“Wenn wir mal unten sind, ist unten eben oben”

Die CDU hat sich ein neues Grundsatzprogramm gegeben. Wichtigster Inhaltspunkt: die Mitte. Denn: „In der Mitte sind wir – nur wir.“ Ein Wischiwaschi-Programm voller Versatzstücke, das vor allem einen Zweck verfolgt: unverbindlich zu bleiben, damit sich möglichst viele Wählerinnen und Wähler darin wiederfinden. Die CDU, der Kanzlerinwahlverein. Thomas Kröter im FR-Leitartikel: „Die Kanzlerin kuschelt nicht, sie regiert. Mit gnadenlosem Pragmatismus. Das funktioniert, solange sie Erfolg hat. Bleibt er aus, wird es die schwarze Hirtin nicht leichter haben als Kurt Beck, die Reihen hinter sich zu schließen.“

Die FR-Leserinnen und Leser lassen kein gutes Haar an dieser Veranstaltung. Berno Wies aus Heidelberg:

„Es ist im Grunde ein Jammer, dass die Deutschen offenbar immer noch glauben, sich leisten zu können glauben, die enormen Herausforderungen dieser Zeit mit dieser Truppe aufgeblasener Wichtigtuer zu bestehen, die sich CDU nennt. Auch meditativ geschulte Christen wissen längst: die Mitte ist leer. Aber, wie wundersam, ebenso wie im Märchen von des Kaisers neuen Kleidern, scheinen immer noch viele in der Partei der Leere mehr zu sehen, als tatsächlich da ist.“

Jutta Rydzewski aus Bochum:

„Mitte(n) vor die Wand! Wer in einer gut einstündigen Rede 35mal die Mitte beschwört, hat in diesem Land offensichtlich die Qualifikation zur Bundeskanzlerin. Wer spricht noch von den Schröders Selbstinszenierungen? Frau Merkel hat bei den Merkelfestspielen den Altkanzler bereits weit hinter sich gelassen.
Ein Parteitag der schlichten Einfalt, ein Festival der Phrasendrescherei. Nie hätte ich gedacht, dass es einen langweiligeren Redner geben könnte als Stoiber. Es gibt ihn: sein Nachfolger. Die so genannte politische Klasse der so genannten Volksparteien besteht nur noch aus peinlichem Mittelmaß. Schlecht programmierte Sprechautomaten mit unüberhörbaren Sprachfehlern. Pofalla: Patriotismus, Vaterlandsliebe, Leitkultur, schnarrte es aus ihm heraus. Und dann kam es ganz dicke: das klare Bekenntnis der Union zu den Werten des Grundgesetzes. Welches Grundgesetz meint dieser Herr? Bundeswehr im Inneren darf kein Tabu sein (Merkel). Guantanamo ist doch die „Lösung“, wenn man nichts „Besseres“ anzubieten hat (Schäuble). Passagierflugzeuge abschießen (Jung). Nur drei Beispiele dafür, was die Union zu den Werten des Grundgesetzes zu „bekennen“ hat.
Merkel: „Hier ist die Mitte! Hier in der Mitte sind wir – und nur wir!“ Ich hätte da den Schwarzen und ihrer Vormännin einen in jedem Falle ehrlicheren Vorschlag zu machen: „Hier ist Oben! Hier Oben sind wir – nur wir, und wenn wir mal unten sind, dann ist unten eben oben!“ Intellektuell ist die stärkste Regierungspartei tief unten, „glänzt“ durch Schlichtheit bis zur Einfältigkeit und hat außer Sprüchen nichts zu bieten. Ein objektives Indiz dafür ist der anhaltende Mitgliederschwund, der sich auch im Jahr 2007 fortgesetzt hat, wie es der zuständige schwarze „Sprechautomat“ etwas kleinlaut „bekannte“.“

Sigurd Schmidt aus Bad Homburg sieht dagegen vor allem die SPD in Schwierigkeiten:

„Wenn die Kanzlerin formulierte: Sozialismus endet aber, ob man wolle oder nicht, immer totalitär, dann hat ihr Redenschreiber natürlich Friedrich von Hayeks „Der Weg zur Knechtschaft“ zitiert. Hayek lebte aber zur Zeit der Nationalökonomien, während wir jetzt eine Weltökonomie haben, und wurde schon durch John M. Keynes in die Schranken gewiesen. Die gesamte Wirtschaftsgeschichte der so genannten westlichen Welt läuft nicht erst seit dem New Deal nach anderen als holzschnittartig-neoliberal verfassten Mustern.
Wenn 2009, dem Jahr der nächsten Bundestagswahl, nicht mehr um eine praktische Politik der kleinen möglichen Schritte, sondern um gesinnungsmäßige Verunglimpfung des politischen Gegners gerungen wird, dann Gnade Gott Deutschland. CSU-Chef Huber hat dies ja mit dem „Lager-Kampf“ bereits eingeläutet.
Wenn der deutsche Rechtsphilosoph Carl Schmitt wieder so „en vogue“ ist mit seinem Motto: „Nur unerbittliche Gegnerschaft oder gar radikale Feindschaft bringen die Menschen-Bürger in der klaren Ausbreitung der Fronten weiter“, dann lässt sich das vielleicht mit der Sehnsucht nach Schwarz-Weiß erklären. Die Lust nach Ausgrenzung nimmt auf jeden Fall zu und übertrifft die Notwendigkeit von Integration/Inklusion.
Leider ist festzuhalten, dass die SPD fehlberaten war, in ihr neues Grundsatzprogramm den Begriff „demokratischer Sozialismus“ aufzunehmen. Dieses Wort ist total kontaminiert und eignet sich überhaupt nicht mehr zur „Heilsverkündung“ der SPD. Da ist Angela Merkel mit dem „Begriff“ von Teilhabe als zentraler gesellschaftlicher Orientierung schon besser ausgerüstet. Die SPD wird ihre Fehlleistung noch bitter bereuen!“

Jürgen Böck aus Wasserburg sieht Rot-Rot-Grün schon auf der Zielgeraden:

„Die politische Großwetterlage in Deutschland stellt sich radikal um: Rot und Grün haben in Hamburg bzw. Nürnberg Fahrt in Richtung Linkspartei aufgenommen. Das löst in Unionskreisen erhebliche Nervosität aus. Man darf gespannt sein, ob die schwarz-gelbe Achse noch Reserven zusetzen kann, um die neue Konstellation im Herbst 2009 abzufangen. Umso mehr stellt sich der Schachzug Oskar Lafontaines als große Rochade heraus. Schon jetzt steht fest, dass es bald sehr eng wird.“

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7 Kommentare zu ““Wenn wir mal unten sind, ist unten eben oben”

  1. Wieso hält sich die CDU für eine demokratische Partei? Wieso darf dieses Rechtsaußenkonglomerat mit deutlicher geistiger Nähe zu den Nationaldemokraten eine Mitte be-stimmen, die sie bei jeder Gele-genheit verläßt? Rechtsreaktionär kann keine Mitte sein, in Deutsch-land nicht – nirgendwo. Was diese Partei als eine solche ausweist? Altlasten wie Schäuble und Kohl, Neulasten wie ein hessischer Mini-sterpräsident Koch, der mit dem Spendensumpf intensivst verküpft ist als brutalstmöglicher Aufklä-rer und sich von seinen Ziehvätern, die einen zweistelligen Millionenbe-trag aus ungeklärten in die Partei-kassen einbrachten und das mit er-heblicher krimineller Energie(fal-sche Buchführung, Verschleierung von Geldflüssen, Täuschung der Fi-nanzbehörden als Steuerfachmann und Rechtsanwalt,Mitglied des Parlamen-tes die jeweils in besonderer Weise Recht und Gesetz zu achten schwören mussten)nicht distanziert. Das heißt doch nichts anderes als Geld-waschen.Das heißt auch erpreßbar zu sein. Aber der Erlaß, der Staatsdie-ner Hessens deutlich dazu auffor-dert sich inner- und außerdienst-lich so zu verhalten, dass sie nicht korrumpierbar werden, hat für die Spitzen, die sie herausgeben natürlich keine Bedeutung. Das gilt nur für die Strasse, wie das Volk, das seine Stimmen für solche Poli-tiker hergibt, in Falle der Unbot-mäßigkeit betitelt. Wie hoch sind die Summen, die dadurch der Allge-meinheit entgehen? Wie hoch ist der Schaden,der durch nicht vorhandene Steuermittel in Kindergärten, Schu-len, Universitäten, bei Sozialhil-fezahlungen angerichtet wird? Da be-steht ein direkter Zusammenhang zwi-schen den vielen toten Kindern, der Not der Verwaltungen und den ver-schobenen Schwarzgeldern. Nur:wer will das sehen? Nur: wer will se-hen, dass das im Zusammenhang mit den tagtäglichen Äußerungen der Par-teiegenossen auf allen Ebenen ein deutlicher Ausweis für eine weit rechts liegende Haltung ist?

  2. Man muß sicherlich drüber streiten, ob die CDU es wirklich jedem Recht machen will und ein entsprechendes Parteiprogramm geschrioeben hat, wie Thomas Kröter zu meinen scheint. Ich habe da eher meine Zweifel: Die CDU weiß und wußte immer sehr genau, wem sie es recht machen wollte und das waren nie alle in der Gesellschaft. „Es allen recht machen“, das klingt dann doch zusehr nach Sozialismus, oder?

    Auch irrt Herr Kröter, wenn er glaubt Friedensreich Hundertwasser zum Kronzeugen der CDU und ihres neuen Politikbegriffs „für alle“ machen zu können: Nur ein kleiner Blick in die Wickipedia offenbart:

    „Zur politischen Einstellung Hundertwassers kann gesagt werden, dass er infolge seiner Erfahrungen als Verfolgter des NS-Regimes (seine Mutter war Jüdin) früh eine konsequent antitotalitäre Position vertrat (auch im Sinne einer Ablehnung des Stalinismus). Er dürfte von seiner Mutter im Sinne der in der Zwischenkriegszeit verbreiteten k.u.k-Nostalgie beeinflusst worden sein. Seine frühen Ängste vor den im Karree marschierenden Bataillonen der Diktaturen dürfte seine Gegnerschaft gegen die Geometrisierung des Menschen und seiner Architektur mit bedingt haben. In späteren Jahren, als bereits bekannter Künstler, hat sich Friedensreich Hundertwasser als Umweltaktivist betätigt und zuletzt eher als EU-Gegner und Verfechter der Bewahrung regionaler Eigenarten profiliert. Zu den weniger bekannten Facetten von Hundertwassers Persönlichkeit gehört sein Bekenntnis als konstitutioneller Monarchist.“

    Seinen Monarchismus hat Hindertwasser zwar erst 63-jährig, 7 Jahre vor seinem Tod so öffentlich gemacht, Otto von Habsburg war zwar CDU-Mitglied, aber das alles reicht wohl nicht, den ausgesprochenen Querdenker und Bürgerschreck Hundertwasser derartig harmoniesüchtig zu vereinnahmen. Oder sollte Herr Kröter nur die Beliebigkeit bürgerlicher Politik, die alles und jeden zu vereinnahmen sucht, aber dabei doch nur partikulare Interessen im Auge hat, kritisieren wollen?

    Auch dass kann ich nicht glauben, denn zum Schluss seines Kommentars ist es ihm nur wichtig festzustellen, dass es Merkel bei diesem Kurs am Ende immer leichter haben würde, als die sozialdemokratische Konkurrenz – womit Kröter dann doch einmal in seinem Kommentar recht hat, aber zu keiner wirklichen Meinung, einem Standpunkt kommt, den wirkliche FR-Leser – die sind, waren zumindest mal, links von der Mitte zu suchen – unterschreiben würde.

    Tempi passati: FR-Kommentare sind eben nicht mehr „deutlich schärfer“, sondern nur noch „deutlich handlicher“ – ganz im Sinne der neuen FR-Doktrin. Aber, liebe Redakteure suchen sie sich dann wenigstens die richtigen Säulenheiligen. Ich bin nicht unbedingt ein Fan von Hundertwassers politischen Anschauungen, auch seinen Architektur ist nicht so ganz mein Ding, aber falsche Vereinnahme hat er wirklich nicht verdient. Schade, dass er keine Rede mehr nackt im Collosseum gegen die „scharfen“ Konturen der neuen FR halten kann, von denn Vorkötter et. al. immer noch behaupten, es gäbe sie.

    P.S.: Liebe Admisnistratoren, solllte dieser Beitrag hier aus mir nicht erfindlichen Gründen als off topic betrachtet werden, dann schieben Sie ihn doch bitte in den Nachbarblog „Die neueu FR“, da müsste er ja dann wohl hinpassen.

  3. @ kritiker

    Ich lasse Ihr Posting stehen, wie es ist, auch wenn es nur teilweise zum Thema war. Bitte beachten Sie aber, dass hier zum Thema CDU diskutiert wird. Kritik an Thomas Kroeters Kommentar ist okay, aber treiben Sie es nicht weiter.

    Kroeters vergleicht das Programm der CDU nur formal mit der Architektur Hundertwassers, fuer die runde Ecken charakteristisch sind. Inhaltlich vertieft er diese Analogie nicht weiter.

  4. Ich danke für das Entgegenkommen Herr Bronski.

    Allerdings kann ich Sie in Ihrem letzten Satz nicht verstehen: Warum und wie sollte Herr Kröter auf ein Parteiprogramm „nur formal“ eingehen, wenn er es metaphorisch mit der Intention einer bildenden Kunst vergleicht. „Formal“ wären an einem Parteiprogramm, Kapiteleinteilungen, Drucktype und Papierformat, allenfalls noch eventuell besondere grammatische Formen. – Auch wenn Herr Kröter es vermeidet, detailliert auf konkrete Inhalte des CDU-Parteiprogrammes einzugehen, kann sein Vergleich sich sinnvoll nur auf dessen Inhalte beziehen. Worauf sonst?

    Oder interpretieren Sie Herrn Kröter so, dass er im CDU-Programm nur ein formales Programm erkennt, das keine Inhalte transportierte? – Dann wäre es allerdings egal, ob es das in rundlicher oder eckiger Form täte – was immer das hieße.

  5. Aber Herr kritiker, es ist doch offensichtlich, was Thomas Kröter sagen will: Das CDU-Programm bietet so gut wie nichts, an dem man sich stoßen kann. Keine Ecken, keine Kanten. Alles abgerundet und mainstreamig.

  6. Lieber herr Bronski, da bin ich bezüglich solcher von Ihnen vorgebrachter Meinung über das Parteiprogramm ganz Ihrer und, wenn Sie es bezeugen, auch der Meinung Herrn Kröters, wenn er es auch (für mich) nicht so klar rüber gebracht hat. Daher meine kleine Kritik.

    Hundertwasser tat durch seine runden Formen und mit dem, was er damit erstrebte zu Lebzeiten und hoffentlich auch fortwirkend radikal „anecken“. Gerade darum schien mir der Vergleich mit der Intention eines den status quo zu bewahren suchenden „aberundeten“, „mainstreamigen“ CDU-Parteiprogramms unangebracht.

    Mehr meinte ich hier nicht.

  7. Okay, dann kann man Thomas Kröter wohl vorwerfen, dass er sich nicht weiter in Hundertwassers Denkweise vertieft hat, sondern beim rein Äußerlichen stehengeblieben ist.

    Wir scheinen zum erstenmal einer Meinung zu sein.

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