Wenn Netanjahu die AfD treffen würde

So gut, wie sie immer dargestellt werden, sind die deutsch-israelischen Beziehungen wohl nicht. Jedenfalls hielt der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu es kürzlich nicht für nötig, den deutschen Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) zu empfangen. Der hatte sich zuvor mit VertreterInnen von israelischen Nichtregierungsorganisationen getroffen, welche die Siedlungspolitik der Regierung Netanjahu kritisieren. Es ist bei solchen Staatsbesuchen durchaus Gepflogenheit für deutsche Politiker, sich auch mit der Zivilgesellschaft zu treffen. Ausländische Politiker handhaben es genauso, wenn sie nach Deutschland kommen — wobei es hier bei uns im Vergleich zu anderen Staaten jedoch relativ wenig zu kritisieren gibt, denn Deutschland ist ein funktionierender Rechtsstaat. Israel nicht? Oder warum hielt Gabriel es für nötig, die Regierungskritiker zu treffen? Um Netanjahu zu provozieren? Und warum hielt Netanjahu es für nötig, die Beziehungen zu Deutschland zu strapazieren, obwohl Israel international isoliert ist wie kaum je zuvor? Grund dafür: die Siedlungspolitik. Dafür hat Israel sich sogar eine Abmahnung per UN-Resolution eingehandelt, da selbst der engste (und beinahe einzige) Verbündete Israels, nämlich die USA, die schützende Hand wegnahmen. (Zu diesem Thema wurde auch hier im FR-Blog diskutiert: –> HIER.)

Dass Benjamin Netanjahu ein politischer Grobmotoriker ist, hat er schon 2015 gezeigt, als er nach Washington reiste, um eine Rede vor dem Kongress zu halten, es aber nicht für nötig hielt, sich auch mit dem US-Präsidenten zu treffen. Sigmar Gabriel befindet sich also in bester Gesellschaft. Die internationale Gemeinschaft hat nach der UN-Resolution 2334 nicht mehr viele Möglichkeiten, Israel auf diplomatischem Weg zu signalisieren, dass es schlecht für das Land ist, derart isoliert zu sein. Resolution 2334 war in dieser Hinsicht das Äußerste, da sich auch die Schutzmacht USA abwandte. Die wird nun von einem anderen Präsidenten regiert, von dem Netanjahu sich größeren Rückhalt verspricht. Vor diesem Hintergrund scheint Netanjahu sich seiner selbst und seiner Politik sicher genug zu sein, um einen anderen Staat, der Israel immer unterstützt hat, zu verprellen: Deutschland.

Es wird immer wieder, frei nach Henry Kissinger, gesagt, Israel verfolge keine außenpolitischen, sondern nur innenpolitische Ziele. Mit anderen Worten: Israel ist stets nur sein eigenes Maß. In dieser Fixiertheit auf sich selbst liegt die Gefahr des Scheiterns. Vor diesem Hintergrund war Gabriels Beharren auf dem Treffen mit den NGOs absolut richtig. Es signalisiert dem israelischen Premierminister, dass israelische Innenpolitik nicht nur aus dem Bedienen der Interessen der Siedlerlobby besteht, denn auch die VertreterInnen der Zivilgesellschaft, die er getroffen hat, machen israelische Innenpolitik. Den Vorwurf, dass Gabriel damit ebenfalls israelische Innenpolitik gemacht hat, wird der deutsche Außenminister vermutlich gelassen wegstecken. Es bleibt der Eindruck zurück, dass die israelische Zivilgesellschaft mehr Zuspruch und Einmischung von außen braucht.

fr-balkenLeserbriefe

Wilma Fischer aus Eschborn meint:

„Hier kommt doch sehr deutlich zu Geltung, welche Meinung und Einstellung Herr Netanjahu hat. Alles soll nur nach seiner Meinung geschehen, auch die Besuchstermine eines Außenministers. Aber es kann doch nicht wahr sein, dass man bei einem Staatsbesuch in einem demokratischen Land nicht auch die besatzungskritischen Bürgerrechtler besuchen und sprechen kann. Ist Israel eine Diktatur? Wo ein Herrscher bestimmen kann, welche Besuche erlaubt sind. Netanjahu hat sich wahrscheinlich einiges vom amerikanischen Präsidenten abgeguckt, aber auch dieser kann zum Glück nicht alles in seinem Land durchsetzen.
Ich finde die Aussage von unserem Außenmister gut: „Die Demokratie ist die schwierigste und gleichzeitig die beste Staatsform von allen, weil sie in einem nicht endenden Gespräch unter noch so unterschiedlichen Standpunkten und der friedlichen Koexistenz widersprüchlicher Haltungen immer wieder das gemeinsam Gute sucht.“ Dem kann ich voll zustimmen. Diesen Satz sollte sich Herr Netanjahu zueigen machen. Es würde dem Land guttun und vielen Menschen Leid ersparen.“

Werner Arning aus Mörfelden-Walldorf:

„Man stelle sich vor, Netanjahu würde sich anlässlich eines Staatsbesuch in Deutschland mit Vertretern der AfD treffen wollen, weil er sie als einzige echte Oppositionspartei zu deutscher Regierungspolitik ansähe. Würden Frau Merkel und unsere Medien ein solches Treffen für völlig selbstverständlich halten?“

Jürgen Malyssek aus Wiesbaden:

„Was erwartet Netanjahu jetzt eigentlich an politischer Unterstützung von Deutschland? Was will Deutschland? Was will Israel von sich selber?
Es kann nicht sein, dass Netanjahu Außenminister Gabriel so abserviert und die deutsche Regierung so reagiert, „dass der Streit nichts an den guten Beziehungen Deutschlands zu Israel ändern werde“ (Sprecher Steffen Seibert). Dass aus weiteren politischen Kreisen auch noch Verständnis für die Reaktion Israels bekundet wird, macht die Sache nicht besser, was gleichzeitig als ein weiterer Affront gegenüber Gabriel bewertet werden muss. Die Deutsch-Israelische Gesellschaft ist sowieso durch nichts aus ihrer Fassung und Nibelungentreue zur Realpolitik Israels zu bringen.
Schließlich das Gespräch des Außenministers mit „Breaking Silence“ von seiten der Vizepräsidentin der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Gitta Gonnemann (CDU), als einen Ritterschlag für die NGO zu bezeichnen, ist die eigentliche Unverschämtheit und zeigt deutlich, mit welch einem eingeschränkten demokratischen Verständnis diese Gesellschaft seit Jahren, eine konstruktive Kritik an der Besatzungs- und Siedlungspolitik Israels verhindert. Dagegen ist die Gesprächsbereitschaft und die Haltung Sigmar Gabriels als Außenminister wirklich mit großem Respekt zu begegnen.“

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3 Kommentare zu “Wenn Netanjahu die AfD treffen würde

  1. Wenn ich auch nicht in allen Punkten mit Sigmar Gabriel einverstanden bin, so drücke ich ihm in diesem Punkt meine Hochachtung vor allem für seine Standfestigkeit und Haltung aus.

    Eine Kritik an der Politik der Regierung Israels wird leider häufig als Antisemitismus hingestellt, was aber keineswegs zutrifft. Denn eine konstruktive Kritik am fehlerhaften Verhalten einer Regierung, und die ist gegenüber der Regierung Netanjahu oft gerechtfertigt, ist absolut nicht mit einer Antihaltung gegenüber der jüdischen Glaubensgemeinschaft gleichzusetzen.

  2. Ich möchte Herrn Böttels Kommentar noch ergänzen:
    Einer verantwortungsbewussten Regierung sollte doch das Wohl der Bevölkerung, deren Geschicke sie zu lenken hat, am Herzen liegen. Dass die derzeitige Siedlungspolitik der israelischen Regierung sowie deren Behandlung der palästinensischen Minderheit diesem Wohl, nämlich einem dauerhaften Frieden, entgegenwirkt, ist in Teilen der israelischen Bevölkerung längst akzeptiert. Es stellt sich also die Frage, was antiisraelischer ist: die Fortführung dieser schädlichen Politik oder die Kritik daran.

  3. Noch ein Satz zu Werner Arning.
    Eine NGO, die sich für die Rechte von Minderheiten und für Frieden im eigenen Land einsetzt, kann wohl kaum mit einer fremdenfeindlichen und nationalistischen Partei wie der AfD verglichen werden.

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