Ein Hetzer gegen Minderheiten

Der Kölner Kardinal Joachim Meisner scheint die Provokation zu lieben. Die Lücke, die der selige Dyba hinterlassen hat, vermag er jedenfalls locker zu füllen, etwa wenn er sagt, dass die „sogenannten alternativen Modelle menschlichen sexuellen Zusammenlebens unwahr und darum für den Menschen im Kern verderblich“ seien. Die Menschheit richte sich hier selbst zu Grunde. Diese Meisner-Worte, gefallen in einer Predigt in Einsiedeln, hat der Spiegel aufgezeichnet. Auch sonst nimmt sich der Kardinal gern die Schwulen und Lesben vor, besonders erstere; lesbische Liebe scheint der männerdominierten katholischen Kirche ein Buch mit sieben Siegeln zu sein, während sie zur schwulen Liebe durchaus einen Bezug hat. Das „Triebbündel Mensch“ habe sein Schöpfungsgedächtnis verloren, meint Meisner. Deswegen hat Volker Beck, rechtspolitischer Sprecher der Grünen, wohl in Anlehnung an ein Wort des Kölner Kabarettisten Jürgen Becker, Meisner als „Hassprediger“ bezeichnet – und sich später wieder davon distanziert, kurz bevor das Erzbistum eine einstweilige Verfügung gegen ihn erwirkte.

In anderem Zusammenhang will Meisner missverstanden worden sein. Er hatte in einer Predigt zur Eröffnung des neuen Diözesanmuseums Kolumba gesagt: „Vergessen wir nicht, dass es einen unaufgebbaren Zusammenhang zwischen Kultur und Kult gibt. Dort, wo die Kultur vom Kultus, von der Gottesverehrung abgekoppelt wird, erstarrt der Kultus im Ritualismus und die Kultur entartet. Sie verliert ihre Mitte.“ Später betonte er zwar, dass der Gebrauch des Begriffs „entartet“ für die Substanz seiner Aussage nicht nötig gewesen wäre, aber darf man nicht unterstellen, dass einer wie Meisner sich vorab genau überlegt, was er sagen will?

In der FR-Dokumentation „Der Stein des Anstoßes“ sagt der brandenburgische Innenminister Jörg Schönbohm: „Egal ob bei Herman, Giordano, Meissner oder Oettinger – egal ob bei der Patriotismusdebatte, Islamismusschelte oder Kritik am Multi-Kulti-Kult: Automatisiert leitet das Kartell der Selbstgerechten ein politisch korrektes Diffamierungsprogramm ein. In geübter Routine wird mal hysterisch hyperventiliert, mal werden empört die Backen aufgeblasen.“ Dazu FR-Leser Hans Rudolf Frey aus München:

„Ach, Herr Schönbohm! Durch Wiederholung wird das ‚Man wird doch sagen dürfen …!‘ nicht richtiger. Immerhin besteht die Meinungsfreiheit ja nicht darin, unwidersprochen zu bleiben.
Ich stimme Ihnen voll und ganz zu, wenn Sie sich gegen Diffamierung wenden, wenn Sie für das Gespräch plädieren, gegen ideologische Scheuklappen. Tatsächlich hätte ich es lieber gesehen, wenn mit Frau Herman sachlich diskutiert würde – allerdings hat sie selbst mit ihrer Kritik an den 68ern die Familienpolitik an das Links/Rechts-Schema angekoppelt; ihre Meinung ist durch den Verlauf der Diskussion höchstens im Übermaß verbreitet, nicht unterdrückt worden.
Die Beispiele Meisner und Oettinger passen aber ganz und gar nicht: Man muss von Personen mit solch hoher Verantwortung schon erwarten, dass sie ihre Worte sorgfältig wählen; dass sie meinen, was sie sagen; dass sie für ihre Meinungen kritisiert werden können. Herr Meisner stellt sich selbst außer Diskussion, wenn er „entartete“ Kunst wahrnimmt. Er kann meinetwegen gerne der Auffassung sein, dass das Christliche (wie er es versteht) mehr öffentlichen Raum bekommen sollte, und man könnte ihm dazu viel entgegenhalten. In Wahrheit aber ist er doch der Auffassung, dass Kunstrichtungen, die nicht im Christlichen wurzeln, keine Existenzberechtigung haben. Da ist deutlicher Widerspruch angebracht. Günther Oettinger ist für seine Würdigung Hans Filbingers zu Recht angegriffen worden; die Unfähigkeit Filbingers, sich zu seiner Verantwortung zu bekennen, ist nicht verteidigenswert.
Die Toleranz der freiheitlichen Gesellschaft – wie weit muss sie gehen? Sie selbst wenden sich gegen den Multi-Kulti-Kult und die vermuteten demokratiefeindlichen Parallelgesellschaften. Wie sieht es mit den deutschen Parallelgesellschaften aus? Inwieweit muss man Feinde der Freiheit dort tolerieren?“

„Richtig und endlich!“, jubelt Michel Ginster aus Bergkirchen. „Diesem Kardinal ein Etikett ‚Hassprediger‘ anzuhängen, das kann ich nur begrüßen! Dieser Mann versucht die Gesellschaft zu spalten und hetzt gegen vermeintliche Minderheiten, wobei ihm nicht mal auffällt, dass die von ihm abgelehnte Haltung von sehr vielen in der Gesellschaft nicht nur toleriert, sondern auch mitgetragen wird.
Ich bin gar nicht unfroh darüber, dass dieser Mann so häufig polemisiert. Auf diese Weise wird er doch hoffentlich dafür sorgen, dass sich immer mehr Menschen dieser Organisation, die Kirche genannt wird, weiter entfremden. Also lautet mein Credo: Weiter so! Und hoffentlich gibt es immer mehr Politiker, die dagegen halten. Auch hier: Weiter so! Deutschland ist vielleicht doch kein Land von sich duckenden Spießern.“

Dietrich Roos aus Sanitz hingegen meint:

„Aber bitte! Volker Beck weiß schließlich, wovon er redet. Strahlt er doch selbst allzeit diese unverkennbare Herzensgüte und damit das Gegenteil von dem aus, was er an Kardinal Meisner auszusetzen hat.“

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4 Kommentare zu “Ein Hetzer gegen Minderheiten

  1. Da reiht der Kardinal sich sinnvoll ein in die Reihe der Klamauk-Clowns, die ihre Karriere auch nur noch durch uralte Mann/Frau, Schwule/Lesben und Minderheitenwitze befördern können.

  2. Nein nein, die Lücke, die Dyba hinterlassen hat, wird bereits von Bischof Algermissen ausgefüllt, der neulich seinen Kindergartenschäfchen den Besuch eines Aufklärungstheaters verbot. Wieso hört man da eigentlich nichts mehr davon……

    Meisner ist ein eigenes Kaliber, das nicht mehr ernst genommen werden darf. Hassprediger wissen, wovon sie reden, er weiß es seit langem nicht mehr.

  3. Mein Gott, lieber Bronski, was du da in deinem langatmigen Text so alles zusammenträgst, ist doch hier alles schon, und zum Teil mehrfach, ausgelutscht worden.

    Trotzdem folgende Antwort:

    Schön wär’s, lieber Walthor, wenn die fundamentalistischen Strömungen der katholischen Kirche nur aus zwei Bischöfen bestünde, die um die geistige Nachfolge Dybas konkurrieren würden und von denen der eine nicht einmal mehr ernst zu nehmen wäre!

    Ja wieso hört man eigentlich nichts mehr von dem Aufklärungstheater?

    Ganz einfach: Es ist gelaufen. Die Aufführung in der Gemeinde Künzell hat stattgefunden, und 20 % der angemeldeten Kindertagesstätten haben ihre Teilnahme aufgrund der bischöflichen Intervention wieder abgesagt.

    Mein Kommentar, wenn man den dazu aber noch hören möchte:

    1. Bischof Algermissen hat den Sack geschlagen, wo er den Esel treffen wollte. Der Sack hieß: „“Nase, Bauch und Po“, und der Esel war „Donum Vitae“, jene die Theater-Aufführung organisierende Laien-Organisation, die zum Ärger reaktionärer Kirchenkreise wirklich eine Lücke ausfüllt, nämlich die von dem Vorgänger des jetzigen Papstes, übrigens gegen den Widerstand der katholischen Bischofskonferenz und zumal Lehmanns, untersagte offene Schwangeren-Beratung.

    2. Das eigentlich Bedenkliche ist weniger der Kinder- und Sexual-feindliche Angriff des Bischofs gegen eine Initiative der „Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung“ – was soll man da im Zweifel anderes erwarten? – als vielmehr die halbherzig-defensive offizielle Reaktion von dieser Behörde.

    Sie antwortete doch tatsätlich auf den kruden Anwurf Algermissens, der sich gegen „eine einseitige Ausrichtung der Sexualität auf körperliche Zusammenhänge“ richtete, es gehe in „Nase, Bauch und Po“ nicht um rein körperlichen Sex.
    Ja zum Teufel noch mal, auch wenn sich Sexualität in bestimmter Weise zwischen den Ohren abspielt, so empfiehlt es sich doch in einer Aufklärung vielleicht, den Unterschied von Sexualität und dem Lesen eines guten Buches sinnfällig zu machen, oder?

    Richtiger und konsequenter wäre es von Seiten einer für Gesundheit zuständigen Bundesbehörde, darauf hinzuwirken, dass die Kindertagesstätten dem Einfluss von derartig die körperliche und geistige Gesundheitspflege der Kinder behindernden Kräften entzogen wird.

  4. Da fährt ein Mann mit Stolz geschwellter Brust und voller Mut nach Moskau zur Unterstützung von Lesben und Schwulen dort. Er läßt sich dafür von der rechten Bagage und den Bullen dort die Fresse polieren. Das war gut für positive internationale Schlagzeilen – der Unterstützer aus fernem Land als Märtyrer.

    Da geht ein Mann her und bezeichnet einen geifernden Kanzelzänker in Köln mit gebührenden Worten. Ein paar Tage später kneift der Held und geht mit eingezogenem Schwanz jaulend stiften, war alles nicht so gemeint. Das war nämlich nicht gut für die nationalen Schlagzeilen und die Parteiraison.

    Oh Volker, Du tapferer Held des parteipolitischen Opportunismus! Der Trick, erst mit Dreck zu werfen – hängen bleibt bekanntlich immer was – und sich dann dafür zu entschuldigen, ist zu billig, zu abgegriffen und zu durchschaubar.

    Oder war es einfach nur eine billige und lang ersehnte Rache mit dem Holzhammer aus dem Gebüsch, weil Dich vor langen Jahren einer der gleichen Fraktion – Dyba ruhe in seinem Chef – im Disput verfrühstückt hat wie die Katze die Maus? Auch das wäre ein grober Verstoß gegen die hehre Parteiraison.

    Wer soll Dich noch ernst nehmen? Ich kann das schon lange nicht mehr. Verbandsfunktionäre, die als parteipolitische Amöben die Ziele des Verbandes ausbremsen, gehen mir zutiefst gegen den Strich.

    Eva K.

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