Ein Jurist als Verteidigungsminister

Die Bundesrepublik hat einen neuen Verteidigigungsminister. Nach dem Rücktritt von Christine Lambrecht (SPD), die, wie man so sagt, „glücklos“ agiert hat, ist nun der frühere niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) am Ruder im Bendlerblock. Für den ist es ein Sprung ins kalte Wasser: Ohne sich groß einarbeiten zu können, musste er sogleich zum Treffen der Nato-Verteidigungsminister in Sachen Ukraine-Kontaktgruppe. Dort ging es, wie der Name schon sagt, um die Ukraine.

PistoriusEs ist der erste große Ministerwechsel der Ampelkoalition, nachdem der Rücktritt der Grünen Anne Spiegel im April 2022 die Grüne Lisa Paus ins Amt der Familienministerin gebracht hatte. Gerade in Zeiten des Ukraine-Kriegs, in denen die bisherige Weltordnung in Trümmern liegt und eine neue noch nicht zu erkennen ist, hat ein Posten wie der des Verteidigungsministers natürlich größte Bedeutung. Auch angesichts einer Bundeswehr, die zur Landesverteidigung kaum in der Lage ist. Die ist eigentlich der allererste und verfassungsgemäße Auftrag der Bundeswehr. Angesichts veränderter globaler Rahmenbedingungen war das deutsche Militär allerdings umgebaut worden, hin zu schnellen Einsatzkräften, die international agieren können sollten. Die bedeutendsten Einsätze der Bundeswehr unter diesem Paradigma waren Afghanisten (abgeschlossen) und Mali (läuft noch).

Das aggressive Agieren Russlands hat den Fokus nun wieder auf die Landesverteidigung verschoben. Kanzler Olaf Scholz (SPD) hat eine „Zeitenwende“ beschweren und ein 100-Milliarden-Euro Sondervermögen für die Bundeswehr freigemacht, um die Truppe für ihre eigentliche Aufgabe wieder fit zu machen. Denn der Bundeswehr ging es nicht anders als anderen gesellschaftlichen Bereichen, die in den vergangenen Jahrzehnten mit einem permanenten Einsparzwang konfrontiert waren. Der hat zur Folge, dass Behörden unterbesetzt sind, dass es zu wenig Lehrerinnen und Lehrer gibt, dass Schulen, Brücken, das Schienennetz und vieles andere verfällt. Deutschland hat jahrelang unter dem neoliberalen Diktat gelitten, der Staat habe sich rauszuhalten. Dieses Land hat von seiner Substanz gelebt, die es in den Jahren vor 1985 aufgebaut hat. Das rächt sich nun.

Auch in puncto Bundeswehr. Die Truppe ist nicht einsatzbereit. Die Helikopter fliegen nicht, die Puma-Panzer bleiben auf der Strecke, es gibt nicht genug Munition, und selbst wenn sich die Regierung dazu entschlösse, Leopard-2-Panzer an die Ukraine weiterzugeben, würde es bis 2024 dauern, bis diese einsatzbereit wären. Hinzu kommt: Die Verwaltungs- und Beschaffungswege sind schier endlos lang. Deutschland, das Kernland der Bürokratie! Es kommt viel Arbeit zu auf Boris Pistorius.

Balken 4

Die Aussichten sind düster

Ich hoffte auf einen fähigen Nachfolger. Der designierte Bundesverteidigungsminister Pistorius hat -so t-online- noch vor seiner Vereidigung am 17. Januar 2023 gegenüber Journalisten geäußert: „Des Verteidigungsministerium ist schon in zivilen, in Friedenszeiten, eine große Herausforderung und in Zeiten, in denen man als Bundesrepublik Deutschland an einem Krieg beteiligt ist, indirekt, noch einmal besonders.“ Wenn das stimmt, dann frage ich: Wie wahnsinnig bzw. unfähig ist dieser Mann, von einer Kriegsbeteiligung zu sprechen?! Die Aussichten sind düster!

Thomas Nestinger, Bad Honneffr-debatteAn der Spitze einer echt gefährlichen Truppe

Ist es klug, ein solches Amt mit einer militärisch absolut unerfahrenen und ganz sicher nicht militäraffinen Person zu besetzen, wenn der russische Bär die Krallen zeigt? Seien wir ehrlich: wenn unsere Geheimdienste – und die anderer Staaten – nicht damit gerechnet haben, dass Herr Putin sich nach der Annektion der Krim noch ein paar mehr Stückchen Europa genehmigen könnte, dann sollen sie, die Geheimdienste, besser Räuber und Gendarm spielen, denn dann haben sie sich in der Beurteilung des Wesens des Bären schwer getäuscht; wenn er Honig wittert, nimmt der Bär nämlich auch Stiche in Kauf.
Und da hat Herr Scholz auf dem Sessel der Verteidigungsministerin/des Verteidigungsministers denn eine Juristin Platz nehmen lassen. Sehr geehrter Herr Scholz, wenn eine Schreinerei einen Meister sucht, wird sie sicher keinen Metzgermeister einstellen, und ein Optikermeister wird sich bei der Leitung einer Autowerkstatt oder eines Dachdeckerbetriebes schwer tun. Natürlich kenne ich den satirischen Spruch, dass Fachkenntnis oft störend sein kann, die bundesdeutsche Geschichte kennt viele Beispiele dafür. Aber wenn dann – wie im aktuellen Fall – die Panzer nicht fahren und die Soldaten mangels Munition „Peng“ oder „Krawumm“ rufen müssen, um dem Feind klar zu machen, dass da eine ganz gefährliche Truppe im Anmarsch ist, dann liegt etwas im Argen. Ich bin als anerkannter Wehrdienstverweigerer (mit amtlicher Gewissensprüfung) weit davon entfernt, Rüstung in irgendeiner Art gut zu finden und müsste eigentlich eine Armee gutheißen, die so ausgerüstet ist wie die Bundeswehr, mit Gewehren, die nicht geradeaus schießen und wer weiß mit wie viel mehr untauglichem Schrott, der ausschließlich bei gemäßigten mitteleuropäischen Temperaturen funktioniert. Was für eine schöne Vision, dass die Arsenale weltweit so bestückt wären! Aber das ist Utopie; Überall wird hochgerüstet, die Rüstungsindustrie verdient sich dumm und krumm, und ich als Rentner muss gezwungenermaßen mein Scherflein dazu beitragen, dass genannte Rüstungsindustrie untauglichen Schrott liefert. Und dazu, dass eine Juristin das Verteidigungsressort leitet und nun sicher eine „wohlverdiente“ Abfindung o.ä. bekommt, dass also eine Parteischranze ein Amt bekleidet hat, dem sie alles andere als gewachsen war; aber immerhin: sie war versorgt. Und sicher hat sie jetzt auch ausgesorgt. Dafür hat Papa Scholz gesorgt.

Gerhard Schlesinger, Eppstein

fr-debatteFehlende Orienrierung, keine Weitsicht

Das BMVG ist wohl das derzeitige Ministerium in der Ampel- Regierung unter Führung von Olaf Scholz, das glücklos oder gescheitert ist an fehlender Orientierung Militärischer Weitsicht.
Jeder Vorgängerin der einmal dieses Amt inne hatte zeigt am Ende ein Ergebnis , von mangelnder politischer Führung einerseits und wenig Militärische Kompetenz andererseits die kaum miteinander in Einklang zu bringen sind.

Thomas Bartsch Hauschild, Hamburg

fr-debatteLiebe Redaktion

Finanziell gesehen hat sich das „freiwillige Pflichtjahr“ in der Bundeswehr für Christine Lambrecht bestimmt gelohnt. Nun hat sie auf Druck von allen Seiten her, aber für alle wohl doch sehr überraschend, urplötzlich ihre Laufbahn geändert oder beendet! Kanzler Olaf Scholz musste jetzt sehr lange den Zylinder rütteln und schütteln, um dann den Boris Pistorius heraus zu ziehen. Wen bitte?
Dieser Pistorius war noch kürzlich Niedersachsens Innenminister, ist aber durch und durch Laie auf dem Gebiet der Verteidigung, somit bestens geeignet für diesen Posten. Die Hauptsache jedoch dürfte sein, dass die „Kohle“ stimmt und dass die „Truppe“ ab und zu auf ihn hört!

Klaus P. Jaworek, Büchenbach

fr-debatte

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3 Kommentare zu “Ein Jurist als Verteidigungsminister

  1. Die Bundeswehr bekommt schon die ganze Zeit jedes Jahr viele Milliarden. Derzeit sind es ich glaube 50 Milliarden die ganz normal im Haushalt stehen. Wie kann es sein das man dafür kaum Flugzeuge die fliegen, oder Panzer die fahren und Munitionsreserven die nur wenige Tage reichen dafür bekommt?

  2. Was ist das für eine beschissene Frage: „Was liefert er?“ Bierkasten, Biobox, Steine für den Hausbau? Wird das der Person Boris Pistorius und vor allem seinem Amt gerecht von „liefern“ zu sprechen? Ich finde die auch in der FR zu beobachtende Verrohung der Sprache beunruhigend. Die immer weiter um sich greifende Kritiksucht unseres Volkes, seiner Vertreter und auch der Presse erzeugt eine Mischung aus Angst und Wut, die eine konstruktive Auseinandersetzung mit den sicher gravierenden Problemen verunmöglicht. Warum hat die FR nicht getitelt: Wir wünschen Ihnen eine gute Hand? Das wäre aus meiner Sicht eine konstruktive Aussage. Ich bin langsam von der von mir ausgewählten Presse (FR, Spiegel) so genervt, dass ich die Kündigung meiner Jahrzehnte währenden Abos erwäge. Ebenso tue ich mir viele Talkshows nicht mehr an.

  3. Es mutet schon seltsam an, wenn ausgerechnet die lautstarken Elemente der „C“-Parteien gegen die Mitmenschen der „Letzten Generation“ schreien und den Rücktritt von Ministerin Lambrecht wegen unbedachter Äußerungen in der Silvesternacht und wegen des Zustandes bei den Geräten und der Munition der Bundeswehr fordern.
    Viele scheinen wohl vergessen zu haben, welche Parteien seit vielen Jahren diesen Ministerposten innehatten, wie z.B. Guttenberg, de Maiziere, v. d. Leyen oder AKK, und während dieser Zeit den Kriegsetat voll ausgeschöpft haben. Dabei stellt sich nunmehr die Frage, für welche Zwecke, abgesehen von den zahlreichen Beraterverträgen, diese die Milliarden Euro in den zurückliegenden Jahren ausgegeben haben. Nunmehr aber wird Christine Lambrecht dafür verantwortlich gemacht, dass die Puma-Panzer untauglich sind (wann und von wem wurden sie denn beschafft?) und dass keine Munition vorhanden ist. Warum mussten, abgesehen von Guttenberg wegen seiner Plagiatsaffaire, diese Minister*innen nicht zurücktreten?

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