Restaurative religiöse Tendenzen

Ich veröffentliche erneut den diskussionswürdigen Blog-Kommentar von Karl Napp aus unserer Debatte über die Burka, die inzwischen weit nach hinten gerutscht ist:

„Seit Jahrhunderten versuchen Menschen überall auf der Welt, sich aus dem Würgegriff der Kirchen, ihren moralischen Zwangsjacken, ihren alltäglichen Bevormundungen und ihrem geistigen Obskurantismus zu befreien. Tausende haben dafür mit ihrem Leben bezahlt und Tausende müssen auch heute noch mit ihrem Leben dafür bezahlen.

Kaum haben wir in unseren Breitengraden die ersten zaghaften Schritte in die Moderne getan, stockt das weitere Fortschreiten. Denn wir müssen unsere Energie nicht nur zur Absicherung der (minimalen?) Erfolge aufwenden, sondern uns gegen das erneute Auftreten restaurativer religiöser Tendenzen zur Wehr setzen, An diesem Punkt arbeiten sich die monotheistischen abrahamischen Religionen – sosehr sie sich auch sonst bekämpfen – in eigentümlich trauter Einigkeit in die Hände. Im Bestreben, die Menschen unmündig zu halten und für ihre Zwecke zu instrumentalisieren, sind sie sich einig.

Es geht in der Burka- oder Islamdebatte jedoch nur vordergründig um die Zurückdrängung einer “fremden” Religion, des Islam, auch wenn dieser sich zur Zeit besonders fordernd zeigt, sondern um die entschiedene Grenzsetzung für die Einflussnahme des Religiösen überhaupt. Der Islam spielt dabei eine besondere Rolle, weil ihm in den mir bekannten Ausprägungen und in den mir bekannten islamgeprägten Ländern die über 200 Jahre der europäischen Aufklärung “fehlen”. Wir stehen in Europa also vor der Frage, ob wir eine Islamisierung der Moderne akzeptieren wollen oder (wenigstens) eine Modernisierung des Islam verlangen sollen.

Soll man über die folgende Zeitungsmeldung lachen oder weinen, Beifall klatschen oder sich die Haare raufen?

“Frankfurt/Main – Muslimische Profifußballer dürfen im Ramadan das Fasten unterbrechen. Darauf hat sich der Zentralrat der Muslime in Deutschland mit DFB und DFL geeinigt.

Der ZMD hatte Vertrauensgespräche mit den Fußball-Spielern und -Funktionären angeboten und zudem ein theologisches Gutachten eingeholt. Die Expertise erlaube den muslimischen Profifußballern nun ohne falsche Schuldgefühle sowohl ihren Beruf, wie auch ihren religiösen Pflichten nachzugehen.”

Wäre uns mit folgendem Szenario geholfen? Wäre das eine modernisierte Version des Islam?

Angeblich verlangt der Koran ja, dass Frauen ihre Haare bedecken – man könnte es auch dahingehend interpretieren, dass sie “ihre Reize bedecken” sollen. Und zwar, damit die Männer (offenbar alles moralisch ausgesprochen schwächliche, dafür aber umso geilere, Lüstlinge) nicht in Versuchung geführt werden. Man stelle sich vor, man würde die Verhaltensvorschriften probeweise einmal umdrehen: Männer müssen einen Stock im Kreuz und Scheuklappen tragen, so dass sie nur direkt vor sich auf den Boden schauen können. Wenn sie dennoch ihren lüsteren Blick auf eine Frau werfen, wird ihnen ein Auge ausgestochen. Wenn sie sich abfällig über eine Frau äußern, wird ihnen ein Stück von der Zunge abgeschnitten. Und wenn sie sich an einer Frau vergehen, müssen sie sich – Schnipp, Schnapp, Schniedel ab! – von ihrem besten Stück trennen, auch wenn’s halt ein bisschen wehtut.

Das Hinderliche ist, dass wir auf dem Weg in die Moderne noch nicht weit genug gekommen sind. Noch immer wird dem Religiösen gegenüber allen anderen weltanschaulichen Überzeugungen eine Sonderstellung eingeräumt. Im Ergebnis wird jede Diskussion und Kritik mit dem Argument abgewürgt, man würde die Religion des anderen nicht achten und wäre somit ein Feind der Freiheit (oder halt nach Bedarf: ausländerfeindlich, islamfeindlich, verfassungsfeindlich etc.).

“God’s own country” überfällt im Namen von Demokratie und westlichen Werten nach Gutdünken fremde Länder, foltert und lässt foltern und führt – übrigens mit Hilfe deutscher Dienste – für die Task Force 373 Todeslisten zur gezielten Liquidierung von Gegnern. Das “auserwählte Volk Gottes” begründet seine räuberischen Landnahmen und die Vertreibung oder Unterdrückung der (ehemals) ortsansässigen Bevölkerung mit eben dieser Auserwähltheit und wirft Phosphorbomben auf Zivilisten. Und eine andere Religion bezieht seine Rechtfertigung zur Tötung “Ungläubiger” ebenfalls aus seinem heiligen Buch. Wenn Sie möchten, dürfen Sie nun gerne Ihre Schublade aufziehen und mich als unchristlich oder gotteslästerlich, antisemitisch und islamfeindlich einordnen. Ach, eine Schublade mit allen drei Abstempelungen gleichzeitig haben Sie nicht? Die Welt ist halt nicht so einfach, wie manche denken.

Von mir aus darf jeder denken und glauben, was er will – egal wie bekloppt mir das auch erscheinen mag. Ob Thetane von Ausserirdischen zur Strafe auf die Erde verbannt wurden, ob fünfmaliges Beten am Tag zur ewigen Glückseeligkeit führt, ob ein Heiliger Geist eine Zimmermannsfrau ohne Entjungferung geschwängert hat, ob das Fliegende Spaghettimonster des Pastafarianismus tatsächlich die Welt geschaffen hat, ob Saddam Hussein einen Tunnel vom Irak bis nach Texas gegraben hat, um den Amis das Öl zu klauen und ihnen dann teuer zurückzuverkaufen, ob das Durchfüttern safrangelb gewandeter Mönche nebst Abbrennen von Räucherstäbchen und Aufhängen von bunten Fähnchen gut fürs Karma ist, ob das TAO die Welt im Innersten zusammenhält, ob man sich die Welt als Weltenesche Yggdrasil vorstellt oder Nashornpulver zu sexueller Exstase führt – da mag jeder im Privaten glauben, was er will.

Jeder darf sich natürlich die Welt auf seine eigene Weise erklären und sein Privatleben danach ausrichten. Gegen Glauben lässt sich mit Argumenten nun mal nicht ankämpfen. Sobald diese privaten (Wahn-?)Vorstellungen aber ins Öffentliche übergehen, Einfluss auf die res publica gewinnen (in Institutionen wie Parteien, Parlamenten, Publikationen) und schließlich anderen aufgezwungen werden (sollen) – spätestens dann muss ihnen Einhalt geboten werden.

Dass es in unseren Schulen Religionsunterricht – zumal staatlich finanziert und bekenntnisorientiert (!) – gibt, ist ein Skandal erster Güte. Einer einzigen Glaubensrichtung wird hiermit, staatlich abgesegnet und finanziert, ein privilegierter Zugriff auf unsere Kinder ermöglicht.

Es stünde der FR gut an, neben doppelseitigen Interviews mit einem katholische Bischof, dem Ruf “Schluss mit der Männerkirche” oder den Ausführungen samt werbewirksamem Großfoto des grünen Spezialisten für Moralin und Betroffenheit, Tom Koenigs, auch all denen eine Stimme – nicht nur im Blog – zu geben, die sich aus den Klauen der Religionen und Ideologien befreien wollen.“

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134 Kommentare zu “Restaurative religiöse Tendenzen

  1. Religion ist nach Meinung des Systemtheoretikers Niklas Luhmann die Reduktion von Komplexität, um sich die Welt erklären zu können und um den unausweichlichen Tod so lange wie möglich zu verdrängen. Solange der Mensch sterblich ist, wird er vermutlich auf irgendeine Art und Weise religiös sein. Diese Freiheit, die möglicherweise die Freiheit zum Irrtum ist, sollte allen Lebenden zugestanden werden.

    Die Vorstellung von einer allmächtigen Gottheit hat sich im Verlauf der Menschheitsgeschichte jedoch qualitativ sehr verändert. Neben den Götterfamilien, wie sie von Griechen und Römern bekannt sind, entwickelten sich auch monotheistische Religionen wie das Judentum, das Christentum und der Islam.

    Während die jüdische Theologie schon relativ früh Gott als das ganz Andere und nicht Nichtbeschreibbare erkannt hat („Du sollst dir kein Bildnis machen noch irgendein Gleichnis“ oder „Ich bin der, der ich sein werde“), ist die christliche Religion zwar aus dem Judentum hervorgegangen, aber historisch bedingt (griechisches Denken der spätrömischen Antike) erkennbar von griechischen Vorstellungen geprägt, was sich im Blutopfer Jesu und in der so genannten Dreieinigkeit manifestiert. Erst die protestantische Theologie des späten 19. und des 20. Jahrhunderts hat zu einer Entmythologisierung beigetragen und die Aufklärung unumkehrbar gemacht, selbst wenn diese noch nicht in der Mehrzahl der Gemeinden angekommen zu sein scheint. Aber auch die Demokratie ist noch nicht von jedermann verinnerlicht.

    Der Gottesgedanke des Islam ist zwar dem Judentum näher, aber seine Heilserwartung ist die unkritische Projektion arabischer Wertvorstellungen des vierten Jahrhunderts in eine transzendente Welt. Sowohl autoritäre Herrschaftsverhältnisse als auch das nichtemanzipierte Verhältnis der Geschlechter spiegeln sich in den Paradiesvorstellungen des Islam und in der gelebten Praxis wieder. Seit etwa 40 Jahren wird nunmehr diese Religion durch Einwanderer importiert und stößt auf eine Kultur, die von Aufklärung und Säkularisierung sowie von Demokratie geprägt ist.

    Vor diesem Hintergrund ist die Diskussion um Burka und Kopftuch nicht mehr dem prinzipiell notwendigen Toleranzgedanken zuzuordnen (Jeder soll nach seiner Facon selig werden). Vielmehr geht es um die Frage, ob das westliche Europa seine kulturellen Werte, die in der Tat erst hart errungen werden mussten, zu Gunsten eines vermeintlichen religiösen Pluralismus opfert.

    Ein Verbot der Burka wird nichts bringen. Aber die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Islam ist notwendiger denn je und darf nicht in einen ewigen unverbindlichen Dialog einmünden.

  2. In den 70-er Jahren war ich peinlich berührt, als ich Frankfurter Spontis an griechischen Stränden das Nacktbaden praktizieren und propagieren sah, während schwarzgewandete ältere Damen irritiert beiseite schauten und alsbald den Strand verließen. Beseelt von der eigenen (Freikörper-)Kultur trampelten diese Leute – denen ich mich ansonsten eng verbunden fühlte – auf den Gefühlen der Ortsansässigen herum. Und heutzutage frage ich mich manchmal, ob einige Migranten sich eigentlich nicht schämen, wie sie und/oder ihre Kinder sich hierzulande aufführen?

    Ich bin dafür, dass die Katholiken in Deutschland an Fronleichnam eine Prozession durch die Stadt veranstalten, aber ich möchte nicht, dass mir alltäglich Menschen mit 40 Quadratzentimeter großen Kreuzen oder Jesusbildern auf der Straße oder in der U-Bahn ihren Glauben demonstrieren. Übrigens: die häufig in diesem Zusammenhang zitierten Nonnen in ihrer Tracht, die als Argument pro Kopftuch herhalten müssen: ich weiss gar nicht, wann ich zuletzt eine gesehen habe. Und wo laufen noch Priester/Pfarrer in Soutane herum?

    Ich möchte nicht, dass mich dreimal am Tag entrückte Hare-Krishna-Jünger umtanzen oder mich zwei junge Missionare der „Kirche der Heiligen der letzten drei Tage“ in schwarzen Kunstfaseranzügen und mit unverkennbarem amerikanischen Akzent nach meinem Verhältnis zu Jesus befragen wollen. Ich halte marktschreierische Jesus-Loves-You-Beseelte auf der Zeil für ebenso lästig und unerwünscht wie die dort schmeissfliegenartig auftretenden Marketingbefrager.

    Ich möchte nicht, dass auf der Leipziger Straße auf Schritt und Tritt Frauen mit Kopftüchern (in der „konservativ“ gebundenen Art) mir gegenüber ihre Korantreue meinen demonstrieren zu müssen. (Besonders verbissen: eine deutsche Konvertitin samt Töchtern).

    Kirchliches Glockengeläut (katholisch erzogen kenne ich dessen Bedeutung natürlich) in einer deutschen Großstadt des Jahres 2010 finde ich – nicht unbedingt und nicht ausschließlich aus Lärmschutzgründen – fehl am Platz. Aus denselben Gründen verwehre ich mich gegen den Ruf eines Muezzins. Die fundamental-christliche Universitätsmission am Kurfürstenplatz muss ihre inbrünstigen sonntäglichen Gesänge (im Wohngebiet) übrigens nach diversen Anwohnerbeschwerden inzwischen bei geschlossenen Fenstern schmettern.

    Was nun die „Islamdiskussion“ betrifft, gibt es verschiedene Seiten, unter denen man sie betrachten kann. Die Probleme sind ja nicht gerade neu. Viele Autoren haben darauf hingewiesen. Um nur einige der bekannteren zu nennen: Necla Kelek, Ayaan Hirsi Ali, Bassam Tibi, Werner Schiffbauer, Alice Schwarzer, Ahmet Toprak, Ursula Spuler-Stegemann. Bedauerlich, befremdlich und beängstigend: wer auch immer an einem Teil der türkischen und arabischen Migranten und ihrem Verhalten Kritik äußert, findet sich alsbald in der Ecke der Islamfeinde, der Rassisten, der Ausländerfeinde wieder.

    Vielleicht wird anders herum ein Schuh draus? In Frankreich hatte 2008 ein Teil des Publikums, nämlich maghrebinische Jugendliche, beim Freundschaftsspiel (!) zwischen Frankreich und Tunesien während der Marseillaise gepfiffen. Bei früheren Spielen zwischen Frankreich und Algerien (2001) sowie Frankreich und Marokko (2007) war es zu ähnlichen Zwischenfällen gekommen. Werden wir uns derlei eines Tages auch in Deutschland von jugendlichen Migranten gefallen lassen müssen?

    In den Augen gläubiger Muslime sind Ungläubige ganz einfach unmoralisch, obszön, schmutzig. Erstens setzen diese Leute fest, was „gläubig“ und was „ungläubig“ ist – nämlich das simple „wer nicht für mich ist, ist gegen mich!“. Zweitens setzen diese Leute „ungläubig“ und „nicht gläubig“ gleich, was einen feinen, aber wichtigen Unterschied macht. Drittens bin ich, selbst wenn ich nicht gläubig bin, keineswegs unmoralisch.

    Das Totschlagsargument „ungläubig“ trifft natürlich auch viele Muslime, die sich selber ebenfalls als „gläubig“ bezeichnen würden, aber eben nicht jeder fundamentalistischen Forderung nachkommen. Hier geht es in eine innermuslimische Diskussion, die mit voller Wucht in der Umma tobt, vielen von uns allerdings verborgen bleibt. Meine Sympathie gilt dabei – in Maßen und wie könnte es anders sein – der „Initiative Säkularer Muslime in Hessen“ (Gründerin: Ezhar Cezairli). Sie verkörpern vielleicht das, was man einen europäischen Weg des Islam nennen könnte. Sie berufen sich vermutlich ebenso auf den Koran und die Schriftgelehrten des Islam wie die konservativen oder gar radikalen Muslime. Aber sie betrachen ihre Religion als das, was sie ja tatsächlich ist: eine ganz private, persönliche spirituelle Beziehung zu Gott.

    Vom ersten Imam der Schia, Ali, stammt die Aussage „Der Koran ist eine Schrift zwischen zwei Buchdeckeln. Sie spricht nicht. Es sind die Menschen, die mit ihr sprechen.“ Und demnach kann der Koran keine allgemein- und immergültige buchstabengetreue Anleitung sein, sondern bedarf – als Offenbarung – eben der Exegese (also der Auslegung, der Interpretation, Stichwort: Hermeneutik) und der Einordnung in historische Zusammenhänge.

    Das führt jedoch dazu, dass man zwei Aspekte der Offenbarung unterscheiden muss: den Kern der „göttlichen Botschaft“ und die historischen Rahmenbedingungen, die ihr eine spezifische Form gaben/geben. Man könnte etwas salopper formuliert auch fragen: was sind allgemeingültige Werte und was ist äußerlicher Klimbim (Rituale, Formeln, Alltags“vorschriften“)? Zur eigenen Recherche sei der iranische Schriftgelehrte Mohammad Modschtahed Schabestari genannt, der übrigens einige Zeit in Deutschland gelebt hat.

    Schade, dass nicht noch mehr Muslime die Gelegenheit ergreifen, um die Offenheit und Toleranz der deutschen Gesellschaft für eine Öffnung ihres eigenen Islamverständnisses und das Abwerfen von äußerlichem Brimborium zu nutzen.

  3. Ergänzend zu den beiden Vorkommentaren möchte ich dazu nur einmal den Helmut Schmidt aus einem Interview mit WELT-ONLINE vom 09.05.2010 zitieren:

    „Schmidt: Es gibt eine Reihe von Herausforderungen, die sich an die ganze Welt richten. Dazu gehört […]
    Die dritte globale Herausforderung ist das Verhältnis zwischen dem aufgeklärten Westen einerseits und dem Islam andererseits.“

    http://www.welt.de/politik/deutschland/article753413/Homosexuelle-Kanzler-Kein-Problem.html
    (Fettungen von mir)
    A.F.

  4. @ Bronski

    Den Blog-Kommentar von Karl Napp bezeichnen Sie als „diskussionswürdig“. Ich hingegen weiß wirklich nicht, wie man solche Pauschalurteile diskutieren soll, die „monotheistischen abrahamischen Religionen“ seien sich in ihrem Bestreben einig, „die Menschen unmündig zu halten und für ihre Zwecke zu instrumentalisieren“. Von Napp werden doch nur undifferenziert antireligiösen Ressentiments instrumentalisiert, und das noch unter Berufung auf die Aufklärung! Als ob es Lessing und Mendelssohn nie gegeben hätte.

    Gegen diese Aggressivität haben Versuche, sich kritisch und differenziert mit der Religion und ihrer Rolle in einer säkularen Gesellschaft auseinander zu setzen, keine Chance. Nach so vielen Diskussionen, die wir in diesem Blog zu diesem Thema geführt haben, fehlt mir die Kraft, wieder und wieder gegen die gleichen engstirnigen Vorurteile anzurennen. Ich gebe auf.

  5. @ Abraham

    Nein, bitte geben Sie nicht auf. Ihre Meinung ist mir immer wichtig. Gerade auch in Fragen des Glaubens. Mir ist im realen Leben noch nie ein religiöser Mensch begegnet, der so glaubwürdig ist wie Sie. Wenn jemand Brücken bauen kann zum besseren Verständnis, dann Sie.

  6. Nein, zum Piepen! Die Religions- und Kirchenkritiker (im folgenden kurz: die Kritiker) fällen Pauschalurteile, sind undifferenziert, engstrinig, ressentimentbeladen und aggressiv. Ausser Vorurteilen haben sie nix zu bieten und laden den Frust ihres sinnentleerten Lebens auch noch hier ab. Ganz anders natürlich die Befürworter – kritisch, differenziert, besonnen, sensibel. Anders gesagt: wer sich auf das religiöse Geschwurbel nicht einlässt, verbreitet natürlich nur die sattsam bekannten Stammtischparolen, oder was?

    Wenn mich mein katholisches Grundwissen nicht ganz im Stich lässt, stammt der Satz „An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen“ vom Evangelisten Matthäus, bekannt durch den Song „The Winner Takes It All“ („Wer hat, dem wird gegeben werden“). Da mag nun jeder unbefangen auf die Früchte schauen und sich sein Urteil bilden. Was das mit Pauschal- oder Vorurteil zu tun haben soll, verstehe ich nicht.

    Die etwas ruppigere Rede der Kritiker könnte möglicherweise einfach daran liegen, dass viel mehr Menschen unter Religion und Kirche gelitten haben als andersherum Kirche und Religion unter den Menschen. Damit die bedauernswerten christlichen Kirchen hier nicht so allein am Pranger stehen, seien auch die buddhistischen Generäle in Myanmar oder – brandaktuell – die Roten Khmer genannt. Auch das Zusammenleben von Sikhs und Hindus scheint mir nicht gar so friedfertig zu sein, wie die Tempelsprengungen der jeweils anderen andeuten könnten. Wie friedfertig ist der Umgang zwischen Sunniten und Schiiten? Wie sicher fühlen sich die Aleviten in der Umma? Gehören sie überhaupt dazu?

    Die angebliche Argumentationsschwäche der Kritiker könnte auch daran liegen, dass die Religionen, die sich auf irgendeine Form von Buchoffenbarung berufen, ein Sammelsurium sich widersprechender Sinnsprüche bereithalten. Diese kann man bei Bedarf hervorkramen, um die gerade vertretene Position schriftgelehrt zu untermauern. Jeder Islamfeind findet genügend Suren, in denen von der Tötung der Ungläubigen die Rede ist. Jeder, der den Islam positiv darstellen will, findet ausreichend Hinweise für die These „Islam ist Liebe“. Da greift man als Kritiker natürlich voll in die Gummiwand und/oder muss sich vorwerfen lassen, dass man genau die _falsche_ Stelle des heiligen Buches zitiert.

    Die Ausdrucksschwäche der Kritiker könnte auch daran liegen, dass sie auch heute noch geringere Möglichkeiten haben, ihre Ansichten zu verbreiten. Das kann sich – Gott sei Dank!? – durch das Internet ändern. Jedenfalls stehen den Kritikern keine steuerfinanzierten Lehrstühle für Atheismus, Agnostik und Aufklärung (Abschluss: „Master of Triple A“) zur Verfügung. Gebührenfinanzierte Lobbyisten der Kirchen nehmen über die Rundfunkräte Einfluss auf die Medien – bekennende Kirchenkritiker finden sich in diesen Gremien nicht.

    Um es deutlich zu sagen: _mir_ geht es darum, die in Kirchen, Institutionen, Gremien, Medien etc. organisierte und verfestigte – und damit auf politischen und wirtschaftlichen Machterhalt und -ausweitung ausgerichtete – Religiosität in ihre Schranken zu weisen.

    Ein wenig Statistik:

    Ende 2008 betrug der Anteil an der Bevölkerung (ca.-Angaben): 30% Katholiken, 30% Evangelische, 4% Moslemische, 34% Konfessionslose. Bei einer Bevölkerung von rund 80 Millionen sind das in absoluten Zahlen: 25 Mio. Katholiken, 25. Mio. Evangelische, 3,5 Mio. Moslemische, 28 Mio. Konfessionsfreie. Für 2010 dürften die Zahlen für die christlichen Kirchen noch niedriger ausfallen. Die Quote der tatsächlichen Religionsausübung in Form des Kirchenbesuchs beträgt zwischen 9,5% und knapp 20%. Diesen rund 7 Mio. aktiven Gläubigen stehen etwa genausoviele ADAC-Mitglieder gegenüber. Da mache sich jeder selbst seinen Reim drauf.

  7. @ Michael Beitz,

    Gerade wollte ich auch in Ihrem Sinne – mit meinen etwas einfacheren Worten – antworten.

    Auch mit der Statistik kamen Sie mir zuvor.

    So bleibt mir nur noch, Ihrem Beitrag voll inhaltlich zuzustimmen.

    Einen Gedanken möchte ich noch anfügen :

    Religion sollte weiter ins Private abgedrängt werden.
    Kein Religionsunterricht in öffentlichen Schulen !
    Das Grundübel ist es doch, dass ein Neugeborenes sofort in die entsprechende Richtung gedrängt wird…
    Davon sich als Erwachsener zu entfernen kostet viel Denkarbeit und Kraft. Ich kenne das.

    Bildung = Aufklärung, gerade jetzt nötiger denn je !

  8. Obwohl ich gerne ins Religionsbashing einsteigen würde, denke ich doch es reicht sich darauf zu beschränken jeden Versuch der unlegitimierbaren Einflussnahme auf die „Sachen des Staates“ entschlossen zu unterbinden.

    Denn wird mit der als „religio“ bezeichneten generierten Autorität im politischen Umfeld argumentiert, so ist darin durchaus der Versuch zu sehen sich in in bewußten Handeln gegen die FDGO zu stellen.

    Hier wäre der Versuch einer klaren Trennung der Wirkungsmöglichkeiten des Einzelnen als Bürger oder als Glaubender zu unternehmen. Keine leichte Aufgabe, möglicherweise biete sich auch eine Unterscheidung wie die zwischen den Natur- und Geisteswissenschaften an, obwohl auch dort die Trennung keine absolute mehr ist.

    Wer was mit Religio treibt soll und muss solange demjenigen unbenommen bleiben, wie er sich damit nicht in Staatsangelegenheiten einmischt oder intendiert die Menschenrechte nach seinem Gusto zu verändern.

    MfG Karl Müller

  9. Michael Beitz weist darauf hin, dass sich die Offenbarungen der Juden, Christen und Muslime jeweils in sich widersprechen und sich Kritiker vorwerfen lassen müssen, exakt eine falsche oder nicht repräsentative Textstelle zitiert zu haben. Exakt dort sollte die sich selbst reflektierende Religionskritik ansetzen.

    Wer sich auf einen religiösen Text beruft, egal ob aus der Bibel oder dem Koran, ist um seiner fachlichen Seriosität willen verpflichtet, den Kontext zu benennen. Handelt es sich um einen sehr frühen Text, der längst von einem jüngeren relativiert, aber bewusst nicht gestrichen wurde, um so eine Entwicklung zu dokumentieren? Oder sind die heiligen Schriften ein Selbstbedienungsladen, in dem man für alles eine Rechtfertigung bekommen kann?

    Nehmen wir als ideales Beispiel die Hebräische Bibel, das Alte Testament der Christen. Sie beschreibt einen historischen Prozess, der über fast 3000 Jahre lief und in dessen Verlauf archaische Gottesvorstellungen abgelöst wurden durch die Idee von einem einzigen Gott. Würden Juden und Christen diese Prozesstheologie konsequent weiterdenken, müsste zwangsläufig der Gottesgedanke einmal zugunsten eines humanistischen Ideals aufgegeben werden. Erich Fromm hat das in eindrucksvoller Weise in seinem Buch „Ihr werdet sein wie Gott“ dargelegt. Dabei nahm er sowohl Bezug auf Philo von Alexandria (Begründer der negativen Theologie), den Mystiker Meister Eckhart als auch auf das Werk des Neukantianers Hermann Cohen: „Die Religion der Vernunft aus den Quellen des Judentums“.

    Das konsequente Fortdenken einer religiösen Offenbarung in die jeweilige Wirklichkeit der sich ständig verändernden gesellschaftlichen Verhältnisse ist dem Islam noch weniger gelungen als dem Christentum und dem orthodoxen und konservativen Judentum. Zweifellos gab und gibt es Ansätze, aber die konnten und können sich nicht durchsetzen. Nicht zuletzt, weil man in Westeuropa einem Streit aus dem Wege geht und diese Passivität als Toleranz ausgibt.

    Die Kritik am Islam als dem quantitativ größten Vertreter des religiösen Fundamentalismus muss auch eine Kritik an den Missständen beinhalten, welche Fundamentalismus hervorbringen.
    Das Reformationslied „Ein‘ feste Burg ist unser Gott, ein‘ gute Wehr und Waffen, er rettet uns aus aller Not, die uns jetzt hat betroffen“ war zu seiner Zeit ein Ausdruck neuer Freiheit. Es wurde im 19. Jahrhundert überholt durch ein anderes, das die humanistischen und säkularen Ideale beschreibt: „Es rettet uns kein höh’res Wesen, kein Gott, kein Kaiser noch Tribun, uns aus dem Elend zu erlösen, können wir nur selber tun.“

  10. @abraham

    Ja, es wäre sehr schade, wenn Sie es aufgeben würden, hier zu argumentieren, den Frust kann ich jedoch nachvollziehen.

    Die kurzschlüssigen Pauschalurteile rühren aber nicht bloss daher, daß pauschal geurteilt wird, sondern auch daher, daß manche Vertreter der Religionen ganz unverblümt Einfluß auf die alltägliche Politik nehmen wollen um an Einfluss und Bedeutung zu gewinnen.
    Diese versuchen damit, Antworten auf Fragen zu geben, die ihnen gar nicht gestellt werden. Darin liegt das Mißtrauen begründet, welches den Religionsvertretern entgegenschlägt.
    Ich will nur für mich sprechen, aber vielleicht steckt mehr dahinter:
    Ich will große Antworten auf große Fragen und leite daraus meine kleinen Antworten auf kleine Fragen ab.

    Aber zwischen dem Großen und dem Kleinen stehe und denke ich, und: Ich will nicht übergangen werden.
    Politik und Religion passen nicht zusammen, wenn ich sie nicht zusammenbringe.

    Das ist ernsthafte Arbeit zur Erkenntnis. Ich will darin unterstützt und belehrt werden, aber ich will darin nicht bevormundet werden. Ich denke, das ist auch immer Ihr Anliegen gewesen und es hat gefruchtet. In diesem Sinne danke ich Ihnen für alle Beiträge, die Sie eingebracht haben.

    Gruß BvG

  11. Hier mein engagierter und streitbarer ausführlicher Beitrag in Anlehnung an Abrahams Antwort.

    ich habe den Kommentar von Herrn Napp nur ansatzweise gelesen, dazu die Kommentare hier überflogen und kann dich in deiner Kritik und Konsequenz nur unterstützen.

    Die wahren Hassprediger: hier und in anderen Internetforen verkünden sie ihre dummdreisten Weisheiten und plustern sich noch auf mit dem Etikett „Aufklärung“, von der diese Gebildeten des 21. Jahrhunderts soviel verstehen wie ihre heimwerkenden Zeitgenossen vom Kathedralenbau.

    Mit deinem Kommentar, lieber Abraham, erinnertest du mich Unwilleürlich an Süßkind von Trimberg, auf den ich später eigens zu sprechen kommen werde, und, bevor ich ihn gelesen hatte, kamen mir just genau die beiden: Lessing und Moses Mendelssohn in den Sinn, Lichtgestalten der deutschen Aufklärung, in Sachen Religionsphilosophie und Religionskritik, noch vor den französischen Aufklärern rangierend und erst recht vor den Gläubigen des zeitgenössischen primitiven Atheismus, die besser daran täten, einmal drei Zeilen dieser Aufklärer zu lesen, statt sie bar jeder inhaltlichen Legitimation auf ihren Schild zu heben.

    Lessing, der die christliche Orthodoxie in der Gestalt des Hamburger Hauptpastors Goeze in einer Schrift bekämpft hat, die beispielgebend geworden ist für die literarische Form der Polemik überhaupt und die ihm ein herzogliches Publikationsverbot in theologischen Fragen einbrachte, hatte „eine zum Instinkt gewordene Besorgnis um das relative Recht, das gemeinhin auch die Meinungen und Standpunkte haben, welche aus guten Gründen den Kürzeren ziehen“ (Hannah Arendt). Was zu seiner Zeit in dieser Hinsicht für atheistische und pantheistische weltanschauliche Auffassungen galt, gilt heutzutage, was den Mainstream anbetrifft, offenbar für religiöse.

    Lessing selbst hat in Bezug auf das religiöse Weltverständnis keine eindeutige Stellung bezogen, sondern ist „unwillkürlich an ihm zweifelhaft geworden, ‚je bündiger mir der eine (es) beweisen wollte‘, und hat es unwillkürlich in seinem ‚Herzen aufrecht zu erhalten‘ getrachtet, je mutwilliger es der andere ganz zu Boden treten wollte'“ (Hannah Arendt in: Von der Menschlichkeit in finsteren Zeiten, Rede über Lessing)

    Das ist gelebte Aufklärung, neben dem, was uns Kant und Schleiermacher und viele andere Aufklärer in ihren religionsphilosophischen Schriften überliefert haben. Kein Geringerer als Johann Gottfried Herder, der einer bigotten Kirchengläubigkeit so unverdächtig war wie nur irgendeiner, versieht ein Kapitel seiner „Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit“ mit der Überschrift „Religion ist die älteste und heiligste Tradition der Erde“. Wilhelm von Humboldt, der Begründer der Berliner Universität und einer der gebildetsten Menschen seiner Zeit, schreibt: „Wenn die Idee einer Gottheit die Frucht wahrer geistiger Bildung ist, so wirkt sie schön und wohltätig auf die innere Vollkommenheit zurück. Alle Dinge erscheinen uns in veränderter Gestalt, wenn sie Geschöpfe planvoller Absicht, als wenn sie ein Werk eines vernunftlosen Zufalls sind.“ – Und so weiter, die Beispiele sind Legion.

    Ich sehe mich als einen kirchenfernen Atheisten an, philosophisch und theologisch Gebildete in meiner Umgebung sehen in mir eher einen Religiösen eigener Art. Es kommt nicht auf das Etikett an, das man sich selbst anheftet, sondern auf die Weite der Dimension, in welcher man eine Frage von so fundamentaler Bedeutung wie die von Religion und Religiosität für sich und mit sich und anderen behandelt.

    Und, nicht sehr unbescheiden ob meines Verstandes und meines Wissens, leide ich dennoch oder gerade deshalb nicht solchermaßen an geistiger Überheblichkeit, dass ich meine, dass die 90 % der Menschheit, die auf die eine oder andere Weise einer Religion angehören, alle geistig beschränkt sind und sich kritiklos in die Fänge von machtversessenen Fanatikern begeben haben. Davon hatten wir bei uns in nicht allzu ferner Vergangenheit ganz andere, die massenhaft in kruden Ersatzreligionen ihr „Heil“ suchten und riefen. Dass ausgerechnet die Söhne und Enkel von Massenmördern meinen, an ihrem aufgeklärten deutschen Wesen müsse die Welt genesen, will mir den ganzen Tag nicht in den Kopf.

    Und mehr als alle Religiösen in der Welt fürchte ich, dass Leute gemeinsam mit ihresgleichen an Einfluss gewinnen, die ihre rein subjektiv-persönlichen Wunschvorstellungen der folgenden Art meinen zum gesellschaftlichen Maßstab machen zu können: „Ich möchte nicht, dass auf der Leipziger Straße auf Schritt und Tritt Frauen mit Kopftüchern (in der “konservativ” gebundenen Art) mir gegenüber ihre Korantreue meinen demonstrieren zu müssen“. Es gehört nicht viel Fantasie dazu, sich vorzustellen, welchen humanen Fortschritt der aufgeklärten säkularen Gesellschaft wir damit zu erwarten hätten.

    Fazit: ich schließe mich Abraham ausdrücklich an und diskutiere hier nicht weiter auf dem vorgelegten Niveau mit. Wer meint, dazu fehle mir die argumentative Kraft, soll das denken. Man kann, lieber Bronski, nicht erwarten, mit geistig unterirdischen Vorgaben eine geistig fruchtbringende Diskussion provozieren zu können, wie wir sie, worauf Abraham hindeutet, über die Bedingungen eines friedliche Zusammen von religiösem Glauben und Atheismus in einer säkularen Gesellschaft, auch über Universalismus versus Partikularismus von Menschenrechten und Moralvorstellungen hier im FR-Blog im Widerstreit und im Einklang immer wieder geführt haben.

    Und allen Religiösen, die man kennt, mittelbar die Glaubwürdigkeit abzusprechen, ist ja ein Angriff ganz eigener Art auf die Religion. Wer meint, Abraham auffordern zu müssen, seine Aufklärung doch bitteschön fortzusetzen, statt das in den letzten Jahren von ihm differenziert Vermittelte angeeignet zu haben und selber produktiv und streitbar in die Diskussion einzubringen, sei an das bekannte Diktum des großen Aufklärers Immanuel Kant gemahnt:
    „AUFKLÄRUNG ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines andern zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.“

    Wacht auf, Bornierte dieser Erde!

  12. Hier mein Rekurs auf Süßkind von Trimberg.

    Der war einer der ältesten deutschen Dichter, wie Walther von der Vogelweide und andere Minnesänger aus der mittelhochdeutschen Zeit um 1200 und die späteren Renaissance-Humanisten ein würdiger früher Vorläufer der Aufklärer des 18. Jahrhunderts, als Jude aber damals schon ein Ausgegrenzter. die Juden des Mittelalters waren nach den Beschlüssen des IV. Laterankonzils gezwungen, sich durch ihre Kleidung deutlich von ihren christlichen Zeitgenossen zu unterscheiden, unter anderem mussten sie zur Kenntlichmachung einen lächerlichen spitzen Hut tragen und durften keine Waffen tragen, was ansonsten für jeden freien Mann selbstverständlich war und ihnen deshalb für alle späteren Zeiten den Ruch der Feigheit einbrachte.

    Ob spitze Hüte oder Kopftücher: es geht den militanten Rittern von Aufklärung und Toleranz nicht wirklich darum, was im einzelnen die „Fremden“ tragen, wie sie aussehen. Im einen Falle werden sie gezwungen, etwas Bestimmtes anzuziehen, im anderen Fall sollen sie gezwungen werden, etwas auszuziehen. Entscheidend ist, sie können nicht erscheinen und leben, wie sie wollen. Wir, die Vertreter der Mehrheitsgesellschaft, beistimmen das Maß an Fremdheit und Ähnlichkeit, in dem sie neben, im günstigsten Falle unter uns leben dürfen. Die Paradigmen der Definitionsmacht wechseln: Von der einsamen Höhe der Herrenrasse eben noch schmählich heruntergestoßen, maßen wir uns nun an, den entwickeltsten und fortgeschrittensten Teil der aufgeklärten Menschheit zu repräsentieren.

    In dem lesenswerten, leider nur noch antiquarisch erhältlichen Buch „Juden in Deutschland“ von Leo Sievers heißt es über Süßkind:

    „Wenn Süßkind von Trimberg sich einer Burg näherte, sah der Türmer also schon von weitem, dass da ein Jude kam.
    Seine Gedichte zeigen Weisheit, Güte und tiefe Melancholie. Er wandte sich gegen ein engstirniges Klassendenken und wollte Charakter und Herz des Menschen als einzigen Maßstab anerkennen.
    Er glaubte an die Kraft und die Freiheit der Gedanken, die alle Mauern durchdringen und durch die Lüfte fliegen wie Vögel.
    Er geißelte die Brutalität der Machtmenschen und trat für soziale Gerechtigkeit ein. Und dann, am ende seines Dichterlebens (…) schrieb er:

    Ich alter Tor,
    ich bin mit meiner Kunst hausieren gegangen
    und habe nichts erreicht.
    Ich will Schluss machen,
    mir einen langen Bart wachsen lassen
    und das alte Judenleben führen.
    Lang soll mein Mantel sein
    unter dem spitzen Hut
    und demütig mein Gang.

    Danach hörte niemand mehr etwas von diesem Mann, dem ersten Juden, von dem wir wissen, dass er in deutscher Sprache dichtete.“

  13. Puhaha! Das kann man wohl Lessing-Karaoke nennen oder? Dafür dass Sie eigentlich nicht mitdiskutieren wollen schreiben Sie aber ziemlich viel

    Eigentlich spricht Herr Napp ja ein gesellschaftspolitisches Thema an, auch wenn er das selbst vielleicht nicht so merkt, und da bleibt Lessing außen vor weil er nichts von unserer Zeit weiß. Das eigentliche Thema ist, dass unsere Gesellschaft ihre Musilme nicht mitnimmt. Heute erst wieder in der FR die Sache mit den anonymen Bewerbungen:

    http://www.fr-online.de/wirtschaft/arbeit—soziales/anonymer-lebenslauf/-/1473632/4528976/-/index.html

    Das ist eine Reaktion darauf dass Jugendliche mit Migrationshintergrund häufig schlechtere Chancen haben, einen Ausbildungsplatz zu bekommen. Sie sind nicht erwünscht. Die sollen gefälligst in ihren Ghettos bleiben und sich abschotten. In solchen Paralellgesellschaften enwtickeln sich dann Strukturen die ein Entweichen noch mehr erschweren. Da wrid die Religion dann auch wichtiger als sie sonst vielleicht wäre. Mit Religion gehört man wenigstens zu einer Gruppe, und das stärkt ein bisschen. Wir haben mit unseren Muslimen ein soziales Problem und dann erst ein religiöses. Darum geht Heinrichs Karaoke auch völlig am Thema vorbei.

  14. Hier kann ich mich dem Vorredner @14 nur anschließen.
    Sehr geehrter Heinrich, ich muß mich als geistig subaltern outen, da ich nicht Philosophie u. U. studiert habe, sondern mich dem profanen (u. pragmatischen) Studium der Medizin gewidmet, dann mich auch intensiv mit Psychoanalyse befaßt habe. An Lessing hat mich Nathan der Weise fasziniert, auch das Gedicht von Süßkind von Trimberg könnte ich unterschreiben (außer dem Bart). Kopftücher stören mich weder auf der Leipziger noch auf der Bergerstraße.
    Vergessen wird hier immer wieder, daß es im Mittelalter eine arabische Hochkultur mit offenbar auch einem aufgeklärten Islam gab, während man hier fast noch auf den Bäumen saß, besonders in der Medizin. Der Niedergang kam mit hereinbrechenden innerasiatischen Reitervölkern, die die Araber überrannten. Es folgten mehr als 200 Jahre offenbar lähmende osmanische Herrschaft mit eher rigiden religiösen Vorstellungen eben der Osmanen.
    Das der Islam des Mittelalters offen war, zeigt sich an den Arabern in Spanien, die jeden nach seiner Religion leben ließen. Die Nichtmuslime mußten eine Steuer bezahlen – an Stelle des Wehrdienstes. Der war Muslimen vorbehalten. Unter der Reconquista gab es dann nur christliche Taufe oder Tod. Soviel zu christlicher Kultur!
    Obwohl auch ich christlich geprägt bin: dient die gebetsmühlenartige Wiederholung des „christlichen Kultur des Abendlandes“ nicht auch dem Machterhalt der ach so christlichen C?DU???

  15. Wie kommt es nur, dass ich bei einigen Beiträgen hier an Klaus Staecks Plakat aus den frühen 70-ern denken muss „Deutsche Arbeiter! Die SPD will euch eure Villen im Tessin wegnehmen“?!

    Nein, werte gläubige Mitbürgerinnen und Mitbürger, gläubige Migrantinnen und Migranten, ich will euch gar nichts wegnehmen! Weder euer vermeintlich Bestes, nämlich euren Glauben und euren zukünftigen Platz im Paradies, noch euer vermeintlich Zweitbestes, eure Knete oder eure Töchter oder eure Arbeitsplätze oder sonst irgendwas.

    Allerdings möchte ich nicht dazu verdonnert werden, mich euren Glaubenssätzen fügen zu sollen. Ich verlange, die grundgesetzlich gebotene Trennung von Kirche und Staat _strikt_ einzuhalten.

    Darf ich noch kurz auf die Unterscheidung von „ich möchte nicht“ und „ich will verbieten“ hinweisen? Wenn ich sage „Nein, ich möchte keine Mayo auf den Pommes!“ (oder religiöse Soße auf staatlichem Handeln), dann meine ich damit natürlich nicht „Mayo sollte generell verboten werden!“ (wohl aber, dass man mir zwangsweise Mayo verabreicht).

    Nutzt die Möglichkeiten, die ein modernes, säkulares Deutschland euch bietet: ihr müsst nicht „wegen der Nachbarn“ oder wegen irgendeines Großonkels irgendwelche religiösen Gesten machen! Das ist, was Necla Kelek meint, wenn die euch zuruft: „Macht euch frei von euren Übervätern!“

    Und ich wünsche mir natürlich, dass ihr möglichst die Gesten unterlasst, die in dieser Gesellschaft sowohl von Anders-Gläubigen als auch von Nicht-Gläubigen als provozierend empfunden werden.

  16. @heinrich

    Letztlich, und das stelle ich bedauernd fest, leisten Sie der Auflärung einen ebenso schlechten Dienst, wie die kritisierten Pharisäer.
    Allseits ein „Habe Mut, Dich Deines eigenen Verstandes zu bedienen!“ in die Runde zu werfen, zeugt nicht von aufklärerischem Mut, wenn Sie unerwünschte Ergebnisse sogleich plattwalzen.

  17. Wenn man, wie Kant mutig fordert, alle Menschen sich des eigenen Verstandes bedienen läßt, dann muss man sich auch den Ergebnissen stellen, und nicht, wie es derzeit Mode ist, denen, die unerwünschte Ergebnisse erzielen, sowohl den Mut, den Verstand als auch dessen Anwendung absprechen.

  18. @ Heinrich #12

    Als „wahrer Hassprediger“, der mit „dummdreisten Wahrheiten“ und „geistig unterirdischen Vorgaben“ einem „primitiven Atheismus“ frönt und „am aufgeklärten deutschen Wesen die Welt genesen“ lassen will, bin ich doch ein wenig erstaunt, mit welcher Wortgewalt sie als Vertreter der christlich-abendländischen Kultur auf mich Andersdenkenden einschlagen. Zumal ich ja ebenfalls in der Folge ebendieser caK stehe.

    Natürlich bin ich Ihnen gegenüber nicht rechenschaftspflichtig, welche Gründe mich dazu bewegen, für eine strikte Trennung von Kirche und Staat einzutreten: als kleinsten gemeinsamen Nenner nehme ich da einfach unser Grundgesetz. In gewissem Maße ist das natürlich auch interpretierbar – und ich persönlich würde „das Religiöse“ lieber ganz im Privaten sehen, also den Weg vom „säkularen“ zum „laizistischen“ Staat gehen.

    Ich muss Ihnen gegenüber auch keinen Sachkundenachweis führen, dass ich wesentliche Schriften ausgiebig studiert habe. Würde Ihnen ein name dropping fürs Erste genügen? Darf ich mit Sokrates beginnen, Demokrit und Epikur anführen, Lukrez beiziehen und dann einen großen Sprung zu Descartes, Spinoza und Leibniz machen, um dann bei Feuerbach eine Zwischenlandung einzulegen?

    Mir geht es hier nicht darum, ein theologisches Seminar abzuhalten und Sie zu missionieren. Mir geht es zunächst ganz einfach darum, meine Meinung kundzutun. Dass Ihnen diese nicht passt, haben Sie ja schlagkräftig zum Ausdruck gebracht. Es fehlte nur noch der übliche Beissreflex („Gaskammern von Auschwitz“), den Sie mit dem Hinweis auf das „Genesen am deutschen Wesen“ ja bereits augenfällig angedeutet haben.

    Wie nun schon mehrfach geschrieben, geht es _mir_ darum, den organisierten und staatlich (einseitig) geförderten Einfluss des „Religiösen“ auf den Einzelnen und unser Gemeinwesen im Zaum zu halten. Dazu gehört u.a. die andernblogs [1] aufgeworfene Frage nach der privilegierten Finanzierung der christlichen Großkirchen.

    [1] http://www.fr-online.de/politik/buessen-fuer-die-saekularisierung/-/1472596/4519622/-/index.html

  19. „Darum geht Heinrichs Karaoke auch völlig am Thema vorbei.“

    Sorry, aber da muss ich leider widersprechen. Herrn Napps Kommentar wendet sich gegen Religionen (und Gläubige) insgesamt – auch wenn er vielleicht den Islam und Burkas für besonders kritikwürdig halten mag. Und Karl Müller nennt das Ganze dann beim Namen: Religionsbashing. Und genau dazu nimmt Heinrich Stellung.
    Über die Bezeichnung „Lessing-Karaoke“ musste ich aber schon lachen und gleich an den schönen, verschnörkelten Satz denken, den ich zweimal lesen musste um ihn zu kapieren, da ich beim ersten Mal nur so viel klar und deutlich verstehen konnte, dass Heinrich nicht unbescheiden ist.
    „Und, nicht sehr unbescheiden ob meines Verstandes und meines Wissens, leide ich dennoch oder gerade deshalb nicht solchermaßen an geistiger Überheblichkeit, dass ich meine, dass die 90 % der Menschheit, die auf die eine oder andere Weise einer Religion angehören, alle geistig beschränkt sind und sich kritiklos in die Fänge von machtversessenen Fanatikern begeben haben.“
    Ja, und darum geht es doch auch Abraham. Herr Napp u.a. stellen Religionen und deren Anhänger pauschal und in Bausch und Bogen als potentiell gefährlicheVerirrte dar und bringen das auch noch in selbstgefälliger Weise mit den Erkenntnissen der Aufklärung in Verbindung – wo aber eine ganz andere Verbindung (oder besser Paralelle) viel offenkundiger ist.
    Versteht denn das wirklich keiner?

  20. @anna
    Vielleicht habe ich den Kommentar des Närrischen (Karl Napp) mißverstanden, aber mir geht es darum, dass bestimmte selbsternannte Vertreter von Religionen andere (Andersgläubige und Nichtgläubige) als gefährliche Verirrte darstellen wollen, um ihren Machtanspruch zu untermauern. Sie benutzen dazu Regeln und Unterstellungen, die ich so nicht akzeptiere. Nur gegen diese richtet sich meine Kritik.

    Wohin ich schaue und was ich dabei denke, ist allein meine Sache und niemand darf dieses lenken oder beurteilen. In meinen Augen ist eine Frau ein freier Mensch, der mir sagen kann, was er will oder nicht will und ich bin ein freier Mensch, der ihren Willen akzeptiert. Dazu gehört Kommunikation, Toleranz und Verzeihen. Da braucht es keine Burka oder sonstiger Denkverbote.
    Jeder, der mir dieses nimmt,(Kommunikation, Toleranz und Verzeihen), benimmt sich dieser Vorzüge auch.
    Eine Religion, die Denkverbote braucht, ist nurmehr eine Sekte.

  21. @ Heinrich
    Mit Ihrem Satz
    „Und allen Religiösen, die man kennt, mittelbar die Glaubwürdigkeit abzusprechen, ist ja ein Angriff ganz eigener Art auf die Religion.“ verdrehen Sie doch etwas.
    Ich finde die Beiträge von Abraham immer sehr sachlich, ruhig und bereichernd. Und sie schließen eigenes Nachdenken keineswegs aus. „Aufgefordert“ habe ich Abraham nicht, es war ein Wunsch an Abraham , sich hier weiterhin einzubringen.

  22. “Und allen Religiösen, die man kennt, mittelbar die Glaubwürdigkeit abzusprechen, ist ja ein Angriff ganz eigener Art auf die Religion.”

    Da wird nun nicht ganz klar, was Heinrich damit meint, aber soviel sei gesagt:
    Glaubwürdigkeit des Glaubens zu beurteilen ist einfach nicht des Menschen Angelegenheit!

  23. @ Anna #20

    1. Sie behaupten: „Herr Napp u.a. stellen Religionen und deren Anhänger pauschal und in Bausch und Bogen als potentiell gefährliche Verirrte dar“. Mit welchem Zitat aus obigen Beiträgen meinen Sie dies eigentlich belegen zu können?

    2. Darf ich nochmals darauf hinweisen (und darum bitten, diese meine Äußerung nun endlich einmal ernst zu nehmen), dass ich in diesem Blog nicht die Religiosität des Einzelnen angreife. Darunter verstehe, ein wenig unbeholfen formuliert, ich das persönliche Bemühen um Sinnstiftung oder Sinnfindung, man kann es vielleicht auch Spiritualität nennen.

    3. Ich habe den Eindruck, dass Sie und andere die Antworten der christlichen Großkirchen („Amtskirchen“) höher bewerten als die anderer Welterklärungsmuster? Täuscht mein Eindruck?

    4. Stimmen Sie mir evtl. zu, dass die vier grundlegenden Fragen, auf die „Religion“ eine Antwort geben könnte/sollte/müsste, lauten: „Wo kommen wir her? Wo gehen wir hin? Was ist der Sinn des Lebens? Wie soll ich mein Leben gestalten?“

    5. Karl Napp führt eine Reihe von Weltanschauungen an: Scientology, Islam, Christentum, Pastafarianismus, Buddhismus, Taoismus, Nordische Mythologie. Genannt seien dazu auch die Traumzeit der Aborigines, die Mutter Erde der Indianer, die Mythen und Legenden der Inuit, die Kulte der Inka, Maya, Azteken – letztere alle von der Heiligen Römischen Kirche erfolgreich plattgewalzt. Nicht zu vergessen die viele Hunderte, ja Tausende anderer Kulte in Asien und Afrika.

    Karl Napps Hinweise laufen, bezogen auf das Hier und Heute, im Grunde auf den einfachen Satz hinaus: „Wat dem eenen sin Uhl, is dem annern sin Nachtigall“.

    6. Warum beantworten die Apologeten der christlich-abendländischen Kultur denn nicht einfach einmal die simple Frage: wieso meinen sie gegenüber anderen Religionen eine privilegierte Stellung beanspruchen zu dürfen?

    Und das ist nun keine theologische Frage mehr, sondern eine politische. Deswegen hätte ich darauf auch gerne eine politische und keine theologische Antwort.

  24. Lieber Herr Beitz,

    ich habe den Eindruck, dass Sie nicht aufmerksam und offen genug lesen, was hier geschrieben wird. Ich habe z.B. keine Ahnung wie Sie darauf kommen, ich könnte „die Antworten der christlichen Großkirchen (”Amtskirchen”) höher bewerten als die anderer Welterklärungsmuster.“ Mal abgesehen davon, dass ich weder mit der katholischen Kirche noch mit dem Islam, noch mit sonst einer Kirche oder bestimmten Glaubensrichtung verbunden bin, ist mir schleierhaft, wo ich deren Antworten bewertet haben soll. Umgekehrt ist es. Sie bewerten. Und Sie wollen Menschen daran hindern, sich entsprechend ihrem Glauben zu verhalten. Oder wie sonst, sollte dieser Satz von Ihnen zu verstehen sein:
    „Und ich wünsche mir natürlich, dass ihr möglichst die Gesten unterlasst, die in dieser Gesellschaft sowohl von Anders-Gläubigen als auch von Nicht-Gläubigen als provozierend empfunden werden.“
    Verstehen Sie denn gar nicht, dass Sie damit genau das tun, was Sie anderen unterstellen? Denn nicht die kopftuchtragenden Musliminnen fordern ja eine allgemeine Kopftuchpflicht, sondern Sie u. a. wollen das Tragen von Kopftüchern und Burkas verbieten, weil Sie sich davon „provoziert fühlen“. Verstehen Sie? Das hat wahrlich nichts mit Theologie zu tun, sondern ist hochpolitisch, da haben Sie schon Recht. Solche Forderungen verstoßen nämlich gegen das im Grundgesetz verankerte Recht auf freie Religionsausübung.

  25. @ 25

    Sehr geehrte Anna,
    die Erwägung bestimmte symolhaft geführte Kleidungsstücke verbieten zu wollen steht nicht grundsätzlich im Widerspruch zur FDGO.
    Einmal, weil eine wehrhafte Demokratie auch Grenzen setzen können muß wie es sich im Verbot von Symbolen und Beleidung verfassungsfeindlicher Organisationen wiederspiegelt und andererseits ist die „Religionsfreiheit“ im positiven wie negativen Sinne gültig.
    Der Missbrauch von positiver Religionsfreiheit setzt dort an, wo „Religion“ unberechtigterweise als Rechtfertigungsgrund für Handlungen zum Nachteil Dritter (Ungläubiger, gleich welcher Art) beigezogen wird.
    Ein Nachteil gegenüber Dritten ist die Verweigerung der Erkennbarkeit einer Person, zumal wenn durch absurde Unterstellungen begründet.
    Den Ansatz des schmittschen Präventionsstaates sehe ich sehr kritisch, weil dieser rechtsstaatliches Handeln pervertiert, genauso pervertiert der Versuch über demonstrative „Glaubensinszenierungen“ Dritte zu beeinflussen
    die positive Religionsfreiheit

    Zu dieser grundsätzlichen Form der Nichanerkennung des GG gehört auch die erklärte Absicht sich im öffentlichen raum nicht als Individuum erkennbar zu bewegen.
    Nicht ohne Grund kennt das deutsche Recht ein Vermummungsverbot.

    Zudem,
    niemand muss von der „freien Religionsausübung“ eines Dritten beeinträchtigt werden! Denn staatlicherseits ist hier das Recht auf negative Religionsfreiheit genauso zu gewichten wie deren Gegenteil.

    Hier setzt für die Umsetzung solcher abstrakten Forderungen aber schon ein Kernproblem ein, denn wie kann geltendes Recht für alle Beteiligten durchgesetzt werden?
    Welcher Rechtsanspruch ist nachrangig gegenüber Art. 1?

    MfG Karl Müller

  26. Sehr geehrter Herr Müller,
    dazu will ich Ihnen nun eine kleine Geschichte aus meinem Privaleben erzählen:
    Ich habe einige Jahre in einem Nachbarstaat zu Südafrika gelebt, wo es üblich und völlig unstrittig war, dass sowohl muslimische Lehrerinnen Kopftücher im Unterricht trugen als auch indische Sikhs ihre Turbane. Keiner der Anders- oder Ungläubigen hat sich je darüber aufgeregt und niemand hat da irgendetwas „Böses“ hineininterpretiert. Es war einfach kein Thema und so bemerkte man diese Kopfbedeckungen eigentlich auch kaum.
    Als ich dann aber wieder zurück nach Deutschland kam, wo über das Tragen von Kopftüchern schon lange heftig debattiert wurde, fielen mir plötzlich nicht nur die kopftuchtragenden Musliminnen auf, sondern ich fühlte langsam auch die vielzitierte Bedrohung in mir aufsteigen, die diese Kleidungsstücke für unsere aufgeklärte westlichen Zivilisation doch darstellen sollen.
    Ich fragte mich dann aber irgendwann, warum ich Kopftücher in dem anderen Land, in dem ich zuvor gelebt hatte, bloß als so harmlos empfunden hatte und nun plötzlich nicht mehr.
    Erst dadurch wurde mir bewusst, was es heisst, Probleme herbeizureden und auch wie leicht sich die Massen manipulieren lassen, wenn mit Ängsten gespielt und vermeintlicher Überlegenheit argumentiert wird. Haben wir wirklich so wenig aus unserer Geschichte gelernt?
    Ebenfalls mit freundlichen Grüßen
    Anna

  27. Ich denke doch, dass man so einiges aus der Geschichte gelernt hat.
    Diese Methode, irgendwem was dranzuheften, was einzufärben oder was auf dem Kopf zu stülpen, damit man ihn von anderen und die anderen von ihm trennen kann, ist hier das Thema.

    Ich habe nichts gegen die, die sich von mir unterscheiden, aber ich habe etwas gegen die, die uns voneinander trennen wollen.

  28. Sehr geehrte Anna,

    typisch deutsche, um mal wieder zu pauschalisieren, Problemdiskussionen sind selten fakten- oder gar lösungsorientiert. Daraus resultiert dann eine unerfreuliche Relativierung und der problematische Sachverhalt wird lieber erstickt denn herausgearbeitet.

    Die Verführbarkeit der Massen hat sich leider wohl seit Le Bon nicht so groß verändert. Zumal auch die veröffentlichte Meinung hier nicht wirklich eine Kontrollfunktion hat.

    Irgendwelche Kopfbedeckungen stören mich nicht, Bekelidungsvorschriften die über Arbeitssicherheit und „dienstl.“ Erfordernisse hinhausgehen sind mir entbehrlich.

    Erst bei einer gezielten Totalverhüllung des Gesichts erschint mir die Grenze des Vertretbaren überschritten, zu diffizil? Möglicherweise, andererseits wurde der SA- auch schon das Tragen bestimmet Hemdfarben untersagt…

    Bedrohlich, wenn auch noch eher abstrakt, nehme ich die Zunahme der Gesamtheit restaurativer Tendenzen wahr. Religiöse Sekten sind da nur ein Problem; ein Problem? Sicher sobald, wie BVG (Dank dafür) schrieb, ein Freiheitsrecht zur Desintegration der Gesllschaft mißbraucht wird. Wo fängt da der Mißbrauch an, wo sind de individuellen Religionsauübung rechtsstaatliche Grenzen zu setzen?

    Was ist vom säkularen Staat noch existent, und legitimiert diesen, wenn auf Demos mit Gewalt zum Abhängen der israelischen Flagge aufgefordert wird; von den Demonstranten, nicht von der Polizei?!

    Ein Nichteingreifen der BOS stellt dabei schon die Dekonstruktion des Legalitätsprinzips dar. Gerade in dem speziellen Fall wurde entgegen der Vorfelderkenntnisse fatalerweise deeskaliert.

    Das Kernproblem ist sicher nicht die Existenz von „Religion“ sondern deren Instrumentalisierung. Denn die positive Religionsfreiheit berechtigt den Einzelnen seine Religion auszuüben, soweit Dritte und die FDGO davon nicht negativ betroffen werden.

    Denn wozu führt diese gefährliche Selbstlegitimation beliebigen eigen Handelns, hier durch Religion begründet? Dieses Handeln negiert gerade das Prinzip „one man – one vote“ und genau solche Selbstlegitimation zwecks Einflussnahme auf die Politik zu dulden hieße nichts aus der Vergangenheit gelernt zu haben!

    Schließlich sei die Selbstlegitimationsproblematik nochmals durch den Versuch der RAF zu betrachten, sich selbst zum Völkerrechtssubjekt machen zu wollen. In deren Fall eben aus einer „links-revolutionären Idee“ abgeleitet, nicht aus „Religion“; was aber letztlich keinen Unterschied macht.

    Über das cuius regio eius religio sind wir weit hinausgekommen?

    Religion?, als Privatsache gerne. Als Basis für nicht zu rechtfertigenden Bedeutungszuwachs beim Anmelden politischer Einflussansprüche: Nein.

    Bleibt die Frage wie der Problematik gerecht zu werden ist, nur mit Tatbestandsmerkmalen aus dem StGB sicher nicht. Andererseits ist eine Duldung machtergreifender Umtriebe mit entsprechendem ideologischen Unterbau auch unmöglich, gerade mit Blick auf die „jüngste Vergangenheit“

    MfG Karl Müller

  29. Keine Angst, lieber Heinrich, einen langen Bart lasse ich mir nicht wachsen, mein kurzer reicht mir. Als ich mich unter Verweis auf Lessing und Mendelssohn dagegen gewährt habe, antireligiöse Ressentiments für Aufklärung auszugeben, dachte ich auch daran, was Du über diese Aufklärer schon früher geschrieben hast. Danke für Deine Kommentare! Ich danke auch I. Werner, BvG und Anna für die mehr als freundliche Bewertung meiner bisherigen Diskussionsbeiträge im FR-Blog. Entgegen meiner ursprünglichen Absicht werde ich doch noch einmal in die nun etwas konkreter gewordene Debatte einsteigen.

    Zunächst: Es ist eine ziemlich verzerrte Wahrnehmung der Realität, wenn Karl Napp vorwurfsvoll die FR ermahnt, „auch all denen eine Stimme – nicht nur im Blog – zu geben, die sich aus den Klauen der Religionen und Ideologien befreien wollen“. Welche relevante Stimme der Religionskritiker ist denn in der FR unterdrückt worden? Können sich Kirchen- und Religionskritiker von Drewemann über Kelek bis zu Dowkins über mangelnde Medienresonanz beklagen? Und stimmt die Klage von Michael Beitz, den Kritikern stünden „keine steuerfinanzierten Lehrstühle für Atheismus, Agnostik und Aufklärung zur Verfügung“? Gibt es denn an den deutschen Universitäten nicht eine Vielzahl von Professoren für vergleichende Religionswissenschaft, Philosophie, Soziologie und Politik, die auch Atheismus, Agnostik und Aufklärung lehren? Wo bleiben die konkreten Belege für das „erneute Auftreten restaurativer religiöser Tendenzen“, gegen die sich unsere Gesellschaft zur Wehr setzen müsste? Sind die aktuellen Debatten z.B. über Gleichstellung der Geschlechter, die Homo-Ehe, das Ehe- und Familienrecht, die künstliche Befruchtung oder die Sterbehilfe von Religionsgemeinschaften blockiert oder dominiert? Ist die säkulare, weltanschaulich neutrale Gesellschaftsordnung nur durch das Modell der „Trennung von Religion und Staat“ erreichbar? Gibt es nicht unterschiedliche Modelle (Frankreich, USA, Skandinavien), die alle ihre Vor- und Nachteile haben? (Was z.B. auch für den schulischen Religionsunterricht gilt, der meiner Meinung nach maßgeblich zur „Mäßigung“ der Religion beiträgt, während bei rein privat organisierten „Sonntagsschulen“ der Einfluss von Fundamentalisten zunimmt – im übrigen wird in Deutschland durch den Reli-Unterricht keineswegs den Religionsgemeinschaften ein „privilegierter Zugriff auf unsere Kinder ermöglicht“, weil die Eltern und ab dem 12. Lebensjahr die Kinder selber über die Teilnahme entscheiden können.)

    Was den Islam betrifft, dem wohl die Hauptsorge der meisten hier diskutierenden „Religionskritiker“ gilt, für diese Religionsgemeinschaft (eigentlich Religionsgemeinschaften, weil es keine einheitliche islamische „Kirche“ oder kirchenähnliche Organisation gibt) gilt in Deutschland die strikteste Trennung vom Staat: Es gibt keine Staatsverträge mit finanziellen Zuwendungen, keine Körperschaftsrechte, keine islamische Kirchensteuer, kaum schulischer Religionsunterricht, keine Feiertagsbefreiungen, keine Islamvertreter in den Rundfunkräten.

    Wird fortgesetzt …

  30. Ich verstehe nicht, warum eine Demokratie gerade dann wehrhaft sein soll, wenn sie Kopftücher verbietet. Ich weiß auch nicht, ob muslimischen Männern klar ist, daß sie gerade damit sich selbst unterstellen, nicht Herr ihres Unterleibs zu sein. Aus meiner Sicht machen sie sich damit lächerlich. Genauso lächerlich finde ich aber auch, muslimischen Frauen das Kopftuch zu verbieten. Wenn die Frauen sich damit sicherer, den Männern weniger ausgeliefert fühlen, respektiere ich das. Ist es nicht eher ein Problem der westlichen Welt, sich davon bedroht zu fühlen? Eigentlich herbeigeredet!
    Glaubwürdigkeit des Glaubens zu prüfen ist schon auch eine Aufgabe von Menschen, sie sollten sich dabei aber vielleicht auf den eigenen Glauben beschränken. Erst nach harter Arbeit hat man dann auch den Mut zum selbständigen Denken, wie Kant fordert (s.@14 Heinrich).

  31. Die Masse der Menschen wird nach wie vor geprägt und lässt sich prägen. Doch nicht jeder Stempel kann in einer freiheitlichen Welt geduldet werden. Die gläubige Muslima lebt glücklich im ihrem gesellschaftlichen Frauengefängnis, weil es ja Allah so will. Sie geht nicht tanzen und schwimmen, spielt kein Tennis und Volleyball, zeigt nicht ihre Reize und Weiblichkeit. Mir reicht in unserem Land schon eine einzige Frau, die unfreiwillig in diesem Gefängnis sitzen muss, zur Rechtfertigung, um staatlicherseits den Prägern das Handwerk zu legen. Wer von euch bestreitet, dass es nicht nur Hierzulande weit mehr als nur eine Einzige gibt – und alle anderen Freiwilligen in diesem Gefängnis, nicht wirklich wissen was sie tun?

  32. Sehr geehrte Frau Dr. Samman,

    Ihr Umkehschluss hat durchaus etwas für sich. Ein Verbot von Kopftüchern, Hüten etc. halte ich aus gutem Grund für mit rechtsstattlichen Mittel nicht durchsetzbar, davon geht nachweisbar wohl keine konkrete Gefahr aus.
    Es kann daher nur ein Diskurs über extreme Formen der Vermummung stattfinden. Alles andere ist sicherlich der Propagande von der „muslimischen Gefahr“ geschuldet.

    Sehr geehrter Abraham,

    ihre Beiträge schätze ich sehr, nicht zuletzt wegen des anregenden Inhaltes.

    Über die Qualität des staatliche Religionsunterrichts kan man durchaus geteilter Meinung sein, auch wenn man diesen Unterricht an sich nicht mag, so überwiegen doch dessen Nutzeffekte. Gerade gegenüber den „privaten Sonntagsschulen“ und ähnlichen Organisationsformen. Diese können, unabhängig von der Religionsrichtung durchaus einen LfV-Besuch wert sein.
    Denn gerade christliche Fundamentalisten haben, so konnte ich an Unis in GI/MR und Gö bis Ende der 90er beobachten, doch einen erstaunlichen Zulauf. Darunter auch Strukturen mit antisemitischen Inhalten die einem noch im Nachhinein übel werden lassen……

    Aber eine Frage zum Religionsunterricht habe ich doch, können Kinder da wirklich selbst entscheiden? Weniger im Blick auf deren Vermögen als auf die verwaltungmäßigen Realitäten an den Schulen. Eine echte Wahlfreiheit ist ja schon ein begrüßenswerter Schritt in die Selbstverantwortung.

    MfG Karl Müller

  33. @ # 33 Karl Müller

    „In Deutschland ist die Religionsmündigkeit im Gesetz über die religiöse Kindererziehung vom 15. Juli 1921 geregelt. Bereits ab Vollendung des 10. Lebensjahres ist das Kind zu hören, wenn es in einem anderen Bekenntnis als bisher erzogen werden soll. Ab Vollendung des 12. Lebensjahres darf ein Kind nicht mehr gegen seinen Willen in einem anderen Bekenntnis als bisher erzogen werden. Ab Vollendung des 14. Lebensjahres wird in Deutschland eine uneingeschränkte Religionsmündigkeit erworben.

    Die Religionsmündigkeit beinhaltet sowohl das Recht, aus der bisherigen Religionsgemeinschaft auszutreten als auch das Recht, sich einer anderen Religionsgemeinschaft anzuschließen.“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Religionsm%C3%BCndigkeit) Mit 14. kann sich also jedes Kind vom Religionsunterricht abmelden oder gar aus der Kirche austreten; in Bayern muss es dann den Ethikunterricht besuchen.

  34. @ Abraham

    Danke, in der allgemeinen Form war der Sachverhalt bekannt.

    Sehr geehrter Herr Alter,

    ein Grundrechtseingriff ist eine rechtsstaatlcih zu begründenden Maßnahme.

    Um wirksam tätig zu werden, müssen gerichtsfest ein paar sehr schwer nachweisbare Tatbestandsmerkmale nachgewiesen werden.

    Was schlagen Sie denn konkret vor?

    MfG Karl Müller

  35. Zum zweiten Argumentationsstrang der „Religionskritik“: Karl Napp ist gerade noch bereit, mir zuzugestehen, mein Privatleben nach meinen religiösen Vorstellungen zu gestalten. „Sobald diese privaten (Wahn-?)Vorstellungen aber ins Öffentliche übergehen, Einfluss auf die res publica gewinnen (in Institutionen wie Parteien, Parlamenten, Publikationen) und schließlich anderen aufgezwungen werden (sollen) – spätestens dann muss ihnen Einhalt geboten werden.“ Mit anderen Worten: Gewerkschaften, Umweltverbände, Arbeitgebervereinigungen dürfen Einfluss auf die res publica haben, Religionsgemeinschaften nicht. Wenn für eine solidarische Gesellschaft, für Flüchtlinge und Schwache einsetze, muss mir Einhalt geboten werden, weil ich dies aus einer religiösen Überzeugung („vergesse nicht, dass du Sklave in Ägypten warst“) tue?

    Michael Beitz bläst ins gleiche Horn. Erst erklärt er mir (da er in Gegensatz zu mir im Besitz der endgültigen Wahrheiten zu sein scheint), was die wahre Religion ist, nämlich „eine ganz private, persönliche spirituelle Beziehung zu Gott“, und dass ich mich vom „äußerlichen Klimbim (Rituale, Formeln, Alltags’vorschriften‘)“ befreien soll. Schwups, so kann man das über zwei Jahrtausende reichende Ringen in meiner Religion, wie Tradition und Gegenwart miteinander zu verbinden sind, auf einen Schlag entsorgen! Auch Beitz geht es darum, „die in Kirchen, Institutionen, Gremien, Medien etc. organisierte und verfestigte – und damit auf politischen und wirtschaftlichen Machterhalt und -ausweitung ausgerichtete – Religiosität in ihre Schranken zu weisen“. Nicht etwa die gegen die freiheitliche Grundordnung oder die Rechte anderer gerichteten Bestrebungen will Beitz „in Schranken zu weisen“, sondern die organisierte Religiosität an sich.

    Solches „Freiheitsverständnis“ hat eine unsägliche Rolle in der europäischen Geschichte der Judenemanzipation gespielt. „Dem Juden alles, den Juden nichts“, hieß es in der Französischen Revolution (Heinrich kann wahrscheinlich nachtragen, wem das Zitat zuzuordnen ist. Als „Preis“ für die bürgerlichen Rechte sollten also Juden ihr Judentum aufgeben, sich assimilieren, eigene Gebräuche aufgeben und die Religion höchstens nur noch als private „Konfession“ verstehen. Gegen den Antisemitismus hat die Anpassung, die gerade das deutsche Judentum vorbildlich geleistet hat, überhaupt nicht genutzt. Ich kann Heinrich nur zustimmen, dass es absurd ist, wenn „ausgerechnet die Söhne und Enkel von Massenmördern meinen, an ihrem aufgeklärten deutschen Wesen müsse die Welt genesen“. Genauso absurd ist es, wie Michael Beitz Muslimen Ratschläge zur Modernisierung ihrer Religion zu geben und im gleichen Atemzug zu behaupten: „In den Augen gläubiger Muslime sind Ungläubige ganz einfach unmoralisch, obszön, schmutzig.“ Sind also Muslime, die ein anderes Verständnis des Islam haben (Beitz gibt ja zu, dass es solche gibt), nicht nur in den Augen der islamischen Fundamentalisten, sondern auch im Urteil deutscher Atheisten „ungläubig“?

    Können wir nicht im 21. Jahrhundert endlich akzeptieren, dass in einer säkularen freiheitlichen Gesellschaft zum Grundrecht auf Meinungs- und Religionsfreiheit auch gehört, sich zur Ausübung dieser Rechte gemeinschaftlich zu organisieren und seine Weltanschauung gemeinsam mit Gleichgesinnten auch öffentlich zu vertreten, sofern damit andere Rechte (oder Rechte anderer) nicht berührt werden?

  36. Kopftuch und auch Burka wären für uns Europäer viel leichter zu ertragen, hätten nicht unter uns lebende, fanatisch verblendete muslimische Verbrecher, die Terroranchläge am 11.09.2001 und folgende begangen.
    Es war ein Schock für die westliche Welt, der tief sitzt.

    Unsere Truppen stehen aus diesem Grunde noch immer in Afghanistan.

    Auch die Zustände in Neuköln, wie von der Richterin Kirsten Heisig beschrieben, lassen Gedanken an Toleranz schlecht aufkommen.

    Es ist nunmal der dumpfe religiöse Glauben, der Unheil über die Menschen brachte und noch bringt.

  37. @ maderholz
    Puh, bei Ihrem Kommentar stockt einem ja fast der Atem.
    Unfassbar wie bei Ihnen die Anti-Islamismus-Propaganda eingeschlagen hat und wie überzeugt Sie davon zu sein scheinen, dass der Westen gut und der Islam böse ist.Man könnte meinen, Sie hätten nichts von all dem gelesen, was hier im Blog zu dieser Thematik schon alles geschrieben wurde.
    Aber vielleicht erinnern Sie sich ja wenigstens noch wie bis zum Zusammenbruch der Sowjetunion gepredigt wurde, wie böse der Ost-Kommunismus und wie gut und moralisch-überlegen die westlichen Demokratien doch sind. Na, erkennen Sie das Muster?
    Mit Ihrem Schlußsatz setzen Sie Ihren Fehleinschätzungen dann noch die Krone auf:
    „Es ist nunmal der dumpfe religiöse Glauben, der Unheil über die Menschen brachte und noch bringt.“
    War Hitler denn nach Ihrem Verständnis etwa ein „religiös Gläubiger“???

  38. Sehr geehrter Herr Müller,
    Sie möchten gerne etwas Konkretes von mir hören. Nun, zuerst sollte erkannt werden, dass beliebiges religiöses Verhalten in der Öffentlichkeit eben nicht jedermanns Privatsache ist. Wir sollten nicht mehr achselzuckend wegschauen, wenn die Völker völligen Unsinn und Unvernunft (siehe Beispiele ganz oben, K.Napp, Abs. 12) als religiöse Wahrheiten und als den Willen Gottes von Kindesbeinen an lernen und glauben sollen und Personen sich dementsprechend verhalten.

    Religionsfreiheiten darf es daher nur für Religionen geben, die einer unabhängigen Überprüfung standhalten, ob
    a) der Glaube vernünftig ist, zumindest nicht blinder Irrationalität zuträglich ist, b) der Glaube Andersgläubige gleichwertig anerkennt, c) die Götter keine Opfer, Gebete, Wallfahrten und Kriege, pp., f o r d e r n (sondern tätige Liebe gegenüber aller Schöpfung und das pazifistische Stiften von Frieden), sowie d) ob den Gläubigen auch intern das Recht zugestanden wird, frei auf ihren eigenen Wegen Gutes und Glück zu finden, sowie schadlos Glaubenskritik zu üben. Kritik, die die religiöse Führung im offenen Dialog zu beantworten hat.

    Diese Standards können und müssen wir zu Recht jeder Religion abverlangen. Wenn wir uns zu diesen Änderungen in der freien Welt nicht überwinden und rechtzeitig auf den Weg machen, werden wir unausweichlich mit viel Blut und Schmerz dafür zahlen müssen.

    Verstehen Sie mich bitte richtig: Ich bin nicht gegen Glaube und Religion, aber für deren Anpassung an das moderne gesicherte Wissen. Danach bleibt immer noch mehr als genug religiöser Glaube und wünschenswerte menschliche Führung übrig.

    Und wenn Sie mich fragen, wie man so etwas durchsetzen kann: Am Geldbeutel der nationalen religiösen Führer und Institutionen. Wer inakzeptable Inhalte weiter verbreitet wird arm! Er haftet persönlich, abgestuft bis zum völligen Ruin. Bei konsequenter Umsetzung werden wir sehr schnell Religionen haben, die den Menschen wirklich Gutes lehren. Und sie werden sich immer noch genügend voneinander unterscheiden. Der Einzelne mag sich für seine Religion völlig aufopfern und sogar sein Leben geben. Als Ganzes sind die Religionen aber käuflich und passen sich immer den Gegebenheiten an, wenn es nicht anders geht. Gibt man ihnen Macht, werden sie unerträglich; nimmt man ihnen Macht, sind sie plötzlich äußerst anpassungsfähig und devot!

  39. Das sind ja schreckliche Aussichten!! Rigorose Forderungen „nur das Gute“ – was auch immer das sein mag – das verkaufen doch alle Religionsführer – führen seit Menschengedenken zu schrecklichen Kriegen und Metzeleien. Sie unterschätzen das allzu Menschliche und die geheime Freude an Machtspielen, gerade den Willen zur Macht. Sie wären dann der jüngste Sektenführer. Die Welt krankt doch an denen, die immer wissen, was richtig ist!

  40. Wenn ich sowas lese, denke ich auch dass die „Religionsvertreter“ eigentlich nicht besser sind als die Gläubigen. „Anpassung an das moderne gesicherte Wissen“? Was ist denn das? Es gibt kein modernes gesichertes Wissen. Es gibt nur einen Haufen Theorien die zwar recht wahrscheinlcih sind, so wie die Evolutionstheorie, und für die viele Indizien sprechen, aber gesichert ist was anders – nämlich „Ich weiß, dass ich nichts weiß“. Jedenfalls wenn man ehrlich ist. Nehmen Sie Urknall, Weltklima, freier Wille. Alles nur Theorien. Nirgends absolute Sicherheit und auf dieser Ebene ist vieles an der modernen Wissenschaft eben mit dem Glauben vergleichbar. Schon mal was vom Higgs-Boson gehört? Das soll ein Elementarteilchen sein, das in den Modellen vorhergesagt wird. Am Cern wollen sie danach suchen. Wenn es gefunden wird, wird es nur noch mehr Fragen aufwerfen, da dürfen Sie sicher sein Herr Alter. Und dann wollen Sie eine Reli-Prüfungskommission gründen oder was? So eine Art Gewissenstribunal? Na denken Sie den Gedanken mal zu Ende, wohin das wohl führt.
    Ich sage es nochmal: Karl Napps Gedanken sind eigentlich nicht religionskritisch. Karl Napp will eigentlich nur in Rueh gelassen werden. Wenn er woran Kritik übt, dann an den gesellschaftlichen Zuständen. Wir müssen irgendwie die Probleme mit den Ghettos in den Griff kriegen, dann werden die Probleme mit Kopftüchern und Burkas in zehn oder zwanzig Jahren erledigt sein.
    Aber von Herrn Beitz wüsste ich gern was er denn tun will. “Wat dem eenen sin Uhl, is dem annern sin Nachtigall”. Na gut. Genauso sinnlos kann man sich über das Wetter beklagen.

  41. Entschldigung, der erste Satz muss lauten:

    Wenn ich sowas lese, denke ich auch, dass die „ReligionsKRITIKER“ eigentlich nicht besser …“

  42. @ maderholz

    Leben Sie denn in Neukölln oder lesen Sie nur darüber? Was Kirsten Heisig in ihrem Buch beschreibt, ist aus der Perspektive einer Jugendrichterin geschrieben, die es mit jungen Straftätern zu tun hatte, sie beschreibt nicht das normale soziale Leben Neuköllns.
    Und vielleicht lesen Sie noch mal den Beitrag von @ Markus Dehnerle am 4. August 2010, der den trutzigen Rückzug von Jugendlichen in eine vermeintliche Religosität m.E. ganz gut beschreibt.

    Ich fürchte ich nicht vor dem Islam, sondern eher vor einer Gesellschaft, die sozial auseianderdriftet. Aber das ist hier ja nicht das Thema.

  43. „Herrgottnochmal!“ möchte ich überzeugungswidrig als christlich-abendländisch geprägter Atheist ausrufen – vorrangig mit Blick auf Anna und Abraham. Wann hören Sie endlich auf, trotz mehrfacher gegenteiliger Beteuerungen meinerseits, mir weiterhin zu unterstellen, ich wolle irgendjemand irgendetwas verbieten. Drücke ich mich wirklich so unverständlich aus, dass „ich möchte nicht“ und „ich wünsche mir“ nicht in ihrer Bedeutung erkennbar sind? Ich beschreibe damit einerseits ein Unbehagen mit der aktuellen Situation und andererseits ein (vermutlich tatsächlich diffuses) Bild eines fortentwickelten Zustands.

    Im Gegensatz zu den hier gemachten Unterstellungen, _ich_ wähne mich im Besitz der endgültigen Wahrheiten, wird wohl eher umgekehrt ein Schuh daraus. Gerade die bereits angesprochenen monotheistischen, abrahamischen Religionen – im Grunde verfeindete Brüder, die sich gegenseitig nicht die Butter auf dem Brot gönnen aber gemeinsam gegen Dritte Front machen – erklären uns doch, _sie_ seien im Besitz der ewigen Wahrheit.

    Wenn _ich_ sage, ich möchte den Einfluss der OR („Organisierte Religiosität“) zurückdrängen, werde ich zum „Hassprediger“ abgestempelt. Abraham seinerseits begründet schulischen Religionsunterricht damit, dass dieser maßgeblich zur „Mäßigung“ der Religion beiträgt, also den Einfluss von Fundamentalisten einhegt. _Er_ allerdings wird als besonnen und differenziert argumentierend hingestellt. Im Grunde bestätigt er damit meine Meinung und Erfahrung, die OR kümmere sich hauptsächlich um den Zugewinn an eigener Macht und müsse eingehegt werden.

    Die Gleichsetzung des Einwirkens von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden auf das gesellschaftliche Leben mit dem Einwirken der OR finde ich interessant. Bedeutet dies doch: es handelt sich in beiden Fällen um Lobbyarbeit einer abgegrenzten gesellschaftlichen Gruppe, die für ihr jeweiliges Klientel das Maximum herausschinden will – und zwar in der Regel zu Lasten anderer.

    Allerdings wird nur die OR durch den § 166 StGB („Gotteslästerung“) in Schutz genommen:

    „(1) Wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
    (2) Ebenso wird bestraft, wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) eine im Inland bestehende Kirche oder andere Religionsgesellschaft oder Weltanschauungsvereinigung, ihre Einrichtungen oder Gebräuche in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.“

    Bronski, übernehmen Sie! Vielleicht sind meine Beiträge ja „geeignet“, den öffentlichen Frieden zu stören?!

    2007 wurde in Bayern anläßlich der Comic-Serie „Popetown“ sogar eine Verschärfung des § 166 StGB angedacht. Eine Strafverfolgung sollte nicht erst dann erfolgen, wenn Religionsbeschimpfungen den öffentlichen Frieden stören, sondern bereits dann, wenn sich jemand dadurch in seiner religiösen Auffassung eingeschränkt fühlt. Zum Glück kam es nicht zu dieser Verschärfung. Und nach langwierigen Diskussionsprozessen konnte auch aus der Europäischen Verfassung die Invocatio Dei, der Gottesbezug, herausgehalten werden.

  44. Gott sei Dank Herr Beitz, Ihrem letzten Satz kann ich nur aus vollstem Herzen zustimmen. Da hat man auf der europäische Ebene wohl schon erkennt dass unsere zukunft multireligiös ist.

  45. „Können wir nicht im 21. Jahrhundert endlich akzeptieren, dass in einer säkularen freiheitlichen Gesellschaft zum Grundrecht auf Meinungs- und Religionsfreiheit auch gehört, sich zur Ausübung dieser Rechte gemeinschaftlich zu organisieren und seine Weltanschauung gemeinsam mit Gleichgesinnten auch öffentlich zu vertreten, sofern damit andere Rechte (oder Rechte anderer) nicht berührt werden?“

    NEIN!

  46. @ Markus Dehnerle #42

    „Aber von Herrn Beitz wüsste ich gern was er denn tun will. “Wat dem eenen sin Uhl, is dem annern sin Nachtigall”. Na gut. Genauso sinnlos kann man sich über das Wetter beklagen.“

    Wenn Sie mit der Frage, was ich denn tun will, darauf abzielen, ob ich eine Antwort auf die in diesem Blog angeschnittenen Fragen und eine umfassende, gerechte, verfassungskonforme usw. usw. Lösung für die beschriebenen Probleme habe, kann ich Ihnen nur ein entschiedenes „Nein oder eventuell doch ein bisschen vielleicht!“ entgegenrufen.

    Ich fange gerade erst an, einen ungefähren Eindruck davon zu bekommen, wie sich die OR in unserer Gesellschaft, bis in die letzten Winkel, eingenistet hat.

    Eine Abschaffung des §140 GG (als Überleitung diverser Artikel aus der WRV) wird schwierig werden, da dafür eine 2/3-Mehrheit des Parlaments nötig ist. Eine Aufkündigung der Konkordate auf Länderebene wird schwierig, da sich die Volksvertreter mit der Feundschaftsklausel haben einwickeln lassen. Evtl. ist auf kommunaler Ebene eine Entflechtung eher möglich. Siehe dazu auch
    http://www.fr-online.de/frankfurt/gotteshaeuser-verschlingen-unsummen/-/1472798/4530162/-/index.html

    Dann gibt es das weite Feld der sog. „Körperschaften des öffentlichen Rechts“, des auf einfachen Rechtsverhältnissen beruhenden sog. „Privilegienbündels“, des einfachen Steuerrechts, der einfachen – nicht vertraglich abgesicherten – Haushaltstitel usw..

    Also als einfacher Bürger hat man mit diesem ganzen Kram schon so seine Malässe, das ist hard stuff. Erfreulicherweise setzt unsere Verfassung keine vertieften Kenntnisse in Staats(kirchen)recht, Haushaltsrecht, Theologie, Politik, Soziologie, Volkswirtschaft oder überhaupt irgendwelche Kenntnisse voraus, um sich ein Urteil zu bilden, sich zum Gemeinwesen zu äußern und an seiner Gestaltung mitzuwirken.

    Aber dass der Weg über den Geldbeutel der OR gehen muss, ist für mich offensichtlich.

    Was ich sonst noch tue bzw. tun will, schreibe ich später. Zumindest habe ich die Hoffnung, dass mein Einfluss auf mein gesellschaftliches Umfeld doch ein wenig größer ist als mein Einfluss auf Wetter und Klima. 😉

  47. Sind das nicht eher medial – z. B. dank bestimmter Journalisten – aber auch durch die Politik Verängstigte?

  48. Mannomann, antifaschist, nun kommen Sie mal wieder auf den Teppich, von dem Sie so mutig heruntergesprungen sind! Bärenstark, wie Sie hier nasses Löschpapier zerreissen.

    Gehören Sie vielleicht zu der Generation, die nur noch fünf Begriffe zum Ausdruck Ihres Befindens kennen – „cool!“, „geil!“, „krass!“, „isch hasse disch!“ und „fick disch ins knie, du wixxä!“?!

  49. @ Michael Beitz
    1. Das deutsche Staatskirchenrecht ist, wie jedes Recht, das Ergebnis einer historischen Entwicklung. Darüber, ob es (bestimmte) Religionsgemeinschaften unzulässig privilegiert, können wir diskutieren. Manche Ihrer Kritikpunkte teile ich sogar, trotzdem bin ich der Meinung, dass das deutsche Modell das Verhältnis von Staat und Religion im Ergebnis gar nicht schlecht im Sinne eines „Gesellschaftsfriedens“ regelt. Gerne bin ich bereit, dies im Einzelnen zu begründen und habe es im FR-Blog (z.B. in Bezug auf den schulischen Religionsunterricht) schon mehrfach getan. Sicherlich sind auch andere Modelle möglich, z.B. das der USA mit strikter Trennung von Religion und Staat. Dort gibt es keine Körperschaftsrechte für die Kirchen, keine Kirchensteuer, keine Staatsgelder für Religion, striktes Verbot von schulischem Religionsunterricht, kein Strafrechtsparagraph gegen „Religionsbeschimpfung“ und auch sonst nichts von dem, womit sich Ihrer Meinung nach die „organisierte Religiosität in unserer Gesellschaft, bis in die letzten Winkel, eingenistet hat“. Trotzdem ist in den USA der Einfluss der Religionen auf die Gesellschaft und Politik weit stärker (und z.T. problematischer) als in Deutschland.
    2. Was nicht zur Disposition steht, sind die Grundrechte. Zu diesen zählt auch das Recht auf politische Betätigung, auch in einer Gemeinschaft. Dieses kann nur durch das Bundesverfassungsgericht eingeschränkt werden, wobei aktives Eintreten gegen die Grundordnung nachgewiesen werden muss. Sie mögen politisches Engagement als „Lobby“ abtun, für mich ist es das Wesen einer Zivilgesellschaft, dass Bürger ihre Interessen vertreten und dass bei widerstreitenden Interessen ein Ausgleich gesucht wird. Ich weiß nicht, woher Ihre Angst vor Religion in der Politik und Gesellschaft kommt. Ich finde es das gute Recht der Kirchen, sich zu Harz IV, zur ethischen Fragen der Medizin oder zur Abtreibung zu äußern. Einen Teil der Forderungen der christlichen Kirchen kann ich aus meiner religiösen Überzeugung unterstützen, in einigen Fragen bin ich gänzlich anderer Meinung. Auch innerhalb der christlichen Religionsgemeinschaft gibt es unterschiedliche Meinungen. Ich habe in politischen Parteien, bei Amnesty International, in Flüchtlingsinitiativen oder in Umweltverbänden viele Menschen kennengelernt, die aus ihrer religiösen Überzeugung handeln – meiner Meinung nach zum Nutzen der Gesellschaft.
    3. Ihre Vorstellung von Religion scheint mir sehr wenig mit der Lebenswirklichkeit zu tun haben. Die meisten Religionsgemeinschaften und die meisten ihrer Mitglieder akzeptieren heute, trotz theologischer Differenzen, weitgehend Pluralität der Bekenntnisse und Religionen (nach außen meist leichter als nach innen).

  50. @ Hans-Georg Alter
    Ihre Vorstellungen öffnen den Weg zur Unterdrückung der Meinungsfreiheit. Genau nach diesem Muster handeln Diktaturen oder autoritäre Regierungen, um sich Kritiker vom Hals zu halten. Ihre Vorschläge sind eindeutig verfassungswidrig!

  51. @ Michael Beitz (Nachtrag)

    Meines Wissens ist nach dem § 166 StGB (”Gotteslästerung”) zuletzt in den 80er Jahren ermittelt worden, und zwar gegen Herbert Achternbusch wegen seines Films „Das Gespenst“. Zu einer Anklage kam es nicht. Die von Ihnen erwähnte Initiative der CSU zur Verschärfung des § 166 ist abgeblasen worden, bevor sie überhaupt konkretisiert wurde.

  52. @ Bronski

    Ich habe den Begriff „Islamhasser“ auch nicht auf mich persönlich bezogen, zumal ich sowieso niemanden „hasse“. In diesem Blog ist mir bisher jedenfalls kein Islamhasser untergekommen, insofern frage ich mich, wenn antifaschist überhaupt gemeint hat. Vielleicht hätten Sie Ihren mahnenden Zeigefinger zunächst gegen antifaschist erheben sollen?

    Dieses „Isch hasse Broccoli!“, „Isch hasse Lederschuhe!“, „Isch hasse Moslems!“ usw. kenne ich im Grunde nur aus der Jugendsprache und dem, was Harald Schmidt mit „Unterschichtenfernsehen“ bezeichnen würde. Dass man Broccoli nicht mag oder eklig findet, dass man Lederschuhe hässlich, unbequem oder zu teuer findet, dass man Moslems nicht leiden kann oder (diejenigen, die man kennt) nervig findet – gebongt.

    Aber ich habe es satt, ständig den geschwungenen Keulen Antisemit, Ausländerfeind, Islamhasser, Christenfresser, Verfassungsfeind, Hassprediger, Vaterlandsverräter, Linke Zecke, Blockwart, Stasi und dergleichen zu begegnen.

  53. @ Michael Beitz

    Antifaschist ist immerhin nicht persönlich geworden, während Sie die Keule rausgeholt haben. Er scheint es nicht persönlich zu nehmen, sonst hätte er sich wohl gemeldet. Nun ja. Es wäre nicht das erstemal, dass dieses Blog solche Stürme erlebt.

  54. @ Abraham

    Ich habe nicht alle Ihren früheren Blogbeiträge gelesen, sondern bin gerade mal ein paar Tage dabei. Insofern kann ich mich auf deren Inhalt auch nicht beziehen.

    Momentan komme ich mir wieder vor wie damals in der Schule beim Schreiben eines Besinnungsaufsatzes. Ich habe eine Meinung, stoße bei der Stoffsammlung aber auf eine derartige Fülle von Material, dass ich fast mit Nina Hagen trällere „Ist alles so schön bunt hier, ich kann mich garnicht richtig entscheiden!“.

    Gerade fällt mir die Sinnverschiebung im letzten Nebensatz auf – je nachdem ob man _richtig_ oder _entscheiden_ betont.

    Bei meinen Überlegungen bin ich übrigens auch an den Punkt gekommen, den Sie mit Hinweis auf die USA angesprochen haben. Ja, wenn ich an den bible belt denke, an militante Abtreibungsgegner, an Anti-Obama-Kampagnen usw., dann wird mir angst und bange.

    So strikt scheint mir die Trennung von Kirche und Staat dann allerdings doch nicht zu sein, trägt die US-Währung doch den Aufdruck bzw. die Prägung „In God We Trust“. Das Auge der Vorsehung würde ich ebenfalls dazu zählen. Auch in der Nationalhymne kommt dieser Gottesbezug vor.

    Auch das GG ist da etwas widersprüchlich. Mir scheinen die Präambel „Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen“ und die Neutralitätspflicht des Staates zu kollidieren. Sicher gibt es dazu auch wieder eine Menge Lesestoff, in dem diese Frage abgehandelt wird, aber ich habe ja auch noch einen ganz normalen Alltag zu bewältigen.

  55. @Michael Beitz

    Der Antifaschist hat ja auch bloss eine Frage gestellt, die Antwort ist „Nein“.

  56. @ Bronski

    Unter einem „anspruchsvollen“ Nickname eine Generalbeleidigung „Islamhasser“ in die Runde zu werfen, finde ich den Diskutanten gegenüber genauso inakzeptabel, wie der FR zu unterstellen, sie (also Sie, Bronski) sei entweder zu blöd, derlei Islamhasser zu erkennen oder zu feige, ihnen das Wort zu entziehen. Also wenn das keine Keule ist!

    Ich hätte natürlich auch formvollendeter schreiben können:

    „Werter antifaschist!

    Jetzt übertreiben Sie aber. [=bleiben Sie auf dem Teppich]
    Sie finden Ihre Diffamierung wohl toll? [=bärenstark!]
    Sie machen sich nicht einmal die Mühe, eine Begründung zu geben. [=nasses Löschpapier zerreissen]
    Ihr Verhalten finde ich unangemessen, unzulässig vereinfachend und ein wenig pubertär. [=Gehören Sie zur Generation,…]“

  57. @ BvG

    Naja, „Vorsicht FR“ hört sich nicht so ganz nach Frage an. Und was eine rhetorische Frage ist, also so eine Art kandierte Giftpille, muss ich Ihnen ja nicht erklären. 🙂

  58. @Michael Beitz

    Ich hätte auch fast dasselbe geschrieben wie Sie, bezüglich des „anspruchsvollen Nicknames“.
    Solche pauschalen Anwürfe sind nur einer pauschalen Antwort wert.

  59. @ 38, Anna,

    da haben Sie mich aber erschreckt ! Musste meinen Text nochmal ganz langsam nachlesen.

    Was ist daran so schlimm ?

    Die Ereignisse ab dem 11.09.01 haben doch nachhaltig die Welt verändert.

    Ich habe von meinen Worten keines wegzunehmen.

    Zu Ihrer Frage : Ich halte A.H. nicht für einen tiefgläubigen religiösen Menschen.
    (Er war von einem anderen „Glauben“besessen.)

  60. Liebe(r) maderholz,
    „Ich halte A.H. nicht für einen tiefgläubigen religiösen Menschen.
    (Er war von einem anderen “Glauben”besessen.)“
    Na, sehen Sie, es war also kein dumpfer, RELIGIÖSER Glaube, der hier Unheil über die Menschen gebracht hat, sondern ganz im Gegenteil: Den jüdisch-gläubigen Menschen wurden vom NS-Regime böswillige und negative Eigenschaften zugeschrieben und angedichtet, was dann als Vorwand und Rechtfertigung für deren Ausgrenzung, Verfolgung und Ermordung diente.
    Natürlich hat „9/11“ ein Schock ausgelöst. Aber statt daraus Konsequenzen für eine gerechtere und friedensstiftende Nahostpolitik zu ziehen, wurde dieses Ereignis vom Westen – unter Führung der USA – benutzt, um selbst die Kriegstrommeln zu rühren und im Zuge dessen „den Islam“ als „evil“ zu diffamieren, in dem immer und immer wieder von den Barbereien fanatischer Islamisten berichtet wurde.
    Wie gut dieses Bild angekommen ist, kann man eben auch daran erkennen, wie stereotyp und irrational Kopftücher, Minarette und Burkas interpretiert und beurteilt werden.
    Auch Ihr Verweis auf Frau Heisigs Buch legt nahe, dass die muslimische Bevölkerung Neuköllns einfach nicht anders als gefährlich und gewalttätig einzuschätzen sei. Ich habe das Buch zwar selber nicht gelesen, habe den Rezensionen aber entnommen, dass Kirsten Heisig die hohe Kriminalitätsrate und Gewaltbereitschaft unter arabisch- und türkischstämmigen Jugendlichen vor allem auf eine verfehlte Integrationspolitik sowie auf die Trägheit und die Versäumnisse der deutschen Behörden und Gerichte zurückführt.
    I. Werners Empfehlung dazu Kommentar # 14 von Markus Dehnerle zu lesen kann ich nur unterstützen.
    Freundliche Grüße
    Anna

  61. Liebe Anna,
    ich nehme mal an, die Anrede ist richtig, so muss ich mich wohl als einen „ER“ outen.

    Ich behaupte doch nicht, dass a l l e s Unheil dieser Welt n u r aus dem Religiösen kommt, aber doch sehr viel!

    Die Masse Mensch lässt sich eben leicht manipulieren. Ein gutes (?) Beispiel ist für mich der Zerfall Jugoslawiens. Über Generationen friedlich, dann auf einmal ging das nicht mehr.

    Ich muss zugeben, dass ich mir meine Meinung nur aus ein paar Presseorganen, politischen Sendungen und verschiedenen Nachrichtensendungen machen kann.

    Woher sollte ich sie mir denn sonst bilden?
    Ich kann ja nicht überall selbst „vor Ort“ sein – so schön das manchmal auch wäre.

    Wie wir in Europa mit dem vertrackten „Istzustand“ umgehen sollen, darum wird doch überall gerungen.

    Eine allseits zufrieden stellende Lösung sehe ich leider nicht.

    Freundlichen Gruß

    maderholz

  62. Vorbemerkung: mangels einer anderen Bezeichnung wähle ich für Kirchen, Religionsgemeinschaften, religiöse Verbände usw. den Begriff OR – organisierte Religion und organisierte Religiosität. Also die kristalline, organisierte, in Strukturen verfestigte Form des individuellen Glaubens und dessen Äußerungen in der Öffentlichkeit. Ein Teil der gegenseitigen Verständnisschwierigkeiten ist vermutlich auch der Tatsache geschuldet, dass es keine algemeinverbindliche Definition dessen gibt, was unter „Glaube“, „Religion“ etc. zu verstehen ist.

    Ich kämpfe im Moment mit folgenden Fragen:

    1. Wie weit regiert der Staat in die OR hinein und wie weit bedient er sich ihrer?
    2. Wie weit regiert die OR in den Staat hinein und wieweit bedient sie sich seiner?

    3. Wie weit regiert die Gesellschaft in die OR hinein und wie weit bedient sie sich ihrer?
    4. Wie weit regiert die OR in die Gesellschaft hinein und wieweit bedient sie sich ihrer?

    5. Wie weit regiert die OR in das Leben des Einzelnen hinein und wie weit bedient sie sich seiner?
    6. Wie weit regiert der Einzelne in die OR hinein und wie weit bedient er sich seiner?

    7. Wie weit wollen wir als Einzelne, als Gesellschaft, als Staat dies zulassen?

    Das GG sollte einen Teil der Fragen beantworten können. Allerdings ist mir persönlich die Sonderrolle, die das GG der Religion in Art. 4 GG einräumt, etwas suspekt. In Artikel 2 Abs. 1 GG finden wir:

    „Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.“

    In der Realität wird dieses Grundrecht natürlich auf die vielfältigste Weise eingeschränkt. Sie dürfen sich nicht nackt und nicht vermummt im öffentlichen Raum bewegen, Sie dürfen ihr Haus nicht in jeder beliebigen Farbe anstreichen, Sie müssen eine vorgegebene Dachneigung einhalten. Das Versammlungsrecht und Gesetze über die Öffentliche Ordnung etc. legen Ihnen jede Menge Beschränkungen auf.

    Ob das Tragen von Burka, Schador, Hijab oder Kopftuch usw. über das „Sittengesetz“ [1] Einschränkungen unterworfen werden kann/darf/soll, muss zunächst jeder für sich beantworten. Ob eine Volksbefragung klären könnte, was die Bevölkerung über dieses Thema denkt?

    [1] Wikipedia: „Das Sittengesetz ist keine ausformulierte, schriftlich niedergelegte Norm, sondern ein Ausdruck dessen, was in der Allgemeinheit und dem allgemeinen Rechtsempfinden nach, d.h. der Mehrheit der Menschen einer Gemeinschaft, als sittengemäß bzw. anstößig gilt. Insofern wird es als eine quasi kollektive Übereinkunft darüber, was für das Zusammenleben gesitteter Wesen verbindlich sein soll, stark durch die Ansichten der Gesellschaft und die dort vorherrschenden Moralvorstellungen geprägt. Es ist also einem steten Fluss unterworfen.“

    Artikel 3 Abs. 3 GG besagt:

    „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.“

    (Den Rassenhinweis übersehen wir einmal. Zur Zeit des „Beitritts“ war allerdings schon bekannt, dass es keine Menschenrassen gibt. Wenn man das GG für irgendwelche organisatorischen Fragen der Arbeitsverwaltung ändern kann, hätte man diesen Unsinn ja auch ändern können.)

    Ob mit „Niemand“ nur der Einzelne, oder gleich auch entsprechende Vereinigungen gemeint sind, weiss ich nicht. Man denke auch an Bestrebungen, Deutsch als Staatssprache ins GG aufzunehmen. Ist eine Unterscheidung der hier im Lande Lebenden in Inländer und Ausländer gemäß dieses Artikels überhaupt zulässig? Darf man Abgeordnete einer politischen Partei (oder gar gleich die Partei insgesamt) überwachen, diejenigen anderer Parteien jedoch nicht?

    Wozu nun die besondere Heraushebung in Artikel 4 GG?

    „(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und
    weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.
    (2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.“

    „Die Gedanken sind frei“, ebenso mein Glaube und mein Gewissen – allenfalls deren Umsetzung in konkretes Handeln kann man mir untersagen. Eines solchen Hinweises im GG hätte es eigentlich nicht bedurft. Vielleicht ist das nicht bei allen Glaubensrichtungen (weltlichen wie religiösen) so.

    Da das GG eine Unterscheidung zwischen „Bekenntnis“ und „Religionsausübung“ macht, scheint mir klar, dass mit „Bekenntnis“ nicht das öffentlich-propagandistische Eintreten gemeint ist.

    Nach meiner Meinung bedeutet aber auch „ungestörte Religionsausübung“ nicht, dass jeder Gläubige seinen Glauben zu jeder Zeit, an jedem Ort, in jedem Umfang und jeder Dauer, sowie in jeder Form ausüben können muss.

    Nehmen wir an, wir erleben eine Einwanderungswelle aus Lunatien. (Dort ist die Lunatische Kirche übrigens Staatsreligion und duldet keine anderen Religionen.) Die eingewanderten Lunatiker fordern nun u.a., dass sie ihrem religiösen Kult ungestört nachgehen dürfen: in Vollmondnächten – die genaue Uhrzeit , die ebenfalls vorgeschrieben ist, habe ich vergessen – sollen sie das Lied „Guter Mond, du gehst so stille…“ [2] auf der Straße, das Gesicht zum Mond gerichtet, mindestens dreimal hintereinander inbrünstig singen. In Neumondnächten müssen sie, ihrem Glauben entsprechend, den Mond anheulen.

    Sie verlangen lunatischen Religionsunterricht, lunatisch behandeltes Wasser (ähnlich wie homöopatisch geschüttelte Lösungen) in öffentlichen Schwimmbädern und lunatische Lebensmittel (ein komplexes, mondphasenabhängiges System von Pflanzung, Ernte und Verarbeitung). Und für Frauen gelten spezielle, lunatische Menstruationsvorschriften (Zyklus=Mondzyklus), die durch Tragen eines rosa Seidenschals zu bezeugen sind.

    Und nu?

    [2] http://www.volksliederarchiv.de/text505.html

  63. Zu 53/Abraham

    Wäre es wirklich verfassungswidrig und diktatorisch, allen Religionen abzuverlangen, dass sie ihre Gläubigen nicht

    a) zu blinder Irrationalität anleiten dürfen, b) sie nicht anweisen dürfen, Andersgläubige als ungleichwertig anzusehen, c) sowie Opfer, Gebete, Wallfahrten und sogar Kriege führen zu m ü s s e n, um den Göttern zu gefallen, und d) ihren Anhängern nicht zu erlauben, intern das Recht zu haben, frei auf ihren eigenen Wegen Gutes und Glück zu finden, sowie schadlos Glaubenskritik zu üben?

    Wäre das Unterdrückung der Meinungsfreiheit? Oder diktatatorisch, um sich Kritiker vom Hals zu halten? Ich halte es für selbstverständlich, dass Religion diese Minimalstandards zu erfüllen hätte.

    Oder werden Religionsführer etwa öffentlich verlangen, dass ihre Anhänger möglichst unmündig sein sollen, Andersgläubige verfolgen sollen, mundtot sein sollen und unfrei, selbst zu entscheiden, ob sie als Gläubige bereit sind, beten, wallfahren und opfern zu wollen? Natürlich wollen und haben Religionen genau das ihren Anhängern schon immer angetan, aber ob sie es wohl heute überall ganz offen zugeben werden?

    Man kann darüber streiten, wie Religionen daran gehindert werden können, den Menschen irreparable und inakzeptable Schäden zuzufügen (ich meine, es geht über den Geldbeutel am besten), aber dass es richtig wäre, sie daran zu hindern, sollte doch außer Frage stehen.

    Zudem bin ich selbst nicht ungläubig und fest überzeugt, dass der Mensch mit einem Glauben, der diese Grundsätze beachtet, sich allemal besser aufstellt und besser lebt, als ohne einen solchen. Mit der Moderne muss und sollte der Glaube nicht sterben, aber vorankommen.

    Die Religionen, wie wir sie kennen, sind die Kinderträume der Menschheit und wenn die Menschheit sich dem Erwachsenenalter nähert, müssen die Kinderträume zerplatzen, wie eine fragile Seifenblase. Das ist zwar schmerzlich, aber wer will schon mit der Kindertraumwelt durch sein ganzes Leben gehen.

    Auf _ a l l e n _ Gebieten muss der moderne Mensch lernen, die Grenzen zu erkennen und einzuhalten – die Grenzen, die das Machbare vom Guten unterscheiden! Denn das Machbare ist in den wenigen Dekaden der Neuzeit, vieltausendfach angewachsen. Vor einhundert, zweihundert und dreihundert Jahren, waren selbst die größten Geister, weit entfernt jeglicher Vorstellung unserer heutigen Welt.

    Die ganze Erde ist in unserer Hand. Gott wird nicht eingreifen, wenn wir sie und uns zerquetschen. Ich schreibe aus guten Beweggründen über die religiösen Grenzen und hoffe es ist noch nicht zu spät.

  64. Schon sehr ermüdend, diese Diskussionen.

    Eine Religion mit Absolutheitsanspruch wird vielleicht am Ende erfahren, daß sie richtig ist, sie wird aber niemals erfahren, ob sie die bessere ist.

  65. @Dehnerle

    „Es gibt kein modernes gesichertes Wissen.“

    Nein, das ist von Ihnen völlig falsch verstanden. Was Sie machen, ist auch hinterlistig, Sie greifen nämlich Hypothesen aus den vordersten Frontgebieten der Wissenschaft heraus, dort, wo die Wissenschaften noch um Beweise kämpft, und lassen dabei das große Hinterland des wissenschaftlich Gesicherten außer acht. Die Wendung „wissenschaftlich gesichertes“ ist außerdem sehr salopp formuliert, denn wenn man sie verwendet, kann es im Einzelfall bestimmter wissenschaftlicher Erkenntnisse durchaus sein, daß diese wissenschaftliche Sicherung nur für bestimmte Bereiche der Welt gilt. So können physikalische Konstanten z.B. nur für den überschaubaren Teil des Kosmos gelten, und auch zeitlich nicht konstant sein usw.

    Das ist aber der grundsätzliche Unterschied der Wissenschaft zu den Religionen: Sie liefert die Einschränkung der Gültigkeit ihrer Aussagen mit, sie macht kein Geheimnis aus ihren Unzulänglichkeiten, d.h. dem Nichtwissen oder der Wissensunsicherheit oder eben der Gültigkeitsbeschränkung in jeder einzelnen ihrer Aussagen, sowie ist auch jederzeit offen für Erweiterung, Vertiefung oder Neuordnung, während Religionen ganz anders vorgehen: Sie postulieren einfach bestimmte Sachverhalte, völlig ungeachtet der Frage, ob es Anhaltspunkte für die Existenz solcher Sachverhalte überhaupt gibt, die über „Gefühlserkenntnis“ des Individuums hinausgeht, und ihre Aussagesicherheit hat in den wichtigsten ihrer Postulate als absolut und ihr Gültigkeitsbereich als universell zu gelten, wobei die Postulate jenseits aller Kritikmöglichkeit stehen… ein Unterschied zu den Wissenschaften wie Tag und Nacht.

    Im Licht dieser Tatsachen ist der Vorwurf des „Absolutheitsanspruchs“ an die Wissenschaft reichlich lächerlich. Einen Absolutheitsanspruch kann der Wissenschaft nur derjenige vorwerfen, der zu faul oder zu dumm dazu ist, die vorhandenen Gültigkeitseinschränkungen der wissenschaftlichen Erkenntnisse wahrzunehmen oder zu verstehen.

    Der oft gehörte Vorwurf, Atheisten wären ja irgendwie dasselbe wie Religionsanhänger, sie hätten eben nur eine ganz spezielle „Religion“, die des wissenschaftlichen Weltbildes, ist daher unsinnig. Wissenschaft und Religion stellen prinzipiell so verschiedene Arten der Welterkenntnis dar, daß man sie nicht gleichsetzen kann. Und die Tatsache, daß nicht jeder Anhänger des wissenschaftlichen Weltbildes die wissenschaftlichen Beweisführungen jeder einzelnen aller Aussagen, die im wissenschaftlichen Weltbild gemacht werden, höchstpersönlich selber nachvollzogen hat, also mit anderen Worten auch in vielen Dingen (allein schon aus Zeitgründen) zu „glauben“ gezwungen ist, hat nicht das geringste mit dem religiösen Glauben zu tun, auch hier ist die Gleichsetzung unzulässig. Bei dem, was der Anhänger des wissenschaftlichen Weltbildes glaubt, besteht jederzeit die prinzipielle Möglichkeit, sich mit der wissenschaftlichen Herleitung/Beweisführung, die zu der bestimmten Einzelerkenntnis geführt hat, bekannt zu machen, d.h. vom Zustand des Glaubens in den des Wissens überzutreten; bei dem hingegen, was der Religiöse so glaubt, ist das prinzipiell überhaupt nicht möglich, das muß man halt weiter glauben… oder auch nicht.

    Solcherart Wissenschaftsbashing tropft von der Wissenschaft ab, ihr Denkgebäude ist einfach zu erhaben, eben weil es nicht monolithisch, sondern jederzeit auch (in Teilen) umgebaut werden kann, hinterfragbar ist, weil es ein „Work in Progress“ ist. Religiöse Welterklärungen (d.h. die Teile bzw. Aussagen der Religionen, die einer Welterkenntnis dienen könnten) erscheinen dagegen in ihrer Simpelheit, tja, ich kann es nicht anders sagen, so lächerlich, daß Religionsbashing, was die Frage der Welterkenntnis angeht, nur dann irgendwie seltsam und komisch ist, wenn es ausbleibt.

    Etwas anders gelagert ist der Fall bei den anderen beiden Möglichkeiten der Verwendung von Religion: neben der Welterkenntnis (wo Religion eben eindeutig ein unbrauchbares Werkzeug ist… was man schon daraus ablesen kann, daß sie noch nie zu neuen Erkenntnissen führten, da ihre Weltbeschreibung fertig und abgeschlossen ist und von solcher Art, daß sie keine neuen Welterkenntnisse produzieren KANN) gibt es ja noch die Felder „persönliche Psychotherapie“ sowie „Regelung des gesellschaftlichen Miteinanders durch religiöse Gebote/Verbote/Praktiken usw“. Bei den letzten beiden Verwendungen kann man positive Funktionen von Religionen erkennen, insbesondere bei der Psychotherapie des Einzelnen, z.B. durch die bekannten religiösen Therapien „Lebens-Sinngebung“ oder „Versöhnung mit dem Tod“.

    Oft habe ich den Eindruck, daß Kritik an der Religion als Methode der Welterkenntnis immer auch so verstanden wird, als hätte man gesagt, Religionen wären insgesamt überflüssig und man müsste daher auf ihre Abschaffung hinarbeiten. Es kann schon sein, daß manche Religionskritiker das auch meinen, andere hingegen tun es nicht, man darf da nicht alle in einen Topf werfen.

  66. Zum Glauben erlaube ich mir nochmal eine Frage zu stellen.

    Ein gutes Beispiel fällt mir zum Katholizismus ein.

    Da gibt es Dogmen, also ein „Glaubensmuss“, eine davon lautet : „Maria, die Mutter Gottes ist leiblich in den Himmel gefahren.“

    Zuerst dachte ich, na ja, das konnte man im Mittelalter wohl noch verlangen…

    Sehr erstaunt war ich aber, als ich lesen musste, dass dieser Glaubenssatz 1950 (!) von Papst Pius xxx zum Dogma erhoben wurde!

    Es muss also jeder Katholik, der seinen Glauben ernst nimmt, dieses glauben?

    Und was soll ich kleiner Wicht von hochgestellten Leuten halten, die das zu tun vorgeben?

  67. Bevor Bronski in den Urlaub fährt (gute Erholung!) und die Blogdiskussion unterbrochen wird, noch einige kurze Anmerkungen:

    @ Hans-Georg Alter
    Selbstverständlich gibt es für Religionsgemeinschaften und ihre Mitglieder Grenzen. Diese setzt zunächst unser Rechtssystem, dessen Gesetze alle zu beachten haben, wenn sie es nicht mit Polizei und Justiz zu tun bekommen wollen. Kollidiert die Religionsfreiheit mit anderen Grundrechten, muss eine Abwägung stattfinden, für die als letzte Instanz das Bundesverfassungsgericht zuständig ist, das ist die geübte Verfassungspraxis.

    Die Grundrechte des Grundgesetzes bilden eine Werteordnung, die den Staat bindet. Der einzelne Bürger ist aber nicht zur Werteloyalität verpflichtet, um die Grundrechte in Anspruch zu nehmen, so hat es gestern bei einem Vortrag an der Uni München der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts Prof. Hans-Jürgen Papier formuliert. „Die Verfassung vertraut auf den freien Meinungsaustausch als bestes Abwehrmittel gegen Totalitarismus und Radikalismus“, so Papier.

    Dies gilt meiner Meinung nach besonders für die Auseinandersetzung mit radikalen oder fundamentalistischen Tendenzen, die es wohl nicht nur im Islam, sondern auch innerhalb anderer Religionen gibt. Wo es zu Verstößen gegen Gesetze kommt, sind die Sicherheitsbehörden und die Justiz gefragt. Wo es um die Frage unserer Grundordnung geht, ist eine politische Auseinandersetzung nötig. Diese muss sich aber genauso an der Lebenspraxis und nicht nur an der „Theologie“ orientieren. Deshalb ist eine Fokussierung auf „Symbole“ (wie Kopftuch oder Minarette) wenig sinnvoll, weil diese kaum eindeutig auslegbar sind (wie im nicht religiösem Bereich z.B. der von einem Mann getragene Ohrring). Für das Tragen eines Kopftuchs gibt es viele unterschiedliche Motivationen, die unserer Grundordnung nicht widersprechen. Dass es auch zweifelhafte, dem Gleichheitsgrundsatz widersprechende Begründungen gibt, reicht meiner Meinung nach nicht für ein allgemeines Kopftuchverbot. Keineswegs kann man vom Kopftuch automatisch auf fundamentalistische oder islamistische „Gesinnung“ schließen. Doch selbst bei der Burka, die wohl als Symbol des fundamentalistischen Islam verstanden werden kann, muss man sich fragen, ob ein Verbot, das nicht mit allgemeinen Ordnungsrecht („Vermummungsverbot“) begründet wird, politisch sinnvoll ist. Zur „Befreiung“ der betroffenen Frauen wird es kaum führen.

    Ich halte den „freien Meinungsaustausch“, also eine kritischen Diskurs mit der islamischen Gemeinschaft über die Rolle der Frau für sinnvoller und aussichtsreicher. Verbote führen nur zu einer (falschen) Solidarisierung innerhalb der muslimischen Gesellschaft und helfen den Feinden unserer Gesellschaftsordnung bei ihrer Propaganda, der „Westen“ sei ein Feind des Islam.

    @ BvG
    Auch religiöse Menschen sind in der Lage, sich der Vernunft zu bedienen. Die kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Religion findet statt, auch öffentlich. Von einem Absolutheitsanspruch haben sich die Religionen überall dort, wo sie in der Minderheit sind, längst verabschiedet (das gilt inzwischen auch für die Christen in Europa, die nur noch nominell die Mehrheit bilden). Deshalb gibt es auch einen produktiven interreligiösen Dialog, auch wenn es immer wieder Rückschritte gibt. Leider hat das „einfache Kirchenvolk“ davon wenig mitbekommen (auch die „einfachen“ Muslime nicht), auch aufgrund ihrer oft sehr begrenzten religiösen Bildung.

    @ Max Wedell
    Die Diskussion über Wissenschaft und Religion hatten wir doch im FR-Blog schon mehrfach geführt, so weit ich weiß auch unter Ihrer Beteiligung. Es gibt genügend Menschen, die ihre Religiosität nicht im Widerspruch mit Wissenschaft sehen, und genügend Wissenschaftler, die trotz ihrer Kenntnisse (manchmal auch wegen des Bewusstseins der Grenzen dieser Kenntnisse) nach religiösen Antworten auf die Fragen suchen, die die Wissenschaft nicht beantworten kann. Dies nehme auch ich als Physiker und religiöser Mensch für mich in Anspruch. Mir vermittelt z.B. die Schöpfungsgeschichte der Bibel eine Ahnung des warum, während ich die Evolutionstheorie als verifizierbare Beschreibung des wie sehe.

    @ Heinrich
    Wie habe ich Dein „NEIN“ zu verstehen?

  68. @abraham

    Ok. In der mir eigenen Kurzform habe ich dargestellt, dass es Religionen mit Absolutheitsanspruch heutezutage nicht mehr geben kann, weil diese sich selbst logisch ins Absurde begeben.

    Diese Einsicht begegnet mir auch beim „einfachen Kirchenvolk“, was ich sehr ermutigend finde. Dies unterstreicht den Satz:“Auch religiöse Menschen sind in der Lage, sich der Vernunft zu bedienen.“
    Ich setze hinzu:Auch Menschen mit begrenzter religiöser Bildung sind schon soweit. Das gibt immerhin eine Richtung vor: Glauben heißt auch, wissen zu wollen.

  69. @ Abraham


    – Wie habe ich Dein „NEIN“ zu verstehen?

    Als Antwort auf deine Frage natürlich, wie sonst? Oder würdest du sie etwa, sofern mit dem kollektiven „wir“ die Allgemeinheit zu verstehen ist, auch angesichts solcher Diskussionen hier anders beantworten?

  70. Lieber Heinrich,

    Deine Skepsis, dass ein Konsens über die Unbedingtheit der Grundrechte erreicht werden kann, ist angesichts der hier geführten Diskussion mehr als berechtigt. Sicher kann ich Dich aber zu dem „wir“ derer zählen, die der Meinung sind, „dass in einer säkularen freiheitlichen Gesellschaft zum Grundrecht auf Meinungs- und Religionsfreiheit auch gehört, sich zur Ausübung dieser Rechte gemeinschaftlich zu organisieren und seine Weltanschauung gemeinsam mit Gleichgesinnten auch öffentlich zu vertreten, sofern damit andere Rechte (oder Rechte anderer) nicht berührt werden“.

  71. Gewiss, lieber Abraham, zwischen uns herrscht da Konsens. Aber manchmal fallen mir Toleranz und Akzeptanz denn doch schwer.

    Ich wohne seit dreißig Jahren drei Minuten von einem großen Platz entfernt, der einer Religionsgemeinschaft alle vierzehn Tage als Versammlungsort dient. Keine Rede davon, dass die Gläubigen nicht von ihrem Grundrecht Gebrauch machen würden, ihre Überzeugung lautstark und kollektiv öffentlich zur Geltung zu bringen.

    Im Gegenteil: aus einem ruhigen Stadtviertel mit nahezu kleinstädtischem Charakter kann, wenn die religiösen Veranstaltungen anstehen, innerhalb von zwei Stunden die Hölle werden. Zigtausend fremd anmutende Menschen bevölkern die gesamte Umgebung. Ihre Kleidung merkwürdig eintönig: Sommers wie winters gestreifte Schals, zweifarbige Hemden oder Jacken mit Zahlen und den Namen der religiösen Führer als Aufschrift und zweifarbige Mützen. Die Farben sind manchmal rot-weiß, manchmal blau-weiß, manchmal blau-gelb, aber grün-weiß bildet hier regelmäßig die Mehrheit. Auffallend ist, dass die Gemeinden sich nicht vermischen, sondern immer in gleichfarbigen Haufen auftreten. 
    Es handelt sich demnach offenkundig um Anhänger unterschiedlicher Religionen, die sich zwar zu gemeinsamen Zusammenkünften mit einer jeweils anderen Konfession treffen, jedoch jeweils einen Absolutheits- und Alleinvertretungsanspruch auf ihr Bekenntnis in Anspruch nehmen und gegeneinander daher eher feindlich gesinnt sind. Die gläubigen Massen haben zwar keine Gesangbücher, sondern Bierdosen in der Hand, beschallen aber regelmäßig das ganze Viertel mit ihren religiösen Gesängen., vielfach in der Form von Litaneien: Der Vorbeter singt eine Sentenz, und die Gemeinde antwortet mit einem Refrain. Nach mehreren Sequenzen folgt ein gemeinsam laut gesungener, aus Gründen der Pietät will ich nicht sagen: gebrüllter, Choral. 

    Selbstverständlich habe ich nichts dagegen, wenn Menschen ihre Religion ausüben, mir ist es egal, wer an was glaubt. Mir ist auch bewusst, dass ich keinen Einfluss auf eine Religion habe, die derart die Massen ergreift. Aber dass diese einen immer größeren Einfluss auf die Öffentlichkeit, auf städtische Politik, und damit auch auf mich, nimmt, muss ich das tolerieren, gar akzeptieren? Wo ist die Toleranzgrenze? War der Platz vor dreißig Jahren bloß von einem Maschendrahtzaun umgeben, erstrecken sich heute riesengroße und hohe Gebäude um ihn herum, alle von ungefragt von mir mitgezählt. Ja, der freikirchliche Platz, auf dem die Versammlungen unter freiem Himmel stattfinden, wird mittlerweile umsäumt von einem großen Areal mit eigener Infrastruktur: Riesen-Parkplätzen und einigen kleineren Plätzen, Versammlungsorten, wo die Priesterschaft wochentags die Liturgie für die Wochenendfeiern einübt.

    Wenn die große Gemeinde sich dazu in ihrem eingehegten Gelände versammelt, ist zwei Stunden einigermaßen Ruhe, unterbrochen allerdings vom Jubel oder den enttäuschten Rufen der Massen über die vorgeführten liturgischen Aktivitäten. Aber dann die Nachfeier! An jeder Ecke im ganzen Viertel ein Wirtshaus, manche Kneipenwirte leben nur von diesen Gelegenheiten, und Trauben von fröhlichen Biertrinkern davor. Über die ganze Straßenbreite. Man kann nicht mal durch die Straßen gehen, für den KFZ-Verkehr sind sie ohnehin gesperrt. Tolerieren muss ich das wohl oder übel. aber akzeptieren? Nein! Ich muss damit irgendwie leben, das gebietet mir meine Anerkennung der Grundrechte anderer. Aber nehmen die Religionsanhänger Rücksicht auf meine Sitten und Gebräuche? Keineswegs. Sie überfallen und überfremden mein schön kultiviertes kleines Großstadtviertel und scheren sich einen Teufel um die alltäglichen Sitten und Gebräuche der Einheimischen säkularen Bevölkerung. Das macht mir Angst und Unbehagen. Dem Hund meiner Nachbarin, der so gerne mit ihr auf den Deich des großen Flusses möchte, der an dem Platz entlangfließt und nach dem dieser benannt ist, machen sie Angst, der muss ihr unwillig auf einen anderen Weg folgen, ebenso wie die Joggerinnen einen großen Umweg um ihre gewohnte Strecke machen müssen. Mit meinem Rad käme ich erst gar nicht bis zur Uferstraße.

    Das Schlimmste aber ist: Ich bin mit meinem Unmut, mit meiner diffusen Angst vor den fremden Religiösen allein. Deswegen bin ich dankbar dafür, sie hier einmal öffentlich artikulieren zu können. In meiner Nachbarschaft kann ich über mein Unbehagen nicht reden. Freundliches Verständnis, ja wohlwollende Zustimmung gegenüber den Sekten gehören in meiner liberalen sozialen Umgebung zum guten Ton. Kritik, wie man sie an den seit Jahrhunderten etablierten Kirchen und Religionsgemeinschaften allenthalben vernimmt, ist hier verpönt. Wer Kritik übt, ist ein Spaßverderber. Dabei mag ich an die Kosten für die Öffentlichkeit gar nicht denken. Die wurden aufs heftigste kritisiert beim evangelischen Kirchentag, der vor kurzem hier stattfand. Aber da: Großaufgebote von Hundertschaften der Polizei und zig Busse, die die Teilnehmer kostenlos vom Bahnhof zum Versammlungsplatz fahren, sind da nur die Spitze des Eisbergs, aber niemand regt sich drüber auf.

    Nach meinem Dafürhalten wäre dringend eine öffentliche Debatte geboten über solches Unwesen, über den ausufernden Einfluss, der solcherart von einer lautstarken Minderheit ausgeübt wird, unterstützt von namhaften Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Kultur. Vom Sport hier ganz zu schweigen. Nur: was soll der Dialog bewirken? Wohin soll er führen? Manchmal überwinde ich mein Unbehagen, bei schönem Wetter, stelle mich zu den Feiernden, trinke ein Gläschen mit ihnen, oder auch zwei, und will den Dialog mit ihnen führen. Sie bitten, ihr Areal nicht noch weiter ausbauen zu lassen, nicht so massenhaft und so häufig zu kommen, um das ganze Stadtviertel zu dominieren. Aber dazu komme ich gar nicht erst. Sie reden von nichts anderem als von ihrer Versammlung, von der sie gerade kommen. Religiöse Fanatiker, scheint mir. Muss ich mich wohl mit abfinden.

  72. Mein „intelligentes“ Apple-Schreibprogramm hat mal wieder etwas verbockt. Richtig muss es heißen:

    „War der Platz vor dreißig Jahren bloß von einem Maschendrahtzaun umgeben, erstrecken sich heute riesengroße und hohe Gebäude um ihn herum, alle ungefragt von mir mitgezahlt.“ (über meine Steuern, versteht sich)

    h.

  73. Das Recht ist das eine, seine Inanspruchnahme das andere. Seine Einhaltung das dritte. Und der Unterschied zwischen Recht und Gerechtigkeit bekanntlich wieder etwas anderes.

    Obwohl mich der Gesetzgeber nur zwischen 22:00 und 7:00 Uhr einschränkt (na gut, auch was Mittagsruhe und Sonntagsruhe betrifft), ich also in der restlichen Zeit ordentlich Krach machen dürfte, käme ich überhaupt nicht auf den Gedanken, morgens um fünf nach sieben meine Schlagbohrmaschine in Gang zu setzen, um 21:50 Uhr den letzten Nagel in die Wand zu hauen oder meine Gitarre in den Alesis Wildfire 15-Verstärker einzustöpseln und dann bei maximaler Lautstärke vor mich hinzustümpern.

    Gerichtlich abgesegnet dürfte ich nachts bis zu ca. 20 Minuten einer landesüblichen Körperpflege nachgehen – nach dem Schreiben des letzten Blog-Beitrags vielleicht eine Wohltat. Aber ich tue das aus Gründen des Respekts vor meinen Nachbarn nicht.

    Während eines Besuchs in Berlin habe ich neulich bei einem Bekannten Talkshows der privaten TV-Sender erleben dürfen. Kein Gesetz steht dem entgegen, was da geboten wurde, aber die Unbekümmertheit, mit der da Obszönitäten der untersten Schublade vorgetragen wurden – ich würd‘ mich schämen! Muss man so einen Dreck wirklich senden?

    Natürlich ist es nicht verboten, als „in rosa-schwarz-quergestreifte Wurstpellen verpackte Figur“ durch die Gegend zu laufen, aber dazu gezwungen ist man ja auch nicht. Zur Klarheit: NEIN! Ich will rosa-schwarz-quergestreifte Wurstpellen NICHT verbieten!!! Aber haben die so Gekleideten denn keine Freundinnen oder Freunde, die ihnen – möglichst unter Zuhilfenahme eines handelsüblichen Camcorders – offen und ehrlich und trotzdem liebevoll klarmachen können, wie furchtbar sie in diesen Klamotten aussehen?

    Muss ein Bettler sein Hosenbein hochkrempeln, um durch das Zeigen offener Geschwüre Mitleid durch Ekel zu erregen? Verboten ist es jedenfalls nicht, oder?

    In der Nähe gibt es eine öffentliche Grünfläche. Ein Viertel ist als Kinderspielplatz vorgesehen (Verbotshinweise: kein Fußball, keine Hunde), zwei Viertel sind Liegewiese und mit „Hunde fernhalten“ beschildert, ein Viertel ist ohne Beschilderung. Dass Eltern neben dem Sandkasten, in dem ihre Kleinen spielen, auf der Bank sitzen, rauchen und die Kippen auf den Boden schnippen – das ist nicht verboten.

    Diejenigen, die auf den Rückenlehnen der Bänke hocken und ihre dreckigen Schuhsohlen auf den Sitzflächen abstreifen, tun das, weil die Sitzflächen dreckig sind. Das verstehe ich. Sie merken aber nicht, dass sie selbst die Schmutzfinken sind, die eben diesen Dreck erst produzieren und andere Leute zwingen, sich ebenfalls auf die Lehne zu setzen. Dabei ist dieses Lehnensitzen so verdammt unbequem…

    Ich käme auch ohne Verbotsschild gar nicht auf den Gedanken, meinen Hund – so ich denn tierquälerisch genug wäre, um einen solchen in der Großstadt in einer Kleinwohnung zu halten – zum Kacken und Pinkeln ausgerechnet auf den Liegewiesen, wo sich andere Anwohner zum Sonnenbaden hinlegen, auszuführen. Mit Verbotsschild erst recht nicht. (Die Hinterlassenschaften bleiben natürlich liegen, da ist man in der Missachtung jedenfalls konsequent).

    D’accord, das sind nun Beispiele, hinter denen kein ehernes göttliches Gesetz steht, die Geschmacksfragen sind, die sich durch Weitergehen oder Nichtbeachtung erledigen oder durch eine Klinikpackung Oropax weitestgehend abmildern ließen. Gleichwohl: sie betreffen das Verhalten des Einzelnen gegenüber seinen Mitmenschen und liegen auf der Ebene der grundgesetzlich geschützten „freien Entfaltung der Persönlichkeit“ nach Artikel 2 GG.

    Ebensowenig käme ich auf den Gedanken, jedem der’s nicht wissen will, auf der Straße ein DIN A4 großes „Burkas – Nein danke!“- oder „Gott existiert nicht!“-Schild unter die Nase zu halten. Ich vermute, dass sich doch eine Reihe von Leuten brüskiert fühlen würden. (Ich erlaube mir allerdings manchmal, wenn ich mich besonders aufmüpfig fühle, einen kleinen Button in der Größe eines 1-Euro-Stücks mit der Aufschrift „Gott sei Dank bin ich Atheist“ zu tragen. Man gönnt sich ja sonst nichts.)

    Anstand, Respekt, Achtung, Schamgefühl, gedeihliches Miteinander gegen „Ich hab‘ das Recht dazu!“ und „Es ist zwar verboten, aber ich mach’s trotzdem, weil ich Bock drauf habe oder weil ich zu faul bin oder weil ich mir halt keinen Kopp machen will!“?

    Epikur wusste uns schon zu erklären, dass man nicht freudvoll leben kann, ohne vernünftig, anständig und gerecht zu leben. Wobei er erstens die Aussage des Satzes auch umgekehrt meinte, nämlich dass man nicht vernünftig, anständig und gerecht leben könne, ohne freudvoll zu leben. Und zweitens verstand er unter „gerecht“ nicht so sehr die Verrechtlichung des Zusammenlebens, sondern er meinte es wohl eher im Sinne von „einer Sache oder anderen Menschen oder einer Situation gerecht werden“.

  74. @ # 76 Michael Beitz

    Von Rabbi Hillel dem Älteren (ca. 30 v. bis 9 n. der Zeitrechnung), einer der maßgeblichen Autorität des rabbinischen Judentums, erzählt der Talmud folgende Geschichte:

    Ein Nichtjude kam zu Rabbi Hillel und forderte: Wenn du mir die Tora (die Lehre des Judentums) vermitteln kannst, solange ich auf einem Bein stehe, werde ich konvertieren. Hillel antwortete:

    „Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem andern zu. Das ist die ganze Tora, alles andere ist Kommentierung..“

  75. Nachtrag

    Vollständig lautet das Zitat aus dem Talmud so:

    Einst trat ein Nichtjude vor Schamaj und spracht zu ihm: Ich will Jude werden unter der Bedingung, dass du mich die ganze Tora lehrst, während ich auf einem Fuße stehe. Da stieß Schamaj ihn fort. Danach ging der Nichtjude zu Hillel mit der gleichen Bitte. Hillel sprach zu ihm: „Was dir verhasst ist, das tu deinem Nächsten nicht (im heutigen Sprachgebrauch: Was du nicht willst, dass man dir tu‘, das füg auch keinem anderen zu). Das ist die ganze Tora und alles andere ist nur die Erläuterung, geh und lerne sie!“ (b. Schabbat 31a).

    Diese „Goldene Regel“ findet man auch in anderen Religionen und in der antiken Philosophie. Aus Ihren Ausführungen erkenne ich, dass auch ein bekennender Atheist bereit ist, sich an grundlegende religiöse Gebote zu halten.

  76. Nach dem Essen wasche ich sofort ab. Meine Mutter freut sich zwar darüber, aber sie ärgert sich stets über meine Begründung. Für sie „gehört sich das so“, weil „man das so macht“ und sie ärgert sich, dass ich diese Regel nicht akzeptiere, sondern vehement von mir weise.

    Ich erledige den Abwasch sofort, weil ich zu bequem bin, am nächsten Tag die Essensreste erst einweichen zu müssen, weil ich dann aus einem anderen Tätigkeitszusammenhang herausgerissen werde etc.

    Merke: man kann aus unterschiedlichen, ja gegensätzlichen Gründen durchaus zu demselben Ergebnis kommen. Anders gesagt: Sittliches Handeln bedarf keiner höheren Macht, sondern manchmal nur eines gesunden Egoismus.

  77. Es hört sich ganz einfach nach goldener Regel an:
    „Was du nicht willst, dass man dir tu’, das füg auch keinem anderen zu“.

    Möglicherweise ist es aber kulturabhängig, was man möchte, dass es einem nicht getan werde.

    Beispiel:
    Eine mag sich durch einen verweigerten Händedruck beleidigt fühlen, die andere in ihrer Würde als Frau respektiert.

  78. @heinrich
    Mit Ihrer Persiflage bringen Sie es ja auf den Punkt.

    Ja, ich will alle Freiheiten zugestehen, die rechtlich zulässig sind, aber ich will nicht durch die Wahrnehmung dieser Freiheiten eingeschränkt werden.
    Was gibt es da zu kritisieren?
    Wenn die Anhänger einer Religion oder Fußballmannschaft in der Lage sind, einem anders Gesinnten den Raum zuzugestehen, den sie selbst für sich in Anspruch nehmen, dann gibt es kein Problem. Ich habe das Recht, inmitten Andersdenkender unbehelligt zu bleiben!

    Sie haben diese Forderung mal ironisch kommentiert, indem Sie witzig anmerkten, daß mein Widerstand gegen „Uniformität“ im Bierzelt auf dem Oktoberfest ggf mit kollektiver Gewalt zum Verstummen gebracht würde.Da wie hier karikieren Sie Ihre eigenen Ansprüche.
    Das Mindestmaß der Toleranz ist, in jeder Gruppe, so stark oder zahlenmäßig überlegen sie auch sein mag, die eigene Meinung unbehelligt sagen zu können und das eigene Verhalten unbehelligt zeigen zu dürfen.
    Alles andere lässt sich durch Kommunikation und gegenseitiges Verständnis zu lösen.

    Mit den Religionen, Weltanschauungen und Fußballmannschaft ist es ein und dasselbe:
    Ohne eine gegnerische Mannschaft gibt es kein Spiel. Das Ergebnis ist zweitrangig.

    Den Sieg als Ziel zu verstehen ist unverständig.

  79. Diese goldene Regel ist sehr schlicht und von tiefer Weisheit. Und in vielen Kulturen und Religionen in ähnlichem Sinn geäußert worden. Und wenn wir sie alle befolgen würden, brauchten wir vielleicht zum friedlichen Zusammmenleben gar nichts weiteres. Weder eine Religion, noch Gesetze.

  80. ja, jetzt ist heinrich enttäuscht, kann ich verstehen, keine echte resonnanz auf fußballanalogien. wobei er die so schön beschrieben hat. gute nacht allen.

  81. @ I.Werner #82

    „Was du nicht willst, das man dir tu, das füg‘ auch keinem anderen zu!“ ist die einfache, abgespeckte, popularisierte Form (‚Goldene Regel‘) einer viel tiefer gehenden Ethik. Diese Ethik – aus sich selbst begründet und nicht von irgendeinem Gott abgeleitet – ist unter dem Begriff „Kategorischer Imperativ“ bekannt geworden: „Handle so, daß die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne.“

    Für die drei abrahamischen Religionen gilt diese goldene Regel jedoch nicht, denn sie beziehen ihre Handlungsmaximen aus Gottes Wort (behaupten sie zumindest).

    Allerdings scheinen viele Gläubige ihr Heiliges Buch nicht zu kennen, sondern nur irgendwelche gekürzten Auszüge. Wenn sie sich zu den sog. 10 Geboten bekennen, dann dazu:

    „Der Herr sprach:
    6 Ich bin Jahwe, dein Gott, der dich aus Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus.
    7 Du sollst neben mir keine anderen Götter haben.
    8 Du sollst dir kein Gottesbildnis machen, das irgendetwas darstellt am Himmel droben, auf der Erde unten oder im Wasser unter der Erde.
    9 Du sollst dich nicht vor anderen Göttern niederwerfen und dich nicht verpflichten, ihnen zu dienen. Denn ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifersüchtiger Gott: Bei denen, die mir Feind sind, verfolge ich die Schuld der Väter an den Söhnen und an der dritten und vierten Generation;
    10 bei denen, die mich lieben und auf meine Gebote achten, erweise ich Tausenden meine Huld.
    11 Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen; denn der Herr lässt den nicht ungestraft, der seinen Namen missbraucht.“
    (Exodus 20,2-17 bzw. Deuteronomium 5,6–21)

    Als erstes, grundlegendes Gebot betreibt dieser Gott Eigensicherung, Denkverbot und Gewaltandrohung gegen Nicht- und Andersgläubige. Das ist der Kern. Alles andere, was Religionen glauben machen wollen, ist taktisches Weichspülen.

  82. @ Michael Beitz

    Wo finden Sie in dem heute praktizierten Judentum „Gewaltandrohung gegen Nicht- und Andersgläubige“?

    Es ist ein häufiges Mißverständnis, die jüdische Religion nach der Bibel (und das noch anhand der meist christlich beeinflussten Übersetzung) beurteilen zu wollen, ohne Berückschtigung der relevanten Textquellen des rabbinischen Judentums. Diese im Talmud (der mit seinen Disputen wahrhaft nicht von „Denkverboten“ bestimmt ist) festgehaltene „mündliche Tora“ modifiziert die Bibelworte oft entscheidend und ist für die religiöse Praxis aller Richtungen des heutigen Judentums bestimmend. Und die Entwicklung der jüdischen Religion ist seit dem Abschluss des Talmuds nicht stehen geblieben.

    Ich bin sicher, dass auch Christen und Muslime ähnliches über die von ihnen praktizierte Religion sagen können.

  83. @ BvG

    „Mit den Religionen, Weltanschauungen und Fußballmannschaft ist es ein und dasselbe:
    Ohne eine gegnerische Mannschaft gibt es kein Spiel.“

    Ich wüßte nicht, welche „gegnerische Mannschaft“ ich für die Gestalltung meines (religiösen) Lebens bräuchte. Ich definiere meine Religion nicht durch die Abgrenzung gegenüber anderen Religionen oder Weltanschauungen, auch nicht gegenüber anderen Richtungen meiner Religion. Meine Religion ist für mich „richtig“, für andere habe ich nicht zu entscheiden.

  84. @ Katja Wolf

    „Eine mag sich durch einen verweigerten Händedruck beleidigt fühlen, die andere in ihrer Würde als Frau respektiert.“

    „Gute Sitten“ (dazu gehört die respektvolle Begrüßung) sind sicherlich „kulturabhängig“. Man kann aber Mißverständnissen vorbeugen, in dem man sich vorher informiert. Die Oberbürgermeisterin einer Großsstadt wird sich sicher bei dem Besuch einer japanischen Delegation oder des Dalei Lama vorher überlegen, ob sie den Besucher dadurch in Verlegenheit bringt, wenn sie ihm die Hand entgegenstreckt. Sie wird gar nicht auf die Idee kommen, dass nur durch einen Handdruck ihre Würde als Frau gewahrt bleibt.

    Bei einem muslimischen Mann, den sie gerade eingebürgert hat, fühlt sich aber Frau OB brüskiert, wenn er ihr den Handdruck verweigert (habe ich vor einiger Zeit gelesen und vergessen, in welcher Stadt das war). Allerdings ist auch von streng gläubigen Muslimen so viel Einfühlungsvermögen zu verlangen, statt des Händedrucks eine andere Art der Respektbegründung zu wählen. Gerade Dalei Lama ist dafür ein gutes Beispiel.

  85. @ Abraham # 85

    Wo finden Sie in dem heute praktizierten Judentum “Gewaltandrohung gegen Nicht- und Andersgläubige”?

    Das war nicht meine Aussage.

    Sie werden verstehen, dass ich mich – wie bereits in diesem Blog geäußert – nicht in die theologogische Hamsterrolle reinschicken lasse, in der Sie mich dann mit 10.000 Seiten Talmud, den Hadithe, diversen Kathechismen, dem Mahabharata oder dem Pali-Kanon bis an mein Lebensende zu Tode strampeln lassen.

    Ich habe mir für mein obiges Beispiel eine der grundlegendsten Aussagen des Judentums und des Christentums – und zwar in seiner ursprünglichsten Form ohne Interpretation durch Rabbiner, Apostel, Statthalter – vorgenommen. Also das, was in diesen beiden Religionen als unmittelbare Offenbarung durch Gott angesehen wird. (Ich hätte Ihnen zuliebe natürlich auch die Buber/Rosenzweig-Übersetzung der Thora wählen können.)

    Aus dem „Buch der Bücher“ erfahre ich, dass Gott die Menschen in Gläubige und Ungläubige einteilt – den einen verspricht er das Himmelreich. Soweit, so gut, und dabei hätte es Gott auch schon bewenden lassen können. Aber er widmet sich auch den Ungläubigen: diesen droht er ewige Verdammnis an (mit Feuer, Schwefel und glühenden Zangen). Dies nicht nur einmal, sondern an mehreren Stellen. Sie werden verstehen, dass ich als Ungläubiger dabei ein gewisses Unbehagen spüre, wenn bereits das erste Gebot einer Religion auf Ausgrenzung setzt.

    Derlei könnte mir eigentlich egal sein, schließlich glaube ich weder an Gott noch an Himmel oder Hölle, wenn eine solche Weltanschauung nicht auch praktische Auswirkungen auf mich und andere hätte.

    – Die einen bedauern die Ungläubigen, weil ihr Leben ohne Gott doch so armseelig und freudlos sei. Da lach‘ ich drüber, aber ich kenne Menschen, die unter dieser Hochnäsigkeit leiden.

    – Die anderen bestreiten, dass man auch ohne Gott ein sittliches Leben führen könnte. Da lach‘ ich drüber, aber ich keine Menschen, die unter dieser Herabsetzung leiden.

    – Wieder andere, die sich ihre Aggression nicht offen auszuleben trauen, drohen mit dem Jüngsten Gericht. Da werde man schon sehen, wohin ein gottloses Leben führt. Da lach‘ ich drüber, aber ich kenne Menschen (insbesondere Kinder), denen so etwas Angst macht.

    – Wieder andere meinen, sie müssten Gottes Reich schon hier auf Erden verwirklichen und mit dem Feuer (hilfsweise Napalm), dem Schwefel (hilfsweise Phospor) und den glühenden Zangen (hilfsweise Stromschläge) gleich hier anfangen. Da bleibt mir das Lachen im Halse stecken.

    Wenn ein (ehem.) CDU-Ministerpräsident meint, er müsste die Ansichten der Kreationisten in die Lehrpläne der Schulen seines Bundeslandes aufnehmen, allerspätestens dann muss man einem solchen Obskurantentum einen Riegel vorschieben.

    Da ich mehr mit Christen, sorry: Christinnen und Christen, zu tun habe als mit Juden, kann ich sagen, die meisten von denen haben keine Ahnung, woran sie eigentlich glauben. (Methodischer Einwand: natürlich kenne ich eher laue als fundamentalistische Christen, insofern ist mein empirisches Urteil nicht repräsentativ).

    Diese Lenor-Christen beziehen ihren Glauben aus einer Art religiöser Sekundär-Literatur und bauen sich ihren Glauben nach Art von Hobbybastlern zusammen. maderholz # 69 weist auf eines der katholischen Dogmen hin, das zwar neueren Datums ist, aber nichtsdestoweniger verbindlicher Glaubensbestandteil.

    Wenn sie mit Katholiken über die Eucharistie sprechen, in der sich nach katholischem Dogma Hostie und Wein _tatsächlich_ in Leib und Blut Jesu verwandeln, sagen viele: „Das ist ja nur symbolisch gemeint!“ Keine Ahnung von der eigenen Religion, denn gerade dies – die sog. Transsubstantion – unterscheidet die Katholiken von den Protestanten (und anderen).

    Insofern sind Initiativen wie „Kirche von unten“ oder die „Initiative Säkularer Muslime“ einerseits völlig sinnlos, weil sie glauben, Dogmen und Institutionen ihrer Religion aufweichen oder abschaffen zu können.

    Gleichzeitig habe ich eine gewisse Sympathie für sie – und die Hoffnung, dass diese Menschen auf ihrem Weg der Infragestellung weitergehen, eines Tages die fundamentale Borniertheit ihrer Religion erkennen und sich dann endlich von ihr freimachen können.

  86. Nachtrag: Dass im Islam Allah die Aufforderung zur Vernichtung der Ungläubigen direkt an die Gläubigen richtet, sollte – auch ohne Fundstellenangabe für die einschlägigen Suren – nicht unerwähnt bleiben.

  87. @ Michael Beitz

    Wenn Sie für sich in Anspruch nehmen zu bestimmen, was die „grundlegendsten Aussagen“ einer Religion sind, und sich jeder Diskussion über die „Interpretation durch Rabbiner, Apostel, Statthalter“ der Texte entziehen (obwohl auch Sie diese Texte nur in der Form einer Interpretation einer Übersetzung wahrnehmen können), dann frage ich mich, über was wir diskutieren sollen. Sie lassen nur den Ur-Fundamentalismus als Religion gelten, die tatsächlich praktizierte Religion interessiert Sie nicht.

    Zum Nachtrag: Wenn „im Islam Allah die Aufforderung zur Vernichtung der Ungläubigen direkt an die Gläubigen richtet“, wie erklären Sie sich, dass in dem Machtbereich des Islams „Ungläubige“ nicht vernichtet wurden, sondern über Jahrhunderte andere Religionen mit relativ großer Toleranz behandelt wurden? Waren die Muslime in Granada nicht gläubig genug?

  88. @abraham

    Es wäre gut, wenn Sie ein paar Verweise auf tolerante Stimmen bezüglich des Islam oder des jüdischen Glauben einbringen könnten, denn ich glaube, die unverhältnismäßige Präsenz der „Fundamentalisten“ verzerrt doch sehr die Sichtweisen.

  89. Im Ausgangsbeitrag dieser Diskussion wird am Schluß zusammenfassend gesagt: Die Frankfurter Rundschau sollte denen eine Stimme geben, die sich aus den Klauen der Religionen und Ideologien befreien wollen. Sollen diese Stimmen nun gehört werden und dieses Thema erörtert werden, oder nicht?

  90. 1. Wenn der Religionsstifter sich selbst in seiner Offenbarung vorstellt und seine Ge- und Verbote mitteilt, bin ich tatsächlich so vermessen, das für grundlegend zu halten. Ihrem dezenten Hinweis, ich möge doch bitte nun auch noch Aramäisch und Hebräisch und Arabisch lernen, um die Texte nicht nur als Übersetzung rezipieren zu können, werde ich nicht nachkommen.

    2. Sie werden aus der Fülle der Texte immer irgendeine Stelle heraussuchen können, die ihre (jeweilige) Ansicht unterstützt. Ob ich aus den apokryphen Schriften oder den Ketubim zitieren kann, um ihnen eine gegensätzliche Stelle präsentieren zu können, wird dann zu einem unsinnigen Lese- und Bildungswettbewerb, auf den ich mich nicht einlassen werde.

    3. Sie werden aus der Geschichte immer irgendjemand zu irgendeiner Zeit in irgendeinem Winkel der Erde finden, der ihre (jeweilige) Ansicht unterstützt. Da mag es tatsächlich im dritten Quartal des Jahres 1371 in Tamanrasset eine jüdische/christliche/moslemische Gemeinde – Gewünschtes bitte ankreuzen – gegeben haben, deren geistiger Führer dieses oder jenes geäußert hat. Nebbich! (Ich definiere: „Sei’s drum!“, „Und wenn schon!“) Auch auf diese Fleissarbeit werde ich mich nicht einlassen.

    4. Dass etwas lockerere und dann wieder stärker fundamentalistische Strömungen sich innerhalb kürzester Zeit abwechseln können, sieht man an der Heiligen Katholischen Kirche ja sehr schön – der Weg vom 2. Vatikanischen Konzil, einberufen von Angelo Giuseppe Roncalli, über Herrn Karol Józef Wojtyła bis zum Herrn Joseph Alois Ratzinger. Ich halte das für rein taktische Anpassungen der Institution an die Gegegenheiten der jeweiligen Epoche.

    So kann ich z.B. auch nicht in die Lobhudelei über den Leiter des Canisius-Kollegs in Berlin, Pater Mertes von der Societas Jesu, einstimmen, dass er ein Art „bewundernswerter Aufklärer“ sei. Die Parallelen zu Berlins Regierendem Bürgermeister Wowereit liegen für mich auf der Hand. Wowereit ist am Vorabend einer Veröffentlichung in der Bild-Zeitung seinem Zwangs-Outing zuvorgekommen, Mertes ist nach jahrelangem Stillhalten kurz vor dem Platzen der Bombe selbst an die Öffentlichkeit getreten. Als „angenehmen Nebeneffekt“ konnte er so zudem die besondere Stellung der Jesuiten gegenüber der römischen Kurie deutlich herausstreichen.

    Dass sich die kath. Kirche weiterhin mit fadenscheinigen Argumenten gegen eine finanzielle Entschädigung für die Opfer ihrer Übergriffe wehrt: das ist tatsächlich praktizierte Religion.

    Im Islam, vorrangig aber nicht nur im schiitischen, gibt es die sog. „Taqiyya“, für deren Ausübung die Furcht vor massiver Verfolgung maßgeblich ist und die es dem Gläubigen erlaubt, seinen Glauben zu verheimlichen und rituelle Pflichten zu vernachlässigen. Es ist eine Art stealth mode, eine „religiöse Verhüllung“ – man könnte es auch taktische Täuschung der Ungläubigen nennen.

    Herr Ratzinger redet z.B. von Ökumene, der Einheit aller Christen. Gleichzeitig erklärt er, nur die Heilige Katholische Kirche dürfe sich überhaupt „Kirche“ nennen, da nur sie in der ununterbrochenen Nachfolge Jesu Christi stehe. Dafür dürfen dann die Pius-Brüder wieder in den Schoß der Kirche zurückkehren. Das ist tatsächlich praktizierte Religion.

    Tolerante Stimmen aus den Reihen der Offenbarungsreligionen ändern für mich nichts an ihrem grundsätzlich intoleranten Charakter.

    5. Ich habe keinen Überblick, was sich auf der großen weiten Welt so alles tut und wie (und warum und wozu) Religion praktiziert wird. Was ist praktizierte Religion und was nicht?

    Im Moment sehe ich z.B.,
    – wie in Warschau das Symbol des Christentums Menschen aneinander geraten lässt. Praktizierte Religion?
    – Angesichts der verheerenden Waldbrände in Russland ruft der orthodoxe Patriarch Kirill dazu auf, für Regen beten. Praktizierte Religion?
    – Der medienwirksame Auftritt von Wulff und Merkel und Kraft bei der Trauerfeier für die Toten von Duisburg: praktizierte Religion?
    – Eva Hermanns Beurteilung „Sex- und Drogenorgie Loveparade: Zahlreiche Tote bei Sodom und Gomorrha in Duisburg“ mit dem Fazit „Eventuell haben hier ja auch ganz andere Mächte mit eingegriffen, um dem schamlosen Treiben endlich ein Ende zu setzen. Was das angeht, kann man nur erleichtert aufatmen!“ – praktizierte Religion?

    Sie haben gegenüber meinen vielleicht etwas hilflosen Versuchen, Religion und Religiosität zu definieren, keine eigene Definition genannt. Daher frage auch „ich mich, über was wir diskutieren sollen“.

    Bronski würde vielleicht sagen: das Thema lautet „Restaurative religiöse Tendenzen“.

  91. @abraham #86
    „Meine Religion ist für mich “richtig”, für andere habe ich nicht zu entscheiden.“
    Ok, das ist auch meine Position, jeder Streit erübrigt sich somit.
    Aber erst dann, wenn ich in jedem Teil der Welt (Bayern,Afghanistan, Saudi-Arabien,USA, Posemuckel) zu jedermann sagen kann:
    „Du hast über meine Religion nicht zu entscheiden!“
    und er sich damit zufrieden gibt, erst dann ist diese Diskussion gegenstandslos.

    (Die politischen Instrumentalisierungen mögen Sie und heinrich aufdecken und kritisieren, das ist lobenswert und hilft mir, für mich sind diese aber nur pubertäre Pupserei und ich ignoriere sie.)

  92. @ Abraham:
    Es war die Oberbürgermeisterin der Stadt Hanau Margret Härtel. Genau die von Ihnen beschriebene Szene hatte ich tatsächlich im Sinn.

    zu Michael Beitz am 11. August 2010 # 4, 4. Absatz:
    über die „religiöse Verhüllung” von der Sie berichten,
    hatte ich einmal sehr eindrucksvoll im Film
    „Hamburger Lektionen“ http://de.wikipedia.org/wiki/Hamburger_Lektionen
    gesehen und gehört.
    Ich war übrigens sehr erstaunt, wie wenige Menschen sich für diesen Film interessierten.
    In gewisser Hinsicht (Berichterstattung über die Hamburger Taiba-Moschee) ist dieser Film ja zurzeit wieder aktuell.

  93. @ # 92 Hans-Georg Alter
    Schon unter # 30 habe ich gefragt. „Welche relevante Stimme der Religionskritiker ist denn in der FR unterdrückt worden? Können sich Kirchen- und Religionskritiker von Drewemann über Kelek bis zu Dowkins über mangelnde Medienresonanz beklagen?“ Eine Antwort habe ich nicht bekommen.

    @ Michael Beitz
    Sie machen genau das, was alle religiösen und antireligiösen Fundamentalisten tun: Sie meinen, die Bibel „wörtlich“ nehmen zu können. Nein, ich verlange von Ihnen nicht, dass Sie Hebräisch, Aramäisch oder Arabisch lernen. Sie können aber zur Kenntnis nehmen, dass die Texte im Original weniger eindeutig sind, als sie in Übersetzungen klingen, weshalb diejenigen, die sich mit den Urtexten beschäftigen, zu unterschiedlichen „Lesemöglichkeiten“ kommen. Die Probleme der Grammatik, die Mehrdeutigkeiten einzelner Worte oder Sätze sind nicht erst von der historisch-kritischen Bibelforschung entdeckt worden, sondern bereits von den Autoren des Talmuds und den späteren religiösen Denkern intensiv diskutiert worden. Auch die Zeitgebundenheit der Offenbarung war den Rabbinen und ihren Nachfolgern bewusst. Moses Maimonides (11. Jahrhundert) schrieb, dass Gott mit den Menschen nur in der Sprache ihrer Zeit sprechen konnte, weil sie eine andere Sprache nicht verstehen konnten. Maimonides bezog das auch auf die Rituale des Tempeldienstes mit seinen Tieropfern, weil andere Art der „Liturgie“ den damaligen Menschen nicht zur Verfügung stand.

    Der zweite Einwand: Sie ignorieren den Kontext, aus dem Sie ein Bibelzitat reißen. So richten sich die Worte, die den Dekalog einleiten, an die am Sinai versammelten hebräischen Stämme, die auf einen Gottesbund verpflichtet werden. Ihnen wird der Götzendienst verboten – über andere Völker und ihren Glauben sagen diese Passagen nichts. Das zeigt sich auch überall dort, wo die Achtung der Rechte des Fremden geboten wird; er genießt den Schutz unabhängig von seinem Glauben oder Unglauben. Die Rabbinen des Talmuds sagen auch: „Gerechte aller Völker haben ihren Anteil an der kommenden Welt.“ So wird auch Ihnen als Atheisten keineswegs die Fähigkeit zum ethischen Handeln abgesprochen oder die „ewige Verdammnis“ angedroht (die sie, wie das Versprechen des Himmelreichs in der hebräischen Bibel nirgendwo finden).

    Das mögen Sie alles als „taktisches Weichspülen“ abtun. Um die Rolle der Religionen in unserer Gesellschaft zu beurteilen, brauchen Sie sich aber nicht in eine „theologische Hamsterrolle“ zwingen lassen, sondern können sich mit der Lebenswirklichkeit der Religionen auseinandersetzen. Über Argumente kann man diskutieren und meinetwegen auch streiten. Pauschale (Vor-)Urteile kann man höchstens zur Kenntnis nehmen.

    Die Antwort auf die Frage, wo Sie in unserer Gesellschaft „restaurative religiöse Tendenzen“ sehen, sind Sie auch schuldig geblieben.

  94. zu 93, Michael Beitz,

    Bevor diese Reihe geschlossen wird, möchte ich mit der mir zustehenden Bescheidenheit noch schnell ein deutliches „Bravo“
    rufen!

    Ich hatte mir vor vielen Jahren ganz einfach überlegt :
    Es gibt auf unserer Erde über 500 verschiedene Religions-Gemeinschaften – oder besser, wie M.Beitz dazu sagt, RO – die alle „die göttliche Wahrheit“ für sich beanspruchen.

    Das kann logischer Weise nicht sein.

    Deshalb ; Weg damit.

    (Es gibt auch noch andere Gründe, wie wir a l l e wissen…)

  95. „Weg mit den Religionsgemeinschaften!“ klingt im Gegensatz zu deren Wahrheitsanspruch logisch, ist aber für sich als Maßnahme wenig erfolgversprechend. Schon 1492 haben die Katholischen Könige Isabella von Kastilien und Ferdinand II. von Aragon dies faktisch versucht durch die Vertreibung der Juden aus allen Territorien der spanischen Krone. Aber die Schweine, wie man sie nannte, pflegten ihre Religion heimlich weiter.

    Da sind wir heute weiter. Da es offenbar nicht reicht, die Religionsgemeinschaften zu beseitigen, muss man die Religiösen mit beseitigen. Dafür haben unsere Altvorderen doch geeignete Methoden entwickelt, die sich mittlerweile noch effektiver gestalten lassen. Auch wenn die Juden nicht, wie Anna irrtümlich anzunehmen scheint, ihrer Religion wegen der Vernichtung anheimgegeben wurden, sondern ihrer angeblichen rassischen Zugehörigkeit wegen: die Verfahren lassen sich bruchlos übertragen, denn, um ein analoges Beispiel ins Feld zu führen: Der osmanische Sultan begründete den Genozid an den Armeniern mit der schlichten Feststellung: Gibt es keine Armenier mehr, hat sich auch das Armenierproblem erledigt.

  96. @ maderholz

    Bravo! Weg mit allem, was Sie nicht verstehen oder nicht verstehen wollen. Bravo für Ihre Logik, wonach alle Religionen, die die Meinung vertreten, dass es unterschiedliche Wege zu Gott gibt, falsch sein müssen, da dies der von anderen OR verkündeten „göttlichen Wahrheit“ widerspricht.

  97. @ Katja Wolf

    Wenn Sie die Hamburger Taiba-Moschee als Beweis für die „religiöse Verhüllung“ der moderaten Strömungen des Islam sehen, betreibt dann Hans Küng ebenfalls „religiöse Verhüllung“, weil es die Pius-Brüder in seiner Kirche gibt?

  98. @ Heinrich
    Ok, du hast Recht – für mich ist tatsächlich nicht so ganz klar, wer für die Nazis als Jude galt bzw. ob dafür die Zugegörigkeit zur jüdischen Glaubensgemeinschaft oder nur die rein biologische Abstammung entscheidend war. Ich bin davon ausgegangen, dass auch ein biologischer „Arier“ als Jude galt, sobald er dem jüdischen Glauben beigetreten war. (Aber das ist ja alles so krank, dass ich eigentlich gar nicht so genau darüber nachdenken will.)

  99. Heinrich und Abraham;

    Auf mein kurzes „weg damit“ wurden ja nun gewagte Gedankengänge draufgesetzt.(tz,tz.)

    Es war in der Hauptsache eine für mich getroffene Feststellung.
    I c h brauche sie nicht.

    Natürlich freue ich mich darüber, dass es inzwischen mehr Menschen gibt, die diese Richtung vertreten.
    Es werden auch immer mehr dazukommen.
    (wenn auch, vor allen in anderen Erdteilen immer noch zuviele in die OR „hineingeboren“ werden.)

    Gibt es auf mein Beispiel unter
    „69“ gar nichts zu erwähnen?

    Vielleicht zu schwierig zu erklären? :-).

    Noch ein Nachsatz.

    Ein bißchen Wehmut beschleicht mich schon bei dem Gedanken, wenn ich meinen „letzten Schnaufer“ getan habe, es nicht mehr „bewußt“ zu „erleben“.

    Da haben es Gläubige besser…
    (außer sie müssen Angst vor der Hölle o.Ä. haben.)

  100. @ Anna/Heinrich

    Heinrich hat schon Recht, dass die Nazis Juden „rassisch“ definiert haben. Nur haben sie für die juristische Festlegung der „jüdischen Rasse“ in den Nürnberger Gesetzen kein anderes Kriterium gefunden, als die Religionszugehörigkeit der Großeltern: mit mindestens drei Großeltern jüdischer Religionszugehörigkeit war man Volljude, dann folgten Halbjuden und Vierteljuden. Jüdisch versippte oder der jüdischen Gemeinde zugehörigen Halbjuden sind als Volljuden eingeordnet worden.

    Der Übertritt zum Judentum änderte an der „arischen Abstammung“ nichts (so wie auch die christliche Taufe aus einem Juden keinen Arier machte, siehe Edith Stein). Meine Großtante Grete, die aus Mannheim stammte, trat aus Liebe zu meinem Prager Großonkel Friedrich so um 1910 zum Judentum über. Nach der Nazi-Besetzung Prags galt sie trotzdem als Arierin und Reichsdeutsche, die „privilegierte Mischehe“ rettete meinen Großonkel vor der Deportation ins KZ. Deren mit einem Juden verheiratete Tochter, meine Tante Ruth, kam hingegen nach Theresienstadt und hat glücklicherweise Auschwitz überlebt (ihr Ehemann nicht).

  101. @ Abraham:
    haben Sie den Film „Hamburger Lektionen“ gesehen?
    Wenn ja, verstehe ich nicht, warum Sie mir diese Frage stellen.

    Wenn nein, will ich vereinfacht insofern antworten:
    Hans Küng bekämpft öffentlich und außerhalb der Kirche die nicht moderaten Pius-Brüder.
    In den „Hamburger Lektionen“ wurden genaue Anweisungen zur Verschleierung nicht moderater Haltungen gegeben.

  102. @ maderholz

    Sie können, was die Dogmenlehre betrifft, z.B. bei Hans Küng nachlesen. Ich bin dazu nicht kompetent, Auskunft zum Katholizismus zu geben; im Judentum gibt es weder Glaubensdogmen noch einen Papst und auch der Islam kennt meines Wissens keine zentrale Glaubensinstanz.

    Sie brauchen auch nicht neidisch zu sein: Was mich nach dem Tode erwartet, kann mir meine Religion auch nicht sagen – außer einer wagen, rationell aber kaum fassbaren Hoffnung auf die „Unsterblichkeit der Seele“ (wobei ich auch nicht genau weiß, was die mir von Gott eingehauchte „Neschama“ genau bedeutet, vieleich den „belebenden Atem“). Meine Religion gibt mir aber eine Richtschnur dafür, wie ich mit meiner Verantwortung gegenüber den Mitmenschen, mir selbst und dem, was wir Gott nennen, umgehen soll. „Ich habe vor dir gelegt das Gute und das Böse, das Leben und den Tod. Wähle das Leben“, heißt es in der Bibel. Aber da wird mir Michael Beitz wieder „Weichspühlen“ im „theologischen Hamsterrad“ vorhalten.

    Ach ja, noch eins: Natürlich bilde ich mir nicht ein, nur die Religionen hätten Ethik gepachtet. Der bekennende Atheist Heinrich ist ein gutes Beispiel dafür, dass man auch ohne Religion einen moralischen Kompas haben kann.

  103. @ # 104 Katja Wolf

    Es gibt Islamisten, die sich als moderate Muslime tarnen, das glaube ich, ohne den Film „Hamburger Lektionen“ gesehen zu haben. Daraus folgt doch aber nicht, dass man hinter jedem moderaten Muslim einen getarnten Islamisten vermuten kann.

  104. @ Abraham
    „Nur haben sie für die juristische Festlegung der “jüdischen Rasse” in den Nürnberger Gesetzen kein anderes Kriterium gefunden, als die Religionszugehörigkeit der Großeltern.“

    Genau das ist es, was mich verwirrt hat. Danke für die Aufklärung.

  105. @ Abraham, Anna,

    Traurige Geschichten immer wieder. Nicht nur bei diesen extremen Familienschicksalen, sondern auch bei manchen Fantasien, die im Rahmen von weltanschaulichen Auseinandersetzungen entwickelt werden, fragt man sich: Wann hört der Mensch endlich auf, dem Menschen feind zu sein?

    Abraham sei noch dahingehend ergänzt, dass der juristischen Definition der jüdischen Rasse natürlich eigentlich biologische Merkmale hätten zugrunde gelegt werden sollen. Danach haben die Nazis fieberhaft und unter Aufbringung großer Forschungsanstrengungen gesucht, konnten solche jedoch naturgemäß nicht eindeutig für eine jüdische „Rassezugehörigkeit“ dingfest machen, trotz minutiöser Vermessungen und Kategorisierungen von körperlichen Merkmalen an Juden und „Ariern“, wie Schädelformen und sogar etwa von Gesäßformen.

    Für den vereinfachten Nachweis der „arischen“ Abstammung wurde 1933 der „Ahnenpass“ eingeführt. Die Religionszugehörigkeit der Vorfahren erscheint darin unter der Rubrik „Bekenntnis“.

    http://de.wikipedia.org/wiki/Ahnenpaß

  106. @ 105 Abraham

    Ich darf doch davon ausgehen, dass Sie auch mir als bekennenden Agnostiker einen moralischen Kompass zubilligen ?

    Wir führen gewiss keinen Krieg gegeneinander…

    Nutzen wir die „schöpferische Pause“
    für neue Erkenntnisse.

    Auch maderholz ist dann mal weg…

  107. Ich werde mich hiermit aus der Diskussion über Religionsgeschichte, Rezeption und Exegese religiöser Texte, innerkirchlichen Umgang mit Kritikern etc. verabschieden.

    In die Diskussion um Regeln des menschlichen Zusammenlebens und die politische Gestaltung unseres Gemeinwesens Maßstäbe einzubauen, die ausserhalb unserer menschlichen Existenz liegen, halte ich für inakzeptabel, da dadurch eine Art unlauterer argumentativer Wettbewerb entsteht.

    „Gott“ oder „Götter“, „Karma“, „Dharma“, „Vorsehung“, „Kismet“, „Schicksal“, „Chi“, „Tao“, „Schöpfung“, „Astrologie“ oder „Tarot“ – alles ganz interessant und als Spender individueller Lebensmaximen natürlich zulässig.

    Wenn aber Forderungen, Gebote, Verbote, Vorschriften oder unüberprüfbare jenseitige Belohnungsversprechen dieser Weltanschauungen („höheren Mächte“) zur Grundlage unserer heutigen Gesellschaft gemacht werden (sollen), hört für mich der Spaß auf. Sollte also beispielsweise demnächst der Taoismus in Deutschland Fuß fassen und dessen Anhänger die Forderung aufstellen, Schulen und öffentliche Gebäude künftig nach den Regeln des Feng Shui zu bauen, würde ich das ablehnen.

    Ob religiöse Maximen wie „Macht euch die Erde untertan!“ und „Bewahrung der Schöpfung!“ bei der Beurteilung von Chancen und Risiken der Gentechnik hilfreich sind?

    @ Abraham #96

    „Die Antwort auf die Frage, wo Sie in unserer Gesellschaft ‚restaurative religiöse Tendenzen‘ sehen, sind Sie auch schuldig geblieben.“

    Zugegeben, ich habe weder den Begriff „restaurativ“ mit Argumenten untermauert noch den Begriff „Tendenzen“ verdeutlicht. Das hat aber auch sonst niemand getan. Trotzdem emfinde ich Ihren Hinweis als unredlich, schließlich habe ich eine Reihe von Ansatzpunkten genannt. Auf diese wiederum sind _Sie_ mit keinem Wort eingegangen.

    1. Erstaunlich, wie in letzter Zeit die beiden christlichen Großkirchen dafür eintreten, einen muslimischen Religionsunterricht an den Schulen anzubieten. Ist das nun ein Zeichen für christliches Glasnost? Nein, ganz im Gegenteil. Die christlichen Großkirchen wissen natürlich ganz genau, dass es im Grunde nur zwei Möglichkeiten gibt: entweder bekenntnisorientierter Zwangsreligionsunterricht für alle – oder Abschaffung desselben. Da sie ihre (geistigen und materiellen) Pfründe schwinden sehen, akzeptieren sie – wohl eher zähneknirschend – den muslimischen Religionsunterricht.

    2. Dies hat sich auch deutlich in Berlin beim Volksbegehren „Pro Reli“ gezeigt, wo sich die Kirchen mit Zähnen und Klauen gegen die Einführung des Lehrfachs „Ethik“ als ordentliches Lehrfach in den Klassen 7 bis 10 gewehrt haben (christlicher bekenntnisorientierter Religionsunterricht wird als freiwilliges Lehrfach weiter angeboten). Die Kirchen konnten sich mit ihrem Alleinvertretungsanspruch nicht durchsetzen.

    3. Ebenso in Brandenburg, wo von den 2,5 Millionen Brandenburgern 20,2 Prozent der evangelischen und 3,7 Prozent der katholischen Kirche angehören. Dort wurde durch Klagen der Großkirchen und der CDU/CSU-Bundestagsfraktion vor dem Bundesverfassungsgericht – erfolglos – versucht, die Einführung des ordentlichen Lehrfachs „Lebensgestaltung, Ethik, Religion (LER)“ zu verhindern.

    4. Ich hatte den Hinweis auf den ehem. CDU-Ministerpräsidenten von Thüringen, Dieter Althaus, gegeben, der die Lehre der Kreationisten in den ordentlichen Lehrplan der Schulen aufnehmen wollte. Die Kreationisten vertreten den Standpunkt, dass die tatsächliche Entstehung von Leben und Universum wortwörtlich in den Heiligen Schriften der abrahamischen Religionen (insbesondere 1. Buch Mose) beschrieben werden.

    5. Ich hatte darauf verwiesen, dass mit Verweis auf christliche Werte und Traditionen weiterhin das liturgische Läuten erlaubt ist, obwohl allerorten die Rede von Lärmschutz ist. Billigerweise muss man dann den Ruf des Muezzins, die Taiko-Trommeln shintoistischer Gläubiger und die zimbelbegleiteten Gesänge der Hare-Krishna-Bewegung hinnehmen.
    In Zeiten, wo jeder entweder eine Armbanduhr trägt, die Uhrzeit von seinem Handydisplay ablesen kann oder an jeder Ecke eine Uhr hängt, müsste auch das Stundenläuten nicht mehr sein (mich stört’s eigentlich nicht, da ist der Fluglärm 100x schlimmer). Zu Zeiten einer Agrargesellschaft waren diese Uhrenschläge sicher nützlich.

    6. Entgangen ist vielleicht auch der Hinweis, dass die christlichen Großkirchen erfolgreich das Verbot genereller verkaufsoffener Sonntage durchgedrückt haben – ebenfalls mit Verweis auf christliche Werte und Traditionen. Sicher gibt es, auch aus säkularer, medizinischer, familienpolitischer etc. Hinsicht gute Gründe für einen freien Tag. Den Verweis auf die biblische Schöpfungsgeschichte halte ich als Begründung jedoch für unzulässig.

    Natürlich kann das evtl. genauso schwierig werden wie die Entwicklung des gemeinsamen europäischen Elektrosteckers. Man kann keinen der bestehenden Stecker verwenden, da damit eine ungerechtfertigte Bevorzugung _eines_ Landes (seiner Elektroindustrie und seiner Bürger) verbunden wäre. Nach dieser Logik wären als gesetzlicher Ruhetag Freitag, Samstag und Sonntag eigentlich schon geknickt.

    7. In diesem Zusammenhang hatte ich angeschnitten, dass z.B. an Karfreitag „Vergnügungsveranstaltungen“ nicht gestattet sind. „Es ist eine Frage des Respekts vor den religiösen Empfindungen der Mitbürger, diesen Geboten zu folgen.“ meint der bayerische Innenminister. http://www.aref.de/news/allgemein/2009/lifestyle_stille-feiertage_karfreitag.htm

    8. Auf die Präambel des GG und die EU-Verfassung hatte ich ebenfalls hingewiesen, Stichwort „Invocatio Dei“. Dass nun gerade im stark katholisch geprägten Polen vornehmlich junge Leute gegen die Vermengung von Kirche und Staat (und gegen Reste von Personenkult) auf die Strasse gehen, lässt hoffen.

    9. Anführen könnte ich, dass die Zeugen Jehovas inzwischen in 12 Bundesländern als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt sind, obwohl sie die weltliche Ordnung nur als notwendiges Übel hinnehmen. Immerhin stellen sie, aus dieser Haltung heraus, keine weiteren Ansprüche an den Staat. Achtung vor ihrer konsequenten Verweigerung des Kriegsdienstes, die sie als eine der ersten in die NS-Vernichtungslager brachte! (Das Tragen des Koppelschlosses mit der Inschrift „Gott mit uns“ samt Hakenkreuz störte andere Christen hingegen offenbar nicht.)

  108. Nachdem soviel über die Christen geschrieben wurde, jetzt nochmal zum Islam, der eingangs angesprochen war:

    Insgesamt ist die muslimische Welt sicherlich nicht so aggressiv und gewaltbereit, wie im Westen befürchtet wird, allerdings stelle ich fest, dass Muslime aufgrund ihrer Glaubensverordnungen u n f r e i sind. Dazu später ein paar Gedanken.

    Zunächst empfehle ich ein ausführliches Studium der Selbstdarstellung des Islam auf der Webseite der großen Islamgemeinde in München (http://www.islamisches-zentrum-muenchen.de/html/islam_-_was_ist_islam_.html), bewusst so aufgemacht, damit es hier bei uns im Christenland verständlich sein soll. Unter anderem wird dargelegt, dass Allah über seinen Propheten die Geschlechtertrennung ab der Pubertät, als für alle Zeiten und Gesellschaften anzuwendendes Gebot vorgibt, das gleiche gilt für die Bekleidung von Frauen in der Öffentlichkeit – mehr als Gesicht und Hände sollte nicht zu sehen sein. Das schreiben Imame, obwohl sie in München täglich sehen, dass es auch anders geht und anders sogar besser.

    Ganz allgemein kann festgestellt werden: Die freie Gesellschaft widerlegt, auf den Straßen für alle Muslime sichtbar, diese und andere Anweisungen des Propheten, aber dennoch ist man außerstande, von den rückständigen Vorschriften abzulassen. „Sehr schön“ ist auch der Hinweis, dass der Ehemann volle Autorität über seine Ehefrau hat, er darf sie sogar schlagen (gemeint ist nicht mit Worten, sondern mit Hieben), aber nur ausnahmsweise, wenn es unbedingt nötig ist. Hahaha, da lachen ja die Hühner. Da fragt man sich, ob die Verfasser mit solchen Erklärungen nach deutschem Recht nicht bestraft werden müssten, egal, ob der Prophet es vorschreibt und sie sich auf ihre Religionsfreiheit berufen.

    Ebenso natürlich auch manch anderes, was dort verbreitet wird. Ob der gleiche Aufruf durch andere Organisationen nicht sofort einen Aufschrei nach sich ziehen würde und in Verfahren durch die Gerichte geklärt werden würde?

    Nun zum islamischen Glaubensgebäude selbst. Es steht auf fünf Säulen, heißt es. Erstens, dem ständigen Bekenntnis: Allah ist der einzige Gott und Mohammad sein Prophet, Zweitens, dem ständigen, 5 x täglichen, ritualisierten Gebet, Drittens, dem Almosen geben, Viertens, dem „Tagsüber-Fasten“ in der Ramadan-Zeit und Fünftens, der mindestens einmaligen Pilgerfahrt nach Mekka. Wenn der Gläubige sich daran hält und dazu noch ein anständiger Mensch ist, der seinen religiösen Führern glaubt und auch sonst auf sie hört, kommt er in den Himmel, ansonsten in die Hölle, wo all die Ungläubigen bereits braten. Ja, was für eine schöne und einfache Sache!

    Diese 5 Säulen sind instabil, ich nenne sie die 5 Krücken, weil, Erstens, Allah kein ständiges Bekenntnis durch Menschen benötigt. Das fortwährende Herunterleiern dieser Formeln bewirkt bei den Gläubigen eine Ausblendung der Vernunft, bis zu einem Rausch und einer Ekstase, die nur noch Allah, Allah, Allah, alleine kennt und jegliche Besonnenheit ausblendet. Das ist so gewollt.

    Das gleiche gilt für die zweite Krücke, das ewige formelhafte Beten. Damit ergreift die Religion einen Platz im Leben, der sie in die Mitte stellt, sie wird nie aus dem Alltag verschwinden. Der Gläubige ist an sie gefesselt, er steht im Blickfeld seines religiösen Umfeldes und ist also unfrei nach seiner eigenen Fasson selig zu werden und Religion zum Beispiel nur als Nebenbetätigung zu nehmen.

    Die dritte Krücke ändert nichts am Verhältnis von Knechten und Herren. Gib deinen Almosen (den Priestern), werde gesegnet bei Gott und lasse als Mensch alles beim Alten. Das „Fasten“ ist ebenso angelegt. Nachts wird gegessen und getrunken. Tagsüber an Ramadan die Frömmigkeit derart übertrieben, dass noch nicht mal ein Schluck Wasser getrunken werden soll. Auch das befördert den Fanatismus der Gläubigen.

    Schließlich als Fünftes, Mekka, die große Zentrale. Obwohl die Muslime wissen, dass Allah an keinem irdischen Ort gefunden werden kann, muss jeder sich beim Gebet zu diesem Ort hin ausrichten und die Moscheen werden weltweit in dieser Richtung gebaut. Jeder muss Mekka besuchen und siebenmal um einen Stein, die Kaaba, laufen. Der Ort wird zum Götzen und nicht nur die Gebetsrichtung beweist die Anbetung eines Ortes und nicht die Anbetung Gottes.

    Die 5 Säulen des Islam sind also mehr als schwach. Niemand sollte darauf bauen. Für uns im freien Westen bedeuten sie und die islamische Denkwelt, die Rückkehr zu einer geistigen Rückständigkeit, der wir uns vehement erwehren müssen, wenn wir unsere Freiheit behalten wollen.

  109. @ Michael Beitz:
    außerhalb des Themas hier habe ich mich anlässlich zu Punkt 4 Ihres Beitrags vom 11. August 2010 um 19:14 an den Inhalt des lesenswerten Buchs „Die Urmatrix“ erinnert gefühlt.

  110. @ Michael Beitz

    Ich muss mich wiederholen: Für das Verhältnis der Religionen und Staat in einer säkularen, freiheitlichen Gesellschaft gibt es unterschiedliche Modelle. Dabei gibt es sicher auch ein Spannungsverhältnis zwischen den (kollektiven) Rechten der Religionsgemeinschaften und der Neutralitätspflichten des Staates, die immer wieder neu „ausgehandelt“ werden müssen. Ob mit dem in Deutschland historisch gewachsenen Modell das richtige Gleichgewicht erreicht ist, darüber kann man selbstverständlich geteilter Meinung sein. Das betrifft auch die von Ihnen angesprochenen Punkte.

    Was z.B. bekenntnisorientierten Religionsunterricht (dass dieser der kein „Zwangsunterricht“ ist, habe ich schon früher ausgeführt) in der Schule betrifft, gibt es gute Pro- und gute Gegenargumente. Im Berliner Streit hat es in beiden Lagern Vertreter der Religionen gegeben. Die Verbannung des Religionsunterrichts aus der Schule (für die eine Änderung der Verfassung nötig wäre – abgesehen von der „Bremer Klausel“) halte ich nicht für sinnvoll, würde aber nicht die Religionsfreiheit einschränken.

    Auch die jetzt in Diskussion geratenen finanziellen Zuwendungen des Staates an die Kirchen haben nichts mit dem Kerngehalt der Religionsfreiheit zu tun, sondern mit der deutschen Geschichte. Es ist nicht die einzige Finanzlast, die sich aus den vertraglichen Verpflichtungen aus der Kaiserzeit oder der Weimarer Republik ergibt.

    In beiden Themenbereichen sehe ich keine „restaurative“ Tendenzen; die Kirchen wären meiner Einschätzung nach schon froh, ihre historisch gewachsene Position in der Gesellschaft halten zu können. Ernsthafte Versuche, „neues Terrain“ zu besetzen, sehe ich nicht. Das gilt auch für den Kreationismus als Schulstoff. Ministerpräsidenten reden viel dummes Zeug wenn der Tag lang ist – und vergessen es schon am nächsten Tag. Wobei ich nichts dagegen hätte, über Kreationismus (den ich sowohl für einen wissenschaftlichen als auch für einen theologischen Unfug halte) in der Schule zu sprechen, weil dies eine wunderbare Diskussion über die Grenzen der Wissenschaft (Kann man „Gott“ wissenschaftlich widerlegen?) und die Grenzen der Religion (Kann man „Gott“ wissenschaftlich beweisen?) möglich macht.

    Grundsätzlicher Dissens zwischen uns bleibt der Punkt der gesellschaftlichen Relevanz von Religionen. Die Begründung der Maßstäbe, die der Einzelne oder gesellschaftliche Gruppen „in die Diskussion um Regeln des menschlichen Zusammenlebens und die politische Gestaltung unseres Gemeinwesens“ einbringen, ist nicht objektiv hinterfragbar, die Maßstäbe selber aber diskutierbar. Die Unatastbarkeit der Menschenwürde ist so ein Maßstab, den für mich dadurch begründet ist, dass alle Menschen als „Abbild Gottes“ geschaffen wurden, und den Sie gänzlich anders begründen. In einer offenen Gesellschaft müssen wir religiöse Argumente genauso wie anders motivierte ertragen. Es steht jedem ja frei, Aussagen, „die außerhalb unserer menschlichen Existenz liegen“, einfach zu ignorieren. Religiöse, atheistische oder agnostische Tabus tun aber meiner Meinung nach einer freiheitlichen Gesellschaft nicht gut.

  111. @ Islamkritiker

    „Die 1960 gegründete „Islamische Gemeinschaft in Deutschland e. V.“ (IGD) ist die mitgliederstärkste Organisation von Anhängern der Muslimbruderschaft (MB) in Deutschland. Ihr Hauptsitz ist das „Islamische Zentrum München“. Auch in Hessen verfügt die IGD mit den Islamischen Zentren in Frankfurt am Main und in Marburg über Niederlassungen. Derzeit wird u.a. gegen Funktionäre der IGD ein Ermittlungsverfahren wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung gemäß § 129 StGB geführt. Den Beschuldigten wird vorgeworfen, sich bereits vor mehreren Jahren zu einer Vereinigung zusammengeschlossen zu haben, deren Tätigkeit und Zweck auf die Begehung von Straftaten mit dem Ziel der Erlangung von Geldern gerichtet ist, um hierdurch eigene politisch-religiöse und letztlich islamistische Ziele zu verfolgen.“ (Homepage des Hessischen Verfassungsschutzes)

    Wie repräsentativ ist die Islam-Interprätation dieser Islamisten für die Mehrheit der Muslime in Deutschland?

  112. Alle monotheistischen Religionen haben m. E. nur ein Ziel: Macht

    Diese Macht basiert auf der menschlichen Unfähigkeit, mit der eigenen Vergänglichkeit umzugehen. Mit vermeintlichen Erklärungen und daraus abgeleiteten Verhaltensregeln wurden und werden ganze Völker kontrolliert und manipuliert.

    Insofern hatte Marx recht: Religion ist opium für das Volk.

  113. @ Abraham #115

    Wir sind, was politische und gesellschaftliche Entscheidungen betrifft, vielleicht nur ein Häufchen Exoten. Wenn die politische Qualifikation von Politikern danach bemessen wird, „er hat die Haare schön“ oder „er hat ’ne tolle junge Frau mit Tatoo“ oder „sie strahlt Kompetenz aus“, dann braucht es schon einen sehr langen Atem, um ein Mindestmaß an argumentativer Substanz aufrechtzuerhalten.

    Es stimmt nicht gerade hoffnungsfroh, wenn diejenigen, die von politischen oder gesellschaftlichen Entscheidungen (unmittelbar) betroffen sind, sich nicht an den Abstimmungen beteiligen. Nicht einmal dann, wenn sie davon direkt profitieren würden (siehe Hamburger Schulreform).

    Letztendlich muss man sich natürlich auch fragen, ob die Entscheidung überhaupt noch bei uns Bürgerinnen und Bürgern liegt. Ich sage nur: „systemrelevant (too big to fail)“.

    @ Abraham 116

    Meines Wissens bekennt sich die überwiegende Mehrzahl der (türkischen) Muslime zum Islam, hält sich selbst aber nicht für wirklich gläubig (streng gläubig). Ebenso bekennt sich die weit überwiegende Mehrzahl der Muslime zur FDGO, hält sie aber möglicherweise nicht für wirklich grundlegend verbindlich.

    Dass die uns bekannten muslimischen Institutionen nur einen kleinen Teil der hier lebenden Muslime repräsentieren, ist ein oft diskutierter Geburtsfehler des Islamrats.

    Gerade gestern wurde übrigens durch eine Befragung anlässlich des Ramadan-Beginns bekannt, dass 20% der Muslime sich nach eigener Auskunft nicht an die islamischen Essensvorschriften halten. D.h. sie essen Schweinefleisch und/oder trinken Alkohol und/oder verzehren Speisen, die nicht halal sind. Wie hoch die Dunkelziffer ist, ist nicht bekannt.

    Um die offenen Türen, die Sie bei mir einrennen, noch einmal deutlich zu kennzeichnen: zwischen der Ideologie der Religionen und dem Wirken ihrer organisierten Repräsentanten einerseits und der persönlichen Religionspraxis des Einzelnen kann ein himmelweiter Unterschied bestehen.

  114. Landwirt Uwe Trede, 70, ist Mitorganisator des Wacken Open Air Festivals (WOA), wo Zehntausende furchterregend aussehender Heavy Metal Fans – fast wäre ich versucht zu sagen „Jünger“ – ihrem Kult frönen. Die Dorfbewohner reden von „unsere Jungs“ und „alles nette Kerle“.

    Auf die Frage: „Ein Song auf dem neuen Album der Band ‚The Devil’s Blood‘ heißt ‚Christ or Cocaine‘. Wofür würden Sie sich entscheiden?“

    antwortet er: „Für keins von beidem.“

    Herrlich! Das wäre ein schönes Zitat des Tages in der Rubrik „Splitter“ gewesen.

    (Natürlich nur nach sorgfältiger vorhergehender Recherche, ob Uwe Trede vielleicht für eine verfassungsfeindliche Partei eintritt oder hilflose Nachbarn verprügelt oder „irgendwas mit Kindern hat“ oder für den FSB arbeitet oder islamistischer Schläfer ist.)

  115. @ all

    Ich möchte mich bei allen Beteiligten dafür bedanken, dass zu diesem Thema eine rege Diskussion zustande gekommen ist. Gleichzeitig eine kleine Ankündigung für alle, die es noch nicht mitbekommen haben: In 24 Stunden, also am 13.8., 12 Uhr, wird die Kommentarfunktion im FR-Blog abgeschaltet, weil ich Urlaub mache. Dann kann im FR-Blog drei Wochen lang nicht diskutiert, nur gelesen werden. Das heißt aber nicht, dass das Thema in diesem Thread damit erledigt wäre. Die Debatte um die Islamkritik und die Integration wird uns sicher noch auf Jahre hinaus beschäftigen, und genauso sicher werde ich das Thema wieder aufgreifen.

  116. @ Bronski

    Der folgende Text liegt bei mir seit Jahrzehnten in der Schublade (naja: als Word-Dokument in einem Zip-Archiv), leider finde ich keinen Hinweis auf den Autor oder sonstige Copyright-Angaben. Obwohl ich nun lange recherchiert habe, bin ich keinen Schritt weiter gekommen. Ich weiss also nicht, ob die FR das „Risiko“ einer Veröffentlichung eingehen kann/will.

    Ich jedenfalls würde mich freuen, wenn dieses Meisterstück auch anderen Leserinnen und Lesern Freude bereiten könnte. Siehe auch, um den Zusammenhang zu diesem Thread zu wahren:
    http://de.wikipedia.org/wiki/Gottesbeweis#Der_ontologische_Gottesbeweis

    Ein Märchen

    Es waren einmal ein Bauer und sein Knecht, die wollten ein Feld pflügen, das viele Jahre lang brachgelegen hatte. Das Feld lag in einer Gegend des Landes, die berühmt war für ihre Gebäude und Mauern aus Feldsteinen.

    Als das Feld gepflügt war, betrachteten die beiden Männer die vielen Feldsteine, die sie herausgepflügt hatten. Der Knecht zeigte aufgeregt darauf und rief:
    „Schau Dir all die Feldsteine an! Sie sind in all den Jahren gewachsen.“
    Der Bauer, überrascht über diesen ontologischen Ausbruch, antwortete grimmig:
    „Sie sind vielleicht die ganzen Jahre da gewesen, aber bestimmt nicht gewachsen!“
    „Aber doch, schau dir doch die verschiedenen Größen an! Einige der Feldsteine sind älter als die anderen. Guck, das sind die großen.“

    Der Bauer schob seinen Hut in den Nacken, rieb seine Brauen und fragte:
    „Wenn wir einen Erdbrocken in Stücke brechen, sind doch die Stücke nicht gleich, oder? Die Größe hat nichts mit dem Alter zu tun.“
    Er unterdrückte seine aufkeimende Ungeduld und erklärte:
    „Jedes Mal, wenn wir ein Feld pflügen, lesen wir die Steine heraus, die wir aufpflügen. Über die Jahre reinigen wir die Felder immer ein bisschen mehr von den Steinen. Dieses Feld ist lange nicht gepflügt worden, also sind die Steine drin geblieben.“

    „Nein, wir haben die Steine sich selbst überlassen. Sie konnten hier wachsen, also haben sie es getan.“
    „Komm schon, wie sollen denn Feldsteine wachsen?“
    „Ganz einfach. Schau dir unsere Mauern um die Felder und an der Straße entlang an. Die fallen alle ein, nicht wahr?“

    „Langsam! Was hat das damit zu tun?“
    „Viel. Wir bauen diese Mauern aus den Feldsteinen hier. Die Steine wachsen immer weiter und drücken den Mörtel raus. Wenn der Mörtel herausgefallen ist, fällt die Mauer ein.“
    „Quatsch. Der Wind höhlt den Mörtel aus, und wenn er ausgehöhlt ist, hält die Steine nichts mehr zusammen. Deshalb fällt die Mauer ein.“

    Der Knecht schaute den Bauern prüfend an und wunderte sich über diesen blühenden Unsinn. Der Bauer verstand diesen Blick und war nahe daran aufzugeben. Blöder Knecht! Plötzlich durchzuckte ihn eine Idee. Er dachte an das Rathaus in der nahe gelegenen Stadt: ein schönes Gebäude, das jedes Jahr von zahllosen Touristen besucht wurde. Es stand seit 300 Jahren in voller Pracht, und, was noch wichtiger war, es bestand aus Feldsteinen.

    Aufgeregt wandte sich der Bauer zum Knecht:
    „Denk ans Rathaus. Ein Gebäude aus Feldsteinen, Hunderte von Jahren alt – und es steht immer noch.“ Er konnte die Selbstgefälligkeit nicht ganz unterdrücken, als er fragte: „Und wie erklärst du dir das? Ein Gebäude aus Feldsteinen, das nicht eingefallen ist?“ Er war jetzt voll im Schwung und fuhr fort, ohne eine Antwort auf seine rhetorische Frage zu erwarten: „Ich sage dir, warum. Jedes Jahr wird geprüft, ob Mörtel fehlt. Bei dieser Wartung bleibt das Gebäude stehen.“

    Der Knecht lächelte, sah den Bauern wissend an und erwiderte:
    „Ach, diese Feldsteine sind behauen. Jeder weiß, wenn man einen Feldstein behaut, stirbt er. Natürlich steht das Rathaus immer noch. Die Feldsteine sind alle getötet worden und können nicht wachsen. Deshalb drücken sie auch den Mörtel nicht heraus, und das Gebäude fällt nicht ein.“

  117. @ Michael Beitz
    Also mir sagt der Text hauptsächlich, dass falsches, begrenztes oder nicht vorhandenes Wissen zu falschen Annahmen und Schlüssen führt.
    Der Knecht wusste einfach nichts über Gestein und geologische Verwitterungsprozesse, welche so langsam verlaufen, dass sie für das menschliche Auge nicht beobachtbar sind. Deshalb war es dem Bauern auch unmöglich, den starrsinnigen Knecht von seinem Irrglauben abzubringen.

  118. @Michael Beitz #121

    Sehr schön. Das hätte man gut als Schluß-Beitrag für die nächsten drei Wochen stehen lassen können.

  119. @ FRettchen
    Ihnen scheint der Text ja etwas völlig anderes zu sagen als mir. Da ich immer offen für eine Horizonterweiterung bin, fände ich es sehr freundlich, wenn Sie Ihre Position näher darlegen würden.

  120. @ Napez
    „Alle monotheistischen Religionen haben m. E. nur ein Ziel: Macht“

    Meine Vorfahren haben also – statt sich taufen zu lassen – Jahrhunderte der Vertreibungen und Pogrome erduldet, weil das der sichere Weg zur Macht war, wohl zu der heimlichen Weltbeherrschung durch die Weisen von Zion?

  121. @ Anna ##124 und 122

    Anna, es ist eigentlich ganz einfach: stellen Sie sich einfach vor, der Knecht hätte recht.

  122. Mir scheint, dass sich inzwischen mehr Atheisten oder Agnostiker als Theologen mit Gottesbeweisen abmühen. Das liegt wohl daran, dass es für „Gottgläubige“ (um dieses vereinfachende Wort zu benutzen) inzwischen kein Problem ist, Atheismus oder Agnostizismus zu akzeptieren. Hingegen arbeiten sich hier mühsam einige Atheisten uns Agnostiker daran ab, dass es noch unverbesserliche „Gottgläubige“ gibt.

    Wer meint, dass es jenseits der mit Sinnesorganen, mit Messinstrummenten und durch rationales Denken erfassbaren Welt nichts gibt, möge damit glücklich sein. Nicht jeder empfindet Liebe oder Schönheit. Ist damit „bewiesen“, dass es keine Liebe und Schönheit gibt?

  123. @ Anna,

    oder, um es kürzer zu machen (bald ist Freitag mittag…):

    beweisen Sie, Anna, was Sie in #122 geschrieben haben.

  124. …und wenn Sie das geschafft haben (ohne auf Bücher zu verweisen, denn bloß, weil der Bauer oder seine Nachfahren SEINEN Glauben aufgeschrieben haben, heißt das ja nicht, daß es auch so sein muß 🙂 )
    — dann beweisen Sie, daß der Knecht unrecht hat.

    Sorry, daß wir da kein längeres Geplänkel draus machen können, aber ich habe leider keine Zeit dafür.

    Viel Spaß beim drüber-Nachgrübeln !!!

  125. @ FRettchen

    Mir geht es wie Anna: Ich verstehe den höheren Sinn der Geschichte nicht. Wenn umgekehrt ein Fischer einen Taucher nicht davon überzeugen könnte, dass Korallen keine Steine, sondern Lebewesen sind – was würden wir daraus lernen?

    Falls mir damit gesagt werden soll, dass meiner begrenzten Einsicht (oder Intelligenz) der an sich bekannte (oder dem Kündigen zugängliche) naturwissenschaftliche Beweis der Nichtexistenz Gottes entgeht, dann verweise ich auf # 127.

  126. Nachtrag:

    Möglicherweise soll mir die Geschichte sagen, dass man das, was es nicht gibt, nicht beweisen kann. Abgesehen davon, dass es mit einigem Aufwand auch dem Bauer möglich wäre nachzuweisen, dass Feldsteine in einer Mauer nicht wachsen (das lässt sich über Jahre messen), lerne ich auch dadurch nichts Neues.

    Aus einer logisch richtigen Aussage A folgt nicht non A; wenn man nichts beweisen kann, was nicht existiert, folgt daraus nach den Gesetzen der Logik nicht, dass nur das existiert, was man beweisen kann. Ansonsten verweise ich erneut auf # 127, es gibt einen Bereich jenseits des Wissens, nämlich das Fühlen und Empfinden.

  127. Im „Wesen des Judentums“ schreibt Rabbiner Leo Baeck über „Geheimnis und Glauben“ und „Polarität zwischen Geheimnis und Gebot“:

    „Während das ‚Wissen und das Geheimnis‘ im Christentum etwas Reales ist, etwas, was im Sakrament greifbar wird, ist es im Judentum ein Ideelles. Es bezeichnet hier das Unerforschliche, das, was Gottes und nicht des Menschen ist, das, was nur geahnt werden kann. Vor dem Wesen Gottes breitet sich das Dunkel der Ferne, durch das kein Sterblicher hindurchschaut, und nur die Andacht mit ihrem Sinnen und ihrem Schweigen kann ihm nahen.

    In die Welt des Menschen treten hier die Gebote; das Gute tun, das ist auch aller Weisheit Anfang. Die Menschenpflicht steht vor dem Wissen von Gott, und dieses selbst hat weniger den Sinn des Besitzens als den des Suchens und Forschens. Was die Gottheit vom Menschen fordert ist im Alltag gegeben. ‚Prinzipien der Lehre, der Torah‘, sind daher, wie der Talmud sagt, die Grundsätze des frommen Handelns. Sie sind religiös festgelegt, und sie haben ihre bestimmten Antworten. Dem gegenüber bleibt die Glaubenslehre in vieler Hinsicht frei, sie verzichtet auf ihre einmaligen endgültigen Abschlüsse und Bindungen. So fehlt eine weitere wesentliche Bedingung der Dogmatik.“

  128. @ Frettchen # 128, 129
    Es geht noch kürzer: Ich versuche gar nichts zu beweisen und lasse den Knecht einfach glauben was ihn glücklich macht.

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