Geht es nicht ein paar Nummern kleiner?

Olympische Spiele sind eigentlich etwas Wunderbares. Pierre de Coubertin, der Gründer des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), belebte die Spiele der Antike in einem Geist der Überwindung von Nationalismen und der Verständigung der Völker wieder. Allerdings ist diese eigentlich lobenswerte Idee inzwischen irgendwo zwischen Kommerz und Geschäftemacherei untergegangen. Jetzt bewirbt sich Hamburg, Deutschlands „Tor zur Welt“, für die Ausrichtung der Spiele 2024. Die Stadt hat ein  Konzept vorgelegt, das mit der Gigantomanie früherer Jahre nicht viel zu tun hat, wie FR-Redakteur Jürgen Ahäuser im Kommentar betont. Der folgende Leserbrief bzw. Gastbeitrag von Hans-Georg Becker aus Frankfurt setzt sich damit, mit der Rolle des Sports, der Medien und dem Thema des Tages der FR auseinander.

Geht es nicht ein paar Nummern kleiner?

von Hans-Georg Becker

Auf mich, der zwar selbst Sport betreibt, aber kein Freund des passiven Zuschauer- bzw. Mediensports ist, wirkt der Artikel etwas befremdlich. Wieso bekommt dieses Thema so viel Aufmerksamkeit und wird nicht im Sportteil platziert? Wen muss es denn eigentlich interessieren, ob, wann und wo ein paar Athleten wie weit oder wie hoch springen, wie schnell sie laufen oder wie weit sie irgend etwas werfen?

Herr Ahäuser ist da ganz euphorisch: Für ihn haben die Sommerspiele in München „einen ganz neuen Blick der Welt auf ein neues Deutschland“ erzeugt, die angeblich fröhlichen Londoner Spiele haben „einen anderen Blick auf die Engländer freigelegt“ und natürlich darf bei der aufgebauschten Aufzählung auch die Fußball-WM 2006 nicht fehlen, die ja angeblich „das Bild der Deutschen in der Welt gänzlich verändert“ hat.

Geht es nicht ein paar Nummern kleiner? Diese überhöhte Darstellung mag ein vom Medien-Sportwahn befallener Mensch so empfinden, ein nüchterner Beobachter, der sich dem Medienterror zu Zeiten sportlicher Großereignisse zu entziehen vermag, sieht das ganz anders. Im Gegenteil, kann man zu der Auffassung kommen, dass solche mediengetriebenen und Massenhysterie erzeugenden sportlichen Großereignisse eher die Emotionen in negativer Hinsicht schüren, wie z.B. einen unangebrachten Nationalstolz nach dem Motto „Wir Deutschen sind die Besten“ oder gar Fremdenfeindlichkeit. Auch die immer wieder bei Mediensportlern beobachtbare Übertragung von Sporterfolgen auf die ganze Nation hat aus psychologischer Sicht eher etwas Krankhaftes.

Zu bedenken ist auch, dass erst durch das übertriebene mediale Aufbauschen des Mediensports den großen Sportorganisationen mit Ihren zwielichtigen Funktionären die Grundlage geebnet wird für immer mehr Macht und Einfluss, für Geschäftemacherei und Korruption sowie für die völlig überzogene Geldverschwendung im Zusammenhang mit der Ausrichtung der Großereignisse. Diese Auswüchse werden dann wieder zu Recht von den Medien kritisiert, im Grunde leisten sie dafür aber selbst durch ihre thematische überhöhte und aufgebauschte Berichterstattung einen erheblichen Beitrag.

Ob, wann und wo die Olympischen Spiele stattfinden, mag für die Athleten, die Medien und deren Konsumenten interessant sein, für die nicht am Mediensport Interessierten ist das nicht von Bedeutung und für die ganze Nation schon gar nicht!

Ich meine, hier hat auch die FR ihre Verantwortung wahrzunehmen und sollte ein solches Thema nicht auf Seiten, wo normalerweise Fragen von allgemeinem Interesse zu Politik, Wirtschaft und Weltgeschehen erörtert werden, platzieren. Es handelt sich dabei vielmehr lediglich um ein Unterhaltungsthema das in den Sportteil gehört!

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3 Kommentare zu “Geht es nicht ein paar Nummern kleiner?

  1. Endlich spricht einmal jemand das aus, was mich schon lange umtreibt. Sport für die breite Masse als Freizeitbeschäftigung dient der Freude und Entspannung sowie der körperlichen und seelischen Gesundheit und ist deshalb mit Steuergeldern zu fördern, etwa durch finanzielle Unterstützung der Sportvereine und des Schulsports. Den sogenannten Spitzensport braucht unsere Gesellschaft nicht. Abgesehen davon, dass die Geschäftemacherei und Kungelei, nicht zu vergessen das Doping das Grundprinzip des Sports, nämlich die Fairness, täglich verraten, frage ich mich manchmal, wieso ausgerechnet Menschen, die auf dem totalen Egotrip ihren Lebensinhalt darin sehen, schneller als andere zu rennen oder weiter zu springen, um dann am Ziel wie ein Kleinkind „Erster!“ zu schreien, von der Öffentlichkeit als Helden hochstilisiert werden, während diejenigen, die unsere Gesellschaft wirklich tragen und dabei Großes leisten, von den Medien kaum beachtet werden, z.B. Krankenschwerstern oder Altenpflegerinnen. Manchmal, wenn ich in den Fernsehnachrichten Radrennfahrer sehe, kommt mir der ketzerische Gedanke: „Könnten die nicht die Kraft, die sie mit sinnlosem Strampeln vergeuden, wenigstens zur Stromproduktion nutzen?“ Beim Anblich all dieser dynamischen jungen Leute, die sich mit Tunnelblick lediglich darauf konzentrieren, von Sprungschanzen zu hüpfen oder einen Gegner von der Matte zu schubsen, mit dem Ziel, einmal auf dem berühmten Treppchen ihre Nationalhymne anhören zu dürfen, denke ich manchmal: „Könnten die ihre Energie nicht sinnvoller bei einem Hilfseinsatz in der Dritten Welt verbrauchen?“ Und Herrn de Maizière, der das Mittelmaß im deutschen Spitzensport beklagt, kann ich nur antworten: Die wahren Leistungen einer Nation bemessen sich nicht daran, wieviele Medaillen ihre Sportler bei irgendwelchen Olympiaden oder Weltmeisterschaften nach Hause tragen, sondern daran, ob und wie sie soziale Gerechtigkeit herstellt sowie die medizinische Versorgung, die Bildung ihrer Bürger und den Umweltschutz gewährleistet.

  2. Wurde so ein Modell ‚Olympisches Dorf’ in Hamburg tatsächlich eingereicht? Für mich als Ortskundige nicht vorstellbar! Grüne Wiese bis ans Wasser, mitten im Hafen? Wohnbebauung? Vor gut acht Jahren, in der hitzigen öffentlichen Debatte um die Bebauung des Kleinen Grasbrook mit einer Universität, hieß es: Da müsste aufgeschüttet, alles sturmflutsicher gemacht werden. Viel zu teuer! Zum Wohnen zu laut wegen der Betriebe drumherum mit ihren großzügigeren Lärmschutzwerten. Noch gibt es nur einen Zugang, eine kleine Fußgängerbrücke, direkt neben den Elbbrücken mit der S-Bahn – Linie und dem Veddeler Damm ((ganz im Hintergrund, links am Rand von S. 3. – Google Maps zeigt das Gebiet von Süden und sehr viel realitätsnäher!). Der Grasbrook sollte im Zuge der Stadtentwicklung den Sprung über die Elbe nach Süden bringen. Das scheint jetzt abgespeckt auf einen Freizeitpark für Touristen mit Wassertaxis und Seilbahnen. Dafür Milliarden von Euro? Und für die Stadtentwicklung heißt es weiter: „…Spielt nicht mit den Schmuddelkindern…“(auf der Veddel)?

  3. „Im Mai 1936 ließ Adolf Hitler dem in finanzielle Not geratenen Coubertin eine Ehrengabe von 10.000 RM zukommen. Von einem französischen Journalisten gefragt, warum er die Nazi-Spiele unterstütze, antwortete er, das Wichtigste sei, dass sie grandios gefeiert würden, dabei sei es egal, ob man sie als Tourismuswerbung für Südkalifornien wie 1932 oder als Werbung für ein politisches System wie 1936 verwende.[4]“

    http://de.wikipedia.org/wiki/Pierre_de_Coubertin

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