Ein Rest von Gerechtigkeit

Die SPD macht sich startklar für den nächsten Wahlkampf und hat deshalb die sozialen Themen wieder entdeckt. Wohl auch wegen der Konkurrenz von links. Ganz groß im Bewusstsein der Wählerinnen und Wähler: die soziale Gerechtigkeit. Der Deutschlandtrend hat ergeben, dass die CDU trotz der populären Kanzlerin an dieser Stelle angreifbar ist; offenbar hat sie den Professor aus Heidelberg immer noch nicht restlos verdaut. Das ist an ihr hängen geblieben. Also jetzt mehr ALG 1. Und war’s das? Schwierigkeiten stehen auch deswegen ins Haus, weil Vizekanzler und Sozialminister Franz Müntefering an der Agenda 2010 festhält. Die alte Garde der SPD stellt sich gegen Beck.

Dazu meint Rasmus Ph. Helt aus Hamburg:

„Die SPD-Streithähne proben die Quadratur des Kreises. Es kommt nicht darauf an, die Agenda 2010 positiv oder negativ zu bewerten, sondern sie zu verbessern. Nach wie vor handelt es sich um eine Reform, die über die Köpfe der betroffenen Menschen hinweg entschieden wurde, anstatt diese zu befragen. Damit hat man sich des Herzstückes des dänischen Vorbildes entledigt, das auf einen starken Informationsaustausch setzt, um für beide Seiten ein optimales Ergebnis zu erreichen!“

Herbert Albrecht aus Berlin hätte Wolfgang Clement gern mundtot gemacht:

„Wolfgang Clement hält es für falsch, die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I für langjährige Beitragszahler zu verlängern. Wie lange bezog wohl der gescheiterte Politiker Clement Übergangsgelder als MdB und als Minister? Gegen die selbstbestimmte Überversorgung unserer Abgeordneten ist wohl kein Kraut gewachsen, aber könnte man sie nicht mit einem, sagen wir, Schweigegelübde verbinden? So ist es doch einfach zu peinlich.“

Prof. Erich Weber aus Tuttlingen schreibt:

„Ich bin seit 44 Jahren SPD-Mitglied und werde es bleiben, weil ohne eine starke SPD der Sozialstaat, ein Kernstück der sozialen Marktwirtschaft, (vollends) den Bach hinunter geht. Wäre ich aber einer von denen, die 20 oder 30 Jahre lang treu und brav ihren Beitrag zu den sozialen Sicherungssystemen geleistet haben, und würde ich im Falle der Arbeitslosigkeit durch Hartz IV genau gleich behandelt wie jemand, der dafür wesentlich weniger oder gar nichts getan hat, so würde ich mit Sicherheit die Linke wählen. Ich habe nie verstanden, wie Sozialdemokraten sich so etwas leisten konnten, und ich kenne sogar Unternehmer, die das ganz genau so sehen.
Die CDU hat, dank der Intelligenz von Frau Merkel, den Leipziger Parteitag sang- und klanglos beerdigt. Und jetzt gibt es Sozialdemokraten, die die Agenda 2010 behandeln, als sei das ein Heiligtum? Das war sie nicht, sondern ein in Teilen geglückter, in anderen Teilen nicht geglückter Versuch, einige Probleme zu bereinigen, auch eine finanzielle Notmaßnahme Gerhard Schröder war ein genialer Kommunikator und ein genialer Wahlkämpfer, aber die von einigen führenden Sozialdemokraten mit ihm demonstrierte Loyalität ist etwas, worüber die politischen Gegner nur lachen – hinter vorgehaltener Hand natürlich. Dabei geht es nicht um Alt gegen Jung, sondern darum, einen Rest von Gerechtigkeit für die zu retten, die jahrzehntelang Solidarität geübt haben.“

Und Ute Plass aus Worms möchte geradezu schreien.

„Unerträglich, diese Luftblasen, die eine Politik im Jargon eines Müntefering erzeugt, welche in einer weiteren Zuspitzung hohler Phrasen gipfelt: ‚Weniger Armut ist möglich‘. Über so viel Dümmlichkeit lässt sich nur schmerzhaft aufschreien. Ich hoffe und wünsche, dass die mündigen BürgerInnen dies lautstark tun!“

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4 Kommentare zu “Ein Rest von Gerechtigkeit

  1. Schon die Berichterstattung in der Zeitung über dieses Thema ist tendenziell, wenn in der FR vom 2.10.07 steht:

    „Der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder und der Ex-Bundesarbeitsminister Wolfgang Clement warnten am Montag SPD-Chef Kurt Beck eindringlich davor, von der Reformagenda 2010 abzurücken.“

    Genauer wäre folgende Darstellung gewesen:

    „Gerhard Schröder (Aufsichtsrat bei North European Gas Pipeline [Joint Venture von Gazprom, Eon und BASF], Ringier-Verlag) und Wolfgang Clement (Aufsichtsrat RWE Power AG, Aufsichtsrat Landau Media AG, Aufsichtsrat Dussmann-Gruppe, Aufsichtsrat DuMont Schauberg, Deutsche-Industrie-Service AG [Zeitarbeitunternehmen] u.a.) warnten am Montag SPD-Chef Kurt Beck eindringlich davor, von der Reformagenda 2010 abzurücken.“

  2. Tja, da mischen sich mal wieder Leute ein, die ihre Schäfchen längst im trockenen haben.

    Besonders originell finde ich in diesem Zusammenhang auch diesen Politikerspruch: „… wenn man beim ALG I etwas dazugeben will, muss man woanders etwas einsparen, z.B. bei Hartz IV“. Ist das wirklich so? Mit derselben Logik könnte man fordern, dass man den Unternehmen nur dann Steuergeschenke von 8-10 Milliarden Euro machen kann, wenn man sie ihnen an anderer Stelle wieder wegnimmt!

  3. Fordert der Richtungsstreit in der SPD bald ein erstes Opfer? Nun wird schon darüber spekuliert, ob Müntefering zurücktritt. Für Außenminister und Buchautor Steinmeier wäre es ein dramatischer Verlust, wenn der „seit Jahrzehnten erfolgreichste Arbeitsminister“ seinen Hut nähme. Vielleicht könnte Herr Steinmeier mir den Gefallen tun und aufzählen, worin denn die großen Erfolge des Herrn Müntefering liegen sollen. Die Umfragewerte des Ministers und seiner Partei lassen jedenfalls Rückschlüsse darauf zu, dass nicht nur ich auf dem Schlauch stehe, wenn ich versuche die Worte „Müntefering“ und „Erfolg“ auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen.

  4. In der Öffentlichkeit wird nun darüber gestritten, ALG I länger zu zahlen. Eine sinnvolle Diskussion. Aber: Ist dies notwendig? Ich bin gegen eine Änderung. Allerdings aus einem anderen Aspekt heraus.
    Politiker denken nicht nach. Hätte man dies vor Monaten getan, dann bräuchte man die heutige Diskussion nicht. Es macht keinen Sinn, die Bezugsdauer von ALG I zu kürzen und dann wieder zu verlängern.
    Dass Politiker nicht nachdenken, zeigt sich gerade bei Hartz IV. Es ist widersprüchlich und schwammig formuliert. Mehr noch: Es wurde vier Mal geändert und verschärft. Wer das tut, der sollte sich eingestehen, dass Hartz IV gescheitert ist. Seien wir mal ehrlich: Was hat sich eigentlich gändert? Es wird genauso weiter gearbeitet, wie vor Hartz IV. Die Arbeitsgemeinschaften haben ihr Job-Center genauso groß aufgebaut, wie die Agenturen vor Hartz IV. Es werden die gleichen Fehler gemacht, wie vor Hartz IV. Die meisten Job-Center sind meilen weit davon entfernt, als Job-Center zu arbeiten. Aus „Fördern und Fordern“ wurde „Fordern und Fördern“, wobei das Fördern in den Arge„s sich lediglich darauf bezieht, Arbeitslose in Schulungsmaßnahmen zu stecken und in die 1-Euro-Jobs zu vermitteln. Die Frage, wie fördere ich Arbeitslose sinnvoll, stellt sich weder die Politiker noch die Bundesagentur. Stattdessen wird darüber gestritten, wie man den Überschuss der BA verwenden will.
    Das Hartz IV gescheitert ist, zeigt sich auch daran, dass Arbeitslose zwar arbeitet haben, aber denoch zusätzlich von den Job-Centern Leistungen bekommen. Hätte man dazu Hartz IV gebraucht? Wir sind mittlerweile wieder da, wie vor Hartz IV. Damals musste das Sozialamt einspringen, heute sind es die Job-Center, dank einer verfehlten Wirtschaftspolitik, vorallem der Union.
    Hartz IV wird lediglich dazu verwendet, die Arbeitslosenzahlen zu verschleiern. Ich glaube nicht, dass diese so drastisch sinken, wie immer wieder veröffentlicht werden. Wenn es der Wirtschaft tatsächlich so gut geht, brauch man dann immer wieder neue Beschäftigungsprogramme, die dem Steuerzahler immer mehr Geld kosten – Kommunales Kombilohn. Hier wird die Öffentlichkeit ganz bewusst belogen.

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