In zwei Tagen wird der neue Bundestag gewählt. Bei realistischer Betrachtung bleiben zwei Optionen für die Bildung der nächsten Bundesregierung übrig: Entweder schaffen es CDU und CSU zusammen mit der FDP für ihr schwarz-gelbes „Projekt“, das schon 2005 nicht gewählt wurde, oder es gibt eine Neuauflage der großen Koalition – falls nicht einer auf die Idee kommt, es mal mit einer Minderheitsregierung und wechselnden Mehrheiten zu versuchen. Das hat es in anderen europäischen Ländern durchaus schon gegeben, und die Demokratie hat dabei jedenfalls nicht verloren. Allerdings sind da wohl andere Polit-Talente nötig als jene, die wir in Deutschland zur Verfügung haben. Oder unterschätzen wir die unseren lediglich? Schließlich sind wir Deutschen, das weiß die ganze Welt, ja notorische Nörgler. Ob wir so ein Lehrstück an Demokratie schätzen würden?  Merkwürdig an der Debatte über die künftige Regierung scheint mir, dass diese Option nie in Betracht gezogen wird – und auch noch nie ernsthaft gezogen geschweige denn ausprobiert wurde. Sowas widersteht natürlich auch der Sehnsucht der Deutschen nach Stabilität – die wiederum nicht von ungefähr ein Leitbegriff des merkelschen Wahlkampfes war. Der ihr allerdings wiederum von den bayrischen Kollegen doch ein wenig verhagelt wurde. Denen war der Merkel-Wahlkampf wohl ein wenig zu präsidial, jedenfalls verspürten sie das Bedürfnis, konkreter zu werden, vor allem im Hinblick auf Steuersenkungen. Das brachte „la Merkel“ in Erklärungsnot und könnte sie ein paar Prozentpünktchen kosten.

Ich gebe zu, das alles ist Kaffeesatzleserei. Ein wenig hysterisch, wie vor jeder Bundestagswahl. Was mich persönlich betrifft: Ich bin vor solchen Tagen immer angefixt. Das sind die wenigen Tage in meinem Leben, an denen ich mal mitreden darf. An denen ich die Wahl habe zwischen mehr oder weniger kleinen Übeln. Und in den Tagen davor kocht es in mir hoch, wenn ich Slogans, plakatiert, lese wie diesen: Leistung müsse sich wieder lohnen. Denn nach meinem Dafürhalten ist das eigentlich eine Selbstverständlichkeit, und die Lüge in diesem Slogan besteht in dem Wörtchen „wieder“. Dass sich Leistung für manche, etliche, viele nicht lohnt, ist eine Wahrheit, für die sich gerade die Partei, die mit diesem Slogan wirbt, eigentlich verantworten müsste – wenn nicht die anderen, gemeint ist Rot-Grün, dazu ebenfalls einiges beigetragen hätten.

Diese Partei, gemeint ist die FDP, wirbt um Mittelstand und Mittelschicht – in deren Augen die Mitte. Doch „wer sich als ‚Leistungsträger‘ nicht per Steuerbescheid ausweisen kann; wer sich vor einem Zwei-Klassen-Gesundheitssystem fürchten müsste; wer so wenig verdient, dass er Steuerprogression nicht mal vom Hörensagen kennt, ist für die FDP so wenig interessant wie die FDP für ihn“. Schreibt Stephan Hebel in seinem FR-Leitartikel „Westerwelles kleine Mitte„. Ein Text, der Protest von Stephan Hockmann aus Maintal erregte:

„Ich gehöre zu Westerwelles kleiner Mitte, also zu den – nach den Worten Herrn Hebels – egoistischen Mittelschichtlern. Die aber schon jetzt über 60 Prozent der Steuer- und Abgabenlast stemmen. Wir reden hier nicht von Millioneneinkünften. Wir reden von Gehältern zwischen 50 000 und 80 000 Euro brutto im Jahr, auf die man mit Steuerklasse 4 über die Hälfte Steuern und Abgaben bezahlt. Sie scheinen zu vergessen, dass man so ein Gehalt nicht geschenkt bekommt. Das sind sogenannte ‚außertarifliche Gehälter‘, an denen unbezahlte Üerstunden, Wochenendarbeit, ständige Qualifikation, Dienstreisen hängen. Da bleibt für ein Leben neben dem Beruf kaum noch Zeit.

Dafür werden nun diese ‚besserverdienenden Leistungsträger‘ als egoistische Geldscheffler durchs Dorf getrieben, vorzugsweise von linken Blättern und linken Parteien. Wer gibt Ihnen das Recht, immer wieder erhöhte Belastungen für diese Berufstätigen zu fordern? Was denken Sie, wer diese Belastung noch lange mitmacht, wenn netto immer weniger übrig bleibt? Um es denen zu geben, die sich auf Staatskosten ein gemütliches Leben machen?

Ich sehe mich mit voller Berechtigung als Leistungsträger. Und ich habe kein schlechtes Gewissen, dass ich die FDP wähle. Leistung lohnt sich bald nicht mehr in diesem Land. Wenn die Schmähung der ‚Besserverdienenden‘ so weitergeht, werden wohl bald immer mehr qualifizierte Arbeitnehmer Deutschland verlassen.“

Dieser Meinung begegnet Nelly Böhmert aus Rodenbach:

„Der Zustand unserer Gesellschaft ist besorgniserregend. Da empfinden sich qualifizierte, besserverdienende Arbeitnehmer als Leistungsträger unseres Landes, die glauben, steuerliche Entlastung erfahren zu müssen, weil sie ja den größten Batzen der Steuerlast tragen. Eigentlich dachte ich bisher, dass es normal ist, wenn diejenigen mehr zahlen, die mehr als andere verdienen oder besitzen. Warum wird denn die Arbeitsleistung bestimmter Berufsgruppen hoch bezahlt und die anderer nur mäßig oder sogar schlecht? Weil die Struktur unseres Wirtschaftssystems das bedingt und weil Leistung beileibe nicht das ausschlaggebende Kriterium für die Höhe der Bezahlung ist. So erbringen beispielsweise Krankenpfleger, Altenpfleger und Erzieherinnen jeden Tag starke Leistungen, und auch sie müssen Überstunden, Qualifizierungs- und Fortbildungsmaßnahmen außerhalb ihrer Arbeitszeit machen. Ganz zu schweigen von der Gruppe  Arbeitnehmer, die jeden Tag körperliche Arbeit leistet und sich mit einem schmalen Salär zufriedengeben muss. All diese Arbeitnehmer werden aber nicht als Leistungsträger gesehen. Warum? Weil sie im Vergleich zu den Obengenannten wenig verdienen?
Es ist schon klar, dass die unterschiedlichen Tätigkeiten nicht alle gleich bezahlt werden können, aber die Unterschiede sind im Verlauf der Jahre eklatant geworden, und ob das in allen Bereichen gerechtfertigt ist, erscheint durchaus fragwürdig. Auf keinen Fall darf aber eine gesellschaftliche Anschauung installiert und toleriert werden, nach der diejenigen, die viel arbeiten und viel verdienen, Leistungsträger sind, und die anderen, die ebenfalls viel arbeiten, aber wenig verdienen, als quasi nicht relevante Masse unerwähnt bleiben.
Und auch diejenigen, die aus den unterschiedlichsten Gründen nicht arbeiten können, sollten in einem Land wie der Bundesrepublik ein existenzsicherndes Einkommen haben, ohne ständig als lästiger Klotz am Bein abgewertet zu werden. Die Gruppe, die es sich auf Staatskosten bequem macht, ist ganz sicher nicht die Mehrheit.“

Barbara Brandi aus Frankfurt:

„Ich möchte Herrn Hockmann voll zustimmen! Unsere derzeitigen Leistungsträger sind die kleinen Selbstständigen und die mittleren Angestellten, die ihre Steuern und Sozialabgaben ordentlich und in hohem Maße abführen, die aber, wenn sie arbeitslos werden, womöglich jahrelang in die Arbeitslosenversicherung einzahlt haben und dann als Arbeitslose nach kurzer Zeit in Hartz IV zurückgestuft werden. Sie sind nicht ‚die Reichen‘, denen der Sozialneid unserer Gesellschaft gilt. Es wäre  an der Zeit, das Profil unserer so genannten „Leistungsträger“ genau zu definieren und sie nicht mit neuen steuerlichen Auflagen zu belasten. Herr Hockmann hat völlig Recht: Unsere Leistungsträger aus dem Mittelstand und  den mittleren Einkommensschichten werden sich, wenn sie klug sind, baldmöglichst aus Deutschland verabschieden (sie tun es bereits!). In anderen Ländern bieten sich ihnen bessere Möglichkeiten.“

Rolfrüdiger Traub aus Frankfurt :

„Nach der Terminologie des  Herrn Hockmann gehöre auch ich – noch – zu den Leistungsträgern. Nur: Die FDP vertritt meine Interessen nicht im geringsten. Steuerprivilegien für Spitzenverdiener, Bankgeheimnisse, Privatisierung von Gesundheitsleistungen und der Rente. Auch die Bahn soll vollprivatisiert werden, trotz übler Erfahrungen bei uns und in anderen Ländern! Dies sind nur einige der Widerwärtigkeiten, die die FDP uns zumuten will. Alles zum Wohl ihrer Klienten, zu denen nur wenige gehören! Ich nicht …“

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10 Kommentare zu “Wer ist Leistungsträger?

  1. Sehr geehrter Herr Hockmann,

    dass Sie sich als Opfer fühlen, bedaure ich sehr. Aber einige Punkte in Ihrer Klage scheinen es mir Wert zu sein, etwas genauer besehen zu werden.

    1. Mit Einkommen zwischen 50000 Euro und 80000 Euro liegen Sie jenseits der Bemessungsgrenzen der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung. Wie Sie bei einem Spitzensteuersatz von 42 % auf eine Steuer- und Abgabenbelastung von 50 % kommen, deutet für mich darauf hin, dass Sie keinen ordentlichen Steuerberater haben. Den aber könnten Sie mit diesem Einkommen leicht finanzieren, zumal Sie ja nicht Alleinverdiener sind, sondern in Steuerklasse 4. Und dann sprechen wir über Familieneinkommen von 120000 Euro und mehr. Andere in Ihrer Einkommensgruppe kommen steuerlich kaum auf das, was ein Facharbeiter bezahlt. Und die Rentenkassenbeiträge und Beiträge zur Krankenkasse können Sie sich doch auch sparen. Man könnte ja mal testen, was dabei heraus kommt.

    2. Sie zählen sich zu den Leistungsträgern, einer gesellschaftlichen Klasse (den Ausdruck wähle ich hier mal mit Bedacht), die eine Chimäre, ein Wahlkampfschlagwort konservativer Kräfte aus den 80er Jahren ist („Leistung muss sich wieder lohnen“). Den Begriff möchte ich kurz, wenn Sie erlauben, untersuchen: Leistung ist ein physikalischer Begriff. Der sagt etwas aus über die Arbeit, die in einer bestimmten Zeitspanne erbracht wird. Und Arbeit ist nicht etwa das Sitzen in Büromöbeln, sondern das Produkt aus einer (physischen / physikalischen) Kraft und der Strecke, über die diese Kraft etwas bewegt. Weit davon entfernt, nun zu behaupten, Manager, Beamte, Verkäufer würden nicht arbeiten, skizziere ich dieses nur, um auf die Grundlagen unseres Lebens hin zu weisen. Davon, dass Sie sich einen Laib Brot denken und sich auch vorstellen, wie Sie den essen, werden Sie nicht satt. Das, was uns am Leben hält, ist die physische, physikalische Arbeit ganz vieler Menschen. Die werden aber von der konservativen Sprachregelung vom Leistungsträgertum gern ausgeschlossen. Leistungsträger in deren Sinne sind nicht Handwerker, Arbeiter, Bauern, sondern Unternehmer, die solchen Menschen einen Arbeitsplatz geben. Was Ihnen bekannt sein dürfte, ist, dass eine Ware in der Marktwirtschaft das kostet, was dafür bezahlt wird. Der Preis einer Ware sagt nichts oder nur wenig über ihren Wert aus. Das gilt auch für Löhne und Gehälter. Sie, Herr Hockmann, haben ein Einkommen in der gegebenen Höhe, weil Ihnen das bezahlt wird. Über den Wert Ihrer Leistung für den Wirtschaftsprozess sagt das wenig. Die Mitglieder der Gesellschaft sind darauf angewiesen, dass die unterschiedlichen Arbeitsleistungen als prinzipiell gleichwertig anerkannt werden. Zu unterscheiden zwischen Leistungsträgern einerseits und den anderen, die nur einen Arbeitsplatz besitzen, treibt lediglich Keile in die Gesellschaft. Ausgrenzung ist ein Anfang von Unfrieden, Unfrieden der Anfang von Unsicherheit, Angst, Flucht.

    3. Sie jammern doch auf hohem Niveau. Sie behalten nach Abzug von Steuern, Versicherungen und Hauskosten noch so viel übrig, dass andere davon die mehrfache Zeit leben könnten. Die Erfüllung der Forderung nach mehr Netto vom Brutto würde sich in Ihrer Gehaltsklasse bemerkbar machen, nicht aber bei einem Zusteller bei PIN. Sie können sicher selbst nachrechnen, was es Ihnen denn bringen würde, statt 42 % Einkommensteuer nur noch 41 % zu zahlen. Könnte Sie das vom Auswandern abhalten? Das ist für Sie doch nur Spielgeld. Damit gehen Sie allenfalls an der Börse zocken. Sie erinnern sich doch sicher noch mit großem Vergnügen an die Steuersenkungsparties in der Kohlära und beim Schröder. Der Wirtschaft hat das damals nicht den erhofften Effekt gebracht, weil das Geld nicht in Maschinen und Menschen, sondern in „Wert“papieren investiert wurde. Das hätte man schon beim ersten Mal erkennen können, aber Kohl und der Schröder musste das trotzdem noch mal und noch mal machen. Und die Konservativen, allen voran die CSU, gleich dahinter die FDP, wollen das schon wieder durchexerzieren. Brauchen Sie das? Brauchen wir das? Und wo soll nun das Geld herkommen für Sozialhilfe, ALG 2, Aufstockung, wenn Ihre Gehalts- und Einkommensschicht nicht mehr 60 %, sondern nur noch 50% oder weniger (am liebsten 0%) der gesamten Steuerleistung aufbringt? Für Schulen? Für Bundeswehr und Polizei?

    Wie sind Sie überhaupt zu den Kenntnissen und Fertigkeiten gekommen, mit denen Sie jetzt so viel Geld verdienen? Haben Sie selbst das Rad erfunden, das Feuer domestiziert, die Schrift entwickelt, die Sesshaftigkeit, den Kalender, die Infinitesimalrechnung, den Kühlschrank, das Flugzeug … ? Selbstverständlich nicht. Das waren andere, deren Ergebnisse Sie sich angeeignet haben. Und selbst das nicht allein, sondern mit Hilfe Ihrer Eltern, Ihrer Lehrer, Ihrer Freunde, der Zeitungsredaktionen, des Fernsehens, Literatur … An Ihrem Werden waren viele Generationen und viele Gruppierungen und Einzelpersonen der Gegenwart beteiligt. Kann man da nicht sagen, dass man das, was man ist, durch die Gesellschaft ist? Und kann man da nicht sagen, dass das, was einem die Gesellschaft ermöglicht, auch irgendwie an die Gesellschaft zurück fließen sollte? Zum Beispiel in der Form von Steuern, die anderen wieder zugute kommen können? Ich finde, man kann.

  2. Bronskis Gedanken zu einer Minderheitsregierung hat irgendwie was. Warum eigentlich nicht? Auf wechselnde Mehrheiten suchen, dies unter einer Minderheitsregierung, läuft es ja laut Politologen in naher zukunft hinaus. Das Modell Volksparteien im sinne von großen Mehrheiten, war gestern – sagen die Politologen.

    Minderheitsregierung… gefällt mir.

  3. Glaubt wirklich jemand unser guter H. Westerwelle würde die Fr. Merkel zum Kanzler(in) wählen ohne dafür einen Ministerposten zu bekommen. Die Namen kann man übrigens beliebig austauschen. Eine von den Linken geduldete Minderheitsregierung ist Unsinn (Bundesrat)und Selbstmord für die Partei die dann den Kanzler stellen muß und das ist auch gut so.

  4. Frau Böhmert und Herrn Schmidt gebe ich vollkommen recht. Was mich bei Herrn Hockmanns Stellungnahme beinahe noch mehr stört als seine spezifische Begriffsbestimmung vom „Leistungsträger“ ist der Abgrenzung zu „denen, die es sich auf Staatskosten ein gemütliches Leben machen“. Da fällt mir doch wieder der Hype um „Florida-Rolf“ etc. ein! Merkwürdig, daß die Verteidigung und Reklamierung besonderer Privilegiene so oft mit der Diffamierung anderer Gruppen einher geht! Auch das paßt sehr gut zur FDP und wird ja auch von Herrn Westerwelle explizit benannt. Da wird mir angst und bange, wenn ich an schwarz-gelb denke. Auch die Drohung, dann eben ins Ausland zu gehen: genau mit diesem Erpresserargument wird ja die anhaltende Umverteilung von unten nach oben in Gang gehalten. Fein, daß es auch schon einige Zahlen darüber gibt, daß es mit diesem Dann-geh-ich-eben-ins-Ausland auch nicht so weit her ist! Es gibt schon reichlich rückkehrer, die sich die Sache einfacher vorgestllt haben und dachten, sie werden überall mit dem roten Teppich empfangen!

  5. Die Besserverdienenden, die sich lt. Westerwelle als Leistungsträger bezeichnen, wollen doch nur, dass die Normalverdiener nicht in ihre Einkommenssituation hineinwachsen. Es ist also nur eine Neiddebatte der Besserverdienenden gegenüber denen, die neben einer Vollzeitstelle noch zur Arge gehen müssen und da um Hilfe betteln müssen. Die ?DP verdient nicht, dass sie in den BT in Fraktionsstärke einzieht.

  6. Was die FDP verdient oder nicht, das sei mal dahingestellt, aber ich lese aus solchen Äußerungen, daß es Bevölkerungsgruppen gibt, die es nicht verdienen, daß sie oder ihre Interessen im BT vertreten werden.

    Muß ich noch sagen, daß solch eine Einstellung zutiefst undemokratisch ist?

    Der durchschnittliche Bruttoverdienst bei Vollzeitbeschäftigten lag 2008 in D bei 37.000 Euro. Das ist also ein Normalverdiener. Wer 50.000 verdient, ist laut WTS schon ein Besserverdienender? Na, das geht aber fix… Und daß ein Besserverdienender, der 50.000 verdient, nicht will, daß ein Normalverdiener mit 37.000 ins Besserverdienen hineinkommt, d.h. dann mal 13.000 Euro mehr im Jahr bekommt… sollte das tatsächlich so sein?

    Meine konkrete und aus aktuellem Anlaß (Personalabbau durch Abfindungsprogramme) gemachte Beobachtung ist jedenfalls, daß diejenigen, die eher gern nörgeln, „denen da oben“ sollte man ihr Geld mal ordentlich abzapfen, plötzlich am zetern und jammern sind, wenn sie mal eine Abfindung von 3 Jahresgehältern angeboten bekommen. Die Abfindung würden sie schon gerne kriegen, aber warum gehn da bloß so viel Steuern runter, das ist doch eine Unverschämtheit!!!

    Bei so viel entweder Blödheit oder Frechheit kann einem im Einzelfall schon das Kotzen kommen, mir jedenfalls… Wenns Bluten für den Staat andere betrifft, kanns gar nicht doll genug sein, ist man plötzlich selber betroffen, hört der Spaß schnell auf! Links sein ist doch immer schön, weils meistenteils nix kostet. 40% von der Abfindung abgeben, da erinnert man sich plötzlich nicht mehr so gut an die Hartz IV-Empfänger und all die anderen armen Leutchen, die einem sonst immer so am Herzen liegen. Dann wird gern von „Steuerverschwendung“ und ähnlichem gefaselt, um zu rechtfertigen, daß horrende Steuern NICHT zu zahlen doch eigentlich viel besser wäre…

    Alles selber im Kollegenkreis mehrfach erlebt, denn das teils üppige Abfindungsangebot haben tausende MA bekommen. Es ist wirklich instruktiv, Menschen zu beobachten, die bisher außerhalb jeglicher Reichweite von viel Geld sind, aber dann plötzlich durch die Umstände doch mal in Reichweite von viel Geld kommen, und wie problemlos dann eigentlich völlig inkompatible Auffassungen zum Steuernzahlen in einer Person koexistieren können.

  7. @Hannah Erben,

    „Merkwürdig, daß die Verteidigung und Reklamierung besonderer Privilegiene so oft mit der Diffamierung anderer Gruppen einher geht.“

    Genau, ich stimme voll zu! Was habe ich mir schon am Biertisch von arbeitsunlustigen Hartz IV-lern an Pauschaldiffamierungen anhören müssen über Banker/Unternehmer/Politiker usw.!

  8. @ Max Wedell
    Nennen Sie mir doch nur einen Grund, warum wer in einer Vollzeitstelle nicht so viel verdienen darf, dass er/sie davon ohne Sorge leben kann. Sie kommen jetzt mit dem Argument, der kann ja zur Arge gehen. Ist nicht die ?DP die Partei, die Subventionen abbauen will? Eine Befürwortung so einer gigantischen Umverteilung von unten nach oben löst bei mir nur noch Kopfschütteln aus.

  9. @ Werner Thiele-Schlesier,

    ich habe hier schon häufig dargelegt, daß es keine Umverteilung von unten nach oben gab in D. Das ist eine Erfindung von Leuten, die unvollständige Statistiken konsumieren, bzw. ist inzwischen eine Mythos, an den viele glauben und den daher viele weitergeben, weil viele ihn glauben und weitergeben.

    Ich beziehe mich dabei auf eine Untersuchung vom Institut für Wirtschaft und Gesellschaft, Bonn, von 2008 namens „Von Verlierern und Gewinnern – Die Einkommensentwicklung ausgewählter Bevölkerungsgruppen in Deutschland“.

    In Kürze: Die Einkommensschwachen machten 1986 19,4% der deutschstämmigen Bevölkerung aus, 2006 19,9% – keine wesentliche Änderung. Die Einkommensschwachen unter der Bevölkerung mit Migrationshintergrund machten 1986 27,9% aus, 2006 43,9%!!!!

    Es wurden also nicht die Armen ärmer, sondern es sind in den letzten 20 Jahren massenweise Arme ins Land geströmt, und das hat den Anteil der Armen erhöht (Einkommensschwache gesamt 1986: 20,6%, 2006: 25,5%)

    Nur nebenbei, die Einkommensstarken sind unter den Migranten gleich geblieben, 1986 sowie 2006 jedesmal 10,5%, unter den deutschstämmigen nahmen die Einkommensstarken (> 150% des Durchschnittseinkommens) von 17,1% auf 23,5% zu!!!

    Was sie ansprechen, nämlich die Tatsache, daß sich Vollzeitstellen stark vermehren, die ihren Inhaber nicht mehr anständig ernähren können, ist ebenfalls auf die massive Armutsimmigration der letzten 20 Jahre zurückzuführen. Die Migranten haben viel niedrigere Akzeptanzsschwellen, was Entlohnung angeht, da ein Niedriglohn in D immer noch oft weit jenseits dessen liegt, was in Nordafrika, Ostanatolien, Zentralasien oder Sibirien oder anderen vorwiegend ländlichen Regionen, aus denen die Migranten flohen, für den gleichen Job bezahlt wird. Wenn Sie mir nicht glauben, bitte ich Sie, sich mal in den Bereichen umzuschauen, in denen Niedriglohn grassiert, und wer dort vornehmlich beschäftigt ist… es sind überwiegend Migranten.

    Wenn Sie der FDP ans Leder wollen, und ich stehe Ihnen da wirklich nicht im Wege, so kritisieren Sie bitte die Unwilligkeit der FDP in der Kohl-Ära, eine vernünftige Immigrationspolitik zu etablieren. Erst wollte ich ja „Unfähigkeit“ schreiben, aber fähig wären sie schon gewesen, sie waren aber UNWILLIG, denn der Zustrom billiger Arbeitskräfte hat doch genau die entzückt, für die die FDP Politik macht, nämlich weite Teile der Wirtschaft. Und so ist die FDP tatsächlich für die Entstehung eines Niedriglohnsektors hauptverantwortlich, aber eben nicht über irgendwelche neoliberale Politik, sondern über eine über Jahrzehnte unterlassene Immigrationssteuerung. Obwohl, vielleicht fällt das auch unter „neoliberal“… nahezu jeder, der es möchte, kann sich in Deutschland ansiedeln.

    Ansonsten bitte ich davon abzusehen, daß man sich (wie hier schon geschehen), über die Autoren der Studie (z.B. Meinhard Miegel) aufregt… die Daten sind offengelegt, entstammen den Erhebungen (z.B. Mikrozensus 2006) des statistischen Bundesamtes, und wenn jemand Kritik üben will, dann bitte an der konkreten Verarbeitung der Daten von Miegel, nicht an Miegels vermeintlicher Geisteshaltung.

  10. …da ich kein Vielschreiber bin :

    ich schließe mich der Meinung von

    # 1, Herrn Erhardt Schmidt voll an. Besser kann man es kaum ausdrücken.

    Eine „Gerechte Gesellschaft“ wird leider Utopie bleiben …

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