“Irgendetwas zwickt mich hier”

Mit sechs gegen fünf Stimmen hat der Hessische Staatsgerichtshof am Montag das „Gesetz zur Sicherung staatlicher Neutralität“ – kurz Kopftuchverbot – für rechtens erklärt: Das Kopftuchverbot ist also verfassungsgemäß. Es untersagt allen hessischen Beamten und Lehrern im Dienst Kleidungsstücke und Symbole zu verwenden, die an ihrer Neutralität zweifeln lassen oder den Dienst- oder Schulfrieden gefährden könnten. Weiterhin zulässig sind laut Gesetz aber Erkennungsmerkmale, die der christlich-humanistischen Tradition Hessens entsprechen. Drei der Richter, die gegen dieses Urteil votierten, sahen eine „verfassungsrechtlich unzulässige Privilegierung christlich geprägter Kleidungsstücke, Symbole oder anderer Merkmale“. Die Klägerin, Landesanwältin Ute Sacksofsky, bleibt dabei, dass keine Unterscheidung zwischen Kopftuch und Nonnentracht gemacht werden dürfe.

Dazu Christiene Hock aus Frankfurt:

„Nach der Achse des Bösen proklamieren wir jetzt in Hessen die Klamotte des Bösen? Dazu passend gibt es dann wohl einen in Terrorabwehr geschulten Kleidungsbeauftragten, der regelmäßig seine Runden durch die Büros dreht und die Kopfbedeckungen kontrolliert? Schön wäre, wenn er bei der Gelegenheit auch die Träger weißer Tennissocken in Sandalen sowie die Bierbäuche in zu engen und schlecht sitzenden Hemden anmahnt. Aber das ist natürlich viel zu persönlich und gehört nicht zu seinem Zuständigkeitsbereich! Liebe muslimische Beamtinnen: Die freie Wirtschaft heißt nicht umsonst so – vielleicht der richtige Zeitpunkt, den Job zu wechseln!“

Claus A. Bossack aus Hattersheim meint:

„Es darf keine Unterscheidung zwischen Kopftuch und Nonnentracht gemacht werden, so die Landesanwältin Prof. Sacksofsky. Es gibt immer noch Personen, sogar in öffentlichen Positionen, die es einfach nicht verstehen, dass Nonnen, Priester, der Papst, der Patriarch von Konstantinopel, der islamische Muezzin ihre Gewandung in Ausübung ihres Berufs oder Amts tragen. Dergleichen Berufsausübung vermag ich bei Kopftuchträgerinnen nicht zu erkennen. Zu welcher Berufsausübung, welchem Amt gehört das Kopftuch?“

Hans Ingebrand aus Berlin stellt fest:

„Wir haben also ein ‚Gesetz zur Sicherung staatlicher Neutralität‘ einerseits, dann aber andererseits ein Gesetz, das „Erkennungsmerkmale“ zulässt, die ‚der christlich-humanistischen Tradition Hessens entsprechen‘. Also, irgendetwas zwickt mich hier. Entweder habe ich weltanschauliche Neutralität, d.h. ich verzichte auf Erkennungsmerkmale, oder ich habe sie nicht. Beides geht nicht.“

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20 Kommentare zu ““Irgendetwas zwickt mich hier”

  1. Ziemlich geärgert hat mich der Kommentar von Stephan Hebel zu diesem Thema. Aus diesem Grund habe ich ihm folgenden Leserbrief geschrieben:

    bezogen auf die Schule wird eine Perspektive in Ihrem Kommentar völlig außer Acht gelassen, nämlich die der Schüler. Dabei ist es völlig irrelevant, ob die betreffende Lehrerin nun ihr Kopftuch aus Zwang, aus freien Stücken oder aus Begeisterung trägt- wesentlich ist die Frage, wie das Kopftuch, auf ihre Schüler wirkt, insbesondere auf minderjährige Schülerinnen, denen gegenüber die Lehrerin ein Vorbild darstellt. Wie wirkt nun also eine Frau, die offensichtlich nicht ihr Haar vor den Schülern zeigen kann (oder darf), da sie ihr Kopftuch nicht ablegen kann (oder darf)- aus welchen Gründen auch immer? Egal wie man die Sache dreht und wendet, das Kopftuch ist ein weltanschauliches Statement der Trägerin und wird als solches wahrgenommen. Nun kann sich jeder auf der Straße den Button auf die Brust heften, den er möchte- in der Schule aber –aus guten Gründen- nicht.
    Von einer Lehrerin getragen, erhält das Kopftuch Aufforderungscharakter zumindest allen Schülerinnen gegenüber, die keines tragen. Dem Mädchen, das sein Haar nicht bedeckt, wird von der Trägerin suggeriert: „Im Gegensatz zu mir, läufst du rum wie eine Nutte.“ Besonders problematisch wird dieser Umstand, wenn in der Klasse muslimische Mädchen sitzen, die kein Kopftuch tragen (wollen), und sich womöglich in dieser Frage noch gegen die Eltern aufzulehnen versuchen. Für diese Mädchen wächst entschieden der Druck. Bedenkenswert sind auch die Signale, die gegenüber den pubertierenden Jungs (mit ihren Machoallüren) ausgesendet werden. Welche Botschaft im Hinblick auf die Gleichberechtigung kommt bei ihnen an? Ein Mädchen habe sich gefälligst züchtig zu verhüllen ansonsten ist es Freiwild?
    (…)

  2. Aus meiner Arbeit in Jugendzentren stimme ich susanne absolut zu.
    Der Druck auf muslimische Mädchen ist extrem hoch geworden. In dem Augenblick, wo sogar die Lehrerin ein Kopftuch trägt, und damit faktisch für ein gewisses Weltbild steht, hat das muslimische Mädchen noch weniger Chancen sich selbst zu entscheiden.
    Religiöse Kleidung und Symbole sollten gänzlich aus öffentlichen Gebäuden und Einrichtungen verschwinden.

  3. Die von Susanne dargestellte Perspektive ist tatsächlich bedenkenswert und ich gestehe, bei meiner bisherigen Kritik, sie nicht einbezogen zu haben.

    Dennoch und gerade auch deshalb ist fest zu halten: Dies gilt für jegliches religiöses oder weltanschauliches Symbol in der Schule. Hier dürften demnach auch keine jüdischen Löckchen mit Kipa (ich weiß leider nicht den korrekten Terminus) getragen werden, da dadurch potenziell ermöglicht werden könnte, jüdische Schüler in konservativer Richtung zu beeinflussen. Das gilt natürlich ebenso für Symbole tragenden Lehrer/innnen christlicher Religionen. Also: Gleichheit für alle oder keinen.

    Das Kopftuchverbot gilt aber auch in Behörden ohne Publikumsverkehr und dort ist es mMn nicht gerechtfertigt.

  4. Hm. Das ist wirklich verzwickt. Und jetzt wird’s noch verzwickter, denn hier kommt mal eine Meinung eines gut bekannten und studierten Herren mit muslimischer Herkunft:

    Er ist ausdrücklich gegen das Kopftuch, also für das Verbot eines solchen in unseren Schulen etc., obgleich z.B. seine weiblichen Verwandten im Herkunftsland nach wie vor „freiwillige“ Kopftuchträgerinnen sind.

    Ich hingegen empfinde/empfand es persönlich bislang als völlig wurscht, ob mir eine Frau mit oder ohne Kopftuch – wo auch immer – begegnet…

  5. Da zwickts mich auch.
    Ich muß schon mein ganzes Leben dumme Bemerkungen darüber anhören, welche weltanschauliche Symbolik wohl von meinen langen Haaren ausgeht.

    Das gipfelt in der Bemerkung in einem andern Blog:“ Der glatzköpfige Rechtsradikale oder der langhaarige Linksterrorist.“

    Ich hatte immer die Hoffnung, daß Zuordungen gerade nicht mehr von Äußerlichkeiten abhängig gemacht werden, daß man im Gegenteil darüber hinwegsieht und das Gespräch sucht. Der Mensch ist kene Litfaßsäule seines Selbst.

    Wenn man eine solche Symbolik „höchstrichterlich“ ernstnimmt, verfällt man in eine klischeehafte Plattheit.

    Beispiel: Ein Freund wurde für rechtsradikal gehalten, weil er eine Glatze hatte.
    Diese resultierte jedoch aus eine Chemotherapie gegen Krebs.
    Viele mißbrauchen solche „Gruppensymbole“ als Erkennungsmerkmal und zerstören letztlich die unbekümmerte Freiheit der Mode.
    Im Kern bedeutet das „Kleider machen Leute“.
    Aber es endet nur bei „des Kaisers neuen Kleidern“.

  6. Der Kommentar von Susanne trifft es auf den Punkt. Man darf nicht nur bei einer Eva Hermann aufschreien, wenn diese mit aberwitzigen Thesen die Gleichberechtigung der Frau wieder in Frage stellen will.
    Nein, auch wenn diese Tendenz aus einem anderen Kulturkreis stammt, muss man sich dagegen wehren. Und das Kopftuch ist nun mal unstrittig ein Symbol der Ungleichbehandlung. Oder gibt es Männer, die irgendwo in der Welt unter einem Kopftuchzwang leben müssen??
    Falsch verstandene Toleranz hilft nie weiter. Dies hat Alice Schwarzer schon vor langer Zeit erkannt. Aber der FR-Kommentar wurde ja auch von einem Mann (Stephann Hebel) geschrieben…

  7. @Walthor,BvG

    Sie werden an normalen staatlichen Schulen auch keine Lehrerin in Nonnentracht finden, es sei denn es handelt sich um eine Schule in kirchlicher Trägerschaft. Pfarrer, die als Religionslehrer arbeiten, dürfen meines Wissens auch das entsprechende Gewand in der Schule tragen. In dem Fall würde es sich aber um die bewusste Entscheidung der Eltern handeln, ihr Kind auf eine solche Schule, bzw. in den Religionsunterricht zu schicken. Ich selbst bin konfessionslos und habe noch vor wenigen Jahren, bevor ich Lehrerin wurde, mit Entschiedenheit die These vertreten, religiösen Symbole hätten überhaupt gar nichts in staatlichen Schulen zu suchen. Seitdem ich jedoch in einer sehr stark protestantisch geprägten ländlichen Gegend unterrichte, habe ich auch einen Blick für die Praxis und die Bedürfnisse der Schüler. Die Religion hat hier für diese einen enorm hohen Stellenwert. Dementsprechend wird vor den Sommer,-Oster,-und Weihnachtsferien ein Schulgottesdienst angeboten, dessen Besuch natürlich freiwillig ist. Jetzt steht ein Weihnachtsbaum im Schulhaus (geschmückt mit experimenteller Objektkunst aus dem Kunst-Unterricht). Ich finde das in Ordnung so, da dies der Mehrheit der Schüler (!) sehr wichtig ist. Es gibt darüber hinaus eine ganze Reihe von Veranstaltungen auch in der Adventszeit ohne religiösem Hintergrund, die identitätsstiftend für alle sind.
    Für die Bekleidung der Lehrer gilt im Übrigen auch, dass man als Lehrerin nicht im hautengen Ledermini oder bauchfrei unterrichtet. Und wer mit Glatze, Tarnkleidung und in Springerstiefeln unterrichten möchte, wird sich nicht damit rausreden können, dass sich politische Symbole in der Modewelt entgrenzt haben und schon die brävsten Sechstklässlerinnen Palituch zum Blumenspängchen tragen.

  8. @susanne
    Sie haben mich weitgehend überzeugt.
    Mir ging es darum, daß man die Symbolik durchbrechen soll.

    Beispiel: Springerstiefel sind ein praktisches Kleidungstück für Fallschirmspringer. Eine Symbolik, die darüber hinausgeht, ist albern.

    Palitücher sind praktische Kleidungstücke, die vor einem Sandsturm schützen,dort,wo es Sandstürme gibt. Eine Symbolik, die darüber hinausgeht ist albern.

    Diese Albernheit haben die zu verantworten, die die Symbolik der Kleidung mißbrauchen.
    Wenn also jemand in Springerstiefeln unterrichtet, ist er unpassend gekleidet.
    Wenn jemand Tarnkleidung im Klassenzimmer trägt, ist er unpassend gekleidet, weil er nicht in einer Situation ist, in der er sich tarnen muß.

    Ich will die Symbolik entkräften, das ist mein Ziel.

    Wenn jemand aufreizend gekleidet Unterricht hält, muß er sich fragen, wen er denn reizen will.

    Die Mehrheit derjenigen, die ich mit Bomberjacken sehe, sind keine Bomberpiloten.

    So etwa, noch nicht ganz schlüssig.

  9. „Eigentlich“ ist das doch ganz einfach: in toleranten Zeiten bzw. Gesellschaften kann jeder tragen, was in gewissen Grenzen tolerabel ist. Wir leben aber (nicht mehr) in toleranten Zeiten: die mühsam erkämpften Ergebnisse der Aufklärung werden wieder zerfetzt, es geht zurück zu den Wurzeln in der Intoleranz. Die SPD unterwirft sich den christlichen Kirchen als vorgeblich wichtigen Trägern gesellschaftlichen Lebens.
    Wer mir heute mit Kopftuch oder einer Groß-Moschee gegenübertritt, ist in meinen Augen ein mächtiger Vertreter der Intoleranz, der den Anspruch erhebt (und baldmöglichst verwirklichen will!), seine Doktrin allen anderen überzustülpen.
    Als Atheist, Freidenker und Humanist bin ich in diesen Dingen mehr als sensibel: Nachtigall, ick hör dir trapsen, und wir sind schon mächtig im gesellschaftspolitischen Rollback. Wenn es nach mächtigen Gruppen geht: Kreuze und Gebete und Gottesdienste überall und für alle und bei jedem Anlaß, wo man es durchsetzen kann (Versuch jetzt bei Radio Bremen!).
    Ich kann mich noch lebhaft erinnern an meinen ersten Schultag in der Realschule in Dortmund, 1948, in der ich nur unter Aufbietung aller Standhaftigkeit verhindern konnte, vom Lehrer als „gottgläubig“ diffamiert zu werden, „Freidenker“ wurde nicht akzeptiert, die Existenz dieses Begriffes wurde schlichtweg geleugnet.

  10. @Susanne. Nä, nä, nä. So kann ich das nicht stehen lassen. Ledermini und bauchfrei haben aber auch gar nix mit der Religion zu tun. Moden wandeln sich und sind morgen bereits abgelöst und die Kollegen und die Schulleitung (oder die Eltern) sorgen schon dafür, dass niemand “naggisch“ oder “underdressed“ zum Unterricht erscheint.

    Die von dir beschriebene christliche Symbolik mit Advent , Tannenbaum etc. geht natürlich auf heidnische Feste zurück und wenn man sich dessen als Lehrer bewusst ist, kann man sie auch pflegen und sich in der Grundschule zumindest damit befassen. Hier sind die Kinder und deren Bedürfnisse ausschlaggebend und NICHT die Intentionen der Kirche, die ihre Symbolik von Ostereiern bis Martinsfeuer den keltischen Gebräuchen anpasste, um ihre damalige “Klientel“ nicht zu verprellen.

    Und wenn, wie ich es erlebte, der in der Grundschule mangels Lehrer unterrichtende Pfarrer (im Jahr 1995) ein an einer rosenkranzähnlicher Kette hängenden Kreuz (etwa 12 cm) mit dem Gekreuzigten umhängen hat, wenn er dann auch noch anstatt ausschließlich Religionsunterricht aus Gefälligkeit Vertretungsunterricht gibt, dann soll mir niemand erzählen, dass dies “staatlich neutral“ wäre !!

    Jedwede Religion ist aus der staatlichen Erziehung zu verbannen. Kein diesbezüglicher Unterricht an Schulen ist zu halten. Neutralität ist oberste Priorität einzuräumen. Erst dann kann man das sogenannte “Kopftuchurteil“ akzeptieren.

  11. @ Walthor
    So weit liegen wir doch gar nicht auseinander. Ich ging von der Wahrnehmung der Schüler(innen) aus, meine Ablehnung richtete sich gegen das weibliche Rollenbild, das mit Kopftuch vermittelt würde unabhängig von der Intension der Trägerin. Der Verhüllung stellte ich das anderes Extrem („naggisch“) gegenüber, um zu zeigen, dass beide Fälle nicht geeignet wären, den Schülern ein emanzipiertes Frauenbild vorzuleben.
    Der kreuzbehängte Pfarrer, der fachfremd unterrichtet, ist völlig indiskutabel. Ich persönlich habe dergleichen noch nicht erlebt. Gab es keine Proteste seitens der Eltern? Ich habe– bevor ich Lehrerin wurde-in Diskussionen immer dafür plädiert, man solle den Religionsunterricht in der Schule abschaffen und stattdessen nur Ethik anbieten. Heute sehe ich das realistischer. In religiös geprägten Gegenden wäre dies politisch überhaupt nicht durchsetzbar. Abgesehen von Protesten seitens der Kirche, wären es die Eltern und Schüler, die auf die Barrikaden gingen. Man kann solche Entscheidungen nicht über die Köpfe der Menschen hinweg fällen.

  12. @ Walthor

    Die christlichen Missionare waren eben nach Bonifazius lernfähig und wählten das Integrations-Paradigma statt den Terror: Heilige Eichen fällen wird mit dem Tode bestraft, da feiert man besser erst einmal ganz multikulti die Wintersonnenwendfeier mit, unterminiert das Fest dann mit selbstgeschnitzten Krippenfiguren und übernimmt den Laden dann später widerstandslos.

    Ja hatten denn eure welschen Vorfahren da unten an der Donau schon Christbäume? Bei uns hier oben zwischen Weser und Elbe gabs ja nun keine Kelten, und den rauhen Germanen war solch überfeinerter Kulturbrauch schon allein mangels eines Tannenbaum-trächtigen Schwarzwaldes so fremd wie die Kuckucksuhr.

    Der erste verbürgte Weihnachtsbaum – und: quod non est in actis, non est in mundo (was nicht in den Akten steht, gips nich) – stand denn auch erst 1539 im Straßburger Münster. Davor soll es vereinzelt Lichterbäume in Bürgerhäusern gegeben haben, aber nichts Genaues weiß man nicht.

    In Deutschland ist der Weihnachtsbaum durch Goethes „Werther“ publik geworden und in Mode gekommen. Er hatte 1770 einen im Straßburger Münster gesehen und schrieb in seinem wunderbaren Briefroman, der ein Bestseller ersten Ranges war und nicht nur im Hinblick auf den Christbaum, sondern auch auf den schließlichen Selbstmord des traurigen Helden eifrige Nachahmer anregte:

    „… kam er abends zu Lotten und fand sie allein. Sie beschäftigte sich, einige Spielwerke in Ordnung zu bringen, die sie ihren kleinen Geschwistern zum Christgeschenke zurecht gemacht hatte. Er redete von dem Vergnügen, das die Kleinen haben würden, und von den Zeiten, da einen die unerwartete Öffnung der Tür und die Erscheinung eines aufgeputzten Baumes mit Wachslichtern, Zuckerwerk und Äpfeln in paradiesische Entzückung setzte.“

    @ Susanne

    Der Sinn von öffentlichen Schulen liegt u.a. darin, die Lehrpläne vom leidigen Elternwillen unabhängig zu machen. Wäre das nicht in der Vergangenheit z.T. gegen heftigen Elternprotest durchgesetzt worden, gäbe es heute mancherorts keinen Sexualkunde-Unterricht, und die Jugendlichen hätten nicht gelernt, wie die Kinder nicht zur Welt kommen, außerdem würden die Kinder richtig rechnen lernen statt dem Quatsch mit „neuer Mathematik“ usw..

    Der Ethik-Unterricht ist eine abstrakte Missgeburt, wenn die ethischen Prinzipien, nach welchen die Menschen nicht leben, aber leben sollten, nicht in ihrem historischen Gewordensein mit vermittelt werden. Was zu fordern wäre, wäre ein religionskundlicher Unterricht, in welchem fundamentale Kenntnisse von Geschichte und Glaubensinhalten der christlichen wie anderer Religionen vermittelt würden von öffentlich und ohne kirchliches Mitspracherecht bestallten Fachlehrern, die Religionswissenschaft als Examensfach studiert haben und nicht kath. oder ev. Theologie. Religiöse Unterweisung kann im Sonntagsunterricht in der Kirche stattfinden.

  13. @ heinrich

    Lieber heinrich,
    natürlich hast du meine Zustimmung, dass der Bildungsplan nicht vom Elternwillen abhängig sein sollte. Ihn völlig zu ignorieren, halte ich dennoch –was den Religionsunterricht anbelangt-nicht für klug. Ich befürchte, dass den christlichen Fundis Tor und Tür geöffnet würde, wenn die emotionalen Aspekte der Religion ins Private verlagert werden würde. Vermutlich hängt dies damit zusammen, dass ich junge, aufgeschlossene Religionslehrer als Kollegen habe, die in erster Linie aus intellektuellem Interesse das Fach studiert haben und weniger aus religiöser Hingabe.
    Der heutige Religionsunterricht unterscheidet sich so wesentlich nicht vom Ethikunterricht. Alle Religionen werden durchgenommen und –an meiner Schule üblich- auch die entsprechenden religiösen Einrichtungen besucht. Es werden Dilemmadiskussionen geführt und über ethische Fragestellungen reflektiert.
    Ich persönlich habe, den Ethik-Unterricht betreffend, ausschließlich positive Erfahrungen gesammelt. Ethik war eines meiner liebsten Fächer als Schülerin. Neben sämtlichen Weltreligionen wurden uns Grundlagen philosophischer Denkrichtungen vermittelt und –nicht zuletzt- sachlich, aber auch sehr leidenschaftlich diskutiert.Für mich war das sehr wichtig.

  14. Nochmal zurück zur Kleidung:

    1. Stellt die Kleidung eine Demonstration einer Gesinnung dar, wobei man überlegen muß, welche Gesinnung noch öffentlich demonstriert werden darf.

    2. Ist die Bekleidung die Demonstration einer Zugehörigkeit zu einer Gruppe, um ggf, durch diese Gruppe geschützt zu werden.

    3. Ist die Kleidung eine Normsetzung, der zu folgen ein Einzelner ggf. gezwungen wird.

    4. Ist die Kleidung Ausdruck von Individualität und Zufälligkeiten, aus denen keine Zugehörigkeiten oder Meinungen abgeleitet werden können.

    5. Ist Kleidung Ausdruck von Gegenhaltungen gegen die „herrschende Ordnung“.

    Mein Fazit: Mir ist es schlicht zu kindisch, diese ganzen Bedingungen zu reflektieren, wenn ich morgens meinen Pullover aus dem Schrank ziehe.

    Wer diesen ganzen Quark in Kleidung hineinsymbolisiert und gar Uniformen daraus bastelt, sollte mal an die Uni gehen, anstatt in Uni zu gehen.

  15. Zur Kenntnis: SDD taucht hier erneut unter anderen Namen auf. SDD hat jedoch Hausverbot im FR-Blog. Bitte reagiert gar nicht erst auf ihre Postings, falls sie sich erneut meldet.

  16. Jetzt will der Herr Koch auch noch die Burka an Schulen untersagen, obwohl sich kein einziger derartiger Fall ereignete. Da empfehle ich doch gleich das Verbot zum Tragen von Ritterrüstungen, wer weiß auf welche Ideen die Kinder kommen. Wenn Helm, dann aber nur mit offenem Visier !

    Reicht nicht eigentlich bereits das sogenannte und teilweise seitens der Ordnungskräfte seltsam ausgelegte “Vermummungsverbot“….

  17. woher kommt das immer, daß es sowas niemals geben würde. mein bruder hatte so ein mädchen in der klasse.

  18. Liebe Susanne,

    leider bin ich lange nicht dazu gekommen, auf Ihre Kommentare zu Thema Kopftuch zu reagieren, obwohl sie mich sehr beschäftigt haben. Ich kann Ihre Argumente gut verstehen und muss Ihnen doch widersprechen. Sicherlich sind wir uns einig, dass die im Grundgesetz garantierten Grundrechte (dazu gehören auch die Religionsfreiheit) nur eingeschränkt werden dürfen, wenn sie in die Freiheitsrechte anderer eingreifen.

    Lehrer sind, das wissen Sie sicher besser als ich, keine neutrale Wesen. Durch ihre Kleidung, ihr Verhalten und ihre Sprache zeigen sie den Schülern ihre „Weltanschauung“, auch wenn sie diese nicht direkt zum Thema des Unterrichts machen. Sonst könnten sie auch nicht, wie von ihnen gefordert wird, „Werte“ vermitteln. Die Grenzen zur unerlaubten (politischen oder religiösen) Beeinflussung sind fließend. Werden diese aber durch „religiöse“ Kleidung so massiv überschritten, dass es gerechtfertigt ist, das Recht des Lehrers auf die freie Religionsausübung einzuschränken? Ein jüdischer Mann, der seine Religion orthodox praktiziert, ist zum Tragen einer Kopfbedeckung, der Schläferlocken und eines Gebetschals unter der Oberkleidung (talit katan) mit sichtbaren Quasten (zizit) verpflichtet. Muss er sich also in Deutschland entscheiden, auf den Lehrerberuf zu verzichten oder gegen die Vorgaben seiner Religion zu handeln?

    Um zurück zum Kopftuch zu kommen: Rechtfertigt das „schlechte Beispiel“, das eine kopftuchtragende Lehrerin ihren muslimischen Schülern möglicherweise gibt, den Eingriff in ihre Religionsfreiheit? Statt Kopftuchverbot wäre doch das bessere Mittel gegen die frauen- und sexualfeindlichen Tendenzen des Islam (die man auch in anderen Religionen findet), die sicherlich für viele muslimische Schülerinnen und Schüler ein ernstes Problem darstellen, dies zum Thema im Unterricht zu machen. Zum Beispiel in einem Islamunterricht, dessen Curicula genauso mit den Schulbehörden abgestimmt sein müssten wie es die des katholischen, evangelischen oder jüdischen Religionsunterrichts sind, aber auch in der Gesellschaftskunde, Geschichte und anderen Fächern.

    Ich halte (wie Sie) die Verbannung des Religiösen aus der Schule, die manche im Namen der Aufklärung und unter Berufung auf die Trennung von Kirche und Staat fordern, für falsch. Damit würde sich die Schule von der kritischen Auseinandersetzung mit den Religionen, die ein wichtiger Teil unserer Gesellschaft bilden, drücken und die Schüler alleine lassen. In Bezug auf muslimische Schüler geschieht dies bereits weitgehend. Sie haben entweder überhaupt kein Wissen über die islamische Religion, die ein wichtiger Faktor ihrer kulturellen Tradition bildet, oder bekommen die Religion – oft äußerst fragwürdig – in privaten Koranschulen vermittelt.

  19. Lieber Abraham,
    vielen Dank für Ihre Antwort. Selbstverständlich sind Lehrer keine neutralen Wesen. Allerdings müssen sie so professionell sein, dass sie gegensätzliche Standpunkte sachlich darstellen können. Dabei kann es durchaus sinnvoll sein, zum Beispiel gegenüber Oberstufenschülern den persönlichen Standpunkt zu offenbaren. Dies ist übrigens –rechtlich gesehen- ausdrücklich erlaubt, sofern der eigene Standpunkt nicht absolut gesetzt wird.
    Betrachtet man die gegenwärtige Entwicklung in der Türkei wird ersichtlich, dass das Kopftuch dort nicht nur ein religiöses Symbol, sondern ein Politikum ist. Differenziert auf das dortige Kopftuchverbot an Schulen und Universitäten einzugehen, würde hier den Rahmen sprengen. Eines hat es jedoch gezeigt, nämlich, dass es durchaus möglich ist, auch als gläubige Muslima, das Tuch am Eingang der Uni abzulegen und auf dem Fußweg wieder anzuziehen, ohne seelischen Schaden zu nehmen. Der herzergreifende Augenaufschlag, mit dem junge, muslimische Lehramtsanwärterinnen medienwirksam bekräftigen, sie KÖNNTEN ihr Kopftuch keinesfalls ablegen, so als habe es der liebe Gott gleichsam an ihrem Haupthaar anwachsen lassen, presst mir deshalb keine Träne des Mitgefühls ab. Wer Lehrerin werden will, muss eben in der Lage sein, sein Kopftuch temporär abzusetzen und sich äußerlich neutral den Schülern zu präsentieren.

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