Die alles zerstörende Nähe zum Kapital

Mitunter, liebe Leute, tun Päpste auch mal was Sinnvolles. Zum Beispiel dann, wenn es ihnen nicht – oder wenigstens nicht in erster Linie – um innerkirchliche Querelen geht. Insofern war es schon gut, das beim letzten Konklave ein Argentinier herauskam, der mit dem römischen Klüngel nicht so richtig kann. Oder zum Beispiel dann, wenn sie mal was zur Zukunft der Welt sagen. Man konnte ja im Verlauf der Jahrhunderte durchaus den Eindruck gewinnen, dass die Päpste zwar die Angst vor dem Jüngsten Gericht schürten, jedoch persönlich oft eher dem Diesseits zugeneigt waren und kaum kompetent erschienen, etwas über die Zukunft zu sagen.

Der aktuelle Papst macht es anders. Wie alle Päpste redet er zwar auch Unsinn, zum Beispiel was Schläge in der Kindeserziehung betrifft, sagt aber auch hier und da mal was Wahres. Die Enzyklika „Laudato Si“ von Papst Franziskus fällt allerdings wohl kaum in die Kategorie „hier und da“. Sie gilt schon jetzt als wegweisend, was das Verhältnis der katholischen Kirche zur Bewahrung der Schöpfung betrifft — was eigentlich ein erzkonservativer Wert ist oder sein müsste, was in der Art und Weise, wie Franziskus da herangeht, aber so ziemlich alles über den Haufen wirft, was als konservativ gilt. Die Grünen würden sich freuen, wenn es sie denn noch gäbe. In dieser Enzyklika prangert der Papst Konsumrausch, Umweltzerstörung und eine Unterwerfung der Politik unter die Wirtschaft an. Recht hat er. Ich denke ernsthaft darüber nach, morgen in die katholische Kirche einzutreten.

Auch Friedrich Grimm aus Weinsberg meint:

2Sogar der Bischof von Washington betonte schon, dass Franziskus‘ Gedanke die wirtschaftliche Entwicklung nicht gefährden dürfe (Punkt 3 den Wirtschaftsriesen und Konzernen). Und so wie dieser Erzbischof denken leider sehr viele sogenannte Kirchenführer. Und alle dese Kirchenfüher haben vor allem eine Gemeinsamkeit. Nämlich die alles zerstörende Nähe zum Kapital, zur Macht. Reden ständig von der Bewahrung der Schöpfung und sehen regungslos zu, wie diese aus lauter Profitgier immer mehr zerstört wird. Bleibt einem einfachen Christen nur die eine Hoffnung, dass sich dieser Papst mit seinen Ideen und Gedanken durchsetzt, dass er weitere Unterstützer/Unterstützerinnen in der Politik und auf allen Ebenen der Weltgemeinschaft findet.2

Paul Sachse aus Kuppenheim:

„Weder katholisch, noch sonst irgendwie gläubig bin ich. Aber wenn es einen einflussreichen Menschen derzeit auf dieser Welt gibt, den ich in meinen Gesprächen zitieren möchte, dann ist es dieser eine Papst. Er vertritt u.a. Werte, für die ich seit 40 Jahren streite. Er wird mich von vielem niemals überzeugen, und in manchem bin ich sein Gegner, aber in Fragen, die für die Menschheit existenziell sein werden, empfinde ich ihn, als einen wirklich aufrechten Bündnispartner der Menschheit. Dazu gehört seine Haltung in Fragen der Ökologie und in Fragen von Reichtum und Armut, Macht und Machtmissbrauch. Er hat in seiner Enzyklika in einer derart deutlichen Sprache Verhaltensänderungen eingefordert, dass er haarscharf einen SPD-Ausschluss riskieren würde, wenn er all das gegenüber Gabriel und Konsorten einfordern würde. Die grüne Berliner Führungsspitze würde Schnappatmung bekommen, wenn die Basis ernsthaft seine Theorien vertreten würde, wohlgemerkt in den voraus genannten Punkten. Die Linke müsste schmerzhaft erkennen, dass die reine Lehre unbedeutend ist, wenn sie nicht wenigstens in den Ansätzen Lebenswirklichkeit wird. Diesbezüglich ist sie von der katholischen Kirche gar nicht so weit entfernt. In der CDU-CSU werden sicher ganze Heerscharen gut Begüterter dafür beten, dass dieser Bursche baldigst von Alzheimer, oder vom Sensenmann heimgeholt wird. Manche von ihnen werden den Tag verfluchen, an dem sich das C in die Partei eingeschlichen hat. Garantiert würden meine Leserbriefe jetzt erst recht an provokanten Inhalten und Formulierungen scheitern, wenn ich zum Beispiel, Rom im Rücken, behaupten würde, dass unsere Eigentumsverhältnisse strukturell pervers sind. Und weit über all das hinaus überzeugt mich sein aus tiefsten Herzen kommendes und alles überstrahlende Lächeln. Ein jahrhundert Mensch. Und als Ungläubiger fordere ich von seinem Vorgesetzten: ‚Gott schütze ihn vor seiner unmittelbaren Umgebung, denn er wäre nicht der Erste, der vorzeitig von seinen Nächsten in dein Reich geschickt wurde!'“

Conrad Fink aus Freiberg am Neckar:

„In meiner Schulzeit hatten wir uns im Unterricht mit den Romanen „Schöne neue Welt“ von Aldous Huxley und „1984“ von George Orwell beschäftigt. Diskutiert wurden die Zukunftsvisionen für die Menschheit mit Kriegen, Umweltzerstörung und Werteverfall. Der Lehrer, den ich bis heute sehr schätze, sagte dazu, dass nur die Kirchen in der Lage wären, diese Entwicklungen abzuwenden.
Bisher hatte ich nicht den Eindruck, dass sich die Religionen hier mit Ruhm bekleckern würden, wenn man die Reihe der letzten Päpste, verschiedene Kirchentage oder die politische Entwicklung des Islam betrachtet.
Nun kommt im wahrsten Sinne des Wortes „aus heiterem Himmel“ die Enzyklika Laudato si‘ des Papstes Franziskus daher. „Franziskus fordert ökologische Spiritualität, ein neues Denken, einen neuen Geist, Verantwortung für die Geschenke Gottes. Wir müssen Beschützer des Werkes Gottes sein“, so Weihbischof Uhl bei der Vorstellung der Enzyklika. Er fordert darin u. a. eine Technikfolgenabschätzung, die fragt, welche Folgen technischer Fortschritt für die Menschen und die Umwelt hat. Denn Technik muss auch menschengerecht und menschenwürdig sein. Die Enzyklika verweist nicht nur auf unsere Verantwortung Gott gegenüber, sondern auf die Nächstenliebe gegenüber der gegenwärtigen und kommenden Generationen. Wir müssen uns fragen: „Wie können wir unseren Nachkommen ein geordnetes Haus übergeben.“
Hut ab vor diesem Papst! So etwas trauen sich heute keine Politiker mehr zu sagen und auch die Umweltverbände sind weitgehend verstummt bzw. eingeknickt vor der kapitalistischen Weltideologie, die sich nicht mehr an den Menschen sondern nur noch an der Gier nach Geld und Macht orientiert. Der Papst verdient hier meines Erachtens uneingeschränktes Lob. Den übrigen Religionen empfehle ich dringend, sich dem Beispiel des Papstes anzuschließen und ähnliche Initiativen auf den Weg zu bringen.“

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3 Kommentare zu “Die alles zerstörende Nähe zum Kapital

  1. Schon in der Bibel steht der Satz: An ihren Taten werdet ihr sie erkennen. Ich bin gespannt was der Papst machen wird. Ich hätte schon mal einen Vorschlag. Es gibt in D. eine Partei die ein c im Namen führt und vor ein paar Jahren in Leipig ein Grundsatzprogram beschlossen hat. Er könnte sich ja mal dazu äußern ob das noch passt.

  2. Nachdem Papst Johannes Paul II. bereits 1992 mit der Rehabilitation Galileo Galileis die keplersche Wende für die katholische Kirche vollzogen hat, steht, so könnte es scheinen, schon jetzt eine weitere Wende bevor.

    Wie schon Kepler vor rund vier Jahrhunderten unumstößliche Tatsachen erkannte und beschrieb, so hat der aktuelle Papst gegenwärtige unumstößliche Tatsachen wahrgenommen und seine Schlüsse daraus gezogen. Im Gegensatz zu Kepler, dem es in der Folge gelang, das damalige Weltbild zu ändern, wird es Papst Franziskus nicht gelingen, die Welt zu ändern. Vielleicht hat er es ja auch gar nicht vor. Nicht einmal die katholische Kirche oder gar die CDU/CSU wird er verändern. Ob er Chancen hat, jemals heiliggesprochen zu werden?

  3. Das ist schon ok was der Papst da von sich gegeben hat und wird auch der Sache auf keinen Fall schaden. Ich will es aber nicht so schwarz sehen wie er. Der Turbokapitalismus ist, wie man in Griechenland sieht, dabei sich selbst zu besiegen und die anlaufende Weltenergiewende wird schneller zu Veränderungen führen als dem einen oder anderen lieb ist.

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