Was man mit dem „Soli“ alles machen könnte

Manchmal denkt die Politik in Berlin und anderswo über Steuern nach. Manchmal tut sie das, indem sie Erhöhungen in Erwägung zieht, unter anderem um für sozialen Ausgleich, sprich: Umverteilung zu sorgen. Doch weit häufiger werden Steuersenkungen gefordert. Damit kann man den Wählerinnen und Wählern vermutlich besser gefallen. Also wird in regelmäßigen Abständen die Abschaffung des Solidaritätszuschlags gefordert. Dieser war ursprünglich eingeführt worden, um die berühmten „blühenden Landschaften“ zu verwirklichen, die Helmut Kohl den ostdeutschen Bundesländern nach der Wiedervereinigung in Aussicht gestellt hatte. Dort blüht mittlerweile so manches, unter anderem der Rechtsextremismus. Wirtschaftlich hängt der Osten der Bundesrepublik dem Westen auch 28 Jahre nach der Einführung des „Soli“ weiter hinterterher, obwohl die Infrastruktur – Straßen, Brücken, Bahnen u.ä.m. – im Osten teilweise besser ist als im Westen, weil sie neuer ist. Der Osten braucht den „Soli“ heute nicht mehr, das scheint offensichtlich. Jedenfalls nicht, um die Kosten der deutschen Einheit zu finanzieren. Mit dieser Begründung war der „Soli“ 1995 entfristet worden. Wir zahlen ihn heute noch. Ist das gerecht? Doch wäre die Abschaffung gerecht? Wie wäre es, wenn man den „Soli“ umwidmen würde? FR-Leser Peter Hahling aus Frankfurt hat dazu ein paar ansprechende Ideen, die im Print-Leserforum nicht alle Platz gefunden haben. Hier kommt sein ungekürzter Leaserbrief als Gastbeitrag im FR-Blog.

Was man mit dem „Soli“ alles machen könnte

Von Peter Hahling

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Seit einiger Zeit ist die Abschaffung des Solidaritätszuschlag im Gespräch, um die Bürger zu entlasten. Ich bin zwar kein Finanzexperte, aber ich möchte den Politikern trotzdem ein paar Denkanstöße mitgeben. Aus Sicht des Otto-Normal-Verbrauchers sozusagen.

Wer profotiert von der Abschaffung? Wie viel Soli man bezahlt, kann jeder leicht mit dem Einkommenssteuerrecher auf der Website des Bundesministeriums der Finanzen ausrechnen. Hier ein paar Beispiele. Wer Mindestlohn erhält, verdient etwa 1500 Euro pro Monat und zahlt 104 Euro Soli im Jahr. Bei 2000 Euro pro Monat sind es 192,88 Soli im Jahr. Bei 2500 Euro fallen dafür schon 290 Euro Soli an. Und bei einem Verdienst von 3000 Euro pro Moant sind es 396 Euro. Und hier noch ein paar Extrembeispiele: Bei einem Einkommen von 1250 Euro im Monat betrüge die Entlastung 34,60 Euro pro Jahr an, also wengier als drei Euro im Monat. Ein Topverdiener mit 5000 Euro brutto würde dagegen 903 pro Jahre sparen. Das ist fast das 26-Fache. Man kann also sehr leicht sehen, dass eine Abschaffung des Soli die Geringverdiener kaum und die Gut- und Topverdiener überproportional stark entlasten würde. Somit haben gerade die Menschen, die dringend auf mehr Geld angewiesen werden, nichts von einer Abschaffung. Wer aber über ein hohes Einkommen verfügt und finanziell gut dasteht, erhält dagegen ein sehr üppiges Wahlgeschenk. Das ist sozial höchst ungerecht.

Es gibt wesentlich bessere Möglichkeiten, die Soli-Einnahmen zu verwenden. Bestandsaufnahme: Wie hoch sind diese Soli-Einnahmen? Laut Website des Statistischen Bundesamtes sind die Soli-Einnahmen seit 2010 jedes kontinuierlich gestiegen. Von 11,71 Milliarden im Jahr 2010 auf 17,95 Milliarden im Jahr 2017. Selbst in schlechten Jahren betrugen die Einnahmen stets zehn Milliarden. Daher kann man also mit mindestens zehn Milliarden Euro pro Jahr rechnen, also 40 Milliarden pro Legislaturperiode als absolutes Minimum. Wenn man vom Durchschnitt der letzten vier Jahre (2014-2017) ausgeht, sind es sogar 65,78 Milliarden.

Alternativen zur Soli-Abschaffung: Dass die neuen Bundesländer den Solidaritätszuschlag nicht mehr in dieser Form und Höhe benötigen, ist, denke ich, Konsens. Ein gesamtdeutscher Soli wäre jedoch sehr sinnvoll, wenn man bedenkt, vor welchen Herausforderungen unser Land steht. Hier mal ein paar Ideen zu einer möglichen Umwidmung des Soli. Diese greifen dann natürlich für ganz Deutschland.

Sozialer Wohnungsbau: Um die Mieter zu entlasten, will der Bund den sozialen Wohnungsbau stärken. Hierzu sind vier Milliarden für die nächsten vier Jahre eingeplant. Mit dem Soli könnte man das Zehnfache davon verwenden und deutlich mehr Wohnungen bauen.

Rückkauf von Wohnungen bzw. Enteignung: Ein Argument gegen den Rückkauf von Wohnungen oder die Enteignung von Wohnungskonzernen ist, dass es schlicht nicht bezahlbar sei. Laut der Konzern-Bilanz hatte die Vonovia im Jahr 2018 knapp 395.000 Wohnungen mit einem Verkehrswert von 44,239 Milliarden Euro. Bei der Deutschen Wohnen waren es im Jahr 2018 22,19 Milliarden mit rund 159.000 Wohnungen. Mit Soli-Einnahmen von 10 Milliarden Euro (oder mehr) pro Jahr ist ein Rückkauf oder die Enteignung der Konzerne also durchaus finanzierbar. Auch wenn man dafür mindestens eine Legislaturperiode benötigt. Angesichts der rasant steigenden Immobilienpreise wahrscheinlich eher.

Rentenpolitik: Respektrente und Mütterrente +. Auch die Respektrente der SPD, die in etwa 5 oder 6 Milliarden Euro pro Kosten soll, wäre durch den Soli finanzierbar. Hirzu noch eine Anmerkung: Wer wie die CDU kritisiert, dass die Respektrente ohne Bedürftigkeitsprüfung ungerecht sei, sollte logischerweise auch die Abschaffung des Soli ablehnen, da diese, wie oben festgestellt, vor allem den Gutverdienern hilft. Auch ist es nicht einzusehen, warum Mütter, die vor 1992 ein Kind geboren haben, noch immer schlechter gestellt sind. Wer nach 1992 ein Kind geboren hat, bekommt nicht nur mehr Rentenpunkte, es wird auch mehr Erziehungszeit angerechnet. Dies hat keine logische oder sachliche Grundlage und dient nur dazu, die Kosten möglichst gering zu halten, was den älteren Müttern gegenüber sehr unfair ist.

Investitionen in Infrastruktur und Bildung: Viele Straßen und Brücken sind marode, und in vielen ländlichen Regionen ist das Internet und die Handy-Verbindung ziemlich schlecht. Hier könnte die Politik mit den Soli-Einnahmen gegensteuern. Davon würden viele Menschen und auch die Wirtschaft profitieren.

Bahn und Nahverkehr: Die Deutsche Bahn und der öffentliche Nahverkehr müssen dringend ausgebaut und verbessert werden. Mit dem Soli könnte man hier nicht nur die Infrastuktur und den Service verbessern, man könnte auch die Ticketpreise senken und so mehr Menschen dazu bringen, das Auto stehen zu lassen. Davon profitiert die Umwelt, das Klima und die Bewohner der deutschen Städte, die unter Feinstaub und den Abgasen leiden.

Klimawandel: Nach mehreren Jahrhundertfluten und Jahrhundertsommern, die wir seit der Jahrtausendwende hatten, sind mehr Investitionen in den Klimaschutz und die Klimaanpassung dringend geboten.

Steuersenkungen: Natürlich sind auch Steuersenkugnen durch den Soli möglich. Dann aber bitte zielgerichtet und nicht per Gießkannenprinzip wie bei Soli-Abschaffung. So wäre eine gezielte Entlastung von Geringverdienern und der Mittelschicht bei der Einkommenssteuer und der kalten Progression denkbar. Oder man könnte die sozialen Berufe durch Steuersenkungen oder Gehaltszuschüsse deutlich attraktiver machen. Wir brauchen dringend gute Krankenpfleger, Altenpfleger und Erzieherinnen und die werden wir nur finden, wenn wir sie angemessen bezahlen. Auch den Menschen, die ihre Angehörigen zu Hause pflegen oder Kinder erziehen, könnte man finanziell unter die Arme greifen.

Kinder und Bildung: Kinder sind hierzulande das Armutsrisiko Nr 1. Obwohl, es mittlerweile einen gesetzlichen Anspruch darauf gibt, fehlen noch immer viele Kita-Plätze. Dabei sagen Bildungsexperten, dass gute frühkindliche Förderung sehr wichtig ist und auch der Staat von guter frühkindlicher Bildung profitiert. Und auch in der Schule gibt es Nachholbedarf: Noch immer verlassen sechs Prozent der Schüler die Schule ohne Abschluss. Hinzu kommt, dass der Bildungserfolg in unserem System noch immer zu stark von der sozialen Herkunft, sprich dem Elternhaus, abhängt. Angesichts des demografischen Wandels können wir uns das auf Dauer schlicht nicht mehr leisten.

Dies waren nur einige Beispiele. Es gibt sicher noch andere Möglichkeiten, den Soli sinnvoll einzusetzen. Und natürlich lässt sich nicht alles umsetzen, erst recht nicht auf einmal. Sie sind aber wesentlich sinnvoller und fairer als eine Maßnahme, von der von der vor allem Menschen mit hohem Einkommen profitieren. Alle Zahlen und Daten lassen sich übrigens durch eine Suche bei Google innerhalb weniger Minuten auf frei zugänglichen Internetseiten ermitteln.

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2 Kommentare zu “Was man mit dem „Soli“ alles machen könnte

  1. Ja, ich stimme Herrn Hahling ohne Einschränkung zu. Es bietet sich hier auch die Möglichkeit, die CO2 Abgabe dran zu koppeln, insofern als durch das dann teurer werdende Diesel/Benzin weitere Mittel, je nach Abgabenhöhe, bereitstünden, um dem Bahn und Nahverkehr auf die Sprünge zu helfen. Zumindest der Nahverkehr sollte dann längerfristig kostenlos sein und einen stärken Anreiz zur Benutzung bieten. Ja, ich höre die Autoindustrie und die CDU schon heulen, aber irgendwie müssen die Dinge ins Lot kommen. Wer gestern abend den sächsischen Ministerpräsidenten gehört hat (Bei Frau Will) weiß das von der CDU nur ein weiter so kommt, auf welchem Stern lebt der Mann ?Fehlt nur noch, dass bei der jetzt herrschenden Kälte jemand kommt und nach der Erwärmung fragt.

  2. Herrn Hahling kann auch ich nur beipflichten.
    Leider gibt es in kleines Problem. Auf das Konto eines Abgeordneten werden im Jahr ca. 150000€ überwiesen auf die ein Soli von ca.3000€ fällig wird. Wie viele Abgeordnete werden wohl bei einer Abstimmung über die Abschaffung des Soli mit nein stimmen? Die Gier des Menschen macht auch bei Abgeordneten nicht halt. In diesem Fall ist der Abgeordnete Lobbyist in eigener Sache und kann sich selbst Korrumpieren. Mit 3000€ muss ein H4 Empfänger sich 1 Jahr lang ernährenn.

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