Despektierlich und geschmacklos

Ach, Otto„, seufzte FR-Kunstkritiker Peter Iden anlässlich eines Auftritts von Otto von Habsburg-Lothringen auf der Vernissage der Ausstellung „Die Künstler der Kaiser“ in Baden-Baden. O-Ton Iden: „In seiner gottlob nur relativ kurzen Ansprache an das Publikum der Vernissage faselte der Greis etwas vom „historischen Grund“, auf dem er sich – weil im alten Reich? – in Baden-Baden befände. Der kuriose Einfall, ihn einzuladen und sprechen zu lassen, erweckte deutlich den Eindruck des Versuchs einer posthumen Glorifizierung der historischen Hegemonie-Bestrebungen der Habsburger. Dass deren Universalmonarchie nicht nur zu Zeiten der Gegenreformation auf blutiger Unterdrückung beruhte, kam mit keinem Wort zur Sprache.“

Dieser Text trug mir unverhofft eine ganze Reihe von Leserbriefen ein, die sich vordergründig an einem sachlichen Fehler Idens aufhängten: Iden hat in seinem Text von der „Unterwerfung der Niederlande, Spaniens, Italiens und der Balkanstaaten“ durch die Habsburger gesprochen, die laut Ansprach des Habsburgers „vermeintlich das geeinte Europa von heute vorwegnahmen“. Einige dieser Leserbriefe finde ich ausgesprochen … schön. Beginnen wir mit Matthias Wagener aus München:

„Eine so dermaßen despektierliche Art und Weise, über ergraute Herrschaften zu sprechen, ist (auch angesichts des bundesdeutschen Altersdurchschnitts) arg geschmacklos. Vor allem aber wird hier ausschließlich an einer legenda nera, die vor allem auf die preußisch-protestantische Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts zurückgeht, gewoben. In welchem Geschichtsbild ist man hier befangen, wenn von der blutrünstigen Unterwerfung der Balkanvölker die Rede ist? Meint man damit die Zusprechung von Bosnien-Herzegowina auf einem von den europäischen Großmächten getragenen Kongress, nach dem Ende der türkischen Besatzung? Vollends ein Rätsel muss die „Unterwerfung Spaniens“ bleiben.
Dass die Habsburger ihren Machtzuwachs vor allem einer geschickten Heiratspolitik zu verdanken haben und dass unsere Vorstellung vom Nationalstaat in den Jahren der beanstandeten habsburgischen ‚Untaten‘ noch nicht im entferntesten bestand, sollte doch zumindestens zur Kenntnis genommen werden, bevor man gegen die Familie Habsburg, deren Spross Otto ein bevorzugtes Hassobjekt der Nazis war, so vom Leder zieht. Vergessen wir auch nicht den weitreichenden Minderheitenschutz, den das Herrscherhaus der Habsburger garantierte, zum Ärger der Antisemiten im demokratisch gewählten Rathaus Wiens um 1900.“

Christof Päuser aus Wendelstein:

„Ach Peter Iden …
Ich habe selten einen derart negativen und unsachlichen Bericht (oder Beurteilung?) einer Ausstellung gelesen. Hier kommen weder der Aussteller, noch die Exponate gut weg. Ja wenn es denn sachlich begründet ware! Der Verfasser hat offensichtlich nicht nur ein gebrochenes Verhältnis zur Geschichte, sondern tut sich auch mit der angemessenen Höflichkeit insbesondere einem 96-jährigen gegenüber schwer.
Es ist ja auch viel leichter mit polemischer Häme obskures Geschichtsverständnis zu verbreiten und wenn die Veranstalter auch noch was abkriegen, na um so besser. Armer Herr Iden, Ihre Fähigkeiten liegen sicher auf anderen Gebieten.  Vielleicht denken Sie mal darüber nach und legen die gleiche Kritik auch Ihren „Werken“ zu Grunde?“

Hans Ph. Neidhardt aus München:

„Gespenstisch greisenhaftes, seniles Revoluzzergehabe.“

Julia Schmitt aus München:

„Ach, Peter!
Man kann mit Herrn Habsburgs Vergangenheitsauffassung hadern, aber man kann ihm sicher nicht andi-demokratisches oder anti-republikanisches Verhalten vorwerfen. Als Mitglied des Europäischen Parlaments hat sich Habsburg klar für die Demokratie entschieden und bemerkenswert für Europa gewirkt. Oder wie deuten Sie sein politisches Handeln, zum Beispiel das „Paneuropäische Picknick“, das unbestitten mit zum Ende der DDR und zur deutschen Wiedervereinigung geführt hat?
Den Wandel den dieser Mann in seinem langen politischen Leben vollzogen hat ist für mich vielmehr ein Symbol der Demokratisierung und Völkerverständigung in Europa, als das Otto von Habsburg für Rückwärtsgewandtheit und blutige Monarchie steht. Ja, sein Name steht für die Vergangenheit, aber nicht seine Person. Warum verurteilen Sie ihn wirklich?“

Dr. Horst Mahr aus München:

„Herr Iden kennt sich aus in der Kunst. Die ‚Künstler der Kaiser‘, die Dürer, Tizian, Velasquez, Gainsborough und Canaletto stammten aus der zweiten und dritten Reihe des Wiener Kunsthistorischen Museums, schreibt er. Auch der Kollege von der FAZ (übrigens dort am 21. 2. ein seriöser Bericht über die Ausstellung), der Werner Spiess, wird abqualifiziert, hat dieser doch tatsächlich einige Worte der Anerkennung für Otto von Habsburg, den Ehrengast gefunden.
Ja, von Otto war Iden so beeindruckt, daß er darüber vergaß, über die Ausstellung zu berichten. Der 96jährige ist der letzte Habsburger, der in dem großen europäischen Imperium die ersten sechs Jahre seines Lebens die Funktion des Kronprinzen innehatte. So war die von Burda gewählte Anrede Ottos als „Kaiserliche Hoheit“, auch in Abstimmung mit dem Protokoll des Auswärtigen Amtes, korrekt. Ebenso korrekt ist es, daß Karl Renner (das ist der, der 1938 den Jubelbrief an Hitler geschrieben hat) 1946 veranlasst hat, daß Otto wieder aus seiner Heimat ausgewiesen wurde. Aber wenn ein Iden dies bejubelt, dann hat er keine Idee von den Fakten. Der Parteigenosse Renners, Bruno Kreisky, hätte ihm da einen Crash-Kurs gegeben. Kein österreichischer Exilpolitiker – Otto war von den Nazis steckbrieflich verfolgt – hat in Frankreich und den USA mehr für die Selbstständigkeit Österreichs getan. Und im Europäischen Parlament hat Otto von Habsburg über 20 Jahre hinweg einen wesentlichen Beitrag zur demokratischen Wiedervereinigung Europas geleistet. Gerade alle ehemalig ‚blutig unterdrückten‘ (Iden) Länder der Monarchie haben dies anerkannt.
Mit einem historisch-politisch dialogfähigen Autor könnte man all dies diskutieren. Nicht diskutieren kann man aber die Iden-Zitate wie: ‚Zur Gespensterstunde wurde die Eröffnung durch den Auftritt des 96jährigen Dr. Otto von Habsburg‘, ‚faselte der Greis‘, ‚der Alte seinen Unfug vorbrachte‘. Jenseits jeder Ideologie genießt in allen Kulturnationen das hohe Alter besondere Anerkennung. Dass in einer seriösen Zeitung eines seriösen Verlags – Dumont hat auch den Ausstellungskatalog verlegt – gegen dieses Gesellschaftserbe in dieser Form verstoßen wird, könnte man nur verstehen, wenn Iden, aus welchen Gründen auch immer, Narrenfreiheit genießt – zum Schaden seiner Zeitung.“

Alles klar?

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2 Kommentare zu “Despektierlich und geschmacklos

  1. Ach, Bronski,
    selbst ein mäßig geschichtlich interessierter Leiter eines Leserbrief-Blogs hätte sich doch erinnern können, dass:

    Erstens zwei Jahre vor Ende des 1. Weltkrieges ein österreichischer Kaiser (Franz Josef I.) verstorben ist, es seit dem Selbsttod von Kronprinz Rudolf (in Mayerling!) keinen „direkten“ Thronfolger mehr gab, sondern mit seinem Neffen gerade jener Franz Ferdinand Kronprinz wurde, der 1914 in Sarajevo ermordet wurde, aber dessen Kinder nicht thronfolgeberechtigt waren (ja warum wohl, wegen nicht standesgemäßer Heirat, die Frau von Franz Ferdinand war ja nur eine tschechische Gräfin), so dass zum Schluss ein relativ unfähiger (mit Verlaub) Karl I. für zwei Jahre Kaiser wurde, so dass der gute Otto nur zwei Kriegsjährchen Kronprinz war;

    Zweitens Kaiser Franz Josef, als er vom Attentat auf den von ihm verachteten Thronfolger hörte, ausrief: „Der Allmächtige lässt sich nicht herausfordern. Eine höhere Gewalt hat wieder jene Ordnung hergestellt, die ich leider nicht zu erhalten vermochte“. So dass eigentlich gar kein kaiserlicher Grund für das ominöse Ultimatum an Serbien gegeben war, aber ein Machtkartell aus erzreaktionären Wiener Kreisen, verbunden mit wirtschaftlichen Interessen (business as usual!!) den Kaiser trotzdem zum Ultimatum brachte, mit den bekannten Folgen und somit

    Drittens sehr wohl behauptet werden darf, dass die Habsburger Anfang des letzten Jahrhunderts durch Dummheit, Machtpolitik, Intrigen und Standesdünkel einen Weltkrieg verursacht und eben nicht nur heraufbeschworen haben oder gar nur „hineingeschlittert“ sind (eine Entschuldigung seitens der Habsburger hierzu hat man nun ja eher nicht gehört);

    Viertens seine kaiserliche Hoheit gelegentlich eine sehr merkwürdige Nähe zu ultrarechten Medien gepflegt hat mit wunderlichen Zitaten, zum Beispiel dass Juden und Schwarze die US-amerikanische Außenpolitik dominieren würden;

    und Fünftens (aber sicherlich nicht letztens) Herr Otto die mediale Aufdeckung des Spendenskandals seines Sohnes (dessen europäischer Wahlkampf illegal durch WORLD VISION finanziert wurde) mit der Judenverfolgung durch die Nazis verglichen hat.

    Und aus all diesen Gründen stehe ich ganz nah bei Herrn Iden, dem über so unverfrorenem erzkonservativen und herablassenden Auftreten seiner kaiserlichen Hoheit einfach mal der „Hut hochgeht“ und er Klartext schreibt, sehr pointiert zugegebenermaßen, aber meiner Meinung nach sehr wohl berechtigt.

    Herr Iden ist für mich kein Hofnarr, sondern ein eiskalter Rächer des blasierten Standesdünkels und der geschichtlichen Ahnungslosigkeit bzw. Schuld. CHAPEAU!!!

  2. Ach Fiasco, quel Fiasco!

    Wieso reicht es dir nicht, wenn der „mäßig geschichtlich interessierte Leiter“ die Leserbriefe vorstellt mit dem Kommentar: „Einige dieser Leserbriefe finde ich ausgesprochen … schön.“? Hätte er sie vielleicht selber kommentieren sollen, statt dir dergestalt die Steilvorlage zu bieten für deine protestantisch-preußisch-kleindeutsche Hetze und Geschichtsfälschung?

    Dass die nach Freiheit strebenden Balkanvölker durch Kriege und Diplomatie der imperialistischen Mächte im 19. Jh. zum Teil vom osmanischen Regen in die Habsburger Traufe gerieten, verbucht ein Leserbriefschreiber unter das Völkerrecht. Dass aber in Österreich nach dem 1. Weltkrieg Monarchie und Adel per Verfassung beseitigt und die Völker dadurch in die Freiheit vom Habsburger Joch entlassen wurden, ist laut der „autorisierten(!) Ehrenseite“ Ottos ein Verstoß gegen das Völkerrecht(!).

    Die „Unterwerfung Spaniens“ wird aber mit Recht als „rätselhaft“ angesehen, galt doch zu jener Zeit für die Habsburger Monarchie die klassische Devise: „Bella gerant alii, tu, felix Austria, nube!“ (Die anderen mögen Kriege führen, du, glückliches Österreich, heirate!“.

    Und dass Otto Ansprüche auf das „alte Reich“ erheben könnte, wie Iden andeutet, darf tunlichst auch nach den Gepflogenheiten der Herrscherhäuser als ausgeschlossen gelten. Hatte doch sein Altvorderer, Franz II., 1806 offiziell die Krone des Römisch-Deutschen Kaiserreichs niedergelegt, nachdem der mächtigste Mann Europas, der selbsternannte Kaiser der Franzosen, ihm 1804 den Titel eines Kaisers von Österreich verliehen hatte. Franz dachte sich folgerichtig: Wenn ich verlange, dass die weniger mächtigen Völker Südosteuropas sich mir unterwerfen, muss ich mich eben auch dem Mächtigeren unterwerfen. Völkerrecht bleibt schließlich Völkerrecht.

    Die „“autorisierte Ehrenseite“ Ottos hat es überhaupt in sich: Sie entpuppt ihn als „Otto von Habsburg, Christ, Kaiser, Europäer“, und sein republikanisches Selbstverständnis „autorisiert“ Herr Habsburg folgendermaßen:

    „… daß das jeweilige Oberhaupt [des Hauses Österreich] diesen Titel tragen kann, gleichgültig, wo und ob es regiert.

    Der große Titel des Kaisers lautete:
    von Gottes Gnaden Kaiser von Österreich
    Apostolischer König von Ungarn;
    König von Böhmen, von Dalmatien, Kroatien, Slawonien, Galizien, Lodomerien und Illyrien;
    König von Jerusalem etc.
    Erzherzog von Österreich;
    Großherzog von Toskana und Krakau;
    Herzog von Lothringen, von Salzburg, Steier, Kärnten, Krain und der Bukowina;
    Großfürst von Siebenbürgen;
    Markgraf von Mähren;
    Herzog von Ober- und Nieder-Schlesien, von Modena, Parma, Piacenza und Guastalla,
    von Auschwitz und Zator, von Teschen, Friaul, Ragusa und Zara;
    gefürsteter Graf von Habsburg und Tirol, von Kyburg, Görz und Gradiska;
    Fürst von Trient und Brixen;
    Markgraf von Ober- und Nieder-Lausitz und in Istrien;
    Graf von Hohenembs, Feldkirch, Bregenz, Sonnenberg etc.;
    Herr von Triest, von Catarro und auf der windischen Mark;
    Großwoiwode der Woiwodschaft Serbien etc. etc.“

    Aber Otto von Habsburg und andere Nachfahren ehemaliger gekrönter Häupter sind ja nur die eine Seite der Medaille. Die andere Seite ist, dass sie in den Medien, selbst den republikanisch-öffentlich-rechtlichen, ständig mit ihren juristisch abgeschaffenen Adels- und Herrschertiteln angeredet werden und ihre Anerkennung seitens einer postmodernen neubürgerlichen „Elite“, die das Aristokratische chic findet, im Verein mit stockreaktionären Royalisten.

    Wie schreibt noch Enzensberger irgendwo so schön:
    „Ohne seine Anhänger ist der Kaiser nichts als ein alter Mann mit herunterhängender Unterlippe“.

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