Gerd Lüdemann, Professor für Geschichte und Literatur des frühen Christentums an der Theologischen Fakultät der Universität Göttingen, stellt eine spannende Frage: Muss ein Theologieprofessor gläubig sein? – Hoppla, denkt man da zuerst – ein ungläubiger Theologe? Sind Athos-Mönche etwa bartlos denkbar? Dürfte Alice Schwarzer Feministin sein, auch wenn sie keine Frau wäre? Doch halt! Hier geht es um ein Bekenntnis, also um eine ideelle Angelegenheit, die jedoch der Form nach vorgeschrieben zu sein scheint, damit man Theologe sein kann. Ein solcher war Lüdemann nämlich, bevor er auf seinem jetzigen Lehrstuhl „kaltgestellt“ wurde, wie er in seinem FR-Beitrag schreibt.

Die Theologie begreift sich als Wissenschaft, und jeglicher Wissenschaft sind kritische Geister bisher stets gut bekommen. Wissenschaft unter einen Konfessionsvorbehalt zu stellen, ist ganz offensichtlich erstmal unwissenschaftlich. Lüdemanns Zweifel an den biblischen Texten kommen ja nicht von ungefähr. Er führt die biblische Archäologie in seinem Text zwar nicht explizit an, aber auch diese Disziplin ist über das Stadium der unkritischen Textgläubigkeit inzwischen natürlich weit hinaus. Um nur ein Beispiel zu nennen: Das Groß-Israel von König David, das ideologisch bis in die heutige Zeit hineinwirkt, hat es offensichtlich nie gegeben. Diese Texte der Bibel sind anscheinend nichts als politische Propaganda. Man tut also gut daran, die Bibel zu hinterfragen. Eine ganz andere Frage hingegen ist, was das mit der Glaubenswirklichkeit zu tun hat.

Diese Frage hat sich Professor Lüdemann wohl nie gestellt, meint Jonas C. Höpken aus Oldenburg:

„Das Problem von Professor Lüdemann ist, dass er offensichtlich über einen naiven Kinderglauben nie hinausgekommen ist. Während seiner Studien hat er festgestellt, dass der Weihnachtsmann nicht existiert. Mit einem vor der Vernunft reflektierten Glauben, der Gott als umgreifende Wirklichkeit versteht, die dem Menschen persönlich erfahrbar begegnet, ist er anscheinend innerlich nie in Berührung gekommen. Mit seiner Argumentation könnte er, was auch ein gutes Werk wäre, einen fundamentalistischen Glauben austreiben – aber nicht die Überzeugung von Milliarden Juden, Christen und Muslimen, die Gott suchen und sich von ihm finden lassen.
Noch einen Schritt weiter als Lüdemann gehen Dawkins und Hitchens, die – nach Stalinismus und Nationalsozialismus – ein weiteres Mal versuchen, den Glauben an Gott ganz aus der gesellschaftlichen Wirklichkeit zu verdrängen. Hinter der scheinbaren Fortschrittlichkeit ihres intoleranten Atheismus verbirgt sich in Wahrheit die hässliche Fratze eines gnadenlosen Kapitalismus‘, der alles von dieser Erde fegen will, was nicht in die Logik von Profit und Verwertung passt. Ein Gott, dessen konsequentestes Prinzip die Parteinahme für die Ausgebeuteten ist, stört beim Siegeszug des Kapitals über die Würde des Menschen.
Als katholischer Christ bleibt mir die Gewissheit: Die Herrschaft von Menschen über Menschen wird nicht das letzte Wort der Geschichte sein. Das letzte Wort hat Gott, der jedem das Recht verschaffen wird, welches das jetzt herrschende System einem Großteil der Menschheit auf grausame Weise verwehrt.“

Auch Heribert Süttmann aus Berlin meint, Lüdemanns Ansatz sei überholt:

„Was der ‚ungläubig‘, in Wirklichkeit ‚geschichtsgläubig‘ gewordene Theologieprofessor beim Verfassungsgericht durchsetzen möchte, hat sich mir auch durch seinen FR-Beitrag nicht erschlossen. Lehren und Forschen kann er ja; inwiefern seine Wissenschaftsfreiheit verletzt sei, ist nicht nachvollziehbar. Für mich reist Lüdemann auf einem Egotrip.
Sein Historismus ist im Übrigen 19. Jahrhundert. Er gehört auch mit seiner Neigung zu Selbstüberschätzung und Intoleranz auf den Müll der Wissenschaftsgeschichte. Auch wenn es der blinde Prophet nicht sieht: Das 20. Jahrhundert hat vor allem das Ende an den Glauben an die Geschichte gebracht!“

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13 Kommentare zu “Theologe auf dem Egotrip

  1. Lüdemanns Artikel ist wohltuend, denn er zeigt ein Grundproblem unseres säkularen Staates an, das aus der Weimarer Reichsverfassung in die Bundesrepublik mit hineingeschleppt wurde: die Verquickung von kirchlichen und staatlichen Angelegenheiten. Das scheint niemand der Kommentierenden sehen zu wollen. Alle stürzen sich auf seinen wissenschaftlichen Zweifel am Glauben und halten dagegen die Möglichkeit, diesen mit der Vernunft vereinbaren zu können. Sollen sie doch. Denn darum geht es ja im Kern, das diese beiden Ansichten von einem religionsneutralen Staat nicht mit Beschränkungen im Berufsleben verfolgt werden. Und dazu ist überfällig, dass die Ausbildung von Theologen, die an kirchliche Dogmen gebunden sind, aus den staatlichen Universitäten verschwindet. Dies Ausbildung sind inhaltlich und finanziell Aufgabe der jeweiligen Religionsgemeinschaft, die bei ihrer Ausbildung natürlich mit dem Grundgesetz übereinstimmen müssen. Dasselbe gilt für den Religionsunterricht an staatlichen Schulen. Religionslehrer haben dort nichts zu suchen. Diesen Unterricht hat die Kirche, wie z.B. während der evangelischen Konfirmation, selbst zu leisten. Was es sehr wohl an der Universität geben kann ist eine wissenschaftliche Theologie, der sich auch Lüdemann verbunden weiß. Aber die Kirche darf auf diese Stellen keinen Einfluss haben. Lüdemanns Klage ist daher voller Erfolg zu wünschen.

  2. Sowohl Lüdemann, als auch der Beitrag von J. Schroeder sprechen mir aus der Seele (aus meiner eigenen, nicht aus der katholischen, evangelischen, buddhistischen oder irgendeiner anderen).

    Sollen sie doch eine eigene Universität gründen, die verschiedenen Kirchen, sollen sie sie selbst finanzieren und mit Professoren bestücken. Dann können sie dort auch bestimmen, wer was wann und wie unterrichten darf. In staatlichen Institutionen muss jeder kirchliche Einfluss als Angriff auf die Freiheit der Lehre gewertet werden. Hier sollten sich die Kirchen des von ihnen vertretenen Jesuswortes befleißigen: “Gebt dem Kaiser was des Kaisers ist und Gott was Gott ist.“

  3. J.C Höpken prangert Lüdemanns „naiven Kinderglauben“ an und H. Süttmann nennt ihn „geschichtsgläubig“ usw. Steitbare Christen auf die Barrikaden gegen die Wissenschaft! Aber was wird den Kindern schon im Kindergarten eingetrichtert, später in der Schule verfestigt, im Gottesdienst gepredigt und von den Gläubigen ein Leben lang als Hoffnung gepflegt? Es sind archaische Märchen und Wundergeschichten, die Tatsachen vortäuschen und Hoffnung vermitteln. Doch bei den neueren christlichen Theologen wird das „ewige Leben“ nur zur „fortdauernden Lebensgechichte“, die „Hölle“ zur feuerlosen „Gottesferne“ usw. Die kirchlich akzeptierte Theologie unterscheidet sich in der Hinsicht kaum von Lüdemann und würde den Letzten von der hl. Messe fernhalten, böte sie nicht eine Hoffnung aus Märchen und Wundergeschichten.

  4. Atheisten, so der Tenor der heutigen Leserbriefe, sollen ihren Irrsinn doch bitte für sich behalten. Darüber schreiben ist intolerant, fundamentalistisch, Müll der Wissenschaftsgeschichte, wasauchimmer. Es ist eine seltsame Version von Toleranz, die gerade Gläubige hier demonstrieren.

    „Noch einen Schritt weiter als Lüdemann gehen Dawkins und Hitchens, die – nach Stalinismus und Nationalsozialismus – ein weiteres Mal versuchen, den Glauben an Gott ganz aus der gesellschaftlichen Wirklichkeit zu verdrängen.“

    Nach dieser dreisten Totschlag-Argumentation wäre es jetzt wohl an den Atheisten, an Scheiterhaufen und Kreuzfahrten zu erinnern, und anders als in obiger Aneinanderreihung wäre da immerhin der Zusammenhang mit dem Glauben erkennbar. Aber auch die Gegenwart gibt ja genug her:

    „Hinter der scheinbaren Fortschrittlichkeit ihres intoleranten Atheismus“ – hier sei noch an die alte Methode erinnert, Bücher zu lesen, ehe man sie kritisiert – „verbirgt sich in Wahrheit die hässliche Fratze eines gnadenlosen Kapitalismus‘, der alles von dieser Erde fegen will, was nicht in die Logik von Profit und Verwertung passt. Ein Gott, dessen konsequentestes Prinzip die Parteinahme für die Ausgebeuteten ist, stört beim Siegeszug des Kapitals über die Würde des Menschen.“

    Vielleicht ist es ja „das Ende an den Glauben an die Geschichte“, das zu dieser Blinheit vor der Geschichte führt. Ich entsinne mich eher an sich christlich nennende Staaten, die den Kapitalismus hervorgebracht haben, an Kirchen, die ihn stabilisieren, an C-Parteien, die ganz vorne an der Front ‚Liberalisierung‘ kämpfen, gemeinsam mit den Christen der Bush-Regierung …

    „Als katholischer Christ bleibt mir die Gewissheit: Die Herrschaft von Menschen über Menschen wird nicht das letzte Wort der Geschichte sein.“ Und dann, der Gottesstaat? Ich hoffe mal, er redet nur von Anarchie.

  5. Warum geben sich die geschätzten Leserbriefschreiber (Papier-FR) so konsterniert, nur weil Prof. Lüdemann den einst gemeinsamen Kinderglauben an Gott und Götter aufgegeben hat? Er ist Wissenschaftler – und als solcher darf er keine Denkschablonen oder -verbote pflegen – auch wenn es von ihm erwartet wird. Doch genau das ist das Problem: Theologie ist keine Wissenschaft sondern eine Glaubenslehre. Als solche gehört sie „eigentlich“ nicht an eine Universität, sie müßte in einer kirchlichen Lehranstalt angesiedelt sein. Die Kirchen wollen allerdings den renommierten Mantel von Wissenschaft nicht aufgeben – die Macht über die „Lehre“ und über den Lehrenden jedoch voll bewahren: sicher ist sicher! Da der Staat in Gestalt der Landeskultusministerien das bereitwillig mitmacht, führt das zu der absurden Situation, daß ein profilierter Wissenschaftler entweder gegen seine wissenschaftlichen Erkenntnisse „lehren“ soll – oder aber diesen seinen „job“ des universitären Lehrers an diesem Lehrstuhl verliert.
    Das sind Gewissensfragen, die in der Inquisition „in“ waren, heute aber der Verachtung anheim fallen sollten.
    Erfreulich – erstaunlich? – daß die hier veröffentlichten Meinungen ein ganz anderes Format zeigen.

  6. # 5
    „Die Kirchen wollen allerdings den renommierten Mantel von Wissenschaft nicht aufgeben – die Macht über die „Lehre“ und über den Lehrenden jedoch voll bewahren: sicher ist sicher!“, schreibt Herbert Steffes.

    Genauso sehe ich das auch. Innerhalb der staatlichen Universitäten existieren 32 theologische Fakultäten, 19 evangelische und 13 katholische. Es ist für mich nur im Sinne gesellschaftlicher Machtausübung nachvollziehbar, dass der kirchliche Nachwuchs staatlich finanziert und der theologische Studiengang damit allen anderen Studiengängen, inhaltlich, nämlich mit wissenschaftlicher Attitüde, und formal gleichgesetzt wird.

    Ein weiterer Aspekt: Dieser theologische Ausbildungsgang dient, im Gegensatz zu anderen Studiengängen, nur der Rekrutierung des eigenen Nachwuchses, da es ja offensichtlich nur eine Sorte von Abnehmerin dieser Absolventen gibt, nämlich die Kirchen. Zwar versuchen die Wirtschaftsverbände derzeit ähnliches, indem sie die Inhalte und die Art der Studiengänge beeinflussen, dass sie passgenau auf ihre ökonomischen Erfordernisse zugeschnitten werden. Aber da sind immerhin noch einige Anstrengungen notwendig bis der Schritt soweit vollzogen ist, dass er dem Kirchenprivileg gleich kommt.

  7. Ich stimme allen 6 Kommentaren zu und freue mich, dass es doch mehr Menschen gibt, die in diese Richtung denken, als die veröffentliche Meinung uns Glauben macht.
    Das gibt Hoffnung, dass auch den Islamisten mit den Argumenten der Aufklärung zu begegnen ist und nicht nur mit Bibelsprüchen.

  8. Wie im FR-Blog oft, werden hier mehrere Problemfelder durcheinander gemischt. Man sollte versuchen, die Fragenkomplexe getrennt zu diskutieren.

    1. Trennung von Kirche und Staat

    Jörg Schröder hat Recht, dass die unvollständige Trennung von Kirche und Staat ein Erbe der Weimarer Reichsverfassung ist. Damals wurde die Aufhebung der im Kaiserreich enge Verknüpfung zwischen Staat und Kirche nur durch den Kompromis erreicht, dass den christlichen Kirchen (und der jüdischen Glaubensgemeinschaft sowie anderen weltanschaulichen Gemeinschaften) der mit einer Reihe von Privilegien verbundene Status der Körperschaften des öffentlichen Rechts zuerkannt wurde. Einer der Folgen ist ein Zwitterstatus der Theologischen Fakultäten: Sie unterliegen als kirchliche Ausbildungseinrichtungen der Kontrolle durch die jeweilige Kirche, sind aber auch Teil der (weltlichen) Hochschulen. Die Integration in die Universitäten hat aber auch aus „kirchenkritischer“ Sicht Vorteile: Sie ermöglicht den Theologiestudenten den Besuch von „weltlichen“ Vorlesungen (Geschichte, Philosophie usw.) und hilft so, den Horizont der künftigen Geistlichen zu erweitern. Außerdem sorgt die „Konkurrenz“ innerhalb der Universität dafür, das die Theologenausbildung ein akademisches Niveau wahrt. Die Alternative, unabhängige kirchliche Priester- und Pastorenseminare, begünstigt Abschottung und Fundamentalismus. Dies gilt auch für einen aus der staatlichen Schulbildung ausgeschlossenen Religionsunterricht (z.B. die „Sonntagsschulen“ in den USA). Nicht zufällig wird zur besseren Integration des Islams in die europäische Gesellschaft ein Islamunterricht an den staatlichen Schulen sowie eine in die Universitäten eingebundene Ausbildung (deutschsprachiger) Imame gefordert.

    Sicherlich gibt es gute Gründe, die für eine vollständige Trennung von Staat und Religion (Kirche) sprechen, es gibt aber auch Gegenargumente.

    Was Professor Lüdemann betrifft, verstehe ich nicht ganz, was ihm eine vollständige Trennung von Staat und Kirche nutzen würde. Hätte er einen Lehrstuhl an einer privaten Bildungseinrichtung der evangelischen Kirche gehabt, wäre er nach seinen Veröffentlichungen gefeuert worden, was aufgrund von Tendenzschutz (der auch Gewerkschaften, Parteien oder „weltanschaulichen“ Organisationen, wie Greenpeace oder amnesty, zusteht) kein Arbeitsgericht in Frage gestellt hätte. Nur der Einbindung der Theologischen Fakultät in die Universität verdankt er den neuen Zuschnitt seines Lehrstuhls. Schließlich klagt er auch nicht gegen die Kirche, sondern gegen die Universität. Unklar bleibt auch, warum seine Verfassungsrechte dadurch verletzt sein sollen, wenn die Theologiestudenten bei ihm zwar hören können, die dabei erworbenen Leistungsnachweise aber für das Theologiestudium nicht verwenden können. Auch ein Medizin- oder Physikstudent, der einen Philosophie- oder Geschichtskurs besucht, kann den dort erworbenen Schein nicht für sein eigentliches Studium verwenden.

    2. Verhältnis von Wissenschaft und Religion

    Dazu muss ich, auch wenn ich keiner christlichen Religion angehöre, dem Leserbriefschreiber Jonas C. Höpken Recht geben. Im 21. Jahrhundert steht es jedem frei, an Gott (oder Transzendenz) zu glauben oder nicht. Der Glaube, mit Wissenschaft die Existenz Gottes widerlegen zu können, ist aber nicht minder „naiv“ als die früheren Versuche „wissenschaftlicher“ Gottesbeweise, und mündet in eine „Wissenschaftsreligion“. Dies hat auch nichts mit Aufklärung zu tun, die der Wissenschaft eine Autonomie von der Religion verschafft hat, aber damit auch der Religion ihre Autonomie (zurück) gab. Die (Natur-)Wissenschaft beschäftigt sich mit der materiellen Welt, die Religion reicht darüber hinaus (was nicht wertend gemeint ist). Als religiöser Mensch kann ich, in voller Kenntnis der historisch-kritischen Bibelforschung, die Bibel als Gottes Offenbarung verstehen – in menschlicher Sprache der jeweiligen Zeit verfasst und von Menschen überliefert, und somit auslegungsbedürftig.

    Religiöse Einstellung sollten genauso mit Toleranz begegnet werden wie auch jede atheistische oder agnostische Haltung. Diese Toleranz gegenüber den Religionen vermisse ich aber oft in unserer Gesellschaft.

    Übrigens ist eine erfolgversprechende Auseinandersetzung mit dem Islamismus nur dann möglich, wenn man die Religion ernst nimmt.

  9. Noch ein Nachsatz zu #4 von Denis:

    Das „letzte Wort der Geschichte“ ist nach meiner religiösen Vorstellung nicht der Gottesstaat, sondern die Idee einer „mesianischen Zeit“, einer sozial gerechten Gesellschaft, wie sie die Propheten in ihren Visionen beschrieben haben und nicht im Jenseits, sondern im Diesseits verortet haben. Andere nennen es „demokratischen Sozialismus“.

  10. Alle Kritikpunkte im FR Artikel sehe ich als richtig. Dagegen die Leserbriefe alle als falsch.
    Nur bringt leider Kritik nichts, denn die Kirche kritisiert sich selbst und spaltet sich seit Luthers Zeiten immer weiter. Genauso wie der Ablass falsch war, bringt Kritik an Theologen oder der Kirche nicht weiter. Auf gewisse Weise bleibt nur das Amusement. Ich habe zb lutherische Theologen gefragt, was Gott vom Menschen erwartet. Die Antwort war: Seit Luther erwartet Gott nur noch, dass seine Gnade angenommen wird. Katholiken sagen dagegen, Gott erwartet dass seine Gnade angenommen wird und dass der Mensch gute Werke tut und wenig sündigt. Die Frage was ist Sünde, eines der wichtigsten Wörter in der Bibel wurde mir bisher bei Befragung von mehr als 300 Theologen immer so beantwortet: Das sei nicht wichtig oder da brauche man 100 Stunden um das zu erklären, in jedem Fall gab es nie eine klare Antwort. Genauso bleiben die Fragen, was ist Liebe oder Gnade oder Glauben unbeantwortet. Und damit sitzt Herr Lüdemann wie alle anderen Theologen auch zwischen allen Stühlen, denn auf der einen Seite sollen die 10 Gebote exakt sein, aber Paulus und Moses sind Mörder und haben nie so etwas wie eine Reueprozedur durchgeführt laut Bibel, aber die Kirche sagt zu Delikten nur Widersprüches über Verzeihen oder Reue.
    Amsüsieren tut mich auch der Streit ob Genesis richtig ist oder ob Darwin recht hat. Welcher Physiker möchte sagen, dass folgende Verse in der Schöpfung falsch sein sollen:
    Im Anfang schuf Gott…. Was ist im Anfang. Oder Gottes Geist schwebte über dem Wasser? Was ist daran naturwissenschaftlich falsch?

  11. Im Kommentar von Abraham meint er, dass unzulässiges vermischt würde. Ich denke unzulässig vermischt ist nicht die Argumentation, sondern sind die Sphären von Staat und Kirche. Deshalb eine Replik auf seinen Punkt 1:

    Es spricht überhaupt nichts dagegen, dass die Kirchen bzw. Religionsgemeinschaften ihre Ausbildung inhaltlich und finanziell selber tragen und sich gleichzeitig offen zeigen und ihre Studierenden an Seminaren von staatliche Universitäten studieren lassen. Dies lässt sich auch ohne organisatorische und personelle Zwitterstellungen ermöglichen, durch einfache Kooperationsabkommen.
    Im weiteren hatte ich ja darauf hingewiesen, dass auch die Ausbildung der Religionsgemeinschaften sich im Rahmen des Grundgesetzes bewegen muss. Die Argumentation, die Vermischung von religiösen und staatlichen Aufgaben bewahre die Religionen vor dogmatischen Verengungen und Verirrungen, ist kein Argument für die Vermischung. (Dasselbe Argument wird übrigens immer wieder für die Beibehaltung der Wehrpflicht vorgebracht und macht mir mehr Angst vor der Bundeswehr, als dass es Vertrauen ausstrahlt.) Sie bestätigt lediglich das antidemokratische und fundamentalistische Potential von Religionen. Der Staat hat daher diese zu prüfen, jedoch nicht sich mit ihnen zu vermischen. Denn dann schwappt das dogmatische Potential auch ganz real in die staatliche Organisation hinein – siehe Lüdemann. In einer kirchlichen Hochschule wäre er entlassen worden – ja. Aber das hätte das dogmatische Potential der Religionsgemeinschaft wenigstens deutlich gemacht. Jetzt bekommt die Kaltstellung von Prof. Lüdemann einen Anstrich von Legitimität, der ja auch schon in die Argumentation von Abraham hineingeschwappt ist. Denn dadurch „verdankt“ er der staatlichen Einbindung plötzlich die bloße Kaltstellung, anstatt der Entlassung. Jedoch ist die Kaltstellung gerade der Ausweise der problematischen Vermischung, die nicht einfach schöngeredet werden kann. An einer neutralen, öffentlichen Universität darf es weder eine Entlassung aus diesen Gründen, noch eine Kaltstellung geben! Die öffentliche Universität zeichnet sich dadurch aus, dass man dort Atheist oder Gläubiger sein kann, ohne diskriminiert zu werden. Daher muss Abraham zudem den Sachverhalt auch gänzlich umdrehen, um den antidemokratischen Vorgang zu beschönigen. Denn ob ein Studierender Seminare besucht die nicht in seiner Studienordnung als scheinrelevant vorgesehen sind, ist doch etwas gänzlich anderes als der Entzug der Zertifizierungserlaubnis für den Professor seitens der Hochschule. Denn die Zertifizierungserlaubnis bestimmt mit über die Relevanz und Anerkennung seiner Lehrinhalte – für die Studierenden, für Prof. Lüdemann selbst, so wie für den Lehrkanon der Hochschule. Dies ist zumindest ein elementarer Einschnitt in die Berufshandlungen von Prof. Lüdemann – gerade deshalb wurde ja diese Art der Kaltstellung gewählt: es sollte ihn ja an einer empfindlichen Stelle treffen. Ob diese perfide Art der Zensur grundrechtsverletzend ist, wird das Bundesverfassungsgericht letztlich entscheiden. Der Entzug der Zertifizierungserlaubnis aufgrund kirchlicher Einmischung ist jedoch ein Skandal – die Trennung von Staat und Kirche konsequent!

  12. @ # 11 Jörg Schroeder

    Nochmals: Für eine Trennung Kirche und Staat gibt es gute Argumente, es gibt aber auch gute Argumente, weshalb in das Grundgesetz der Kompromiss der weimarer Kirchenverfassung übernommen wurde. Dass auch bei einer strikten Trennung von Staat und Kirche Religionen die Gesellschaft beeinflussen, zeigen z.B. die USA.

    Es gehört zum Grundrecht der Religionsfreiheit, dass Religionsgemeinschaften ihre innere Angelegenheiten selber regeln. Dazu zählt auch die Ausbildung der Geistlichen und das Recht, diese Ausbildung nur den Personen zu übertragen, die die Grundauffassungen der Religion teilen. Darin bereits „das antidemokratische und fundamentalistische Potential von Religionen“ zu sehen, halte ich für abwegig. Auch einer Gewerkschaft steht das Recht zu, in ihren Bildungseinrichtungen keinen Dozenten zu beschäftigen, der z.B. das Streikrecht ablehnt. Auch einem kircheneigenen Priesterseminar, das per Kooperationsabkommen mit einer Universität verbunden wäre, könnte man dieses Recht auf „Tendenzschutz“ nicht nehmen. Wenn ich mich nicht täusche, ist ohnehin der Status der evangelischen und theologischen Fakultäten nicht eine Konsequenz der weimarer Kirchenverfassung, sondern durch Staatsverträge mit den Kirchen (Konkordate) vereinbart. Die jüdische Religionsgemeinschaft verfügt über solche „theologische Fakultäten“ nicht.

    Mir scheint – und es ist der Blick eines Außenstehenden – das Problem von Professor Lüdemann zu sein, dass er explizit erklärt, kein evangelischer Christ zu sein, aber weiter innerhalb einer evangelischen theologischen Fakultät an der Ausbildung der künftigen Geistlichen mitwirken will. Die „saubere“ Lösung wäre die Verlagerung seines Lehrstuhls in das „weltanschaulich neutrale“ Fach „vergleichende Religionsgeswissenschaft“, wo er dann auch vollinhaltlich bei der „Zertifizierung“ der Studierenden mitwirken könnte. Meines Wissens wurde diese Lösung in Thübingen bei Prof. Küng umgesetzt, nachdem ihm die katholische Kirche die Lehrerlaubnis entzogen hat. Nur wenn Prof. Lüdemann diese Möglichkeit verwehrt wurde, sind seine Verfassungsrechte verletzt worden.

    Was die „theologische“ Position von Lüdemann betrifft (die zu vertreten er selbstverständlich das Recht hat), erscheint mir sein wörtliches Verständnis der Bibel als einer geschichtlichen Erzählung weit näher dem Fundamentalismus der Evangelikalen (freilich mit umgekehrten Vorzeichen) nahezustehen, als der Mehrzahl der evangelischen Theologen, die seit dem 19. Jahrhundert die historisch-kritische Bibelforschung durchaus in ihr „Weltbild“ integriert haben.

    Auch ich als liberaler Jude kann die kritische Bibelforschung und die religiöse „Wahrheit“ der Bibel als der von Menschen überlieferten göttlichen Offenbarung gut unter einen Hut bringen. Nur ein Beispiel: Aus dem Bibelwort „bedenke, dass Du Sklave warst in Ägypten“ leite ich meine religiöse Verpflichtung zum Streben nach sozialer Gerechtigkeit ab, und zwar unabhängig davon, ob Moses eine historische Person war und die Befreiung der Israeliten aus der Sklaverei eine geschichtliche Tatsache ist.

  13. Die Institution Universität ist ausschließlich der Wissenschaft verpflichtet.

    Theologie jedoch erfüllt entscheidende Kriterien nicht, um als wissenschaftlich gelten zu können.

    Da ist zunächst das Kriterium der intersubjektiven Nachvollziehbarkeit.

    Jede Theorie, die Wissenschaftlichkeit für sich beansprucht, muss von Basissätzen herleitbar sein, welche prinzipiell allen zum Vernunftgebrauch fähigen Menschen einsichtig sind, und zwar unabhängig von irgendeinem religiösen Glauben.

    Solche Basissätze müssen also der Vernunft zugänglich sein, während die Theologie nach ihrem Selbstverständnis von Basissätzen ausgeht, die auf einer Offenbarung Gottes beruhen, welche nur dem Glauben – nicht der bloßen Vernunft! – zugänglich sind.

    Basissätze der Theologie sind daher die geoffenbarten Glaubensartikel:
    Etwa dass ein Gott ist und dass dieser dreifaltig beschaffen ist.
    Oder (für kath. Theologie) dass die Mutter Jesu vor, während und nach der Geburt jungfräulich geblieben ist, und zwar auch im biologischen Sinn.
    Oder dass Jesus einen Sühnetod gestorben sei, der vor Gott und für die Menschen universale Heilsbedeutsamkeit habe.

    Das sind einige Beispiele für Basissätze, die meinetwegen dem Glauben als einem „Verstehen sui generis“ zugänglich sein mögen, nicht jedoch der allgemeinmenschlichen Vernunft nachvollziebar sind (fehlende Intersubjektivität!).

    Die Universität hat es jedoch ausschließlich mit Vernunft und nicht mit irgendeiner behaupteten religiösen Übervernunft zu tun.

    Darum beruht die Entscheidung des deutschen obersten Verwaltungsgerichthofes gegen Gerd Lüdemann meines Erachtens auf mangelnder Bildung der Richter.

    Zudem erfüllt Theologie nicht das Wissenschaftskriterium der Ergebnisoffenheit.
    Ein katholischer Theologe etwa, der unter rein historischem Fraginteresse untersuchen möchte, ob Jesus leibliche Geschwister hatte, wäre von vornherein blockiert durch die Vorgabe des dogmatischen Glaubens an die Jungfräulichkeit Marias. Die Kirche verlangt, dass ein Theologe den kirchlichen Glauben teilt und niemals zu Ergebnissen kommen darf, die dem Glauben widersprechen.

    Aus den genannten Gründen (und vielen ungenannten!) ist der Ort der Theologie die außeruniversitäre Akademie, welche finanziell allein von der jeweiligen Religionsgemeinschaft zu tragen ist.

    Überdies:
    Dass atheistische Steuerzahler im gegenwärtigen System Kirche-Staat gezwungen werden, konfessionelle Einrichtungen wie theologische Hochschulen und staatlichen Religionsunterricht, Militärseelsorge etc. via Fiskus mitzufinanzieren, ist eine veritable und unbestreitbare Verletzung der Religionsfreiheit, die ja nicht nur Freiheit für Religion, sondern auch Freiheit von Religion beinhalten muss.

    Wissenschaftliche Bibelforschung gehört an kulturwissenschaftliche Fakultäten.

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