Längst gilt Krieg wieder als Mittel der Politik

Die weltweite Diplomatie, vertreten durch die Vereinten Nationen, scheint in letzter Zeit ins Hintertreffen geraten zu sein. Die USA neigten schon immer zu unilateralem Vorgehen. Einflussreiche konservative Vordenker wie seinerzeit Richard Perle bezeichneten die UNO als „Schwatzbude am Hudson“. Für die Afghanistan-Mission „Enduring Freedom“ gab es noch ein UN-Mandat, aber seitdem hat sich im Westen die Tendenz verstärkt, Militäroperationen auch ohne vorherige Abstimmungen im UN-Sicherheitsrat oder mit weiter Auslegung von UN-Mandaten vorzunehmen. Krieg als Mittel der Politik hat seit  9/11 größere Verbreitung gefunden, und auch die Bundeswehr, deren Auftrag eigentlich die Landesverteidigung ist, macht bei diversen internationalen Einsätzen mit. Möglicherweise war es der Kosovokrieg, der die Büchse der Pandora öffnete? Ein Gastbeitrag von Britta Beuel aus Lilienthal.

Längst gilt Krieg wieder als Mittel der Politik

Von Britta Beuel

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Manchmal, aber wirklich nur vereinzelt, blitzt sie doch auf: die Erinnerung daran, dass es einmal eine andere Grundlage gab für internationales politisches und – ebenso wichtig – militärisches Handeln. Jetzt ist es wieder passiert, im Artikel von Harry Nutt über das Buch von Gerhard Grote zu einer neuen Weltordnung. Ja, es gab einmal eine internationale Organisation der Völker (nicht der Regierungschefs!), die die Aufgabe hatte, für Frieden und Menschenrechte zu sorgen und die für den Fall von Konflikten das Gewaltmonopol hatte: Richtig, gemeint ist die UNO.
Leider kommt diese nach dem Zweiten Weltkrieg gegründete Organisation der Völker auch in Ihrer Zeitung, mit wenigen Ausnahmen, nicht mehr vor, wenn es um Wege aus der immer gefährlicher werdenden Kriegssituation im sogenannten Nahen Osten geht.
In der Berichterstattung werden Regierungschefs gelobt oder getadelt, je nach Ausrichtung des Journalisten. Nur sehr selten gibt es Analysen, die die machtpolitischen Zusammenhänge, die wirtschaftlichen und politischen Hintergründe z.B. des Syrienkrieges erläutern. Stattdessen geht es um Kerry und Lawrow, um den netten Herrn Steinmeier, um Assad, um Putins Interessen in Syrien und natürlich seit neuestem um Erdogan in seiner Rolle, die EU vor Flüchtlingen zu retten.
Folgerichtig wird in diesen Tagen eine neue/alte militärische Strategie der USA, die sogar von Obama angekündigt wurde und die bereits in der Le monde diplomatique vom Februar 2016 ausführlich nachzulesen war, nur am Rande erwähnt: Die USA bombardieren seit Freitag, 19.2.2016, Libyen. Die altbekannte Begründung: Kampf gegen den Terror. Diesmal geht es dabei nicht darum eine Regierung gewaltsam zu stürzen, sondern eine „Einheitsregierung“ herbei zu bomben.
Die Augen der von den Medien entsprechend informierten Menschen richten sich auf die Regierungschefs (s.o.): werden sie es schaffen? Was macht Putin? Was würde Trump tun? Sagt Merkel „ja“ zu einem Bundeswehreinsatz? Versteht sie sich mit von der Leyen“? Ist sie weiter die „mächtigste Frau“ der Welt? Etc. etc.
Genau dasselbe Muster der Berichterstattung ist auch bei dem Thema zu erkennen, das ursprünglich ein genuiner Bereich der UNO war: Flüchtlinge. Wir alle und eben auch die Medien haben sich angewöhnt, dieses Thema als Bewährungsprobe sowohl für Regierungschefs aber ebenso auch für die angeblich solidarische EU zu sehen. Entsprechend werden „die“ Flüchtlinge zu einem Abstraktum gemacht, sei es als „Welle“, Lawine“ oder ähnliches. Diese „Lawine“ nimmt z.B. die „Balkanroute“. Ein unglaublicher Euphemismus für einen Leidensweg, den inzwischen Hunderttausende gegangen sind. Gehen mussten. Warum eigentlich? Wieso sind die Wege über Spanien und Italien (Lampedusa) auf einmal in den Hintergrund gedrängt? Warum ertrinken die Menschen jetzt zu Hunderten oder Tausenden in der Ägäis?
Und als sei dies selbstverständlich, wird jetzt darüber berichtet, dass die NATO bereits in der Ägäis „kontrolliert“. Längst gilt Krieg wieder als Mittel der Politik – nicht nur auf Seiten der westlichen Allianz, sondern ebenso auf Seiten Russlands. Und bei den Medien.
Es ist höchste Zeit, sich daran zu erinnern, dass die UNO als einzige internationale Organisation berechtigt und auch fähig ist, Konflikte zu lösen und kriegerische Aktionen zu beenden. Ihr letzter Versuch, den Syrien-Konflikt zu beenden, geht auf das Jahr 2012 zurück, als Kofi Anan versuchte zu vermitteln, aber am Widerstand der USA scheiterte, die bekannter Maßen kein Freund der UNO sind und die Weltpolitik seit 9/11 eindeutig zugunsten des Krieges als Mittel der Politik verändert haben.
Ich wünsche mir, dass die FR dazu beitragen könnte, durch ihre Berichterstattung in der Öffentlichkeit die Akzeptanz für militärische Optionen zu verringern, Feindbilder (z.B. Russland) abzubauen und die UNO als Vereinigung der Völker wieder ins öffentliche Bewusstsein zurück zu bringen. Der derzeitige Weg kann nur zu einem führen: Krieg, der irgendwann nicht mehr zu begrenzen sein wird.

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11 Kommentare zu “Längst gilt Krieg wieder als Mittel der Politik

  1. Der Artikel von Britta Beuel spricht aus, was ich seit längerer Zeit denke und sage: Die UNO ist zum zahnlosen Tiger geworden. Im Weltsicherheitsrat profilieren und boykottieren sich die Supermächte gegenseitig, ohne dass wirksame Ergebnisse für den Weltfrieden zutage treten. Im Gegenteil, wie die Überschrift schon aussagt: Längst gilt Krieg wieder als Mittel der Politik.

    Und hier ist die Großmacht, die anderen Ländern angeblich Demokratie u.ä. beibringen will (mit welchen Mitteln?) führend. Sie bombardieren nun in Lybien, gegen wen eigentlich? Sie mischen sich in allen Ölstaaten des Nahen Ostens ein, um dort anschließend poltisches Chaos und zahllose Flüchtlingsströme herzustellen, aber wo bleibt hierzu das UN-Mandat, und Deutschland macht mit.

    Das Geld zum Bomben ist vorhanden, aber die Mittel für UNCTAT werden halbiert, so dass die Lager in Jordanien und dem Libanon überlaufen und nicht versorgt werden können, mit der Folge weiterer Flüchtlinge, die dem Mittelmeer überlassen werden.

    Und da der Atlantik breit ist, so dass hier keine Boote sich in die USA wagen, können die US-Politiker Obama und Kerry in grenzenlosem Zynismus Deutschland wegen der Aufnahme von 1,1 Mio Flüchtlingen loben, während sie selbst entgegen allen Ankündigungen gerade 2.000 aufgenommen haben, obgleich sie mit anderen Großmächten zu den Hauptverursachern gehören.

    In dieser Frage sollte der Weltsicherheitsrat endlich aktiv werden; stattdessen werden Alibi-Einrichtungen wie der Menschenrechtsrat in Genf mit großen Geldmitteln unterhalten, der aber keine Sanktionsrechte gegenüber den Ländern hat, die gegen die Menschenrechte verstoßen: Diese Möglichkeit wird wohlweislich verhindert.

    Sollte die UNO noch einen Sinn haben, müsste sie als erste Maßnahme die Flüchtlingshilfe forcieren anstatt beispielsweise jahrzehntelange Missionen in Zypern zelebrieren.

  2. Wenn ich mir alle Berichte der letzten Monate nochmals vor Augen führe, muss ich erkennen : Es gibt in diesem Chaos keine „Guten“ mehr – nur noch „Böse“!
    Und eine große Menge Arme, Verführte, Dumme, Verbohrte, Hoffnungslose…

    Kriegsziele ? Wie es sie früher mal gab ? Nicht zu erkennen.

    Bringt jetzt Mensch Mensch um, weil es zu viele geworden sind auf diesem kleinen, unbedeutenden, aber auch so wunderschönem Staubkorn Erde im unendlichen Weltall ??

  3. Die Frage ist ob Krieg erst dann ist wenn geschossen wird. Mit der derzeitigen Weltwirtschaftsordnung, die nur die Gewinnoptimierung als Ziel hat, ist das Schießen nur der Punkt auf den i.

  4. Aus der Geschichte der Menschheit ließe sich ohne weiteres eine Geschichte der Kriege herauslesen. Die Frage, ob Krieg die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln oder ob Krieg ein Versagen der Politik sei, wird auch in diesem Thread, fürchte ich, nicht beantwortet werden.

  5. Fesseln

    Riegel um Riegel legt sich vor die Welt,
    Ketten ringeln sich wie Würgeschlangen,
    Schmerzknechte legen Angst in Seelen,
    und Furcht ist der geschenkte Zaun.

    Tiefer und tiefer werden die Grenzen,
    nach Draht folgt Stacheldraht und Stachel,
    nach Hügeln folgen Wälle folgen Mauern ,
    und kleiner werden Herzen und Länder.

    Gefängnis ist, ob weit, ob klein,
    ein jedes Land, ein jeder Raum,
    wenn ihn aus eig’ner Kraft
    niemand mehr verlassen kann.

  6. In der heutigen FR ist eine Karikatur von Arend van Dam zu sehen. Sie ist sehr schön anzusehen, leider hat van Dam den Hauptverursacher des Flüchtlingsstroms vergessen, nämlich den Friedensnobelpreisträger Obama. Nicht nur aus Syrien kommen die Flüchtlinge, sondern auch aus dem Irak, wo ein völkerrechtswidriger Krieg
    stattfand und auch der islamische Staat erst möglich wurde. Auch Afghanistan ist Flüchtlingsland. In Libyen wird auch wieder bombardiert. Aber an allem ist Putin schuld.
    Wenn ich an diese Verlogenheit denke in der Nacht, bin ich um den Schlaf gebracht.

  7. @ G. Krause

    Kleine Korrektur: Der Irak-Krieg wurde von US-Präsident George W. Bush und den neokonservativen Falken Cheney und Rumsfeld angezettelt und geführt, nicht von Barack Obama. Der wurde erst am 20.1. 2009 US-Präsident. Obama hat den Irakkrieg schon 2002 abgelehnt. Eine seiner ersten Amtshandlungen nach der Inauguration war die Ankündigung, binnen 18 Monaten alle US-Truppen aus dem besetzten Irak abzuziehen. Dieser Plan wurde umgesetzt. Wenn Obama also „Hauptverursacher des Flüchtlingsstroms“ sein soll, wie Sie schreiben, dann wohl deswegen, weil er mit der aggressiven Politik seines Vorgängers brach und damit ein Machtvakuum im Irak schuf, in das der IS vorstoßen konnte. Wäre es also richtig gewesen, mit der Besetzung des Irak fortzufahren?

  8. Eine Anmerkung:

    Daß Krieg ein Mittel der Politik ist, das ist ein alter Hut, das hat der Clausewitz schon erkannt.

    Aber daß Frieden ein Mittel der Politik geworden ist, das ist fast neu.

  9. Der Krieg ist seit Jahrhunderten Mittel zum Zweck der Unterwerfung der Völker. Daran wird sich nichts ändern, auch wenn die Bevölkerung es immer wieder glauben möchte.

  10. Ein paar dahergelaufenen Regierungen und Staaten ist es scheißegal, was die UN beschließt, sie unterwerfen sich nicht dem gemeinsamen Willen.

    Warum sollte sich dann irgendein Bürger dem gemeinsamen Willen unterwerfen?

  11. @ Marter

    Schlimmstenfalls haben Sie sogar recht. Aber jeder weiß doch, wie schrecklich Kriege sind und immer mit menschlichen Tragödien verbunden sind. Und die Weltgemeinschaft weiß das auch, darum haben wir die UNO und den Weltsicherheitsrat. Spätestens seit der Erfindung der Atombombe und der Neutronenbombe, der Überbewaffnung der Welt, wissen wir doch alle, dass wir mit Kriegen uns alle selbst vernichten können. Die Globalisierung könnte auch als Chance genutzt werden, um endlich zu einer friedlichen Welt zu kommen. Es muss nicht immer alles so bleiben, wie es uns die Geschichte lehrt. Ich zumindest bewahre mir noch Hoffnung auf auf eine friedliche, repressionsfreie Welt. Der Trend ist eher martialisch, leider. Sollen wir jetzt alle resignieren? Nein, Viele Menschen engagieren sich mit ihren kleinen Möglichkeiten. Viellicht haben sie doch irgendwann Erfolg.

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