„You‘re a coward, Howard“ lautete die Überschrift der FR zur Besprechung des Films „Don‘t Come Knocking“ von Wim Wenders. Du bist ein Feigling, Howard. Mit dieser Übersetzung wäre der Witz der Überschrift tot. Auf Englisch dagegen funktioniert er wegen coward/Howard. Manche FR–Leser finden sowas trotzdem schlecht. Etwa Peter Vogelgesang, der vehement gegen Anglizismen in der Zeitung votiert. „Wellness“, „Anti–Aging“, „Stalking“ oder auch „Mail“ – die Liste wäre beliebig fortzusetzen. Und dann gibt es noch die verkappten Anglizismen, etwa wenn etwas „keinen Sinn macht“ – direkt aus dem Englischen: „it doesn‘t make any sense“. Dieser Fehler unterlief kürzlich Bloggerin FRettchen hier im Blog.

Wir Deutschen und unsere Leitkultur. Für sie haben wir in der Vergangenheit gelitten. Für die Zukunft kündigt sich unter der Leitung der Großen Koalition weiteres Ungemach an. Am liebsten leiten wir uns jedoch noch immer selbst zum optimalen Leid, indem wir konsequent auf Humor verzichten. Die Leitkultur ist hart erarbeitet, wird diszipliniert Tag für Tag gelebt und muss wehrhaft verteidigt werden. Etwa gegen Anglizismen.

Die FR benutzt gerne mal Anglizismen. Auch in Überschriften. Da kommt schon mal ein „Mitmaching“ vor, und das ist natürlich immer ganz ernst gemeint. Was auch sonst? Schließlich sind wir eine stets ernsthafte Zeitung. Humor gibt‘s bei uns nicht. Eine bezüglich unserer aufrichtigen Humorlosigkeit besonders überzeugende Überschrift fand sich kürzlich im Feuilleton: „Survival of the Schickest“ war ein Artikel überschrieben, der sich mit dem Boom von Shopping-Malls – huch: Einkaufscentern – äh, sagen wir lieber: Einkaufspassagen befasst, auf deutsch: mit Ladenzeilen, was nun zwar nicht mehr dasselbe ist, aber wenigstens reines Deutsch. Auch diese Überschrift brachte FR-Leser Peter Vogelgesang gegen uns auf: „Blödsinn“ attestiert er uns, gar „Schwachsinn“ und fordert, sowas zu unterbinden.

Es wäre wirklich schade, sollte es dazu kommen. Man muss gar nicht mit Darwins „Survival of the Fittest“ argumentieren, um zu ermessen, wie ernst jene Überschrift gemeint war. Es genügt ein wenig Beethoven. Im „Fidelio“ sagt Marzelline zu Jaquino: „Wenn du dich nicht in mich schickest, verstopf ich mir vollends das Ohr.“ Ein wirklich widerwärtiger Anglizismus, finden Sie nicht? Und mit so ernsthaften Folgen! Schickest – schon 1814 bei Beethoven! Aber Gayle Tufts würde wahrscheinlich sagen: „Zum Glück überlebte the Schickest in the Frankfurter Rundschau.“ Ich finde, darauf können wir stolz sein. Und das Leid mit der Leitkultur überlassen wir anderen.

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21 Kommentare zu “Schickest

  1. Ob der Herr Vogelgesang fröhlicher pfeifen würde, wenn er wüsste, dass die amerikanische Jugend zunehmend gerne deutsche Wörter benutzt, wenn sie einen Ausdruck bekräftigen möchte?

    Oder plant er – nach Ausmerzung der Anglizismen, den Amis die Deutschismen auszutreiben – und eventuell auch die gemeinsamen Sprachwurzeln?

    Das wäre jedenfalls konsequent – wofür auch immer.

    Ehrlich – diese Kämpfer für den Knallgaszerpuffer (Motor) sind doch allzu oft traurige und ungebildete Wichtigtuer, deren größte Kunst darin besteht, Deutsches von Undeutschem zu trennen.

    *lach*

  2. Die Rundschau hat Humor, wer hätte das gedacht…
    Im intensiven öffentlichen Ringen um Anglizismen und die „Reinheit der deutschen Sprache“ kommen die kulturellen Reibungseffekte zum Vorschein, die die Globalisierung auslöst. Der immer intensiveren Vernetzung der Welt in wirtschaftlicher und informationeller Hinsicht wird ja nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen widersprochen, sondern stets auch aus kulturellen Erwägungen heraus. Wer den Synkretismus ablehnt, der beruft sich auf die Leitkultur oder „unsere schöne deutsche Sprache“. Wenn unsere Kultur und Sprache so schön, so reich und tief sind, wie oft geäußert, dann müssen sie auch die Konkurrenz nicht fürchten.

  3. dear Bronski –

    (zwar passend zum Thema ist dies eigentlich ein Insider(!)witz, bei der die englische Sprache mir aus einem Dilemma hilft, vor dem ich in der deutschen stehe. Doch dazu hier nicht mehr :-)).

    Nix gegen ‚Survival of the Schickest‘, was ja kein Anglizismus, sondern lediglich ein Wortspiel ist, nur eben auf Basis eines englischen ‚Bonmots‘ (herrje, noch ein Fremdwort…).

    Aber am Wochenende konnte ich über der FR dann doch mein kleines Büchlein zücken (stand halt nur schon drinne) beim Reiseteil am Samstag: „So viel Versuch und Irrtum“… Da GRAUT es mir, Bronski. Es hört sich scheußlich an, und eine ordentliche deutsche Übersetzung gibt es auch: Ausprobieren (Ja, doch, mitunter kann es auch einfach sein).

    Diesen Anglizismus bitte sofort und für immer auf den FR-Index setzen, ja? Und obwohl ich es für selbstverständlich halten möchte, füge ich noch hinzu: BITTE.

    Danke. Frettchen
    (wo Sie mir schon zitiert ham…) 😉

  4. @ Karsten:

    Ich stimme Ihnen zu: Die deutsche Sprache braucht die Konkurrenz – eigentlich ist es ja wohl eher eine Befruchtung, nicht wahr? – nicht zu fürchten. Aber manchmal rollt es mir dennoch die Zehennägel auf. Am Eschenheimer Tor in Frankfurt gibt es eine „Monkeys Nudels Bar“. Und die ist auch noch gut besucht! Was sagen Sie dazu?

  5. @ Linkerhand Blog Archiv, Martin Ebbertz:

    Herzlichen Dank für diese Kommentierung – und insbesondere für den Hinweis an die Leser, wann und wo bei mir der Humor einsetzt. Das ist schon mal sehr witzig.

    Was für ein System vermuten Sie denn hinter unseren Überschriften?

  6. @ FRettchen:

    Einen solchen Index haben wir zwar nicht, aber ich denke, Ihre Kritik wird trotzdem in der Redaktion ankommen, denn ich habe sie per Rundmail weitergegeben.

  7. Das eigentlich interessante bei den Hütern des antianglizistischen Sprachgrals ist, dass sie sich einerseits jeglichen englischen Einbürgerungen in die deutsche Sprache verwehren. Andererseits sind jegliche – möglichst im allgemeinen Sprachgebrauch nicht verwendeten – Fremdwörter lateinischen oder grieschichen Ursprungs immer gerne gesehen und sind ein Beleg für die Bildung des Autors.

    Irgendwie ein selstsamer Widerspruch.

    Ist es vielleicht möglich, dass diese Damen und Herren die englische Sprachwelt schlicht und einfach nicht verstehen und sich demnach auch nicht in den entsprechenden Humor hineindenken können? Dann ist es natürlich nachvollziehbar, woher diese Ablehnung resultiert…

    Den Gebrauch der deutschen Worte im englischen Sprachgebrauch finde ich auch sehr interessant – Dass in Amerika „Gesundheit“ auf ein Niesen folgt, finde ich höchst amüsant – sind die deutschen doch im Ausland nicht unbedingt wegen ihrer Freundlichkeit bekannt. Da passen „Blitzkrieg“, „Poltergeist“ und „Jägermeister schon eher ins Bild.

    Jägermeister macht in den USA nach meinem Wissen mittlerweile mehr Umsatz, als in Deutschland – er ist ein regelrechtes Kultgetränk. Fast möchte man sagen: „Geschieht ihnen recht, den Amis!“ 😉

    Welche deutschen Worte werden eigentlich noch verwendet in der englischen Sprache?

    Have a nice day,
    Daniel

  8. @ Martin:

    Humorstrategie ist ein wundervolles Wort. Und so unsystematisch! Mir fällt, jedenfalls auf Anhieb, kein schöneres ein. Könnte allenfalls mit „Beißhemmung“ dienen.

  9. @ Daniel:

    „Welche deutschen Worte werden eigentlich noch verwendet in der englischen Sprache?“

    Derer gibt es viele: rucksack, hausfrau, kohlrabi, kümmel, kirsch(wasser), wanderlust, angst, schottische, schnitzel, schnauzer… (to be continued) – comes in very handy (auch eine schöne englische Redewendung) beim englischen Scrabble: im Zweifelsfall ein deutsches Wort legen, und mit viel Glück steht’s im Concise Oxford Dictionary drin 😉 …

    Es ist ja auch nichts dagegen zu sagen, daß manche Worte sich eben nur im ‚Original‘ einbürgern: e-mail, AIDS, Outing, … das passiert in allen Sprachen schon seit es Sprache gibt.

    Daneben gibt es noch mystische Schöpfungen wie das Handy, das kein Engländer je verstehen wird, weil (s.o.) das im Original etwas absolut anderes bedeutet.

    Andere Anglizismen wiederum wären vermeidbar, weil es durchaus deutsche Äquivalente gibt (Rechner statt Computer, Treffen oder Besprechung statt meeting, etc.pp.), und warum die deutsche Sprache – die ja eine sehr schöne ist – ihrer schönen Wörter, Redewendungen und ihres Stils berauben?!?

    Der Kiosk bei mir um die Ecke bietet ‚Kaffee zum mitnehmen‘ an, und da weiß ich wenigstens, daß ich in Deutschland bin. Ich habe mal zwei Jahre in GB gelebt und kann der englischen Sprache sehr viel abgewinnen. Soviel sogar, daß ich manche Redewendung noch heute in meine deutschen Sätze einbaue. Aber nur, wenn ich eben keine deutsche Entsprechung finde. Aber seit mir dadurch die Anglizismen schon gewöhnungsbedingt leichter von der Zunge rollen, bin ich auch sehr viel erpichter darauf, sie zu vermeiden.

    Was nichts daran ändert, bzw. mal wieder beweist, daß frau sehr wohl für die deutsche Sprache eintreten kann und trotzdem keine ungesunde Deutschtümelei betreiben muß. Schade, daß das noch dazu gesagt werden mußte!

  10. Nachtrag:

    Jetzt hat es mich dann doch gebissen, und ich habe bei Fa. Duden ein wenig nachgesehen. Dort fand ich weitaus mehr Anglizismen/Amerikanismen als ich gedacht hatte (Oder hätten Sie geglaubt, daß Gehirnwäsche, Wasserglätte und Marschflugkörper auch darunter fallen??). Was aber fehlte, waren die in diesem Blog bislang als Anglizismen deklarierten ’schlechten Übersetzungen‘ (Sinn machen, Versuch und Irrtum etc.). Sind sie also ’nur‘ das: schlechte Übersetzungen? Oder ist mein ‚Richtiges und gutes Deutsch‘ aus dem Jahre 1985 einfach nicht mehr up to date? 😉

    fragt sich und Sie
    FRettchen

  11. @Frettchen:

    It really ticks me off, wenn jemand immer wieder englische Sprichworte oder Satzteile in seinen normalen Sprachgebrauch einbaut. Das lässt eine gewisse Borniertheit durchscheinen.

    ´na mean? 😉

    Keep it real! – Daniel

  12. Wer gelungene Beispiele der Unübersetzbarkeit von englischsprachigem Humor sehen möchte, kann ich nur an´s Herz legen, sich mal Original und Übersetzung von Comics wie Futurama oder Family Guy anzusehen.

    Da wird aus Sätzen wie: „I don´t want them to think, we´re Robosexuals. So if someone asks – you´re my debugger“ (Roboter Bender zu seinem menschlichen Freund Fry) folgendes:
    „Ich will nicht, dass jemand denkt, wir haben was miteinander – wenn also jemand fragt: Du bist mein Entlauser“

    Da mag Deutsch eine noch so schöne Sprache sein – ich bleibe lieber beim Original 🙂

  13. @ bronski
    Danke, danke, ich weiß das Lob zu schätzen, kenne aber noch mehr schöne Wörter. Bei etwas weniger angestrengter Humorstrategie hätte die FR vielleicht noch ungeahntes Humorpotential 😉

    @ daniel
    Unübersetzbarkeit? Darauf beruft sich Faulheit und schafft schlechte Übersetzungen. Aber fast alles lässt sich übersetzen – es ist nur eine Frage der Zeit, des Fleißes und des Genies. (Sage mir mal schnell die Übersetzung von Christian Morgensterns dekliniertem Werwolf ins Englische, also: Werwolf, Weswolfs, Wemwolf usw. …)

  14. Sehr witzig finde ich auch den deutschismus „german schrank“ für massive Holzkleiderschränke. Die Amis 🙂

    Martin: Das stimmt schon, mit viel Geduld und Liebe ließe sich vielleicht so einiges schöner übersetzen. Neben Daniels Futurama-Beispiel auch ein schönes: „Verbing weirds language“ (Calvin & Hobbes). Um so etwas in pointiertes Deutsch zu bringen, ist schon viel Denkarbeit nötig, und die macht sich leider kaum einer. Und solange bleibe ich in solchen Fällen beim englischen Original.
    Klar, viele Anglizismen sind schlicht und einfach überflüssig, und beispielweise – entschuldige, Daniel – die wilde Apostrophiererei tut mir in den Augen weh, weil man fürchten muss, dass die Deutschen die deutsche Sprache/ Schreibweise verlernen. Aber lieber eine gute englische Redewendung als eine schlechte eingedeutschte.

  15. Was die Leute immer für Probleme mit englisch haben, ist mir ein rätsel. Anglizismen hingegen mag ich auch nicht sonderlich – aber „Survival of the Schickest“ ist ja, wie oben erwähnt, lediglich ein Wortspiel.

    Das Argument „Rettung der deutschen Sprache“ läuft auch spätestens dann ins Leere, wenn erst über den Bagle geschimpft und im Anschluss das Croissant geordert wird. Pardon, quatsch, Verzeihung: Bestellt wird.

    Richtig lächerlich wird es aber dann, wenn gängige englische Wörter eingedeutscht werden sollen. da kommen dann schnell mal putzige Hilflosigkeiten wie „Prallsack“ (Airbag) heraus.

  16. Es ist doch etwas anderes, ob man Wörter wie „Motor“, „E-Mail“ oder „Computer“ benutzt, oder ob es sich einfach um pseudokosmopolitischen Unsinn wie „Sinn machen“ oder „sich zu etwas committen“ handelt!

    Nur bornierte Idioten versuchen, Wörter wie „Meuchelpuffer“ weiterhin durchzusetzen. Aber wenn ich höre, wie Unternehmensberater in ihrer weitgereisten Art davon sprechen, daß, „wenn wir IPOen mit den Revenues unsere Competitors challengen“, dann wird für mich erkennbar, daß Anglizismen so wundervoll auch nicht sind.

    Und dann diese Menschen, die einfach so wenig Sprachverständnis aufbringen, daß sie bei Übersetzungen aus dem Englischen stets die Grammatik 1:1 übernehmen („macht Sinn“, „ich erinnere das“, „schön, daß sie mit uns sind“, „einmal mehr“) – *würg*, wie Mad es seinerzeit so schön formulierte. Gerade „macht Sinn“ steht wunderbar für eine Verflachung der Sprache, weil es universell für „es ist sinnvoll“, „es ergibt einen Sinn“ und „es ist gut“ steht. Einfach nicht mehr nachdenken, die eigenen Aussagen nicht überdenken und sich darauf „committen“, daß alles irgendwie „am Ende des Tages“ „Sinn macht“!

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