Schavans umstrittene Standards

Da haben wir unser erstes Sommerloch-Thema. Annette Schavan hat es mit ihrem Stummel-Bildungsministerium ohnehin nicht leicht. Jetzt hat sie sich mit ihrem Vorschlag, bundeseinheitliche Schulbücher herauszubringen, in die Schlagzeilen gebracht. Doch der Vorschlag kommt nicht an; von den Bundesländern, die ja die Bildungshoheit haben, stimmten Schavan bisher nur das Saarland und Mecklenburg-Vorpommern zu. Außerdem der bayrische Elternverband. Na ja. Ansonsten Kritik: „Ein Buch für alle“ – das geht an den Kernproblemen der deutschen Bildungspolitik vorbei.

Das meint auch Bruno Mayer aus Hannover:

„Der Widerstand gegen Schavans Vorschlag zeugt vom Kurfürstendenken der Bundesländer, die ängstlich darauf bedacht sind, kein Jota ihrer Zuständigkeit abzugeben. Bezahlen müssen Kinder und Eltern der Familien, die in ein anderes Bundesland umziehen. Die Kinder haben vermeidbare schulische Probleme, die Eltern (oder die Steuerzahler) müssen regelmäßig eine neue Schulbuchausstattung erwerben. Als Neunjähriger war ich nach einem Umzug meiner Eltern mit anderen Lehrplänen und neuen Schulbüchern konfrontiert. Ich weiß, was dies für ein Kind bedeutet.“

Wolfgang Czieslik aus Stockelsdorf dagegen geht mit Schavan scharf ins Gericht:

„Mit ihrer Äußerung ‚Wer Bildungsstandards hat, kann auch mehr gemeinsame Schulbücher haben‘, vermengt Frau Schavan zwei Bereiche, die nicht zusammengehören. Ich halte bundesweit geltende Bildungsstandards, die zum Abschluss der Schulzeit erreicht werden sollen, für richtig.
Dies bedeutet aber nicht, dass Bildungsprozesse überall in Deutschland nach den gleichen Mustern und mit den gleichen Methoden ablaufen, wie es sich Frau Schavan offensichtlich vorstellt. In der pädagogischen Diskussion gibt es unterschiedliche Vorstellungen, wie Kenntnisse und Fähigkeiten am besten vermittelt werden können, damit sie nachhaltig wirken. Und: Wer sollte solche bundesweit einheitlichen Schulbücher eigentlich schreiben?
Eine bundesweite Standardisierung der Schulbücher löst die Probleme nicht, die sich durch den Bildungsföderalismus ergeben. Sie ist ein Angriff auf die geistige Freiheit in Deutschland.“

Jochen Hayek, Berlin, begreift Schavans Vorschlag hingegen als eine Art Wirtschaftsförderung:

„Es ärgert mich einfach, mit welcher Inkompentenz oder Bösartigkeit dieser Schulbuch-Vorschlag Schavans missverstanden wird. Es geht natürlich nicht darum, dass es für eine Klassenstufe z.B. in Mathematik bundesweit nur noch genau von einem Verlag genau ein Schulbuch geben soll. Vielmehr sollen die Verlage nicht mehr für nahezu jedes Bundesland eine eigene Variante des eigentlich selben Buches erstellen müssen. Und das begrüßen sicher auch die Verlage. Natürlich soll auch weiterhin jeder Verlag sein eigenes Mathematikbuch herausbringen, sofern es denn bei der passenden Kommission Zustimmung findet. „

Verwandte Themen

8 Kommentare zu “Schavans umstrittene Standards

  1. Wolfgang Czieslik aus Stockelsdorf fragt:
    „.. Wer sollte solche bundesweit einheitlichen Schulbücher eigentlich schreiben?“
    Die Antwort: Diese Bücher gibt es bereits, die bisherige Praxis ist, dass Verlage, die ihre Produkte in einzelnen Bundesländern zulassen wollen, diese – in z.Tl. mühsamer Kleinarbeit (das geht hin bis zu den Abbildungen) – umarbeiten müssen. Also wäre es doch eine Vereinfachung (= Kosteneinsparung (oder haben wir’s so dicke?)) für alle, wenn einheitliche Lehrmittel bundesweit vorliegen würden. Der Konkurrenzkampf der Verlage untereinander ist davon unberührt.

    Ich habe ohnehin so meine Probleme mit der Kulturhoheit der Länder, nachdem ich aber gestern eine Aussage gehört habe, die Konkurrenz der Bundesländer untereinander solle doch bestehen bleiben, weiss ich, dass es in diesem Bereich weder um Bildung, PISA o.dgl. geht, sondern einzig und allein um die Selbstdarstellung einiger (wie es schon Herr Bruno Mayer aus Hannover nannte) Kurfürsten.

  2. Frau Schavan, bis vor wenigen Monaten Mitglied des Stiftungsrates des Ravensburger Verlages, wird die Sorgen und Nöte der Kinder- und Schulbuchverleger kennen. Man darf aber nicht davon ausgehen, dass es sich um eine gebeutelte Branche handele, die sich mühsam und zäh dem Förderalismus stellen müsse und vor nahezu unlösbaren Problemen stünde. Allein die Forderung, länderübergreifende Schulbücher auf dem Markt anbieten zu können, um den Eltern bei Wohnungswechseln entgegenkommen zu können, greift zu kurz. Das selbe Problem, und das ist weitaus häufiger, tritt schon dann auf, wenn ein Umzug in eine andere Stadt des selben Bundeslandes oder gar innerhalb einer Kommune ansteht, weil die Schulen aus den unterschiedlichen Angeboten der für das Bundesland zugelassenen Bücher ihre eigene Wahl treffen. Mit dem Vorschlag von Frau Schavan wäre nur dann etwas gewonnen, wenn zumindest innerhalb eines Bundeslandes nur ein bestimmtes Buch für ein bestimmtes Fach zugelassen wäre. Das will sicherlich kein Pädagoge.

    Die kleineren Verlage schon gar nicht, hätten sie doch keine Chance mehr, ihr Produkt in einem Bundesland unterbringen zu können, wenn dort nur ein Schulbuchproduzent Zugang hätte. Und das wären natürlich die großen, die seit geraumer Zeit oligopolartig agieren.

    Ein Blick auf die Westermann Druck- und Verlagsgruppe mit Sitz in Braunschweig genügt. Sie stellt Druckerzeugnisse aller Art her, insbesondere Fachbücher, Schulbücher und Schulatlanten. Zu ihr gehören nicht nur der Westermann Schulbuchverlag, sondern auch der Schroedel Verlag, der Diesterweg Verlag und der Schöningh Verlag, um nur einige wenige zu nennen, die bundesweit bekannt sein dürften.
    Doch nicht genug damit: Diese Verlagsgruppe ist eingebettet in eines der größten Verleger-Imperien der Bundesrepublik, der Medien Union GmbH. Dieser gehören Tageszeitungen „Die Rheinpfalz“ und „Die Freie Presse“. Dazu kommen Beteiligungen an weiteren Tageszeitungen wie die „Stuttgarter Zeitung“, die „Stuttgarter Nachrichten“, die „Märkische Oderzeitung“, der „Schwarzwälder Bote“ oder die „Süddeutsche Zeitung“ sowie Anteile an diversen privaten Radiosendern.

    Wenn Frau Schavan also eine Vereinheitlichung verlangt, geht es ihr weniger um die Probleme der von einem Wohnungswechsel betroffenen Familien, sondern um die Marktchancen der Verlage. Die größten von ihnen dürften in Berlin den gewichtigsten Einfluss haben.

  3. Es soll gespart werden und/oder vereinheitlicht. Beides per se erst einmal keine an sich schlechte Ideen. In der Tat ist es schon erschreckend, was es so an Schulbüchern in Deutschland gibt – ich kenne kaum einen Bereich, in dem das Rad so oft neu erfunden wird. Und auch die Preise sind nicht ohne, was auch daran liegt, wie diese Bücher entstehen.
    Die Idee einer Vereinheitlichung ist insofern nicht schlecht, als dass es möglich sein müsste, Bücher mit einen gewissen Grundstock an Lehr- und Lernmaterialien zu entwickeln, die dann eben sinnvoll ergänzt werden müssten.
    Aber da sind wahrscheinlich zu viele Interessen betroffen: das Ganze ist eben auch ein Geschäft- nicht immer zum Besten für die Schüler und Schülerinnen!

  4. @ „Vereinheitlichung“;

    wir können sicher hier, das für und wieder von vereinheitlichung und auch der verflechtung von medien auch von buch- sowie sonstiger printmedienverlagen diskutieren, nur geht das alles an der wirklichkeit vorbei.
    insofern ist auch frau schawans anregung in gewisserweise scheinheilig, denn gerade in der letzten föderalismusdiskussion und abschließender reform, waren es ja die UNIONS-länder die auf KULTURHOHEIT der länder pochten.
    Als folge wurde sogar die manchmal wohl schwierige aber eigentlich erfolgreiche KULTUSMINISTERKONFERENZ mit verbindlichen absprachen abgeschaft! und was besagt das anderes, als dass jetzt quasi in sachen SCHULE und KULTUR jedes land machen kann was es will“.
    deswegen sind der verehrten frau ministerin SCHAWANS „Klagen“ eigentlich nur krokodilstränen, wie man so sagt; denn sie gehört ja als CDU-mitglied der UNION an und war in Baden-WÜ. seinerzeit anführender Stelle als dortige kultusministerin verantwortlich!

  5. ich als schülerin müsste ja eigentlich nur profitieren, ich sehe nicht ein, dass ich weniger wissen soll als mein pendant in bayern.
    ABer, wenn es den Bundesländern nur darum geht, die Shorts anzu haben, dann fällt mir der Lieblings-Ausruf einer meiner besten Freundinnen ein: Wo lebstn du?

    Ist es nicht eigentlich auch ein bisschen Lobbyismus?

  6. ps französisch ist eine tolle sprache
    die baden-wüttenbergischen Kindern würde es nicht in Schwitzen bringen die Sprache zu Lernen. Man könnte ja die Sport-Stunden dafür kürzen (Wenn es schon in US-Manier ablaufen muss).

  7. Das „Sommerloch“ hat auf den ersten Blick zwei Aspekte, die positiv sind:

    – Es wäre ein Einstieg in ein gemeinsames Bildungskonzept für die Republik.
    – Zumindest den naturwissenschaftlichen Schulbüchern täte es gut, wenn sie nicht, wie in der Biologie, Geschichtsbücher wären, sonder z.B. Loseblattsammlungen, die immer auf den Stand gebracht werden könnten. Aber nicht von irgendwelchen beamteten Fachberatern, die ihre privaten Konzepte mit den jeweiligen Verlagen umsetzten und nebenbei noch in der Lehrplankommission des jeweiligen Landes sitzen.

    Bei näherem Hinsehen wird man jedoch vorsichtig. Was bezweckt Frau Schavan mit ihrem Vorstoß? Hat sie doch jahrelang, unter dem Vorwand Reformen durchzuführen, Lehrerstellen in Baden-Württemberg abgebaut und, das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen, dabei war sie die härteste Verfechterin der Bildungsinzucht der Bundesländer. Und warum ist sie nicht schon längst auf die Idee gekommen? Sie ist ja schon lange im „Geschäft“.
    Fazit: Ein Sommerloch-Sonntags-Auftritt, von dem von vornherein klar war, dass er von den Parteigenossen in den Ländern abgefasst wird. Und Frau Schavan ist wieder gut raus, weil der Vorschlag als solche positiv ankommt. Leider fehlt das Konzept dazu.

Kommentarfunktion geschlossen