Zeitung“ (Nr. 88 vom 12.05.2015) hatten sich 180 deutsche Ärztinnen und Ärzte für den ärztlich assistierten Suizid ausgesprochen.
Selbst Papst Johannes Paul II. hatte sich für die passive Sterbehilfe ausgesprochen (s. Artikel „Würde des Sterbens“ in der FAZ v. 19.2.2005). Diese überwältigende Haltung hätte für unsere Politiker Anlass genug sein können, die Entscheidung über diese so wichtige Frage in die Hände der Bürger zu legen. Der Bundestag hätte uns Bürger darüber entscheiden lassen sollen!
Die (ärztliche) Beihilfe zum Suizid ist nach aktuell geltendem Strafrecht straflos – und sollte es auch bleiben. 150 Strafrechtsprofessorinnen und – professoren und Privatdozentinnen und Privatdozenten hatten eine von Eric Hilgendorf (Universität Würzburg) und Henning Rosenau (Universität Augsburg / s. a. jura.uni-augsburg) initiierte Stellungnahme unterzeichnet und wandten sich klar und eindeutig gegen entsprechende Überlegungen des Deutschen Bundestages. Die Stellungnahme vom 15. April 2015 wurde auch in der Zeitschrift für Medizinstrafrecht (medstra) im Heft 3 2015, S. 129 ff. publiziert.
Die geplante Ausweitung der Strafbarkeit und Einschränkung der Sterbehilfe des Gesetzes vom 6. November sind für die Bevölkerung nicht hinnehmbar und werden einer verfassungsrechtlichen Prüfung nicht standhalten!
Es bleibt jedem Menschen – insbesondere jenen Bundestagsabgeordneten, Ärztepräsidenten, Bischöfen, die sich für das Gesetz entschieden – überlassen, ob sie selbst im Alters- oder Pflegeheim vertrotteln oder vor sich hindämmern wollen…
Mit Menschenwürde ist es nicht vereinbar, wenn aus dem Schutz des Lebens ein qualvoller Tod würde. Ein Arzt „muss“ beim friedlichen Einschlafen helfen dürfen! Dies will auch die große Mehrheit der Bevölkerung! Das Recht auf Selbstbestimmung muss ein selbstbestimmtes und würdevolles Sterben einschließen!
Mit dem neuen Gesetz werden wir als Bürgerinnen und Bürger unseres eigenen Todes „beraubt“ und es bleibt da nur die Hoffnung, dass das Bundesverfassungsgericht die richtige Entscheidung treffen wird. Es ist unverantwortlich, dass die Lebensschützer unter dem Tarnmantel des „Lebensschutzes“ und des „christlichen Menschenbildes“ Grundrechte schlicht zu Grabe tragen, bevor wir überhaupt beerdigt werden. Die „ethischen Nebelbomben“, die derzeit von den Lebensschützern, von politisch Verantwortlichen und vor allem auch durch „hippokratische“ Ärzte gezündet wurden, sollen im Ergebnis nur eines bezwecken: den ungetrübten Blick auf den rechtsethischen Grundstandard unseres Grundgesetzes zu verhindern!
Wir als Bürgerinnen und Bürger sind nicht (!) verpflichtet, das ethische „Erbe“ Hippokrates anzutreten, und noch weniger steht es den politisch Verantwortlichen und einigen entrückten Ärztefunktionären sowie Theologen zu, uns mit einem „ethischen Zwangsdiktat“ zu überziehen, mit dem wir in die Unfreiheit nicht nur unserer Gewissensentscheidung geführt, sondern mit Blick auf den individuellen Tod „gleichgeschaltet“ werden sollen!
Dies ist ein unglaublicher Vorgang im aufgeklärten 21. Jahrhundert und es bleibt zu hoffen, dass das Bundesverfassungsgericht sich gegen eine solche „Zwangsethisierung“ entscheidet.“

Ilona Kessler aus Schwalbach:

„Beim Thema Sterbehilfe sollte man bedenken, dass das gefürchtete „Geschäftsmodell Sterbehilfe“ wohl für die Pharmaindustrie weit weniger einträglich wäre als das riesige „Geschäftsmodell unterlassene Sterbehilfe“.“

 

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3 Kommentare zu “Verquere Regelung der Sterbehilfe

  1. Diese sogenannten Vertreter des Volkes treten den Willen der Bürger nicht nur mit Füßen, sondern handeln auch menschenverachtend, indem sie den Todeskandidaten Hilfe verweigern, weil sie dem Arzt de facto verbieten, den Sterbe-wunsch fachgerecht zu unterstützen, indem er strafrechtlich verfolgt wird (von den verqueren Meinungen des Herrn Montgomery und dessen standesrechtlichen Gängelungen wollen wir hier erst gar nicht reden…) und sich ggf. einem Berufsverbot aussetzen muss. Das macht niemand! Das Einzige, was erreicht wurde ist, dass es Herrn Kusch, dem Bauernopfer dieser traurigen Farce, erschwert wird, Geld zu verdienen. Sonst nichts !!! Ich bin Betroffener und werde in spätestens ca. 2 Jahren ersticken müssen, da ich Lungenfibrose habe. Natürlich werde ich wie viele andere auch ins Ausland gehen müssen, weil die Hilfesuchenden nicht kläglich verrecken wollen, wie unser Parlament das vorschreibt! Hierzu verweise ich auf den FR-Bericht vom 6.11.15 Seite 5: „Praktiker warnen vor ‚Palliativ-Mythos‘; Hospiz-Bewegung schlägt Alarm: Vorstellung eines schmerzfreien Todes ist naiv. Diese Personen, die das so entschieden haben verachte ich auf das Tiefste und würde man nicht humanistisch erzogen sein, könnte man denen am Besten auch eine unheilbare Pestilenz an den Hals wünschen, dass sie mal fühlen, wie es ist!!! Und: wo bleibt denn die vielzitierte „ETHIK“ an der Ecke, wenn genau diese Parlamentarier ihr Volk u.a. den krebserregenden Pestiziden auf den Feldern und Umweltbelastungen bewusst aussetzen und billigend in Kauf nehmen, dass sie u.a. an Krebs erkranken. Pfui Teufel. Ich würde mich schämen. Wie können diese Menschen noch in den Spiegel schauen? Fröhliche Grüße sendet. Ulrich Niewiem

  2. @Ulrich Niewiem

    Lassen Sie uns einmal davon ausgehen, dass wohl einige Verfassungsbeschwerden gegen das Gesetz, sobald es in Kraft ist, gerichtet werden. Die Frage ist halt nur, welche Anforderungen an die Betroffenheit von Beschwerdeführern seitens des BVerfG dabei gestellt werden. Ich möchte behaupten, dass jeder Mensch von der Regelung betroffen ist, da das Selbstbestimmungsrecht nicht nur aus dem Umgang mit unmittelbaren Notwendigkeiten bestehen darf sondern auch aus der Vorsorge für Möglichkeiten, deren Eintritt ungewiss ist. Bei jeder Versicherung ist das etwas selbstverständliches. Argumente gegen den § 217 StGB gibt es zur Genüge.

  3. Der Tod, besonders der eigene, ist kein Thema, mit dem Sie und ich, also wir, uns allzu bereitwillig befassen. Ich meine jetzt nicht die Regelung für den Sterbefall und danach. Da ist hoffentlich alles in bester Ordnung. Ich meine das Sterbenmüssen, das uns alle betrifft, und das Sterbenwollen und nicht sterben zu dürfen, das uns die gleiche Angst einflößt, wie lebendig begraben zu sein. Eigentlich hatte ich ohne Umschweife auf das plakative Thema eingehen wollen, welche Rechtsmittel ein Sterbewilliger hätte ausschöpfen müssen, um dann nach seinem natürlichen Tod einem Urteil entnehmen zu können, daß seinem Antrag, einen Sterbehilfeverein in Anspruch nehmen zu dürfen, nicht abzuhelfen sei.

    Doch zunächst will ich dem Tod eine Betrachtung widmen, mit dem wir alle in Berührung kommen, und der uns das Gefühl vermittelt, als nächste an der Reihe zu sein, nämlich, wenn die Eltern sterben.

    Im ersten Teil meiner Betrachtung versuche ich Ihnen die Situation zu vermitteln, wie ich am Sterbebett meiner Mutter stehe. Mein Vater hatte mich auf meiner Arbeitsstelle angerufen und mir gesagt, daß es meiner Mutter sehr schlecht ginge. Meine Mutter hatte eine schwere Operation hinter sich und war drei Tage zuvor von der Intensivstation des Krankenhauses auf die Pflegestation verlegt worden. Sie lag da im Bett, starrte zur Decke; ihr Mund war weit offen; ihre Zahnprothesen hatten sich vom Gaumen gelöst. Als sie mich bemerkte, wollte sie etwas sagen, hatte aber keine Kraft mehr dazu. Mein Vater stand hinter mir und forderte mich auf, sie zu küssen. Widerwillig folgte ich, gab ihr einen Kuß auf die Stirn; denn ich wußte, es war der Abschiedskuß, und für mich war der Abschied zu früh. Wenige Minuten später starb sie. Sie wurde sechsundfünfzig Jahre alt. Mein Vater erzählte mir erst eine Weile später, daß meine Mutter zwei Tage vor ihrem Tod ihm gesagt habe, daß sie unter dem dünnen Krankenhausbettzeug ganz schrecklich friere, und daß er umgehend die Daunendecke besorgt hat, unter der sie gestorben ist. Zusammen mit dem Gedenken an meinen Vater halte ich die Decke heute noch in Ehren.

    Den zweiten Teil meiner Betrachtung widme ich meinem Vater, im Grunde genommen, seinem Tod. Im zweiundachtzigsten Lebensjahr stehend, ereilte meinen Vater während eines Kuraufenthaltes ein Herzinfarkt. Da ihn dieses Ereignis nicht vollkommen vom Sockel riß, erfuhren die Kurärzte nichts davon. Erst Wochen später ließ er sich nach eingehenden Untersuchungen durch seine Hausärztin und Fachärzte davon überzeugen, daß eine Bypass-Operation unabdingbar sei. Nach dieser Operation und der anschließenden Reha bemerkte ich bei meinem Vater eine überraschende Wesensveränderung, die sich in Vergeßlichkeit, Wutausbrüchen und einem Verlust des normalen Urteilsvermögens ausdrückte. Wenn es ihm etwas besser ging, dann machte er mir deutlich, daß ihm seine Situation bewußt sei und er damit schon fertig würde. Er hat sich dann erschossen. Und ich bin froh, ihn nicht zum hilflosen Pflegefall gemacht zu haben.

    Eigentlich hatte ich mich zu dem Thema des fremdbestimmten Sterbendürfens äußern wollen; aber ist das noch nötig?

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