Die Kanzlerin hat ihr Wort gebrochen

„Mit mir wird es keine Pkw-Maut geben.“ Diese Worte von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) stammen aus dem Bundestagswahlkampf 2013. Vier Jahre später: Soeben hat der Bundestag die Maut beschlossen, und der Bundesrat, der die Einführung der Maut allerdings nur hätte verzögern können, legte dem Projekt überraschend keine Steine in den Weg. Verkehrsminister Alexander Dobrindt  (CSU) scheint es auf den letzten Metern gelungen zu sein, die thüringische Landesregierung auf seine Seite zu ziehen, so dass Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) einknickte. Ansonsten wäre die Maut in den Vermittlungsausschuss zwischen Bundesrat und Bundestag gewandert. Seine Anrufung, so Ramelow, hätte nur zu Detailänderungen an der Maut führen können. Genau das hatten manche Bundesländer erreichen wollen, um Ausnahmeregleungen für den grenznahen Verkehr zu erreichen. Und so kam es, dass Kanzlerin Merkel ein Wahlversprechen brach, auch wenn die Maut vermutlich nicht mehr in dieser Legislaturperiode umgesetzt wird.

MautNun ist es ja im Grunde eine richtige Idee, die Autofahrer an den Kosten zu beteiligen, die sie verursachen. Aber den Umweltschutz hatte der Verkehrsminister offenbar als Letztes im Sinn, denn für die Deutschen soll die Maut sich finanziell nicht auswirken. Egal ob man einen sparsamen Kleinwagen fährt oder einen schweren SUV — die Maut wird mit der Kfz-Steuer verrechnet. An dieser Regelung entzündet sich Streit mit anderen europäischen Staaten, insbesondere Österreich, denn sie stellt ganz offensichtlich eine Ungleichbehandlung deutscher Autofahrer im Vergleich zu europäischen Autofahrern dar, wenn diese deutsche Straßen benutzen. Solche Ungleichbehandlung ist nach den europäischen Verträgen verboten. Sollte der Europäische Gerichtshof diesen Teil des Maut-Konzepts zu Fall bringen, dann kann es passieren, dass die Deutschen eben doch zur Kasse gebeten werden, egal was der Minister versprochen hat.

Das Maut-Projekt ist also umstritten. Es gibt keine verlässlichen Daten über die Zahl der ausländischen Kfz, die das Jahr über deutsche Autobahnen benutzen. Auf die aber kommt es an, denn nur sie bringen Geld in die Mautkasse. Das Verkehrsministerium rechnet mit 700 Mio Euro Einnahmen. Das ergäbe nach Abzug der Kosten 500 Mio. Euro, die dann in die Infrastruktur fließen würden. Doch das reicht nicht. Deutschland lebt in Sachen Infrastruktur nicht nur bei den Straßen von der Substanz. Diese Substanz verfällt allmählich. Rund 2,6 Milliarden Euro wären wohl allein für die Erhaltung der Straßen nötig. Dazu liefert die Maut also ungefähr ein Fünftel — wenn die optimistischen Annahmen des Ministeriums stimmen. Kritiker halten es für denkbar, dass am Ende durch die Maut viel weniger oder gar nichts eingenommen wird.

fr-balkenLeserbriefe

Enno Sandner aus Mörfelden-Walldorf meint

„Nachdem schon die Kanzlerin Wortbruch begangen hat („Mit mir wird es keine Maut geben“), lässt sich nun ausgerechnet ein Linker dazu erpressen, durch Enthaltung Thüringens einen Vermittlungsausschuss im Bundesrat zu vermeiden. Wie schon bei den Grünen gehen die Ideale einer Partei schnell verloren, wenn es dem Machterhalt dient oder Geld bringt. Die geplante Maut diskriminiert eindeutig andere Europäer, und es ist unsicher, ob dabei am Ende schwarze Zahlen rauskommen werden. Bleibt zu hoffen, dass die Klage Österreichs erfolgreich sein wird und der Einfluss der CSU auf die deutsche Politik relativiert wird. Dem Wähler wird es im Herbst immer schwerer fallen, noch eine wählbare Partei zu finden.“

Alfred Kastner aus Weiden stellt Merkels Wortbruch in einen größeren Kontext:

„Vor vier Jahren gab Merkel vor laufenden Kameras ein eindeutiges Statement ab, dass es die Pkw-Maut mit ihr an der Regierungsspitze nicht geben wird. Seit dem 31.3.2017 ist die Pkw-Maut Realität in Deutschland. In diesem Fall könnte man ihr mit der Unterstellung, sie sei in ihren politischen Aussagen unzuverlässig, jedoch Unrecht zufügen, denn schließlich soll die Maut erst nach der kommenden Bundestagswahl umgesetzt werden. Und ob Frau Merkel anschließend noch die Regierungsspitze unserer Bundesrepublik stellt, bleibt abzuwarten.
Auch die aktuelle Spionageaffäre der Türkei wird keine angemessene Reaktion der Kanzlerin hervorrufen. Merkel müsste in diesem Falle damit rechnen, dass Erdogan das Flüchtlingsabkommen platzen lassen könnte. Bilder wie im Herbst 2015, als sich Hunderttausende von Flüchtlingen auf den Weg nach Deutschland gemacht haben, möchte sie im anstehenden Bundestagswahlkampf unter allen Umständen vermeiden.
Dabei gäbe es durchaus eine Alternative. Sie müsste lediglich vor die Weltöffentlichkeit treten und verkünden, dass Menschen, die nach unserem Grundgesetz bzw. der Genfer Flüchtlingskonvention keinen Schutzbedarf genießen, keine Aussicht auf Anerkennung ihres Asylgesuchs besitzen und schnellstmöglich in ihre Heimatländer zurückgeführt werden. Ich bin überzeugt, dass der Flüchtlingszustrom anschließend spürbar zurückgehen und man gleichzeitig dem äußerst einträglichen Geschäft der Schleppermafia einen herben Dämpfer versetzen würde.
Natürlich würde Merkel mit einer solchen Aktion ihre gerade erst erworbenen Sympathien bei politischen Schichten, die ihr früher eher ablehnend gegenüber gestanden haben, höchstwahrscheinlich wieder verlieren und auch ihr besonderer Nimbus als „Mutter Teresa“ wäre dahin. Deshalb überlässt sie die Aufgabe, die Flüchtlinge von Deutschland fern zu halten, gegen eine entsprechende finanzielle Entlohnung lieber diversen Autokraten dieser Welt, die es mit der Einhaltung der Menschenrechte nicht so genau nehmen.
Sie hat die Bundesrepublik und Europa damit jedoch dem Risiko einer dauerhaften Abhängigkeit ausgesetzt, die diesen Machthabern sehr gelegen kommen dürfte.“

Klaus Helle aus Bad Arolsen:

„Bedenklich nur, dass unsere Volksvertreter und auch die zunächst ablehnenden Landesregierungen diesen Blödsinn mitmachen! Damit unterstüzen sie ohne Widerspruch Seehofers Stammtischparolen wider bessere Einsicht, und geben Verkehrsminister Dobrindt freie Fahrt nach Absurdistan. Mit der Verantwortlichkeit und Unabhängigkeit unserer Volksvertreter ist es nicht mehr weit her.“

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3 Kommentare zu “Die Kanzlerin hat ihr Wort gebrochen

  1. Offenkundig ist das kein Problem da weder negative Rechtsfolgen noch Wählerschwund größerer Ausmaßes drohen?

  2. Es wird nie so viel gelogen, wie nach einem Krieg – und vor einer Wahl. Quod erat demonstrandum.

  3. Für die CDU wird es sicherlich keinen Wählerschwund wegen der Maut geben. Hier galt schon seit Adenauer der Spruch „Was stört mich mein Geschwätz von gestern?“ oder bei Kohl die Aussage, er habe wohl einen Blackout gehabt. So werden auch die Sprüche von Merkel bezüglich Maut oder „Wir schaffen das“ hingenommen. Eventuelle Kritiker, wie sie sich vor kurzem formiert haben, verstummen nach kurzer Zeit.

    Auf jeden Fall haben verschiedene Gutachten bereits nachgewiesen, dass die Maut unter den derzeitigen Voraussetzungen kein Geld einbringen wird. allerdings ist vorhersehbar, dass es Seehofer und Dobrindt darum geht, für die Zukunft eine Maut für alle einzuführen, um so die Infrastrukturgesellschaft mit privaten Gesellschaftern wie Allianz u.a. zu finanzieren.

    Auf diese Weise wird wiederum Schäuble seine schwarze Null auf Kosten der Autofahrer retten.

    Mir wird niemand weismachen können, dass ich durch Erstattung der Fahrzeugsteuer (zurzeit 30,- € p.a.) künftig nicht mehr zahlen muss als vorher. Sollte nämlich die einseitige Belastung der Ausländer von einem Gericht gekippt werden, wird es eine Maut für alle geben.

    An alle anderen Versprechen wird sich ebenso niemand mehr erinnern wollen wie an das von Merkel schon nach kurzer Zeit niemand erinnern konnte. Andernfalls hätte die Maut nicht in den Koalitionsvertrag aufgenommen werden dürfen.

    Aber wie sagte schon Juncker: „Wenn es ernst wird, muss man lügen.“ F.J. Strauß musste 1962 noch zurücktreten, weil er das Parlament belogen hatte, heute scheint dies schon Voraussetzung zu sein, um Karriere zu machen.

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