Psychologisch wichtig

Was in Deutschland eigentlich alles im Argen liegt, dafür kriegt man einen halbwegs unverstellten Blick, wenn man mal eine Weile im Ausland war. Am besten in einem Entwicklungsland. Ich will nicht behaupten, dass KiTa-Plätze bzw. deren Schaffung kein Problem wären und dass man nicht drüber diskutieren könnte; doch in Ägypten, wo ich gerade war, wissen viele nicht einmal, was KiTas überhaupt sind. Arbeitslosigkeit dagegen kennt man dort natürlich, und hier wie dort ist sie nicht nur ein psychologisches Problem.

Hierzulande sinkt die Arbeitslosigkeit. Das ist schön: „Die Arbeitslosigkeit wird in diesem Jahr durchschnittlich doch noch unter die psychologisch wichtige Marke von vier Millionen sinken“, schrieb die FR am 17. Februar (u. a.). Das hat FR-Leser Wolfgang Gramberg zu der Frage veranlasst: „Für wen ist diese Marke denn psychologisch wichtig?“

„Für die Arbeitslosen, die dadurch einen Arbeitsplatz erhalten? Für die Arbeitgeber, die deswegen auf das Ausreizen der Gewinnobergrenze verzichten und Arbeitsplätze bereitstellen werden? Für die Politiker aller Regierungen und Farben, die mit diesem Freifahrtschein einerseits ihre Ratlosigkeit, andererseits die Probleme der statistisch veröffentlichten und der verdeckten Arbeitslosigkeit verschleiern? Oder für die Medien, die meinen nur leben zu können, indem sie derartige Plattheiten gebetsmühlenartig nachdrucken?“

Fragen über Fragen, Herr Gramberg. Aber wenn selbst die Tagesschau davon spricht, dass diese Marke psychologisch wichtig sei, dann ist wohl was dran. Ähnlich dem DAX, der sich nun wieder der psychologisch wichtigen Marke von 6000 nähert. Psychologisch wichtig scheint für uns Deutsche auch zu sein, dass wir im Klimaschutz zwar weltweit vorne mitspielen, aber immer noch nicht gut genug sind. Dieses „Gut sein wollen“ – oder gut sein müssen? – ist es, was Menschen anderer Nationen an uns als erstes immer auffällt.

Eine hohe Arbeitslosigkeit dagegen ist nicht gut. Sie lastet auf uns, selbst wenn wir nicht direkt von ihr betroffen sind. Die Wendung „psychologisch wichtig“ mag windelweich klingen, da sie ein kollektives Etwas anspricht, was nicht so leicht zu benennen ist. Aber sie trifft es trotzdem, finde ich.

Für bessere Vorschläge ist hier viel Platz!

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15 Kommentare zu “Psychologisch wichtig

  1. Willkommen zurück, lieber Bronski.

    Ich weiß, du liebst Plattheiten, hast du an anderer Stelle einmal betont, und reihst wohl deshalb hier eine an die andere. „Die“ Deutschen sind wie andere Menschen auch, nämlich unterschiedlich. Krank aus dem Urlaub zurück, bist du offenbar noch nicht dazu gekommen, Zeitung zu lesen. sonst wäre dir vielleicht sinnfällig geworden, dass keineswegs die führende Rolle beim Klimaschutz für „uns“ Deutsche psychologisch oder sonstwie zentral ist:
    http://fr-aktuell.de/in_und_ausland/politik/aktuell/?em_cnt=1089635&

    Die „psychologisch wichtige“ Marke von vier Millionen Arbeitslosen ist jedoch keine Plattheit, das würde immerhin bedeuten, sie sei eine allgemein bekannte Wahrheit, sondern schierer Unsinn. Arbeitslose gehören zum Kapitalismus wie das Fett zur Butter, wenn man jene nicht will, muss man diesen abschaffen, (Dabei achte man aber tunlichst darauf, dass man nicht unversehens in Terrorismusverdacht gerät!), da hilft keine Politik und keine Psychologie.

    Ganz anders allerdings beim Dax: der bewegt sich freudig erregt nach oben, wenn Großunternehmen die Schaffung von Arbeitslosen in zigtausendfacher Höhe ankündigen. Das stimuliert psychologisch die Deutschen aufs Höchste. Sorry, bei „die Deutschen“ gilt auch hier eine Einschränkung: sofern sie Anleger in Aktienkapital sind.

  2. Danke für diese erste freundliche Wortmeldung. Da macht die Arbeit doch gleich wieder Spaß.

    Nichts gegen eine gepflegte Plattheit hin und wieder, wenn sie denn Differenzierungen anstößt. Da schiebe ich doch gleich noch eine hinterher: Mit „den Deutschen“ ist es nicht anders wie mit allen anderen Massenphänomenen. Aus der Ferne wirken sie homogen, aus der Nähe tut Differenzierung gut. Manchmal kann es hilfreich sein, ein paar Schritte zurückzutreten und gerade nicht zu differenzieren. Wie oft hörte ich in Ägypten, wie beliebt und liebenswert „die Deutschen“ doch seien!

  3. Danke für die freundliche Antwort! Leider geht sie nicht auf meine Argumente im Hinblick auf psychologische magische Zahlen ein.

    Ich bin eben jedem Nationalismus abhold, und die Wahrnehmung einer Bevölkerung aus der Ferne als homogen funktioniert eben nur nationalistisch, indem von den viel wesentlicheren kulturellen und sozialen Unterschieden abstrahiert wird. Aussagen, wie „Die Deutschen sind beliebt und liebenswert“ enthalten zudem immer die Negation, dass es im Gegensatz dazu unbeliebte und nicht liebenswerte Nationalitäten gibt. Zudem lohnt es sich ggf., nach den Gründen zu fragen. Bei vielen Arabern sind die Deutschen so beliebt, weil sie die Juden umgebracht haben.

  4. @Hallo, lieber Bronski;
    auch ich bin immer noch grippekrank und bin sehr erfreut, dass die Korallen und ihre Bewohner uns unsere Leit/d-figur zurückgegeben haben.
    Aber nun zum „aber“, was natürlich bei unserer Blog-Gruppe kommen muss: Was ich „aber“ zu den oben genannten Psychologie-„Beispielen“ anführen muss, sind dies doch eigentlich nur interpretierte Statistiken. Und seit berühmten Altvorderen wissen wir, dass zum einen diese(r) nur der Statistik glaubte die er selbst „gefälscht“ hatte, bzw. in wie weit die Statistik gerade die Teile unterschlug die das „Ergebnis“ in Frage stellte. So wie jetzt in unserer Republik die Arbeitsplatzstatistik. Würde diese nämlich reduziert auf auskömmliche Arbeitsplätze im Sinne von Kriterien die als Untergrenze von den Sozialverbänden benannt wird, wäre unsere Statistik sehr schnell wieder bei 5 Millionen, wenn nicht sogar noch erheblich höher!
    So weit zur Psychologie und den Missbrauch mit Statistiken.
    Lieber Bronski, herzlich willkommen; mfg, hjs

  5. Dieses „Gut sein wollen“ – oder gut sein müssen? – ist es, was Menschen anderer Nationen an uns als erstes immer auffällt.

    Zum Glück haben wir ja Leute wie Jürgen Thumann vom BDI, die nicht immer und überall führend sein wollen – vor allem nicht beim Klimaschutz >:->

  6. @ HJS

    Natürlich hast du recht, Hans-Jürgen, und ich denke eigentlich, Bronski meint den Unsinn, den ich unfreundlicherweise als Unsinn bezeichne, nicht wirklich ernst. Die Tagesschau als Gewähr für die Richtigkeit und Seriosität von Zahlenmystik. Ich dachte, sowohl das Mittelalter als auch Karneval seien vorbei.
    Trotzdem: Einen guten und gesunden Start in die hoffentlich gleichwohl Spaß-machende Arbeit, lieber Bronski und hoffentlich bald wieder ein Thema der intelligenteren oder unterhaltsameren Art!

  7. Liebenswert wie immer. Wirft mir gleich Nationalismus vor, der gute Heinrich. So ein Quatsch! Die Eingangsbemerkung war: Herr Gramberg findet die Zahlen der Arbeitsmarktstatistik nicht psychologisch wichtig. Jedenfalls nicht für sich, wie mir scheint. Vielleicht weil es sich um eine Statistik handelt, die geschönt werden kann. Vielleicht weil er etwas dagegen hat, das ihm als Teil eines Größeren Wahrnehmungen aufgedrückt werden. Hierum geht es; und man muss doch über diese Kollektivpsychologie, wie sie auch von der Tagesschau verkündet wird, reden können!

    Bezüglich des DAX muss ich meine Eingangsthese übrigens genauer fassen: Die psychologisch wichtige Marke von 6000 schien bereits wieder in Sicht, da der DAX sich im Absturz zu befinden schien. Er hat sich inzwischen gefangen und bewegt sich hoffentlich wieder auf die (psychologisch anscheinend weniger wichtige) Marke von 7000 zu.

  8. @Bronski,“Dax“;
    na, da haben sie die Kurve noch rechtzeitig gekriegt. Ich hatte das mit 6000 auch bemerkt und wollte schon schreiben: „..aber von oben!“
    Habe mir es dann aber verkniffen und mir gesagt: Bronski ist ja krank wie du selbst, also sei großzügig.
    Seit einem Ökonomieprof. der 50er wissen wir ja, bzw. sollte uns vermittelt werden, dass Wirtschaft zu einem Gutteil aus Psychologie besteht. Und somit will ich den Zusammenhang von psychologischer Wichtigkeit mit einer bestimmten Dax-Marke so stehen lassen. Allerdings, sollten wir uns auch nicht verdummen lassen. Denn die Leute die die wirtschaftlichen Abläufe durchschauen, scheren sich einen Deiwel um „solche Art Psychologie“ und die die als Bosse wirtschaftlich Einfluss haben schon gar; diese nützen höchstens die zur Zeit und das schon seit längerem, Sparte des psychologischen Drucks auf ihre Arbeitnehmer: Für immer weniger Geld, in immer längerer Arbeitszeit immer mehr zu erarbeiten! Das ist die „wahre Psychologie der Wirtschaft“ und wie ich meine, „wahre gesellschaftliche psychologische Marke“. Aber das ist sicher keine positive Seite der Psychologie und könnte sich einmal als „Krebsgeschür“ der Globalisierung des Kapitalismus herausstellen!
    Seinerzeit wollte der damalige SPD-Chef Müntefering ja diese Erscheinung des „vagabundierenden“ Kapitals, als Heuschrecken(plage) des Kapitalismus uns allen ins Bewusstsein bringen. Aber was geschah? Genau dasselbe wie bei vielen anderen Themen, anstatt dass das Problem in den Medien thematisiert wird, wurde sich auf den Ausdruck Heuschrecke „gestürzt“. Und da frage ich mich schon manchmal: Nimmt die Presse hier eigentlich immer die Interessen der Breiten Masse war oder wird hier auch der Einfluss des „Großkapitals“ sichtbar?

  9. @ Hans-Jürgen

    Manche Kurven sind eben ein bisschen langgestreckt 😉

    „Für immer weniger Geld, in immer längerer Arbeitszeit immer mehr zu erarbeiten! Das ist die ‚wahre Psychologie der Wirtschaft'“

    Das sind vielleicht die Wünsche bzw. Vorstellungen von Managern, denen Renditeerwartungen und Fonds im Nacken sitzen. Für „die“ Wirtschaft greift mir das aber zu kurz, denn zu „der“ Wirtschaft zählen auch die Konsumenten, und die benehmen sich manchmal merkwürdig. Siehe Mehrwertsteuererhöhung: Anfang des Jahres war zunächst keine Auswirkung auf das Konsumverhalten festzustellen. Das zeigt sich erst jetzt. Überhaupt, das Konsumverhalten scheint manchmal sehr irrational. Stichwort Massenpsychologie. (Vielleicht sollte ich doch mal wieder „Masse und Macht“ lesen.)

  10. Lieber Bronski,

    Ich werfe dir bzw. ihnen, falls Ihnen die Anrede, da Sie sie vermeiden, zu vertraut ist, gar nichts vor.

    Ich kritisiere keine Personen und mache ihnen schon gar keine Vorwürfe, wie käme ich denn dazu, sondern ich widerspreche ggf. geäußerten Ansichten, und zwar pointiert und begründet. Und wenn diese Ansichten, von denen ich nicht einmal weiß, ob Sie sie im vollen Sinne teilen oder ob Sie sie bloß zur Diskussion stellen, weil sie im Diskurs mit der FR erscheinen, was ich hier vermutet habe, dazu angetan sind, die Wirklichkeit zu verschleiern statt zu erhellen, was extrem meine Auffassung zu solcher Zahlenmystik zu sozialen Erscheinungen ist, wie Arbeitslosigkeit, dann äußere ich meine Kritik auch polemisch.

    Dabei habe ich mich bislang an Ihrer Aufforderung orientiert: „Schauen Sie mal rein und geben Sie gern Ihre Meinung zu Protokoll. Natürlich bin ich immer offen für Ihre Anregungen und direkte Kritik.“ Die Stelle, wo es dabei salopp und harsch zugehen könne, habe ich leider nicht mehr gefunden.

    Wenn ich nicht Individuen betrachte oder Gruppen nach sozialen oder kulturellen oder ähnlichen Merkmalen, sondern nach dem Merkmal der Nationalität, dann nehme ich eine nationalistische Perspektive ein, ganz wertfrei gesprochen, was denn sonst? Wenn Sie die einnehmen in Bezug auf Ägypter und Deutsche, können Sie das getrost tun, ohne dass ich Sie im politisch abwertenden Sinne für einen Nationalisten erkläre.

    Wenn meine Beiträge hier nicht als Anregung empfunden werden, auch und gerade da, wo ich gegen den Tagesschau-Mainstream argumentiere, sondern als Unfreundlichkeit, bin ich hier fehl am Platze. Sie hätten ja inhaltlich dagegen argumentieren können. In diesem Thread erscheine bisher außer unser beider Einträge nur zwei knappe Beiträge, woran liegt das wohl?

    Ich bin es jedenfalls leid, mich für meine kritischen Beiträge zu entschuldigen und mir dafür im Gegenzug mehr oder weniger direkt Unfreundlichkeit vorhalten zu lassen, und da ich mich hier im Gegensatz zu ihnen verabschieden kann, tue ich das hiermit, mit Wehmut zwar, wegen einiger lieb und vertraut gewonnener Mitdiskutanten, sie eingeschlossen, aber gleichwohl liebenswürdig und freundlich. Ich kann auch woanders diskutieren. Vielleicht ergibt sich hier ja nochmal eine Gelegenheit bei Gastkommentaren für mich.

    Mit Grüßen und viel Erfolg weiterhin
    Heinrich Ebbers

  11. @Bronski,ebbers;
    oijuijui, was ist denn jetzt los?
    Bronski will doch, wenn ich das richtige Verständniss habe, dass wir die „Fährte aufnehmen“, die er mit „Psychologie gelegt hat; oder habe ich da was missverstanden? Schade, mfG

  12. Das nenne ich Überreaktion! Sehr schade. Nur weil ich auch einmal prägnant geworden bin und zurückgebissen habe?

    Sie müssen sich für gar nix entschuldigen. Ich wollte nur darauf hinweisen, dass wir vom eigentlichen Thema dieses Threads abgekommen sind. Und dass nicht jedes Thema, das ich hier aufmache, vor Geistesblitzen nur so sprüht, das liegt in der Natur der Sache. Ja, dieser Thread ist eher schwach. Macht doch nichts!

  13. Mich interessiert sehr, was andere von mir geschätzte Personen denken. Kritik bleibt nicht aus, ich selbst pflege auch schon mal an „brisante“ Themen zu rühren wie z. B. der Mindestlohn, der ganz verbissen verteidigt wird.
    Um mir ein Urteil zu bilden, muss ich viele Meinungen einholen und nicht alle können in meinem Sinn sein. Menschen und Meinungen sind eben verschieden. Also lasst uns debattieren.

  14. @Bronski;
    gerade blättere ich nochmal die FR um und mein Blick fällt auf der letzten Seite, auf den „Film-Bericht“ von Hans-Jürgen Linke über „Germinal“, nach einer Verfilmung des Emile Zola Romans, über ein fiktives Bergbaurevier vermutlich in der Wallonie, in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts.
    Mein Eindruck nach diesem Lesen ist der, dass ich Herrn Linke empfehle sich die „Arbeit“ zu machen und den Roman Zolas zu lesen. Denn nur hier lässt sich erkennen, was Zola uns sagen will; wie nämlich die Not der Bergleute ausgenutzt wird, noch nicht einmal für auskömmliches Essen(nach damaligem Maß) zu arbeiten, im Gegenteil die Bergleute mussten quasi im gegenseitigen Unterbieten sich die Arbeit ersteigern. Mein Großvater würde sagen:
    „So schmeckt die Piffe“! Ja also Herr Linke, lesen Sie den Roman und dann erneut in die FR!
    Von wegen Heuschrecken (Linke: „Die pikierte Heuschrecken-Debatte“) heutiger Zeit; Kapital war schon immer in seiner Machtstrebung radikal und brutal in seinen Auswirkungen und deshalb braucht freier Kapitalverkehr Regeln. Regeln wie unser Straßenverkehr auch, sonst prallen die unterschiedlichen Interessen von Nutzern und Benutzten gegeneinander und vermutlich zum Schaden der Massen auf diese mit Macht und Scherben oben drauf!

  15. @heinrich ebbers
    „Ich kann auch woanders diskutieren.“

    Heinrich, jetzt übertreibst du aber, begib Dich aus deiner Schmollecke und diskutiere weiter mit uns! Komm, Versöhnung hebt die Stimmung!
    Herzliche Grüße
    sendet Susanne

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