Die Kooperative Mondragón

Vor einer Weile gingen Meldungen durch die Presse, wonach die soziale Marktwirtschaft im Stimmungstief stecke. Das wollte eine Bertelsmann-Studie herausgefunden haben (hier beim Spiegel). Dazu erreicht mich ein Gastbeitrag von Jürgen Runau aus Schwabach, der das bezweifelt und ein alternatives Modell des Wirtschaftens vorstellt.

„Die Marktwirtschaft als System stellt niemand in Frage, der halbwegs bei Verstand ist. Was die Mehrheit der Deutschen ablehnt, ist das angloamerikanische Organisationsmodell der Martkwirtschaft mit Profit als einzigem Ziel des Wirtschaftens. Die Folgerung aus dieser Haltung ist eine Frage: Gibt es eine Organisation der Marktwirtschaft, die gerechter und menschlicher ist als die angloamerikanische, aber genau effizient?

Mondragón Corporación Cooperativa im baskischen Mondragón, einer kleinen Stadt zwischen Bilbao und San Sebastian, ist die größte Kooperative der Welt. MCC ist eine Kapitalgesellschaft und wird auch genauso geführt. Es gibt allerdings zwei wesentliche Unterschiede: 1. „Aktionär“, d.h. Teilhaber des Unternehmens, kann nur sein, wer dort arbeitet (und nur so lange er dort tätig ist). 2. Oberstes Ziel des Wirtschaftens ist Arbeit und Einkommen für alle Beschäftigten und erst in zweiter Linie Profit.

Teilhaber bei MCC kann jeder werden, der eine Probezeit von sechs Monaten besteht. Er muss dann eine Einlage von 12500 € leisten, für deren Zahlung er drei Jahre Zeit hat. 20 Prozent fließen in die Kasse der Kooperative. 10000 € bilden den Kapitalstock, der jährlich um Gewinnanteile wächst und mit 7,5 Prozent p.a. verzinst wird.

MCC wurde 1954 von einem katholischen Priest<<er gegründet und beschäftigt heute 100000 Mitarbeiter weltweit. Allein zwischen 2004 und 2006 wurden 12000 Arbeitsplätze geschaffen. Das Unternehmen ist in zehn Divisionen gegliedert, die so unterschiedliche Produkte herstellen wie Kühlschränke, Pressen für die Autoindustrie, medizinische Geräte, Autoteile, Solarfabriken, Werkzeugmaschinen, Gabelstapler. Zur Gruppe gehören eine Supermarktkette, eine Bank und eine Versicherung. 1997 wurde eine Universität gegründet, ebenfalls als Kooperative, mit zuzeit 4000 Studenten. Die zahlen Studiengebühren, können jedoch während des Studiums vier Stunden täglich in einer der MCC-Fabriken arbeiten. Dafür erhalten sie 600 € im Monat. Rund 50 Prozent jedes Jahrgangs werden nach Abschluss des Studiums Mitarbeiter von MCC. Jeder „sócio“, was im Spanischen sowohl Genosse als auch Teilhaber bedeutet, hat einen Job fürs Leben. Bei MCC wurde noch nie jemand entlassen. Sobald er mit 65 das Rentenalter erreicht hat, verlässt er das Unternehmen und nimmt sein Kapital mit. Außerdem erhält er eine lebenslange Rente, zusätzlich zur staatlichen. Sollte er arbeitsunfähig werden, erhält er weiterhin 100 Prozent seines Lohns. Braucht er Pflege, sind es 140 Prozent.

Wie werden Löhne und Gehälter ermittelt? Es gibt einen Lohnkorridor von 90 bis 110 Prozent, der jährlich um den Inflationsausgleich wächst. In diesen Korridor ordnet sich jede Division jedes jahr und je nach Ertragskraft neu ein. Die Vorstände der einzelnen Divisionen erhalten das Sechsfache dessen, was die „sócios“ im Durchschnitt verdienen, der Generaldirektor das Neunfache. Der spanische Staat begünstigt Kooperativen. Sie zahlen nur 10 Prozent Ertragssteuern. Im Gegenzug macht der gesetgeber Auflagen zur Gewinnverteilung: 20 prozent müssen in einen Rücklagenfonds fließen (bei MCC 450 Prozent). 10 Prozent müssen für ein soziales Projekt aufgewendet werden, nach Wahl der Kooperative. 70 Prozent können an die „sócios“ ausgeschüttet werden (bei MCC 50 prozent, die jedoch nicht bar, sondern als Gutschrift auf den Kapitalstock vergütet werden).

Die Strukturen bei MCC sind demokratisch. Alle „sócios“ einer Division wählen den 12-köpfigen Aufsichtsrat, der den Vorstand bestellt und kontrolliert. Investitionen, die 25 Prozent des Eigenkapitals übersteigen, müssen von den „sócios“ per Mehrheitsentscheid genehmigt werden.

Was macht das Modell Modragón dem angloamerikanischen nicht nur gleichwertig, sondern überlegen? Die Motivation der „sócios“. Vor einiger Zeit berichtete das Handelsblatt, dass 90 Prozent der Beschäftigten in Ddeutschland ihrer Arbeit eher unmotiviert nachgehen. Bei MCC ist es umgekehrt: Jeder „sócio“ ist hoch motiviert, weil er weiß, dass nur er vom Ertrag seiner Arbeit profitiert.“

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5 Kommentare zu “Die Kooperative Mondragón

  1. Allein das Lesen der FAQs ist ein Genuss: sachlich, unprätenziös und ohne erhobenen Zeigefinger. Keine Weltverbesserer, keine Fanatiker. Auslandsniederlassungen gibt es sogar in Deutschland: Limburg und Herborn. Würde mich mal interessieren, was Leute, die dort arbeiten, für Erfahrungen machen.

  2. Wenn hier von Gewerkschaften gefordert wird, die Mitbestimmung weiter auszubauen, schreien die Vertreter der Unternehmerlobby Zeter und Mordio. Ist es denn schon vergessen, dass das BVerfG geurteilt hat, dass die Mitbestimmung nicht soweit gehen dürfe, dass die Eigentümer nicht mehr das Sagen im Betrieb haben. So wurde einst die paritätische Mitbestimmung dergestalt ausgehöhlt, dass bei Stimmengleichheit im Aufsichtsrat dem Vorsitzenden dieses Gremiums eine Zweitstimme zustehen muss. Das nennt sich also Demokratie in unserer Wirtschaft.

  3. Meine Erfahrung war,als ich meinen Mitarbeitern
    angeboten habe in das Unternehmen einzusteigen
    „mit Fördermitteln“
    Bedenknisträgerei ,Misstrauen,Angst.
    „Der Alte will sich nur bereichern “
    Mitbestimmung „sehr gern“ aber bitte ohne persönliches Risiko.
    In guten Zeiten auch sehr gern,aber in schlechten Zeiten …….
    Ich habe immer gepredigt ,dass jeder Mitarbeiter auch ein selbsständiger Unternehmer ist mit dem was er an Können anzubieten hat.
    Er auch Represetant ist für sein Unternehmen .
    Warum also nur halb.
    Konnte keiner Ehrlich beantworten.
    Ist das ein typisch deutsches Problem ?

  4. Das zeigt doch nur, wie sich die Verhältnisse in den Köpfen eingenistet haben, und zwar so gründlich, dass die Leute noch nicht mal imstande sind, eine Chance zu erkennen, um sie zu ergreifen.

  5. Die ideale Form für ein zeitgemäßes Unternehmen.
    Hoffentlich macht das Schule, und viele nehmen sich in der Krise und vor allem danach daran ein Beispiel.
    Damit könnte ein neues Zeitalter eingeläutet werden.

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