Die große Koalition könnte ohne die CSU-Rechtsaußen regieren

Die Flüchtlinge kommen, und die Koalition in Berlin streitet. Derweil wächst der Handlungsdruck. Noch nie seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs sah sich Deutschland in dieser Weise herausgefordert, auf eine humanitäre Katastrophe zu reagieren. Eine Katastrophe zudem, für die es sich nicht für verantwortlich hält. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs waren 12 bis 14 Millionen Deutsche von Flucht und Vertreibung betroffen. Ein nationales Trauma, an das sich heute aber anscheinend niemand mehr erinnern will, obwohl in den ausgebombten Städten jeder damit zu tun gehabt haben muss, auch jene, die nicht selbst Flüchtlinge waren oder Flüchtlinge bei sich untergebracht hatten. Ein anderes nationales Trauma hingegen wird immer wieder gern bemüht: Wenn es um die Geldpolitik der EZB geht, dann geht oft sofort das Gespenst der Hyperinflation um, und die Sorgen sind groß. Beim Geld ist eben alles anders.

Die deutschen Besatzungszonen, allen voran die sowjetische, haben das Flüchtlingsproblem damals geschultert. Unter zum Teil erbärmlichsten Bedingungen. Und — auch das soll nicht verschwiegen werden — keineswegs in voller Solidarität mit den bereits ansässigen Menschen. Ein Leserbrief erinnerte kürzlich daran, dass dieser Teil der deutschen Geschichte bisher kaum aufgearbeitet sei. (Ich hänge ihn unten an.) Ich erinnere mich noch gut an das Häuschen in der Nähe von Eckernförde, an dem wir immer vorbeifuhren, wenn wir — meine Eltern, mein Bruder und ich — zu den Großeltern fuhren oder von dort kamen. Sie nannten es „Altenhof“, und dieses Wort hatte einen besonderen Klang. Dort war meine Großmutter mütterlicherseits mit meiner damals siebenjährigen Mutter untergekommen, während über das Schicksal meines Großvaters nichts bekannt war. „Altenhof“ — so wie meine Mutter dieses Wort aussprach, schwang darin Wärme mit, Schutz, Sicherheit. Wie es wohl gewesen sein muss, nach der langen Flucht dort anzukommen?

Altenhof gibt es noch heute, es liegt an der B76 südlich von Eckernförde. Damals bestand es meiner Erinnerung nach aus nicht mehr als drei ärmlichen kleinen Gebäuden. Wir sind dort auch einmal ausgestiegen, um in den Mooren dahinter nach Sonnentau zu suchen, und meine Eltern haben Hallo zu den Leuten gesagt, die damals dort wohnten. Ich denke mir, dass die Leute, die nach dem Krieg dort lebten, wohl ziemlich zusammengerückt sein müssen.

SeehoferZusammenzurücken scheint jedoch nicht aller Deutschen Tugend zu sein, selbst dann nicht, wenn es um höchste menschliche Not geht. Die Nachkriegszeiten sind vergessen. Die Deutschen sind stolz auf ihr Wirtschaftswunder, die wirtschaftliche Potenz ihres Landes, seine Bedeutung in der Welt, auf ihren eigenen Wohlstand, den viele anscheinend in Gefahr sehen angesichts der Hunderttausende von Menschen, die — so stellt es sich vielen Deutschen wohl dar — in unser Land drängen. Es gibt Rufe nach Begrenzung des „Zuzugs“, wobei selbstgefällig die Frage ausgeklammert wird, wohin die Menschen jenseits der Begrenzung sonst gehen sollten. Das interessiert schlicht nicht. „Transitzonen“ werden gefordert, „Einreisezentren“ dagegengesetzt. Im Schengen-Europa wachsen plötzlich wieder die Grenzzäune, jeder ist sich selbst der nächste, und wie es Orban, die Polen, die Tschechen und auch andere vormachen, so betreibt auch CSU-Chef Horst Seehofer eine partikularistisch-populistische Politik, die lediglich auf die eigene Selbstdarstellung und Außenwirkung schielt und die eigentliche Herausforderung, nämlich die Not der Flüchtlinge, diesen Zielen unterordnet. Demnächst steht eine weitere Verhandlungsrunde der großen Koalition an, in der wieder die Selbstdarsteller auflaufen werden.

Die deutsche Politik bietet zurzeit ein erbärmliches Bild. Ich habe mich noch nie so geschämt, Deutscher zu sein. Ich schäme mich auch für manchen Leserbrief, den ich veröffentliche und aus dem so sehr der Eigennutz spricht. (Warum ich diese Leserbriefe trotzdem veröffentliche? Weil meine persönliche Meinung bei der Auswahl zur Veröffentlichung nichts zur Sache tut. Mein Job ist es, das gesamte Meinungsspektrum abzubilden. Aber hier im Blog kann ich es ja sagen.) Dabei hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) eigentlich ursprünglich ausnahmsweise alles richtig gemacht. „Wir schaffen das“, hat sie den Deutschen gesagt und damit das Fazit aus der Nachkriegsvertreibung gezogen. Sie hatte völlig recht, denn Deutschland hat es nicht nur geschafft, diesen Millionen von Flüchtlingen am Ende des Zweiten Weltkriegs in einer großen Gemeinschaftsanstrengung ein Dach über dem Kopf zu bieten, sondern diese Flüchtlinge waren letztlich das Reservoir an Arbeitskräften, welches das sogenannte Wirtschaftswunder erst ermöglichte, diesen deutschen Mythos.

Wir schaffen das. Drei kleine Worte ganz groß. Und dann kam die Politik, das Gezänk, das Geschwafel, die Kleinkariertheit. Wenn Deutschland wirklich dereinst zugrunde gehen sollte, wie anscheinend viele befürchten, dann nicht wegen der Flüchtlinge. Viel eher wird es an sich selbst ersticken..

Reinhold Hinzmann aus Niederselters meint zum Koalitionsgipfel:

„Am Wochenende trafen sich in Berlin Vertreter von CDU, CSU und SPD zur Beratung über das weitere Vorgehen in der Flüchtlingsfrage. Im Vorfeld hat „Patronen“-Horst-Seehofer bereits mitgeteilt, wenn es keine Einigung in seinem Sinne gäbe, dann würden die CSU-Minister aus der Bundesregierung abgezogen.
Ein Blick auf die Homepage des Bundeswahlleiters ergibt interessante Details: Demzufolge kam die CSU bei der letzten Wahl auf 3 543 569 Erststimmen. Die Linke erhielt deutlich mehr, nämlich 3 585 178 Erststimmen. Also deutlich mehr.
Woher nehmen diese Leute ihre Arroganz? Die große Koalition könnte ohne diese Rechtsaußen-Partei problemlos weiterregieren. Frau Merkel sollte mal ein intensives Gespräch mit ihrer Parteikollegin Kramp-Karrenbauer, Ministerpräsidentin im Saarland, führen. Die hatte seinerzeit die Fraktion mit der FDP aufgekündigt. Das weitere Schicksal der FDP ist bekannt.
Ich habe es einfach satt, wie die CSU ihre menschenverachtende Propaganda betreibt, durch sinnfreie Politik-Entwürfe zu punkten versucht. Was haben diese Leute eigentlich getan: Herdprämie und Ausländermaut. Das braucht kein Mensch; nach der Herdprämie wird in absehbarer Zeit auch die Maut in der Versenkung verschwinden.“

Stefan Vollmershausen aus Dreieich:

„Willkommenskultur, wie ich sie mir vorstelle, ist Rast, Integration und auch Verteilung. Verteilung über den Atlantik hinweg, Verteilung nach Skandinavien und Osteuropa. Sicher werden auch viele hierbleiben, aber die weitere Verteilung der Flüchtlinge sollte nicht aus den Augen verloren werden. Dafür sollten Schiffe gechartet werden. Ebenso in Richtung Norden nach Skandinavien. Kanada hat eine einwanderungsfreundliche Partei gewählt, manch andere müssen davon noch überzeugt werden. Indem sich verbarrikadiert wird, wie das Ungarn praktiziert, kann einem Krieg und den folgenden Flüchtlingsströmen nicht begegnet werden. Verbarrikadieren bedeutet einfach, die Augen zu schließen, die Augen vor einem Krieg und den Folgen zu verschließen. Verbarrikadieren ist eigensüchtig und nicht besonders mutig.
Dass es Widerstände gegen massenhafte Einwanderung gibt, kann ich verstehen, haben die Staaten des Warschauer Pakts, auch die DDR, doch lange abgeriegelt gelebt. Einwanderung, die als Westdeutscher von klein auf erlebt wurde, gab es so in den Staaten des Warschauer Pakts nicht. Den Aggressoren, als Ursache der Flüchtlingskrise 2015, muss aber irgendwie Paroli geboten werden. Eine Willkommenskultur ist viel moralischer und geschieht unerwartet, der Barrikadenbau in Form von Grenzzäunen dagegen ist noch weniger Antwort auf die Ursache.“

Dieter Hooge aus Frankfurt:

„Ein verzeifelter Syrer hat nach einer Agenturmeldung in Slowenien verbittert ausgerufen: „Wir sind doch keine Tiere, wir sind Menschen!“
Der Flüchtlingsstrom reißt nicht ab. Griechenland, bereits das Armenhaus Europas, ist mit der Situation organisatorisch und finanziell völlig überfordert. Vorneweg Ungarn, aber auch Kroatien und Serbien wollen nach Möglichkeit keinen einzigen Flüchtling aufnehmen. Deswegen machen sie es den auf der Flucht befindlichen Kindern, Frauen und Männern so unangenehm wie möglich und jagen sie weiter in Richtung Norden. Zäune und Barrieren werden errichtet. Slowenien kann und will nicht mehr.
Natürlich ist das für Österreich, die Bundesrepublik und Schweden, ja Mittel- und Nordeuropa, eine riesige Herausforderung. Aber wollen denn allen Ernstes die auf Stammtische und Umfragen starrenden Politiker der CSU, CDU und Teilen der SPD tausende Flüchtlinge in Griechenland und auf dem Balkan im Winter in Internierungslagern festsetzen und die Grenze nach Deutschland dicht machen? Stacheldraht hat bei uns eine wirklich unerträgliche historische „Tradition.“
Junckers Siebzehn-Punkte-Plan zur Abwehr der flüchtenden Menschen ist dilletantisch, nichts als weiße Salbe. EU-Zwangsmaßnahmen gegen unwillige Staaten? Gehts noch? Fest steht, ein solches, gigantische Ausmaße anmehmendes Ereignis ist in der neoliberalen Denke der EU-Kommission und insbesondere in der ideologischen Verbohrtheit der Deutschen politischen Eliten, nicht vorgesehen.
Was ist zu tun? Für einen auf Menschenrechte und daher Humanität verpflichteten Staat wie die BR Deutschland darf es keine andere Alternative geben: Eine humanitäre Katastrophe in Griechenland und dem Balkan in diesem Winter muss verhindert werden. Wenn die Menschen dort nicht bleiben können und wollen, müssen wir sie aufnehmen, alle und jeden!
Endlich muss dieser Bundesinnenminister mit seiner Verlautbarungs-Endlosschleife aufhören: „Alle, die keine Chance auf Bleiberecht bei uns haben, müssen unverzüglich zurück in ihre Heimatländer (Afghanistan?), damit die, die bleiben dürfen …“ usw. und so fort. Als könnte man damit irgendjemand, der zu uns will, aufhalten.
Bayern hat große Probleme, die man lösen kann, wenn man ernsthaft will. Im Übrigen, das Land hat besseres verdient als einen Seehofer, der nur noch durch die Gegend rennt und unablässig Öl ins Feuer kippt! Er scheint traumatisiert und tut das, was er am besten kann: verbal um sich schlagen.
Ob Frau Merkel die Lösung der Probleme auch nur ansatzweise schaffen will und kann, ist völlig ungesichert.
Die Tausenden Helferinnen und Helfer schaffen das, wenn die Politik sie materiell und ohne ständige populistische Querschläger aus den Parteien der Großen Koalition unterstützt. Das fanatische Festhalten an einer schwarze „Null“ und der Schuldenbremse in den Haushalten des Bundes und Länder wird nun durch die Ereignisse ad absurdum geführt. Schäuble und Co. halten das nicht durch, und das ist gut so.“

Frank Zimmermann aus Bad Vilbel:

„Sehr geehrter Herr Doemens, vielen Dank für diesen Artikel. Man kann sehr wohl geteilter Meinung sein über das Verhalten in der Flüchtlingspolitik, aber nichts schadet allen Betroffenen mehr als mangelnde Ehrlichkeit. Wie muss sich jemand fühlen, den man willkommen heißt und ihm eine Zukunft verspricht, er dafür Geld und sein Leben aufs Spiel setzt und dann in der Realität enttäuscht wird…“

Und nun noch der Leserbrief von Andrea Günter aus Freiburg:

„Ich begrüße es sehr, dass die FR-Redaktion von Flüchtlingssituationen nach dem Zweiten Weltkrieg berichtet. Viele meiner Studierenden wissen heute gar nicht mehr, dass ihre Großeltern oder Urgroßeltern selbst Flüchtlinge waren. Aufgrund der Flüchtlingserfahrungen meiner Mutter scheint es mir allerdings notwendig, nicht nur von den Anlässen der Flucht und den Erfahrungen auf der Flucht zu sprechen. Denn die Art und Weise, wie manche, viele Flüchtlinge damals von der heimischen deutschen Bevölkerung aufgenommen wurden, scheint nach wie vor kaum thematisiert. Damals wurden die Flüchtlingsströme in den Häusern und Wohnungen einquartiert, die Bevölkerung wurde aufgefordert, wenn nicht sogar gezwungen, Zimmer zu Verfügung zu stellen.
Die Flüchtlinge lösten mancherorts die einquartierten Soldaten ab. 3-,4-,5-köpfige Familien lebten auf wenigen Quadratmetern. Wenn Kinder auf den abgeernteten Feldern die Reste sammelten (nach denen keiner mehr geschaut hätte), weil sie und ihre Familien Hunger hatten, hetzten die Bauern die Hunde auf sie. In den Schulen wurden sie isoliert, wegen ihrer anderen Sprache, nämlich anderen deutschen! Dialekten verspottet, als dreckig und krank gemobbt, usw. Die Aufnahme von Flüchtlingen aus diesen Zeiten ist nicht aufgearbeitet, die Ressentiments vieler scheinen geblieben.“

 

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75 Kommentare zu “Die große Koalition könnte ohne die CSU-Rechtsaußen regieren

  1. @Bronski

    Nur ein paar kleine, aber vielleicht bedeutsame Anmerkungen.

    1. „Deutschland hat es nicht nur geschafft, diesen Millionen von Flüchtlingen am Ende des Zweiten Weltkriegs in einer großen Gemeinschaftsanstrengung ein Dach über dem Kopf zu bieten,..“

    Auch die Flüchtenden haben etwas geschafft, nämlich zu flüchten! Es ist eine grandiose Leistung, sich der Gewalt zu entziehen und dafür seine Heimat aufzugeben.

    Eine Menge Menschen haben dies vorher erkannt und sind emigriert. Es ist in jedem Sinne ehrenhaft, sich der Gewalt zu entziehen, wenn man sich ihr nicht stellen kann.

    Jedes Land der Welt sollte es sich zur Ehre gereichen lassen, diese Art passiven Widerstandes zu unterstützen.

    Flüchtenden zu helfen und diese zu schützen ist die selbstbewußte und pazifistische Antwort auf Krieg. Man sollte stolz darauf sein, wenn man eine solche Hilfe leisten kann.

    2. „Die deutsche Politik bietet zurzeit ein erbärmliches Bild.“

    Das sehe ich genauso. Die derzeitigen Herausforderungen, die man durchaus auch als positiv ansehen kann, für regionale Fürstenspielchen zu benutzen, ist erbärmlich und erinnert an Stammesgehabe.

    Einfach mal ein Problem zu lösen, ohne die eigene Profilneurose zu bedienen, scheint nicht mehr zum Repertoire deutscher Politiker zu gehören.

    3. „Wenn Deutschland wirklich dereinst zugrunde gehen sollte…wird es an sich selbst ersticken..“

    In die ideologische Falle gegangen?
    Deutschland wird nicht zugrunde gehen, solange es noch Menschen gibt, die von Demokratie, Verfassung und Menschenrechten überzeugt sind.

    Diese Menschen sind das „Selbst“ Deutschlands, nicht die, die diese Demokratie anzweifeln.

    Das „deutsche Wesen“ ist lange schon ein demokratisches, freiheitliches, tolerantes und friedliches.

    An diesem Wesen soll das Randland genesen.

  2. Was wir derzeit erleben, mag in großen Teilen unserer Bevölkerung eine unbestimmte Angst vor dem Fremden und – personifiziert – den Fremden hervorrufen. Es ist verständlich, daß die unerwartete und derzeit unabsehbare Zahl von Flüchtlingen und Asylbewerbern aus einer fremden Welt bei vielen Deutschen schon jetzt die Sorge aufkommen läßt, die Lage sei außer Kontrolle geraten. Auf Frau Merkels Mantra „Wir schaffen das“ gibt keiner mehr was. Und wo bei der Friedensnobelpreisträgerin EU quergeschossen wird, da braucht sich über das Hauen und Stechen hierzulande niemand zu wundern. Besonders Bayern fühlt sich in einer dermaßen bedrohlichen Situation, die es erforderlich macht, die Grenzen des Freistaats nach außen zu verteidigen. Da spielt das Problem der schnellstmöglichen Abschiebung eine weit größere Rolle als das der menschliche Fürsorge, wo es dringend darum geht, den Schutzsuchenden zuallererst ein festes Dach überm Kopf zu verschaffen, Kranke zu versorgen und die Nichtwillkommenen nicht zu deutlich spüren zu lassen, daß sie nicht willkommen sind. Die Frage, ob die GroKo auch ohne CSU-Rechtsaußen regieren könnte, stellt sich nur rhetorisch. Sie ist im Hinblick auf das Flüchtlingsproblem ohne Belang. Nach meiner Einschätzung läßt sich keiner von den uns Regierenden das Regieren so schnell vergällen, daß er’s lieber bleiben läßt.

    Soll ich mich mit Dir, Bronski, schämen, Deutscher zu sein? Für mich selbst sehe ich hierfür keinen Anlaß. Soll ich mich für unsere erbarmungswürdige Regierung und die ganze braune Kacke, die sich „deutsch“ geriert, fremdschämen? Nee, dazu sind die mir zu fremd.

  3. In der Druckausgabe der FR vom 05.11.2015 wird das Versagen der Politik von Hilde Mattheis und Markus Decker zutreffend beschrieben.

    Anstatt sich in tagelangen Gipfeln mit Rechtsaußen wie Seehofer innenpolitisch oder außenpolitisch mit Cameron und Orban sowie den übrigen osteuropäischen Möchtegern-Staatslenkern, die mit EU-Geldern aufgepäppelt wurden, ergebnislos oder mit faulen Zugeständnissen (z.B. Erdogan)herumzudiskutieren, sollte die Bundesregierung endlich zu konkreten Taten schreiten, indem sie

    1.) unbürokratisch den Gemeinden, denen sie ständig kostenintensive Aufgaben aufbürdet, die benötigten Finanzmittel zuweist,

    2.) die Länder bei der Einstellung von Lehrern u.a. Kräften unterstützt,

    3.) die Bundeswehr zur Hilfe mit Zelten, Feldküchen und anderen Gerätschaften anweist,

    4.) fehlendes Geld durch Verzicht auf unsinnige Steuernachlässe, wirksame Bekämpfung von Steuerhinterziehung und -flucht sowie die überfällige Erhebung der Finanzmarkttransaktionssteuer, einer verfassungskonformen Erbschaftssteuer und Anhebung des Spitzensteuersatzes einzieht sowie die Untertützung unsinniger Projekte wie Stuttgart 21 oder öffentlich-privater Partnerschaften einstellt,

    5.) die Unterstützung von Verweigererstaaten seitens der EU unterbindet,

    6.) die Waffenlieferungen, insbesondere solche mit Finanzbeteiligung wie gegenüber Israel, einstellt,

    7.) die UN-Hilssorganisationen für Flüchtlinge, Hungerhilfe etc. mit den frei werdenden Geldern unterstützt,

    8.) alles daran setzt, um rechten Gruppierungen, wie NPD,Pegida, AfD, den finanziellen Boden zu entziehen, Verbotsverfahren zu unterstützen und diese Organisationen, wie sie es gegenüber allen linken Gruppierungen praktiziert, durch den Verfassungsschutz observieren zu lassen,

    9.) alle Angriffe auf Flüchtlinge, Asylanten und Helfer polizeilich und rechtlich so zu ahnden wie in anderen Fällen oder ehemals gegenüber der APO u.a.

    10.) bei Widerständen in der Regierung seitens der CSU die Koalition mit dieser Partei zu beenden und deren deren Mitglieder in der Regierung, die ohnehin unfähig sind (Dobrindt, Schmidt) zu entlassen.

  4. Gern würde ich an das „Wir schaffen das“ glauben. Aber dieser Glaube widerspräche meiner gesamten Lebenserfahrung. Zwar sind die meisten Menschen erfreulicherweise dazu bereit, anderen, die in Not geraten sind, gar um ihr Leben fürchten müssen, zu helfen. Aber diese Hilfsbereitschaft ist zeitlich beschränkt. Und sie stößt recht bald an tatsächlich vorhandene oder befürchtete finanzielle Grenzen. Dabei spielt es nach meiner Beobachtung eine große Rolle, dass die Lastenverteilung in der Gesellschaft auch nach Überwindung von monarchischem Ständestaat und Diktaturen vielfach sehr ungerecht praktiziert wird.

    Ich habe erst jüngst wieder in Siegfried Kracauers Dokumentation „Die Angestellten“ aus dem Jahr 1930 gelesen (als Suhrkamp Taschenbuch immer noch erhältlich). Die berechtigte Angst, dass der so genannte „kleine Mann“ die Zeche bezahlen muss, die andere angerichtet haben, war ein Grund für das Erstarken des Nationalsozialismus. Und immer noch wachsen aus dieser Angst, sei sie nun rational oder irrational, Vorbehalte gegenüber dem Fremden, auch gegenüber Deutschen, deren Lebensgestaltung und politische Überzeugungen fremd erscheinen. Eine kluge Politik muss diese Faktoren in ihr Kalkül einbeziehen, wenn sie politikfähig bleiben will.

    Dass den Menschen, die in Deutschland eine Zuflucht suchen, geholfen werden muss, steht außer Frage. Aber der Schritt von der zeitlich begrenzten Beherbergung zur Integration ist ein sehr großer, möglicherweise ein zu großer. Und er ist nicht mit der Integration der deutschen Flüchtlinge nach dem Zweiten Weltkrieg und dem staatlichen Asylbegehren der DDR, also dem Beitritt zur BRD, zu vergleichen.

    Auf der Internetseite von Deutschlandradio Kultur stieß ich heute auf ein Interview mit der Schriftstellerin Thea Dorn, der sicherlich niemand Begeisterung für die CSU, gar für Pegida & Co. nachsagen kann. Frau Dorn kritisiert darin eine, wie sie es nennt, Idealismusseligkeit. Die Deutschen würden sich schwer tun, einen Weg der Besonnenheit zu gehen. Sie warnte darüber hinaus davor, die Flüchtlingsdebatte mit einer Debatte um Werte oder deutsche Identität zu vermischen. Zunächst müsse man über „westliche zivilisatorische Mindeststandards im Umgang miteinander“ reden, betonte sie. „Es muss klipp und klar gestellt werden, dass diese Standards von Menschen, die hierher geflohen sind vor der Barbarei, die in ihren Heimatländern herrscht, nicht Aspekte dieser Barbarei mitschleppen, indem sie zum Beispiel ein Frauenbild, ein Geschlechterbild haben, was wir einfach hier nicht akzeptieren können und dürfen.“

    ARD und ZDF versuchen seit kurzem exemplarisch, Originalstimmen der Flüchtlinge wiederzugeben. Nicht selten bin ich entsetzt über die geäußerten Erwartungshaltungen und ich hoffe inständig, dass sie nicht typisch sind. Eine schöne Wohnung und eine gut bezahlte Arbeitsstelle wünschen sich seit dem Start der unseligen Agenda 2010 die meisten Hartz IV-Bezieher in diesem Land. Und ebenso die Arbeitssuchenden, die (noch) das Arbeitslosengeld I beziehen. Ganz zu schweigen von den vorzeitig in die Rente Abgeschobenen, die häufig auf Grundsicherung angewiesen sind. Sie wurden und werden allenfalls selten von ehrenamtlichen Helfern in der Gesellschaft, die sie über lange Jahre mitgetragen haben, willkommen geheißen. Sie benötigen gar keine Teddybären oder abgelegten Kleidungsstücke, sondern nur Gerechtigkeit.

    Die Bundeskanzlerin hat es bis heute nicht geschafft, diese Menschen aus der Armut zu befreien. Wie will sie den Flüchtlingen, deren Startbedingungen ungleich schlechter sind, Gerechtigkeit angedeihen lassen? Im Augenblick fürchte ich, dass sie dem alten Elend neues hinzufügt.

  5. # 4: Stimme Ihnen voll zu; wenn schon die Kanzlerin in den früheren Jahren nicht wahrgenommen hat, wie es einem erheblichen Teil des Volkes wirklich geht, merkt sie es jetzt erst recht nicht.

    Ich sehe auch die große Gefahr, die uns droht, wenn die Gesellschaft infolge dieser Politk gespalten wird. Die Parallelen zu Weimar werden immer deutlicher.

  6. # 4 Klaus Philipp Mertens

    Der Begriff ‚Idealismusseligkeit‘ ist ein guter Begriff, der aufzeigt, dass Einheimische Probleme haben, sich der Realpolitik zuzuwenden. Es ist eben leicht, sich auf seinem Idealismus auszuruhen und der Willkommenskultur das Wort zu reden, statt Pragmatik walten zu lassen, die Reibungspunkte zum idealistischen Standpunkt erzeugt. Eine von oben verordnete Willkommenskultur berührt die Komplexität der Integration in eine Gesellschaft nicht mal annähernd. Aus Erfahrung wissen wir, seien es die Flüchtlinge nach dem letzten Weltkrieg oder seien es die Arbeitsmigranten, die seit den sechziger Jahren ins Land geholt werden, dass es Generationen dauert, bis eine Integration als einigermaßen vollzogen interpretiert werden kann. Die innerpsychischen Prozesse, sich von einer Gesellschaft mit der ihr eigenen Wertvorstellungen in eine andere mit teilweise sich gegenseitig ausschließenden Werten zuzuwenden, kann niemals von heute auf morgen, also innerhalb weniger Jahre, gelingen. Viele Einheimische wären beruhigter, wenn man von dem Integrationsbegriff sich verabschiedete und sich für ein Gastrecht aussprechen würde, das Flüchtlinge, die wegen Krieg fliehen müssen, in Anspruch nehmen können.

    Der von der Politik nahezu zu einem Muss ausgerufenen Integrationsauftrag, den wir alle hier in der Republik zu meistern hätten und von vielen Medien geteilt wird, stößt deshalb auf vermehrte Skepsis, weil dahinter eine erzieherische Haltung vermutet wird. Als erwachsener, selbstdenkender Mensch will man sich eben nicht gerne erziehen lassen. Und gerade dann nicht, wenn die moralisierende Komponente die Oberhand hat. Die Menschen merken inzwischen, wie sie das Establishment provozieren können, um auf ihre Bedenken aufmerksam zu machen: Sie wenden sich den rechten politischen Gruppierungen zu und transportieren damit ihr Unbehagen. Alle Umfragen belegen ein Anschwellen der am rechten Rand agierenden politischen Konstellationen. Die CSU und ihr Vorsitzender gehen da nicht leer aus. Die Idealismusseligkeit befördert das Erstarken rechten Gedankenguts.

  7. mir ist in meinem Leserbrief ein blöder Fehler passiert.
    Die Zahlen der Wahlergebnisse von CSU und Linken stimmen nicht.
    Darum hier die korrekten Zahlen gemäß Bundeswahlleiter
    CSU 3.243.569 Zweitstimmen und Die Linke: 3.755.699 Zweitstimmen.
    Auch bei den Erststimmen lag „Die Linke“ vorne.
    Sorry, das nächste Mal lese ich meine Mail nochmals genauer durch,
    bevor ich sie abschicke.

  8. #4:

    Angeregt durch Leserbriefe in der FR vom 07.11.15 melde ich mich zu diesem Thema noch einmal zu Wort.

    Falls es einem nennenswerten Teil dieser Gesellschaft nicht gelingt, sich von falschen Vorstellungen über den tatsächlichen Verlauf der neueren deutschen Geschichte und die Wechselwirkungen zwischen industrieller Entwicklung und Bevölkerungsstruktur zu verabschieden, wird weder die Beherbergung von Flüchtlingen noch deren Integration gelingen. „Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen“, schrieb der Philosoph Ludwig Wittgenstein in seinem berühmten „Tractatus logico-philosophicus“, erschienen 1921. Wir sollten diesen Schlusssatz seiner Abhandlung nicht zuletzt bei der aktuellen Flüchtlingsdebatte beherzigen.

    Dies gilt auch für unangebrachte historische Vergleiche. Zwischen 1945 und 1949 war die Freizügigkeit wegen der unterschiedlichen wirtschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten einschließlich des weithin desolaten Wohnraums in den drei Westzonen eingeschränkt. Meine Mutter, die aus der französischen Zone stammte, und mein Vater, dessen Heimat das Ruhrgebiet war, das zur britischen Zone gehörte, wurden 1946 und 1947 bei Reisen vom Südwesten in den Westen und umgekehrt mehrfach festgenommen und mussten in Andernach den Zug verlassen, weil die Visabestimmungen immer mal wieder und sehr kurzzeitig geändert worden waren. Erst mit Gründung der Bundesrepublik und dem Inkrafttreten des Grundgesetzes wurden die meisten Beschränkungen aufgehoben.

    Die Flüchtlinge aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten und der sowjetischen Zone (der späteren DDR) sprachen Deutsch und verfügten über Berufsausbildungen oder zumindest berufliche Erfahrungen, die sich in der Schwerindustrie und im Bergbau verwenden ließen, wo Arbeitskräfte tatsächlich gebraucht wurden. Wobei das in der Regel nur für Männer galt, Frauen waren als Arbeitskräfte kaum gefragt. Und ausgerechnet im prosperierenden Ruhrgebiet, wo ich aufwuchs, hinkte der verfügbare Wohnraum sehr lange dem Bedarf hinterher. So gab es beispielsweise in Dortmund noch bis Ende 1961 Notunterkünfte, vor allem für Flüchtlinge aus der DDR. Vor allem der Bau der Berliner Mauer führte dann zu einer Konsolidierung – auch wenn man das offiziell nie zugab!

    Das Lastenausgleichsgesetz von 1952, das vorrangig die durch den Krieg erlittenen Vermögensschäden finanziell abmildern sollte, war neben dem Kampf um Wohnraum der Zündstoff für politischen Streit in der Bevölkerung. Das Volksempfinden war sich sicher, dass die Vertriebenen aus Ostpreußen und Ostelbien durchweg für Rittergüter entschädigt worden wären, die sie nie besessen hätten. Bis zum Anfang der 60er Jahre gehörten Witze über Flüchtlinge zum Gemeinheiten-Repertoire der Republik. Hätten Eingeborene und Zugewanderte auch noch um die Arbeitsplätze konkurrieren müssen und hätte es obendrein noch Probleme mit der sprachlichen Verständigung gegeben, wäre die heute so vielfach unkritisch gelobte Integration nicht möglich gewesen. Dies bedeutet aber auch, dass die damalige Situation nicht vergleichbar ist mit der heutigen Flüchtlingskrise.

    Fast schon amüsiert hat mich eine Leserzuschrift, die sich auf die biblischen Geschichten über Josef und die gelungene Migration von dessen Familie und deren Nachkommen bezieht. Diese Vätergeschichten der Hebräischen Bibel (also des Alten Testaments) wurden nach dem Jahr 926 v.Chr. schriftlich fixiert und basierten auf mündlichen Überlieferungen aus der Zeit zwischen 1.200 bis 1.000 v.Chr. Sie beziehen sich auf die Einwanderung israelitischer Stämme in das Land Kanaan, die einer Eroberung gleichkam, weil die angestammte Bevölkerung vertrieben oder unterdrückt wurde. Mit diesen „Heiligen Schriften“ wurde versucht, die Landnahme historisch und religiös zu legitimieren (ein Volk, ein Gott und das von Gott verheißene Land). Die Folgen dieses Dogmas machen den Konflikt zwischen dem heutigen Staat Israel und den Palästinensern so unlösbar. Ich kann nur hoffen, dass in Deutschland nicht ähnliche historische und politische Lebenslügen entstehen.

    Angesichts der immer noch hohen Zahl an registrierten Arbeitslosen plus jener vom Ministerium geheim gehaltenen Menge, halte ich den behaupteten Arbeitskräftemangel für eine Zweckbehauptung der Wirtschaft. Denn die setzt selbst bei Hochqualifizierten zunehmend auf mäßig bis schlecht bezahlte Mitarbeiter, die ohne Schutzfristen gegen jüngere, sprich noch preiswertere, ausgetauscht werden können.
    Im Monatsdurchschnitt gehen in meinem Betrieb 28 Bewerbungen auf nicht ausgeschriebene Stellen ein (Initiativbewerbungen auf Anraten der Bundesagentur für Arbeit, die offensichtlich über keine Kenntnisse zum Arbeitsmarkt verfügt). Doch ich benötige keinen der Germanisten, Philosophen, Betriebswirtschaftler, Marketing- und Logistikspezialisten. Ich arbeite in meinem Verlagsbetrieb allein bzw. kooperiere seit 14 Jahren mit Externen. Und ich kann aus meiner Sicht bestätigen, dass das Bruttoinlandsprodukt trotz oder gerade wegen geringerer Beschäftigung von Jahr zu Jahr gewachsen ist.
    Die nachlassende Aussicht auf feste und lang andauernde Beschäftigungsverhältnisse führt auch dazu, dass immer weniger Neigung besteht, eine Familie zu gründen. Das hat u.a. eine Alterspyramide zur Folge. Allerdings ist die Konsumnachfrage aus dieser Gruppe derzeit noch sehr hoch. Das kann sich im Zuge der befürchteten Altersarmut der heute gering Entlohnten und vorzeitig aus dem Arbeitsleben Verdrängten bald ändern. Dieses Phänomen lässt sich jedoch mit Zuwanderung nicht lösen; sie würde es sogar noch verschlimmern.

    Als besonders ärgerlich empfinde ich auch die galoppierende Privatisierung staatlicher Daseinsvorsorge. Ehrenamtliche sollen in den Sektoren tätig werden, welche die staatliche Sozialpolitik nach und nach bewusst vernachlässigt. So würden ohne die so genannte Tafelbewegung Menschen in diesem Lande verhungern. Siehe hierzu das von Stefan Selke 2011 herausgegebene Buch „Tafeln in Deutschland. Aspekte einer sozialen Bewegung zwischen Nahrungsmittelumverteilung und Armutsintervention“.
    Zwar habe ich die Begrüßung und Versorgung der Flüchtlinge durch ehrenamtliche Helfer mit Sympathie verfolgt. Aber gleichzeitig ist meine Befürchtung gewachsen, dass Menschen, denen die gesellschaftlichen Verhältnisse nicht hinreichend klar sind, instrumentalisiert werden von einer politischen Kaste, die von einer vorhersehbaren Entwicklung überrollt wurde und nun sowohl hilflos als auch rücksichtslos reagiert. Rücksichtslos auch gegenüber jenen, die von Schröder, Riester, Müntefering, Merkel u.a. in die Armut getrieben wurden und werden.

  9. @ Klaus Philipp Mertens

    Ich bin mit Ihrem Kommentar in Teilen nicht einverstanden.

    Zum ersten: Lichtenberg eignet sich nicht für Denkverbote. Daher an alle Userinnen und User dieses Blogs: Selbstverständlich ist es erlaubt, über diese Dinge zu diskutieren, ohne Fachfrau oder -mann zu sein. Es ist sogar dringend nötig, darüber zu sprechen. Wir reden damit nämlich über Humanität. Im kühlen Reden und Analysieren der Fluchtgründe und der Kapazitäten Deutschlands bleibt die Empathie sonst auf der Strecke.

    Zweitens: Es geht nicht um historische Vergleiche, sondern es geht darum, die Erinnerung an die eigene historische Erfahrung – für manche damals sicher traumatisch – freizulegen und sich vor Augen zu führen, dass es vermutlich kaum Deutsche gibt, die keine Flüchtlingsvergangenheit irgendwo in ihrer Familie haben. Selbstverständlich ist der aktuelle Flüchtlingsstrom nicht direkt mit dem nach Ende des Zweiten Weltkriegs zu vergleichen. Die Menschen, die jetzt zu uns kommen, sprechen weder unsere Sprache noch entstammen sie unserem Kulturkreis. Insofern: Völlig andere Voraussetzungen und absehbare Probleme bei der Integration. Doch vor den Überlegungen über die mögliche Integration – denn gewiss werden etliche dieser Leute wieder zurückkehren wollen, wenn der Krieg einmal vorbei ist – muss die schnelle Hilfe erfolgen, und zwar bedingungslos. Und da scheint es mir, als hätten manche Deutsche doch Konsequenzen aus der Geschichte gezogen. Ich meine die vielen freiwilligen Helferinnen und Helfer. Es wäre interessant zu erfahren, welche Rolle die eigene Familiengeschichte bei der Motivation gespielt hat, sich für die heute bei uns ankommenden Flüchtlinge zu engagieren.

    Was jedoch vergleichbar ist, das ist die Not. Historische Vergleiche wären also durchaus angebracht, Herr Mertens — und sei es nur, um sich der Unterschiede zwischen Damals und Heute zu vergewissern. Und noch eines: Vor jenen, „denen die gesellschaftlichen Verhältnisse nicht hinreichend klar sind“, wie Sie das ein bisschen wolkig nennen, sollte man nicht einknicken, sondern man sollte Haltung zeigen. Die Menschenrechte gelten nach westlichem Verständnis universell, und alle, die sich für Flüchtlinge einsetzen, können die humanitären Werte des Grundgesetzes hinter sich wissen.

  10. Ich finde, der Hinweis auf die Flüchtlingsströme in der Nachkriegszeit und deren gelungene Integration ist zwar nützlich, aber keinesfalls als Vergleich zu den jetzigen Flüchtlichsströmen zulässig.
    Damals waren alle Beteiligten froh, den mörderischen Krieg überstanden zu haben. Sie befanden sich alle sozusagen „unten“. Es konnte nur gemeinsam besser werden. Und es waren Deutsche. Und es war da noch ein anerzogener Gedanke der „Volksgemeinschaft“ vorhanden.
    Der Zustand heute ist ein anderer. Die Flüchtenden sind wirklich Fremde, haben eine andere Kultur, in der Mehrzahl keine Berufe, die hier sofort unterkommen könnten. Und, nicht zu unzterschätzen, sie gehören einer fanatischen Religion an, die Andersgläubigen „die Köpfe abschneiden“.

    Diese, durchaus bedauernswerten Personen treffen auf eine satte Bevölkerung, die ausgebildet wurde im „Ellbogen ausfahren“ und nicht im „Solidarität üben“.

    Den Ausspruch Merkels, „Wir schaffen das“ hatte ich seinerzeit so aufgefasst, dass wir das schaffen, die paar tausend Flüchtlinge aus Ungarn aufzunehmen, nicht dass alle die um Syrien und anderswo sitzen, zu uns kommen können.
    Zu Bayern : Ein gewisses Verständnis zu den Sorgen der Landesregierung habe ich durchaus. Denn es sind zuerst mal die „Bayrischen Grenzen“ die derzeit „überrannt“ werden. Die weitere Verteilung könnte da besser laufen.
    Von der Aufnahmebereitschaft „meines geliebten Europas“ bin ich sehr enttäuscht.
    Trotzdem, wenn die deutsche Organisationsmaschine erst mal auf vollen Touren läuft, glaube auch ich noch daran : Wir schaffen das !
    Was mir Sorge bereitet ist aber dies : Die Hauptlast wird dem unteren Drittel der Bevölkerung aufgebürdet.

  11. # Bronski 9

    Sie schreiben: „Und da scheint es mir, als hätten manche Deutsche doch Konsequenzen aus der Geschichte gezogen. Ich meine die vielen freiwilligen Helferinnen und Helfer.“

    Diese monokausale Interpretation halte ich nicht für zulässig. Sie unterstellt, Helferinnen und Helfer seien geschichtsbewusst. Das mag in dem einen oder anderen Fall stimmen. Es gibt aber mehr Beweggründe, aktiv zu werden. Und manche dieser Gründe mögen gar nicht altruistisch sein, sondern eher einen inneren Konflikt widerspiegeln, etwa ein Handlungsfeld vorgefunden zu haben, Schuldgefühle abzutragen. Ich befürchte, die aktuelle Hilfsbereitschaft, wenn man sie denn so nennen will, wird abflauen, weil immer deutlicher zutage tritt, dass diese Situation nicht befriedigend zu meistern sein wird.

    Dazu ein paar Fakten aus dem Bildungsbereich: Der Präsident der deutschen Lehrerverbands, Josef Kraus, geht von 150.000 kurzfristig zu integrierenden Schülern aus, andere sprechen von einer Viertelmillion. Er sagt, diese Menge ohne Deutschkenntnisse in Regelklassen aufzunehmen, sei nicht möglich. Man müsse die Schulpflichtigen mindestens ein Jahr in eigenen Klassen zusammenfassen, damit sie eine Grundlage für die deutsche Sprache erlernen, um überhaupt dem Unterricht folgen zu können. Das, so rechnet er vor, wären bundesweit 12.000 Klassen. Und weiter: „Dafür wiederum sind, wenn es denn Vollunterricht sein soll, mindestens 20.000 zusätzliche Lehrer nötig. Nicht mitgerechnet sind Tausende von Sozialpädagogen und Dolmetschern, die man braucht – dazu Therapeuten, schließlich sind viele dieser jungen Leute traumatisiert.“

    Also: Da muss Geld in die Hand genommen werden. Da müssen Stellen geschaffen werden. Doch das geht nicht von heute auf morgen, wenn man die schwarze Null wie eine Monstranz vor sich herträgt und eine sog. Schuldenbremse ins Grundgesetz eingebaut hat. Deshalb sind Befürchtungen, es wird im öffentlichen Bereich an anderen Haushaltsstellen zu Kürzungen kommen, nicht unberechtigt. Und dass diejenigen, die auf öffentliche Zuwendungen und die öffentliche Infrastruktur besonders angewiesen sind, Ängste aufbauen, ist für mich nachvollziehbar. Und wie macht man auf seine Situation aufmerksam, wenn man keine perfekt arbeitende Lobbymaschinerie hinter sich stehen hat? Man zeigt Sympathie für die Rechten und Rechtspopulisten. Darauf reagiert das Establishment.

  12. #9:

    Denkverbote darf und soll es nicht geben. Aber Wittgenstein wandte sich gegen ein Behaupten von Sachverhalten, die real nicht nachweisbar sind.

    Ich halte die gegenwärtige Situation, die als Flüchtlingskrise bezeichnet wird, obwohl dieser Begriff nicht alles abdeckt, weil sie die Folge einer Kette politischer Fehlentscheidungen ist, für relativ neu – jedenfalls neu für die Bundesrepublik. Um den Menschen gerecht zu werden, denen die ankommen und denen, die hier bereits seit Generationen leben, bedarf es neuer Lösungsansätze. Denn das vermeintlich historisch Bewährte, also die Integration der Vertriebenen und der DDR-Flüchtlinge, hat eher zufällig funktioniert. Ob dieser Zufall wieder hilft, wage ich zu bezweifeln. Denn ich sehe mindestens vier wesentliche Unterschiede: Die Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt (vor allem bei einfachen Tätigkeiten), die Wohnungsnot zumindest in den Ballungsgebieten (dort, wo es allenfalls noch Beschäftigungsmöglichkeiten geben könnte), das Erlernen der Sprache, das nicht von heute auf Morgen zum Erfolg führt, und möglicherweise auch das Verständnis darüber, was Demokratie bedeutet (Stellung der Frau, Bürgerrechte etc.). Bestärkt werde ich bei meiner Wahrnehmung von der Meinung befreundeter säkularer Iraner, die einst vor dem Schah und dann noch einmal vor den Ajatollahs flohen.

    Die Not muss beseitigt werden. Aber nicht zu Lasten jener, die ebenfalls der Hilfe bedürfen und die seit Jahren von der Gesellschaft allein gelassen werden, ja, die geradezu ins Elend getrieben wurden (ältere Langzeitarbeitslose mit guter bis bester beruflicher Qualifikation). Die in der Gesellschaft vorhandenen Ressourcen würden ausreichen, die Not aller ganz schnell und nachhaltig nicht nur zu lindern, sondern zu beseitigen. Aber das würde einen Umverteilungsprozess bei den großen Vermögen bedeuten. Die Bereitschaft dazu sehe ich bei den Parteien, die mitregieren, nicht. Diese sind auch nicht dazu bereit, den Export von Kriegswaffen in den Nahen Osten zu beenden.

    Bei meinen Gesprächen mit jüngeren ehrenamtlichen Helfern fiel mir auf, dass die Hilfsbereitschaft groß, die Kenntnis über die politischen Zusammenhänge eher gering ist. Für Menschen, die auf Hartz IV angewiesen sind, hatten sich diese Hilfsbereiten noch nie engagiert. Erschüttert aber haben mich Informationen darüber, dass die Tafeln Engpässe bzw. Rückgänge bei verfügbaren Lebensmitteln beklagen, weil es bereits Verteilungskämpfe zwischen den einzelnen Hilfsorganisationen gibt.

  13. Hallo Bronski, sie meinten Wittgenstein nicht Lichtenberg.
    Rudi,
    habe ich Sie richtig verstanden, dass die Menschen, die Flüchtlinge vor dem Ertrinken gerettet haben, für den Zulauf zur AfD und Pegida verantwortlich sind?

  14. zu # 9 Bronski
    Zum ersten: Lichtenberg eignet sich nicht für Denkverbote.

    Ich suche noch immer nach Lichtenberg. Habe ich etwas überlesen?

  15. @ Klaus Philippp Mertens # 12

    Dies ist ein Diskussionsforum, und selbstverständlich ist das „Behaupten von Sachverhalten, die real nicht nachweisbar sind“, grundsätzlich erlaubt. Was soll das überhaupt heißen: „real nicht nachweisbar“? Wo soll denn da die Grenze sein, von der an Dinge nicht mehr eingebracht, vulgo behauptet werden könnten, ohne dass die- oder derjenige auch den realen Nachweis für diese Behauptungen erbringen müsste? In Bezug auf wissenschaftliche Diskussionen hat er zweifellos recht, der Herr Wittgenstein (den ich oben in Lichtenberg umgetauft habe), aber in einem Diskussionsforum wie diesem scheitert er mit solchen Sprüchen.

    Ich sagte schon in #9, dass die Situation nach dem Zweiten Weltkrieg mit der von heute nicht direkt vergleichbar ist. Trotzdem kann es hilfreich sein zu versuchen, sich daran zu erinnern. Zum Beispiel auch zu der Frage, die Sie nur streifen: „das vermeintlich historisch Bewährte, also die Integration (…) hat eher zufällig funktioniert.“ Hat es wirklich funktioniert? Ist dieses „Verfahren“ wirklich „historisch bewährt“? Ich habe da meine Zweifel. So einfach ist das nicht. Ihre Behauptung gilt ganz sicher nicht für kurze Zeiträume der damaligen Zeit. Sie haben oben ja selbst geschildert, wie den Flüchtlingen begegnet wurde. Es hat Jahre gedauert, bis die Flüchtlinge integriert waren — und das, obwohl sie Deutsche waren und Deutsch sprachen. Zur Erfolgsgeschichte wurde die Integration dieser Deutschen im eigenen Land erst in einem Zeitraum von etwa zehn Jahren. Und sie wurde auch nur deswegen zur Erfolgsgeschichte, weil die Deutschen ihre Zukunft damals zusammen angepackt haben.

    Aus diesen Gedanken über die Flüchtlinge von damals leite ich zwei Thesen ab, die zeigen, dass solches Nachdenken durchaus fruchtbar sein kann:

    1. Wir brauchen keinen Schaum vor dem Mund beim Reden über die Flüchtlingsproblematik, wie sie sich für unser Land darstellt, sondern wir brauchen Ruhe, Nachdenklichkeit und auch deutlich mehr Gelassenheit. Wir reden hier über einen gesellschaftlichen Prozess, der gerade erst begonnen hat, der lange dauern wird und den wir mitgestalten können, wenn wir die nötigen Konzepte dafür entwickeln. Angela Merkel hat damals mit ihrem „Wir schaffen das“ genau die richtige Haltung gezeigt, auch wenn man dem Spruch ein „Aber“ anhängen muss.

    2. Wir sollten aufhören, in Kategorien von „Die“ und „Wir“ zu denken. Viele dieser Flüchtlinge werden irgendwann einen deutschen Pass haben und dann Deutsche sein. Andere werden zurückkehren nach Syrien und in die anderen Länder, aus denen sie geflohen sind – jedenfalls dann, wenn die Politik, auch die deutsche, sich bis dahin um bessere Bedingungen in diesen Ländern bemüht hat. Angst ist kein guter Ratgeber. Viele dieser Leute kommen in höchster Not zu uns, und wenn wir unser Wertesystem und damit uns selbst nicht bis zur Unkenntlichkeit verbiegen wollen, sind wir zur Hilfe unbedingt verpflichtet. Daher hinkt auch Ihr Hartz-IV-Vergleich. Was auch immer man von Hartz IV halten mag: Es ist als Grundsicherung gedacht. Die Flüchtlinge haben nicht einmal Grundsicherung, wenn sie hier ankommen. Zu Konkurrenten der Hartz-IV-Empfänger werden sie erst später.

  16. Das Thema hier sind Flüchtlinge, Flucht-Ursachen, versuchte Handlungen, auch zur Beseitigung oder Milderung der Fluchtgründe, die deutsche und auch die größere Politik, die damit auch noch untrennbar verwoben ist.
    Da auch hier doch auch Geschichtsvergleiche bemüht werden, erinnere ich hier ebenfalls an die Schande von Evian, einer internationalen Konferenz von 1938 zum Asyl, wie im Thread „Pegida, Ressentiment und eine verhängnisvolle Mode namens „Schnelles Geld“ “

    Im echten Leben, aber damit auch in der kleinen und der großen und auch internationalen Politik, gibt es Rechnungen und Quittungen, die sollte man auch immer aufheben im Leben.
    Heute berichtet auch die Tagesschau-online in einem Artikel mit dem Titel: „Europas Solidarität in der Flüchtlingspolitik Drei Gründe, warum Deutschland isoliert ist“ (Stand: 08.11.2015 06:06 Uhr) darüber.
    Zitat daraus Anfang:
    „Im Interview für das ARD-Hauptstadtstudio bringt der Parlamentarier Malek Boutih in Paris seinen Frust so auf den Punkt: „Merkel hat im Alleingang ohne jede Abstimmung mit den großen Ländern in Europa entschieden und die Grenze geöffnet. Ich glaube, sie hat eine Art von Größenwahn.“

    Boutih gehört der regierenden Sozialistischen Partei von Präsident François Hollande an. Er ist sauer, dass Merkel geltendes EU-Recht außer Kraft setzt. Die Dublin-Regel verlangt, dass Flüchtlinge in dem Land Asyl beantragen, in dem sie ankommen. Doch Merkel winke syrische Kriegsflüchtlinge einfach von den Außengrenzen der EU nach Deutschland durch. Die nahezu unkontrollierte Massenwanderung quer durch Europa – fürchtet Boutih – liefere Bilder für die Schreckensszenarien von der Überfremdung und das mache die Rechtspopulisten stärker. „Die Demokratie ist in Gefahr“, sagt Boutih. „Manche finden, Merkel solle den Friedensnobelpreis bekommen. Aber es gibt keinen Nobelpreis für die Destabilisierung eines ganzen Kontinents. […]
    In der Flüchtlingskrise bekomme Deutschland die Quittung, sagt Politikwissenschaftlerin Abels dem ARD-Hauptstadtstudio: „Es gibt einen Effekt, dass einige Staaten sagen, dass das Handeln Deutschlands in der Euro-Krise von vielen als sehr hart empfunden worden ist. Jetzt braucht man auf deutscher Seite Solidarität. Dazu ist man aber auf der anderen Seite nicht bereit.“ “
    Zitat Ende

    Das bedeutet aber jetzt nicht schon zwingend von der inneren Logik her, daß das „Handeln Deutschlands in der Euro-Krise“ vorher zu hart war, sondern daß danach das weitere Vorgehen in der „Flüchtlingskrise“ eben zu unüberlegt war, was richtiger Weise auch mit „eine Art von Größenwahn“ umschrieben werden kann mit der doch plötzlichen, auch nahezu totalen und auch unkoordinierten Grenzöffnung mit einem „Wir schaffen das…“.

    Da hat offensichtlich eine aufwallende Empathie, auch Furcht oder Angst gehört da dazu, auch der Kanzlerin über die rationale Vernunft gesiegt, und dafür kommt jetzt nun da mal die fällige Quittung.
    Bei der sog. deutschen „Energiewende“ mit „Ausstieg“ wegen Angstgefühlen war es doch ähnlich überhastet mit einem Zick-Zack-Kurs zugegangen, warum glauben diese Deutschen nur, sie wüßten immer alles besser als andere?

    Auch die AfD-Punkte steigen nun weiter höher, das gehört dann auch aktuell noch dazu.

    Jetzt kommt halt mal langsam das Zahlen wieder mehr an die Reihe, aber schon der Datterich kannte bereits die Problem damit, er war ja auch mal ein Finanzbeamter gewesen.
    Zahlen der Zeche nach jeder Runde, oder auch am Schluß, so ist das reale Leben eben immer noch, auch im Café Grössenwahn …….

  17. @ Henning Flessner #13

    Sie schreiben: „…habe ich Sie richtig verstanden, dass die Menschen, die Flüchtlinge vor dem Ertrinken gerettet haben, für den Zulauf zur AfD und Pegida verantwortlich sind?“

    Sie hätten mich auch fragen können: „Schlagen Sie eigentlich immer noch Ihre Frau? Diese Frage ist nämlich aus der selben Kategorie. – Wenden wir uns der gesellschaftlichen Praxis zu. Die moralische Empörung der bundesdeutschen Deutungseliten nützt wenig. Sie geht an den Bedürfnissen der Abgehängten vorbei. Frank Richter, der Direktor der sächsischen Landeszentrale für politische Bildung, sagte in der FR am 31.10.15 über sein Bundesland und die Umgebung der Landeshauptstadt: „Es gibt ein tatsächliches Auseinanderdriften von Stadt und Land. Die demographische Entwicklung auf dem Land ist fatal. Der Staat hat sich zurückgezogen. Polizeiwachen, Schulen und Läden wurden geschlossen.“ Das ist ein kleines Mosaik, das die Lage vieler Menschen im ländlichen Raum beschreibt. Die Wahlbeteiligung zeigt deutlich, dass die Nichtwähler immer die größte Gruppe sind. Mit der Warum-Frage wird sich nur kurz aufgehalten. Die Sonntagsumfragen zur politischen Lage blenden den Nichtwähleranteil durchgehend aus. Als Antidot die eigene Politik in Frage zu stellen, kommen die Parlamentarier nicht. Der SPD-Vorschlag, die Wahlkabinen in den Supermärkten zu platzieren, zeigt nur den ärmlichen Versuch, dieser Frage aus dem Weg zu gehen. Deshalb, lieber Henning Flessner, wiederhole ich mich gerne: Es ist leicht, über die Nichtakzeptanz von Flüchtlingen, sich moralisch zu empören. So etwas hat man schnell dahingesagt, um seinem Gewissen das Ruhekissen anzudienen. Es geht jedoch um den Berg von Problemen, der sich bei uns in Deutschland auftürmt, den die wenigsten real benennen. Das Wir-schaffen-das der Kanzlerin ist ist nur eines: leichtsinnig. Es wird nicht aufgezeigt, zu wessen Lasten. Die Menschen spüren das. Zu erreichen, dass sie gehört werden, können sie vermutlich nur, indem sie den Rechtslastigen mit Sympathiekundgebungen beispringen. Fatal ist, dass das Spiel der Rattenfänger leichter wird.

  18. Trotzdem, Rudi, braucht man einen langen Atem in der Politik.
    Aber einen längeren noch als nur den von einer Legislatur bis zur nächsten, von einem Wahlkrampf bis zum nächsten, mehrere Generationen sind da angesagt.
    Wirkliche Staats-Männer/Damen, die Weichen stellen, sind ziemlich rar, da muß „Mutti“ sich vielleicht noch etwas mehr dabei anstrengen, „Sigi“ sowieso.
    Aus zwei Deutschland nach dem Krieg ist zwar wieder eines geworden, aber noch etwas unter den Geburts-Wehen dabei leidend.
    Aus den europäischen Staaten nach dem Krieg ist eine Montanunion, dann eine EWG, dann eine EU geworden, sogar einige haben einen EURO gemeinsam, und einige Institutionen in Brüssel und Straßburg auch noch dazu, aber das sind doch keine „Vereinigten Staaten von Europa“ oder „VSE“, erinnern immer mehr an „BSE“, auch vulgo „Rinderwahnsinn“ genannt.

  19. Günter Rudolphi #18

    Nach einer heute veröffentlichten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid klettert die AfD in der Wählergunst auf 9 Prozent. Im Osten sind es sogar 14. Offensichtlich ist, dass die moralischen Appelle und Parolen zugunsten einer auch wie immer gearteten Willkommenskultur nichts nutzen. Ja, das Gegenteil bewirken: Rechts der Unionsparteien formiert sich aus einem Konglomerat aus AfD, Pegida und NPD immer deutlicher politisch strategisches Potenzial. Die Grenzen unter den einzelnen Organisationen werden fließender. Und mit Frauke Petry scheint eine Person gefunden, die genügend Charisma besitzt, Leute an sich und ihre Politik zu binden. Zieht der Rechtspopulismus, der mit Rechtsradikalismus durchwirkt ist, im Frühjahr in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt in die Landesparlamente ein, hat Deutschland keine europäische Sonderstellung mehr. Die Rechtspopulisten werden sich in allen Parlamenten breit machen können, wenn sie sich nicht selbst zerfleischen, wie in der Vergangenheit immer wieder geschehen.

  20. Wer immer nur Pessimismus verbreitet, darf sich über den Zulauf bei der AfD nicht wundern.
    Die Steuerschätzer erwarten in den nächsten 4 Jahren eine Zunahme der Steuereinnahmen von 100 Milliarden Euro. Das Thema mit dem fehlenden Geld, dass die Armen aufbringen müssen, sollte ad acta gelegt werden.

  21. Zum Zitat ( Rudi ):
    „Rechts der Unionsparteien formiert sich aus einem Konglomerat aus AfD, Pegida und NPD immer deutlicher politisch strategisches Potenzial. Die Grenzen unter den einzelnen Organisationen werden fließender. Und mit Frauke Petry scheint eine Person gefunden, die genügend Charisma besitzt, Leute an sich und ihre Politik zu binden.“

    Ob es in einem Dutzend an Jahren die AfD als Bundespartei noch in der jetzigen Formation mit Frauke Petry an der Spitze und diesen, jetzt noch vereinenden Schwerpunkten gibt, wage ich doch zu bezweifeln.
    Den Grund nannte Rudi auch bereits mit Zitat:
    „Die Rechtspopulisten werden sich in allen Parlamenten breit machen können, wenn sie sich nicht selbst zerfleischen, wie in der Vergangenheit immer wieder geschehen.“

    Zum Zitat ( H.Flessner):
    „Die Steuerschätzer erwarten in den nächsten 4 Jahren eine Zunahme der Steuereinnahmen von 100 Milliarden Euro.“
    Es fehlen dazu nachprüfbare Angaben zur Quelle, Herr Flessner.
    Aber wir werden als Steuerzahler natürlich alle zahlen müssen, das war ja klar und auch bereits so gepostet worden.
    Die FAZ hatte so etwas Ähnliches aber am 26.10.2013 geschrieben mit dem Titel: „Koalitionsverhandlungen 100 Milliarden Euro mehr Steuereinnahmen bis 2018“, Autor: Manfred Schäfers, Wirtschaftskorrespondent in Berlin
    Den sollten alle lesen, besonders „Kalte Progression hilft dem Staat“ und Zitat daraus:
    „Nominal höhere Einkommen führen im progressiven Steuertarif zu höheren Steuerlasten – auch wenn sich die Beschäftigten wegen der Inflation nicht mehr leisten können. Je länger die Entwicklung ohne Tarifkorrektur andauert, umso größer ist dieser Effekt und der politische Druck, diese sogenannte kalte Progression abzubauen.“
    Der Focus schreibt am 05.05.2015 mit Zitat:
    „Das endgültige Ergebnis der Steuerschätzung wird zwar erst am Donnerstag verkündet. Aber schon jetzt steht fest: Der Fiskus kann deutlich mehr erwarten, als noch im November vorhergesagt – über die kommenden fünf Jahre knapp 40 Milliarden Euro.“

    Worauf stützen Sie sich da eigentlich, Hr. Flessner?

    Aber daß es mehr Parteien als die jetzigen CDU/CSU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke im BT gibt, das halte ich dagegen für sehr wahrscheinlich. Auch die CSU könnte noch eine Bundespartei werden, und die CDU könnte dann auch in Bayern antreten.

  22. Henning Flessner # 20

    Sie behaupten und schlussfolgern: „Die Steuerschätzer erwarten in den nächsten 4 Jahren eine Zunahme der Steuereinnahmen von 100 Milliarden Euro. Das Thema mit dem fehlenden Geld, dass die Armen aufbringen müssen, sollte ad acta gelegt werden.“

    Ich zitiere aus der Website des Bundesfinanzministeriums. Da lese ich anderes, genauer gesagt, eher das Gegenteil, aber mit realitätsgerechteren Summen: „In den Jahren 2017 bis 2019 wird das Steueraufkommen gesamtstaatlich betrachtet über dem Schätzergebnis vom Mai 2015 liegen. Die Auswirkungen auf die einzelnen staatlichen Ebenen sind dabei unterschiedlich. Für den Bund wird bis zum Ende des Schätzzeitraums ein geringeres Steueraufkommen prognostiziert. Verursacht wird dies unter anderem auch durch die Zuweisung von Umsatzsteueranteilen an die Länder im Rahmen des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes. Verglichen mit der Steuerschätzung vom Mai liegt das Aufkommen beim Bund 2017 um 3,2 Mrd. Euro, 2018 um 2,4 Mrd. Euro und 2019 um 2,3 Mrd. Euro niedriger. Die Länder und Gemeinden können dagegen in jedem Jahr mit gegenüber der Mai-Steuerschätzung zusätzlichen Steuereinnahmen rechnen.“

    Link: http://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Pressemitteilungen/Finanzpolitik/2015/11/2015-11-05-pm-42.html

  23. Zu # 15 Bronski
    „Ich sagte schon in #9, dass die Situation nach dem Zweiten Weltkrieg mit der von heute nicht direkt vergleichbar ist.“
    Dieser Aussage muss widersprochen werden. Die Situation nach dem zweiten Weltkrieg ist überhaupt nicht vergleichbar mit der jetzigen Flüchtlingswelle.
    Damals gab es keine unter Jubel stattfindenden Begrüßungsfeiern wie am Münchner Hauptbahnhof. Da strömten Hunderttausende in ein zerstörtes, zertrümmertes Land. Die Not war überall greifbar. Es gab kein Taschengeld, keine sozialen Wohltaten, keine prall gefüllten Sozialkassen, aus denen man schöpfen konnte. Wie es weitergehen würde, wusste niemand. Es ging weiter, aber es war nicht erkennbar, dass es so steil bergauf gehen würde, wozu auch der Marshall Plan beigetragen hat. Der Aufstieg wurde aber durch jahrelangen Verzicht auf menschenwürdige Löhne und eine 6-Tageswoche (48 Stunde- Woche) erkauft.
    Die Flüchtlinge waren nicht willkommen, wer anderes behauptet irrt. Und die später folgenden Vertriebenen waren es auch nicht. Dabei handelte es sich um Menschen aus dem eigenen Kulturbereich, gleicher Sprache, christlicher Religionszugehörigkeit, keine Analphabeten, mit Schulbildung und meist mit einer Berufsausbildung (bis auf die jungen Soldaten, die ohne Berufsausbildung in den Krieg gezogen waren).
    Dankenswerterweise wurde ein Leserbrief, der das thematisiert, nämlich der von Andrea Günter hier publiziert. Die Resonanz zu diesem Brief hielt sich jedoch hier im blog in Grenzen.
    Eine Politik des „Wir schaffen das!“, die unsere Gesellschaft zu spalten droht, wird Konsequenzen haben. Wie ist dieser Satz zu verstehen? Wer ist „Wir“?

    Erste Variante: „Wir“ Pluralis Majestatis. Wir, Kanzlerin von Gottes Gnaden, ordnen an, dass WIR das schaffen. Das gemeine Volk hat das zu schaffen. Irgendwie erinnert das an das berühmte: „Merkelsche Alternativlos“.

    Zweite Variante: Wir, das sind alle deutschen Staatsbürger. Aber hat man die deutschen Staatsbürger zuvor gefragt, ob sie dazu bereit sind? Hat man sie zuvor über die Konsequenzen der zügellosen Einwanderung, der Preisgabe der nationalen Souveränität aufgeklärt? Außer dem Schwingen der moralischen Keule war wenig wenn nicht gar überhaupt nichts zu vernehmen.

    Dritte Variante: „Wir“ das sind alle Staaten der EU. Das „Wir“ könnte man jetzt so umdeuten, denn der klägliche Hilfeschrei nach europäischer Solidarität ertönt immer lauter, verhallt aber derzeit weitestgehend ungehört. Da macht sich auch eine gewisse Schadenfreude breit, die Deutschen jetzt im Regen stehen zu lassen, nach dem Motto: Das habt ihr euch selber eingebrockt. Man hätte sich vorher mit den europäischen Nachbarn abstimmen müssen und nicht über deren Köpfe hinweg den Weg für alle Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen wollen, mit einem „freundlichen Gesicht“ öffnen sollen. Dass Nachbarstaaten sich nicht nur übergangen, sondern auch durch die massive unkontrollierte Zuwanderung bedroht fühlen, dürfte nicht überraschen.

    All diejenigen, die dieser Politik der grenzenlosen Zuwanderung skeptisch oder (was gleich die Moralkeule provoziert) gar ablehnend gegenüberstehen, haben im Bundestag keinen Ansprechpartner. Von dort kommen zurzeit nur permanent mit heißer Luft gefüllte Sprechblasen, inhaltslose Platzpatronen.

    Wen wundert es, wenn nicht wenige Leute sich von den im Bundestag vertretenen Parteien abwenden. Und eines sollte man nicht vergessen. Die größte Partei ist die Partei der Nichtwähler. Wenn hier sich der Unmut über die gegenwärtige Politik in einem von den etablierten Parteien unerwünschten Wahlverhalten manifestiert, wird das Folgen, tiefgreifende Folgen haben.

    Es ist schon fast erheiternd, dass unsere Kanzlerin von der Linken und den Grünen mehr Unterstützung erfährt als von den Koalitionären. Auch das lässt tief blicken.

    Der Ausgang der nächsten Landtagswahlen dürfte interessant werden. Ebenso interessant die Betrachtung der Verrenkungen in der großen Koalition, in der durch die Flüchtlingswelle erzeugten Realität irgendwie anzukommen.

  24. @ runeB

    „Dieser Aussage muss widersprochen werden.“

    Im Grunde widersprechen Sie mir gar nicht. Sehr schön, wie Sie auflisten, wie viel besser Deutschland heute dasteht. Dementsprechend wird es diesem Land dann sicher auch leichter fallen, die Herausforderung zu stemmen, die mit den ankommenden Flüchtlingen auftritt – zumal es ja auch nicht so viele Flüchtlinge sind wie damals.

  25. Idealismusseligkeit ist keine gute Bezeichnung für die vielen hilfsbereiten Menschen, die dort eingreifen, wo staatliche Organe versagen. (Das gilt für Menschen aller Länder, die die Flüchtenden auf ihrem langen Weg durchqueren mussten.) Es sind sehr schöne Signale der Menschlichkeit. Das offizielle Deutschland hat keine Willkommenskultur verordnet, sondern einige tatkräftige Menschen haben begriffen, dass man die Ankommenden nicht hilflos in Gluthitze und später in nasser Kälte stehen lassen kann. Sie haben gehandelt. Und das überraschend gut, angepackt, sich sehr schnell organisiert, ähnlich wie es auch bei Flutkatastrophen zu beobachten ist. Frau Merkel hat diese Hilfsbereitschaft wahrgenommen, und darauf gebaut, in der deutschen Bevölkerung Rückhalt zu haben. „Wir schaffen das“ ist zum geflügelten Wort geworden. Aber nun kommen die Widerhaken aus den eigenen Reihen, die AfD bekommt Auftrieb und de Maizière prescht mit Vorgaben vor, die nicht mit der Groko ausgehandelt sind. Auch wenn er jetzt zurück rudert, da liegt was in der Luft gegen die freundliche Aufnahmebereitschaft. Dabei können wir doch gar nicht anders, als die Menschen bei uns aufzunehmen. Das sagt unser Grundgesetz. Wer weiß, wie lange der Krieg in Syrien noch dauert, vielleicht noch sehr lange, wie er ausgeht, wissen wir auch nicht. Da ist es doch besser, wir schaffen den hier Ankommenden eine Perspektive, eine Ausbildung, anstatt sie in trostlosen Heimen verkümmern zu lassen.

    Frau Merkel hat menschlich richtig gehandelt, als sie die Grenze für die ankommenden Menschen geöffnet hat, das war aus meiner Sicht wirtlich „alternativlos“ . Wie denn auch sonst? All die Häme aus dem Ausland, Frau Merkel habe eine „Einladung“ an die Kriegsflüchtlinge geschickt, ist doch bigott, sie standen ja schon vor der Tür. In welches Land hätte man sie denn zurückdrängen sollen? Nein, ich glaube auch, dass wir das „schaffen“. Wenn wir das wollen. Obwohl es nicht ganz leicht werden wird. Es gibt in unserem Land sehr viel mehr positive Kräfte als ich erwartet hätte, das stimmt mich zuversichtlich. Und tatsächlich bin ich so optimistisch, zu glauben, dass jetzt sogar die weniger Privilegierten davon profitieren werden, vorausgesetzt, dass die im trüben Fischenden nicht die Oberhand gewinnen.

  26. @ Rudi, #6

    „Eine von oben verordnete Willkommenskultur berührt die nicht mal annähernd.“ (#6)

    – Wer hat hier eigentlich wann was „von oben verordnet“? Wo finde ich Ihren Beitrag dazu, wie der „Komplexität der Integration in eine Gesellschaft“ zu entsprechen wäre?
    Ich bitte um Aufklärung.

    „Es ist eben leicht, sich auf seinem Idealismus auszuruhen und der Willkommenskultur das Wort zu reden, statt Pragmatik walten zu lassen.“ ‚(#6)
    „Es gibt aber mehr Beweggründe, aktiv zu werden. Und manche dieser Gründe mögen gar nicht altruistisch sein, sondern eher einen inneren Konflikt widerspiegeln, etwa ein Handlungsfeld vorgefunden zu haben, Schuldgefühle abzutragen.“ (#11)

    – Wer „ruht sich auf seinem Idealismus aus“? Woran machen Sie das fest?
    – Wie sieht „Pragmatik“ hier ganz konkret aus?
    – In welcher therapeutischen Praxis sind die „inneren Konflikte“ und die „Schuldgefühle“ dokumentiert, die Sie als „gar nicht altruistische“ Beweggründe Helfern per Fernanalyse attestieren?

    Kleiner Vorschlag zur Güte, da Sie erkennbar so von Spekulationen über Motive von Helfern umgetrieben werden (die, wenn überhaupt, nur die Betreffenden selber kennen):
    Wie wäre es, sich gelegentlich mal Gedanken über eigene Motive zu machen statt immer nur über die von anderen? Sich zu fragen, was Sprüche der genannten Art eigentlich ganz konkret bedeuten, könnte ja ein Weg dahin sein.

  27. @ I.Werner, #25

    „Idealismusseligkeit ist keine gute Bezeichnung für die vielen hilfsbereiten Menschen, die dort eingreifen, wo staatliche Organe versagen.“
    „All die Häme aus dem Ausland, Frau Merkel habe eine ‚Einladung‘ an die Kriegsflüchtlinge geschickt, ist doch bigott, sie standen ja schon vor der Tür.“

    Zunächst: Ich finde Ihren Beitrag mal wieder recht erfrischend. Man weiß, wo Sie stehen und warum. Und es triifft zudem den Nagel auf den Kopf. Die Priorität von Art 1.GG: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ vor allen anderen Erwägungen kommt so auch glaubwürdig rüber.
    Ein wohltuender Kontrast zu Spekulationen über Parteienarithmetik, finanzielle Belastungen, prognostizierte soziale Spannungen und dergleichen mehr, hinter denen sich vermeintliche „Pragmatiker“ verstecken, um zu verschleiern, dass man nicht „schaffen“ kann, was man gar nicht schaffen will.

    Zum Begriff „Idealismusseligkeit“:
    Ich halte diesen Begriff nicht nur für nicht gut, sondern für ziemlich zynisch. Er beihaltet, vor allem in diesem Zusammenhang, nichts anderes als die gezielte pauschale Diskreditierung von Menschen, die an Grundwerten festhalten und danach auch ihr Handeln auszurichten suchen.
    Er zielt auch in die gleiche Richtung wie die boshafte „Kritik“ an „deutscher Tugendprotzerei“ in britischen Medien, die selbst angesichts einer schändlichen „pragmatischen“ britischen Haltung in der Flüchtlingsfrage offenbar keinerlei Veranlassung sehen, nach den eigenen Grundwerten zu fragen. Wer in nationalistischen Denkformen verharrt und deren Begrifflichkeiten frönt, drischt nun mal lieber auf andere ein statt eigenes Verhalten zu hinterfragen.
    Zudem habe ich mehrere Sendungen mit Frau Dorn gesehen, von der dieser Begriff stammt. Sie, wie Herr Mertens (#4) hier zur Kronzeugin des „gesunden Menschenverstands“ kontra „Idealismusseligkeit“ aufzurufen, halte ich danach für ein reichlich gewagtes Unterfangen.

  28. „Idealismusseligkeit“ ?

    Ist das jetzt wieder ein neuer Kampfbegriff der Ungutmenschen oder was soll das heißen?

    In seiner Pauschalität natürlich wiedereinmal zurückzuweisen, wie W.Engelmann schon getan hat.

    Wozu solches Wortgeklingel auch immer dienen soll, es ist reaktionär und veraltet und arrogant.

  29. @ 23 runeB
    Sie bestätigen meine Ansicht, dass das Problem in erster Linie nicht die Flüchtlinge oder deren Kultur, Sprache oder Religion ist, sondern die Einheimischen.

  30. Dieser Idealismus/Realismus- Streit ist schon sehr nervig.

    Wer diese Aspekte bis heute immer noch für Gegensätze hält, die sich gegenseitig ausschliessen, ist restlos veraltet.

    Für die Menschen, die Idealismus und Realismus nicht in sich selbst übereinbekommen, mag noch ein wenig Anleitung nötig sein, aber warum diese sich immer so einseitig outen müssen, ist schon der Frage wert.

    Vielleicht wird das Wort „Analyse“ missverstanden?

    Es bedeutet, etwas in seine Teile zu zerlegen, um das Ganze zu verstehen.
    Es heißt nicht, ein Ganzes in Teile zu zerlegen, um dann die herauszupicken, die man versteht.

    Ach ja: Synthese bedeutet, die Teile nachher auch wieder zusammensetzen zu können, nicht nur neu, sondern ggf auch in den Originalzustand.

    Dazu muß man natürlich alle beisammen haben… 🙂

  31. Wenn man das derzeitige Gezerre um die Flüchtlingsproblematik – von Politik mag ich da nicht sprechen – in der GroKo anschaut, so verdrängt die Frage, wer da noch mit wem überhaupt regieren kann, das Thema CSU-Rechtsaußen. Die SPD kann dem Vorstoß de Maizières zum Aufenthaltsstatus syrischer Flüchtlinge gar nichts abgewinnen, Teile der CDU und die ganze CSU hingegen schon. Frau Merkel pfeift ihren Innenminister zurück und stellt sich gleichzeitig hinter ihn, was auch immer Gutes oder Schlechtes dies für ihn bedeuten mag.

    Dabei, so ganz unrecht hat der Mann nicht. Wenn man sich nicht nur auf die Syrer kapriziert, verdient der Gesichtspunkt des Familiennachzugs eine besondere Beachtung. Wenn ich lese, daß junge männliche Asylbewerber oder Flüchtlinge allgemein ein iPhone brauchen, um mit ihren Angehörigen im Herkunftsland in Verbindung zu bleiben, dann frage ich mich, weshalb diese Angehörigen nicht auch haben fliehen müssen. Normalerweise heißt es doch bei Gefahr im Verzug: Frauen, Kinder und Alte zuerst! Mir drängt sich der Verdacht auf, daß die vielen jungen Männer aus allen infrage kommenden Ethnien, die sich hier um Asyl oder einen Aufenthaltsstatus bewerben, um dann die Familie nachkommen zu lassen, keiner besonderen Gefahr ausgesetzt waren, der sie sich durch Flucht hätten entziehen müssen. Ich sehe sie als Vorhut für eine Zuwanderungsbewegung, die sehr kritisch betrachtet werden und der gegebenenfalls energisch entgegengesteuert werden muß.

    Wir Deutsche haben mit der Aufnahme, einer menschenwürdigen Unterbringung und der Integration der wahrhaft Schutzbedürftigen eine so große Herausforderung zu bewältigen, daß es uns bei der Einwanderung von Erwerbspersonen und deren Angehörigen erlaubt sein muß, die Rosinen herauszupicken. Der Gesetzgeber ist gefragt. Wo bleibt die Antwort?

  32. @ Bronski, #15

    „Ich sagte schon in #9, dass die Situation nach dem Zweiten Weltkrieg mit der von heute nicht direkt vergleichbar ist. Trotzdem kann es hilfreich sein zu versuchen, sich daran zu erinnern. (…)
    Wir reden hier über einen gesellschaftlichen Prozess, der gerade erst begonnen hat, der lange dauern wird und den wir mitgestalten können, wenn wir die nötigen Konzepte dafür entwickeln.
    Wir sollten aufhören, in Kategorien von „Die“ und „Wir“ zu denken.“

    – Ich halte Bronskis Ansatz für durchaus hilfreich, auch und gerade weil die Flüchtlingssitution nach dem Krieg und heute nicht direkt gleichzusetzen sind. Dies auch unter einem Aspekt, den Andrea Günter aus Freiburg (im Vorspann) benennt:
    „Die Aufnahme von Flüchtlingen aus diesen Zeiten ist nicht aufgearbeitet, die Ressentiments vieler scheinen geblieben.“

    Ich stimme Frau Günter im Prinzip zu: Im Gegnsatz zur Aufarbeitung der Schuld an Verbrechen im 3. Reich sind traumatische Erlebnisse von Kriegsflüchtlingen auch heute noch weitgehend tabuisiert. Der Hauptgrund dafür liegt auf der Hand.
    Ich habe 2005 am 1. „Kriegskinderkongress“ in Frankfurt teilgenommen. Anlass dazu war die Feststellung, dass sich bei einem erheblichen Anteil der Betroffenen (ca. 25 %) bei Eintritt ins Rentenalter (also nach 60 Jahren!) Traumata aus Kriegs- und Nachkriegszeit in Form von Psychosen manifestierten.
    Selbst nach einem so langen Zeitraum mussten sich die Organisatoren des Kongresses noch gegen die Unterstellung zur Wehr setzen, mit „wirklichen“, vor allem jüdischen Opfern in eine „Opfer-Konkurrenz“ eintreten zu wollen.
    Faktisch heißt das: Eine Aufarbeitung dieses Problems konnte selbst nach 2 Generationen nicht oder nur gegen erhebliche Widerstände vorgenommen werden. Zwar brach sich das Bedürfnis danach bei einem Teil der Betroffenen Bahn (wozu ich mich selbst zähle), führte zu einer Welle von (meist autobiografischer) Kriegs- und Nachkriegsliteratur. Den vorherrschenden „Mainstream“ hat dies jedoch kaum geprägt.
    Weitere Verdrängung war die notwendige Folge. Wobei dies (dafür gibt es viele Beispiele) kein Indiz für verdrängte „Schuldgefühle“ der Betroffenen darstellt (wie Rudi in #11 pauschalisierend behauptet).
    Man kann es vielmehr so deuten, dass die -zweifellos primäre – nationale Aufgabe der Aufarbeitung „kollektiver Schuld“ von den hauptsächlich von Krieg, Flucht und Vertreibung Betroffenen in überdurchschnittlichem Maß geleistet wurde, insofern, als dies dauerhaftes Hintanstellen der Erinnerung an eigene Opfer erforderte.

    So gesehen, ist es nicht verwunderlich, dass die gegenwärtige Flüchtlingsproblematik besonders hierzulande mit einer hohen Emotionalität verknüpft ist, und zwar in widersprüchlicher Weise:
    Einerseits ist die – im Vergleich zu anderen Ländern besonders hohe – Hilfsbereitschaft nicht nur Ausdruck von moralischer Verantwortung und Empathie, sie bedeutet auch für viele aus der Elterngeneration eine nachträgliche Anerkennung der eigenen Opfer, die ihnen zuvor versagt worden war. Durch die Anwesenheit vieler Menschen, deren Schicksal in frappanter Weise dem von eigenen Angehörigen gleicht, bricht sich auch die Erinnerung an deren Schicksal Bahn. Dies ist nicht nur legitim. Es verleiht den Helfern auch den Mut und die Kraft, ein bewundernswertes Engagement bis nahe zur Erschöpfung durchzustehen.
    Andererseits aber auch Verweigerung eben dieser Empathie, Weigerung, eine „Solidarität“, die man selbst erfahren hat, „mit einem Afghanen (zu) teilen.“ (Vgl.“Reden mit Pegida?“, #75), Rückzug in Nationalismus als „Protest“ gegen einen vermeintlich aufgezwungenen „Mainstream“.
    Nicht verwunderlich auch, warum von dieser Seite ein Zusammenhang bestritten wird. Verdrängung wird hier fortgeführt: nicht nur der Vergangenheit, sondern vor allem der Gegenwart: Wer von dieser Seite hat sich je dazu geäußert, was denn mit total erschöpften Menschen zu tun sei, die in Slovenien zu Tausenden durch den Schlamm waten oder in eiskalten Novembernächten an der österrreich-deutschen Grenze aus Bussen geworfen werden (wie der 2. Bürgermeister von Wegscheid bei „Hart, aber fair“ berichtete). Welche Ängste ihnen zuzubilligen seien, welche Lösungen man für sie anvisiere?
    Die Trennung „in Kategorien von ‚Die‘ und ‚Wir'“ (von Bronski oben angeprangert), bei den Helfern im Verschmelzen von Helfen und Erinnern bereits aufgelöst, markiert die Grundzüge solcher Verweigerungshaltung. Eine Verdrängung der Gegenwart, die mir weit mehr Sorgen bereitet als zu bewältigende Aufgaben, als mögliche Einschränkungen auch für mich selbst. Gerade an einem 9. November.

    Motive für eigenes Handeln sind viel zu persönlich, als dass sie pauschalisierend zu erfassen wären. Meine persönlichen Erinnerungen daher nur als Beispiel.
    Meine Mutter, allein mit 7 Kindern (Vater war in Tschechien umgebracht worden), ohne jegliche Mittel, jahrelang in einem zunächst verwanzten Raum lebend und dennoch froh, überlebt zu haben, ihr Leben lang dankbar gegenüber denen, die uns aufgenommen haben. Eine solche Erinnerung gibt nicht nur Respekt vor dem, was schon einmal „geschafft“ worden ist, sie schafft auch Vertrauen in die Zukunft, in die Fähigkeit, auch schwierige Situationen zu meistern -für sich selbst und im Vertrauen auf andere.
    Grund genug für solche Erinnerung, gerade wenn man – wie Bronski richtig sagt – in einem „gesellschaftlichen Prozess“ steht, „der gerade erst begonnen hat“ und „den wir mitgestalten können“.

  33. @petersmark

    Solche Töne sind ja ganz ungewohnt.

    Woher wissen Sie(!) wer von einer Familie in Syrien oder sonstwo der Bedrohteste ist,wer voranflüchtet, welche Entscheidung dahintersteht, welche Hoffnungen oder Fehlinformationen dies beinhaltet?

    Würde nicht jeder anständige Mann, der zu solchen Schritten gezwungen ist, sich zunächst selbst auf den Weg machen (ist ja keine Kaffeefahrt), um eine Zukunft zu finden und dann die Familie nachholen?

    Fälle konkretester Bedrohungen gibt es auch, Frauen, Kinder, Schwangere auf der Flucht…
    warum muß hier eine Pauschalisierung her?

    Das „iPhone“-Argument wird nun schon zum Gassenhauer.
    Welches Bedrohungsszenario steht hierzulande dahinter, daß stetiger Kontakt sichergestellt werden soll, jeder ein WalkieTalkie modernster Machart bei sich haben will, Menschen mit Scheinpanzern und wüstentauglichen Survivalgeräten auf ampelgeregelten Asphaltwildnissen daherbrettern?

    Flüchtende flüchten vor dem Unnormalen. Das bedeutet nicht, daß sie nicht normal sein dürfen.

    Täter dürfen iPhones haben, Opfer nicht?

    Ohne Groll, aber im Ernst: Sie sitzen dem Mythos auf, daß Opfer bescheiden sein müssen.

  34. @ BvG, #28

    „Idealismusseligkeit“ ?
    „Ist das jetzt wieder ein neuer Kampfbegriff der Ungutmenschen oder was soll das heißen?“

    – Nun wissen Sie ja sicher, dass diese „Ungutmenschen“, die sich dem Kampf gegen die „Gutmenschen“ verschrieben haben, mit beonderer Vorliebe um die „Achse des Guten“ scharen. –
    Haben Sie für solche Neusprech-Artisten auch einen passenden Begriff parat? – Vielleicht die „Ungutgutmenschen“? –
    Ihnen fällt da aber sicher was Besseres ein.

  35. Liebes BvG,

    nun komm Du(!) mal wieder runter von der Wolke des Philosophischen auf den Teppich der schnöden Realität, die sich Dir, wie es scheint, ganz anders darbietet als mir, und die sich Dir wie auch mir nicht wirklich erschließt!

    Ich weiß es nicht, wie die Bedrohung aussehen muß, aus der heraus viele junge Männer sich zur Flucht gezwungen sehen und dabei ihre Familien zurücklassen.

    Ich habe nichts dagegen einzuwenden, wenn „jeder anständige Mann“, der hier aus überzeugenden Gründen als Flüchtling anerkannt wird, seine Familie nachholt.

    Frauen, Kinder, Schwangere, Kranke und Alte auf der Flucht: Ich bin weit davon entfernt, hier etwas zu verallgemeinern. Muß es denn das Foto eines ertrunkenen kleinen Buben sein, das die Öffentlichkeit aufrüttelt? Sie hat sich auch schnell wieder beruhigt.

    Bis hierhin, liebes BvG, antworte ich gern auf Deine Argumente. Für Dein weiteres Vorbringen solltest Du meinen Text noch mal durchlesen und Deine Rückschlüsse überdenken. Ganz ohne Groll, aber im Ernst!

  36. Ein Beitrag des Tübinger OB Boris Palmer, der Beachtung verdient:

    http://www.faz.net/aktuell/politik/fluechtlingskrise/gastbeitrag-von-boris-palmer-sieben-leitlinien-fuer-die-fluechtlingskrise-13902762-p2.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2

    Hier in Auszug, der ein Schlaglicht auf eine verquere Diskussion wirft:
    „Die Statistik des zuständigen Bundesamtes erfasst derzeit nicht einmal die Hälfte der Flüchtlinge, verlässliche Aussagen sind so gut wie unmöglich. Wenn es keine Klarheit über die Fakten gibt, gedeihen Halbwahrheiten und Spekulationen. Die Gesellschaft kann nur angemessen diskutieren, wenn es klare Grundlagen gibt. Wir müssen wissen, wie viele Menschen zu uns kommen, welches Alter, Geschlecht und welche Qualifikation sie haben. Das Bundesamt für Asyl muss diese Aufgabe endlich erfüllen.
    Die Debatte scheitert nicht nur an fehlenden Fakten, sondern auch an fehlenden Plänen.“

  37. Den Leitlinien, wie sie der Freiburger OB beschreibt, kann man nur zustimmen. Sie müssten selbstverständlich auch den Flüchtlingsämtern geläufig sein. Aber, es hapert eben noch an der Umsetzung. Nicht darauf vorbereitete Behörden und sonstige Organisationen sind noch in der Aufbauphase, bemühen sich um Koordinierung. Und wie schon so oft, dass wir 16 Bundesländer haben, mit unterschiedlichen Vorstellungen, ist auch nicht hilfreich.

  38. Die von Thea Dorn formulierte „Idealismusseligkeit“, der sie selbst die Alternative „Besonnenheit“ gegenüberstellt, scheint zu elektrisieren. Ich empfehle, das Interview im Wortlaut nachzulesen:
    http://www.deutschlandradiokultur.de/fluechtlingsdebatte-thea-dorn-kritisiert-deutsche.1008.de.html?dram:article_id=335939

    Hätte die Schriftstellerin und Moderatorin ihre Ansicht nicht in einem Minderheitenmedium wie dem DLF geäußert, hätte sie möglicherweise ein ähnlich breites öffentliches Echo hervorgerufen wie es 1982 Oskar Lafontaine verzeichnete, als er Helmut Schmidt im „Stern“ vorwarf, er appelliere im Zusammenhang mit dem NATO-Doppelbeschluss und der als notwendig erachteten Bündnistreue an Sekundärtugenden, nämlich an Prinzipien wie Pflichtgefühl, Berechenbarkeit oder Standhaftigkeit. Also an so genannte preußische Tugenden, bei denen es jedoch unverzichtbar wäre, sie von Fall zu Fall zu hinterfragen.

    Allein die Bereitschaft zu solcher Reflektion unterscheidet die, welche angesichts der Integrationseuphorie partielle Skepsis äußern, von jenen, die sich bei Pegida und AfD einreihen. Ersteren geht es um eine Gesinnung, die auch die Folgen des Handelns bedenkt und humane Alternativen aufzeigt, letzteren um Abschottung und Ausgrenzung des Fremden und der Fremden.

    Eine zügige Integration aller Flüchtlinge, die nicht nur temporären Schutz, sondern eine neue Lebensperspektive in Deutschland suchen, kostet viel Geld (das gut angelegt sein könnte). Genaugenommen jenes Geld, das dieser Staat seit Jahrzehnten denen, die es hätten aufbringen können, an Steuern nicht abnahm und auch künftig nicht abnehmen möchte. Und die prognostizierten Steuermehreinnahmen sind längst eingeplant für zusätzliche Kosten der Energiewende, den Ausfall der Griechenland-Kredite und mutmaßlich auch für die Folgen einer nicht mehr unwahrscheinlichen VW-Insolvenz.

    Die offensichtliche Überforderung des Gemeinwesens zeigt sich bereits seit Jahren daran, dass originäre staatliche Aufgaben wie die Gewährleistung sozialer Fürsorge an ehrenamtliche Helfer übertragen werden (z.B. Tafeln für Arme und Wohnsitzlose). Jetzt wird an diese Ehrenamtlichen appelliert, die Hilfen für Flüchtlinge aufrechtzuerhalten. Zumindest solange, bis man es durch legale juristische Tricks (Einzelfallprüfung etc.) geschafft hat, die Zahl der Asyl und Obdach Suchenden spürbar zu reduzieren.

    Die Flüchtlinge konfrontieren uns, die eingeborenen Bundesbürger, mit der Gretchenfrage dieser Zeit: Können wir Flüchtlinge und alle anderen Armen und Verfolgten im umfassenden Sinn des Begriffs integrieren, ohne dass wir unser politisches System ändern bzw. zu einer qualitativen Änderung bereit sind?

  39. Ich möchte mal ein wenig Wasser ins Feuer gießen. Mit meinen 70 Jahren habe ich als Jugendlicher Folgendes erlebt: Meine Mutter, ungelernte Buffett-Hilfskraft, lernte über eine Kontaktanzeige einen Schneider (ohne Abschluß), damals Metall-Hilfsarbeiter kennen, der ein von ihm in Eigenleistung 1938 errichtetes 1-Fam.Haus besaß, mit Klo auf dem Hof, Zink-Badewanne samt Waschkessel im Keller, unverputzt, nicht ausgebautem 1. OG. Ich schlief damals auf der Eckbank in der Küche. Jetzt gab es ein wunderbares Gesetz, das nannte sich: „Lastenausgleich“. Mutter und Hermann-Peter mußten also auf die Bank, wenn ich mich recht erinnere, 15.000 Mark aufnehmen, um in diesen Lastenausgleich einzuzahlen. Sehr viel Geld, was wir dann mühsam abgestottert haben. Und wenn ich dann einmal einen bescheidenen Wunsch hatte, sagte Mutter nur: „Sohnemann, geht nicht, geht alles in den Lastenausgleich.“ Ich hatte damals einen Freund, dessen Eltern Flüchtlinge aus Ostpreußen waren. Nettes Einfamilienhaus, verputzt, mit Heizung und san. Einrichtungen, und, da Vater Beamter, über günstige Kredite finanziert.

    Welches Gefühl von Gerechtigkeit habe ich wohl damals bekommen?

    Warum ich das anführe? Weil wir nach wie vor die Situation haben, wo die „oben“ sich abgabenmäßig einen Lenz machen und die „unten“ bezahlen müssen und werden. Kosten für die Flüchtlinge – belasten wir einfach all die, welche sich nicht wehren können. Hartzer gehen ja mit Merkel und Schäuble nicht zu Abend essen.

    Da ist dann die Wahl von AfD & Co. nur eine Art Notwehr. Natürlich die falsche.

    Warum hauen die Menschen ab? Wer verdient an der Unterstützung von Despoten durch Waffenlieferung etc.? Wer macht dann die Despoten platt, und vertreibt dadurch die Bösen und die Guten? Sollten wir nicht mal ein paar 100.000 Flüchtlinge in die USA schicken? Wie ist es mit den Einnahmen der Rüstungskonzerne?

    Und was wird werden, wenn sich demnächst all die Hungerflüchtlinge aus Afrika zu uns auf den Weg machen? Welches kleine Glück haben diese meistens im Elend lebenden noch, außer als sich zu vermehren?

    Das ist das Schöne an unserem System: Wir können schimpfen, debattieren, rechts oder links – oder gar nicht wählen; ändern wird sich nichts, weil die oben wissen, das sowieso immer die unten zahlen.

    Oder anders gefragt: Wieviele Flüchtlingsheime gibt es in Villenvierteln? Dort ist man halt stolz auf den florierenden Ablaßhandel, mal eine Spende dahin, mal ein Paket dorthin, und alles ist gut. Aber gerechte Steuern, da hört dann der Spaß auf.

  40. Der Vorwurf kommt immer wieder, Frau Merkel habe die Flüchtlinge zu uns eingeladen. Tatsächlich war die Situation an den Aussengrenzen der EU in den vergangenen Monaten immer schwieriger geworden. Deutschland hätte sich auch vor zwei Monaten verweigern können, wie Osteuropa. Die Flüchtlinge in Griechenland hatten zum großen Teil das Ziel, nach Deutschland zu gelangen. Das Land in dem nach Meinung der Flüchtlinge Milch und Honig fließen, was mich überrascht. Das Land „Kanaan“ kenne ich auch von einer wenigen süßen Seite, vielen Flüchtlingsfamilien scheint es gleichwohl viel zu bedeuten hier zu leben. Sie kommen in Griechenland zu Hundert tausenden an und wollen zu uns, nichts kann sie dabei aufhalten.Was hätte also Angela Merkel tun sollen ? Die Grenzen schließen in Europa ? Ein Nein der Kanzlerin ? Also eine Willkommenskultur, aber es muss nun zwingend eine Verteilungskultur ins Abendland erfolgen, dort wo Platz ist und nicht dort, wo es bereits dicht bevölkert ist. Wir schaffen das, ergänzt um : das andere Länder mit uns mitziehen

  41. @Mertens
    Ich habe den Interviewtext gelesen.

    Was immer wieder sehr nervig ist an solchen Diskussionen und Stichworten (Idealismusseligkeit), ist der Glaube mancher Leute, sie wären die einzigen, denen es bekannt ist, daß auf Sonnenschein Regen folgen kann und daß immer immer wieder die Sonne aufgeht, daß nach dem Herbst der Winter kommt und daß 1 Kilo Mehl nur für 1 Kilo Brot reicht.

    Glaubt man, daß die, die mit Teddybären und Luftballons die Flüchtlinge am Bahnhof begrüßen, naiv seien? Sind sind es nicht. Sie können ebenso kochen, Zelte aufbauen, Wunden heilen und Schlägereien verhindern, ihrem Job nachgehen und kluge Bücher schreiben.

    Als geradezu böswillig sehe ich es an daß es mittlerweile Mode wird, positive Begriffe zu verunglimpfen, selbst in den eigene Reihen, und so letztlich das Gute und den guten Willen von vorneherein zu desavouieren.

    „Idealismus“ und „Seligkeit“ in einem Wort in den Orkus zu ziehen ist schon sehr unziemlich, aber was soll denn das Gegenteil davon sein?

    „Realismusverdammnis“?

    Da kommt einem schon der Gedanke, daß es wiedereinmal nur darum geht, sich selbst zum Opfer zu machen. Dieses Opfergetue geht einem schon auch auf den Geist.

    Da geh‘ ich lieber mit Teddybären zum Bahnhof und backe fröhlich Brote und schaffe mich dabei krumm.. Helfen ist nämlich was Gutes und Schönes und auch was Wahres.

    Diese mittlerweile dämliche und stellenweise auch staatsgefährdende Scheinrealismusideologie und – orgie, die derzeit stattfindet, könnte man psychologisch und neurologisch in der Luft zerreissen.

    Hört auf zu jammern.

  42. zu # 41 BvG
    „und daß 1 Kilo Mehl nur für 1 Kilo Brot reicht.“

    Ich wusste noch gar nicht, dass Brot nur aus Mehl besteht.

    Gestatten Sie mir, dass ich widerspreche, es wird aus einem Kilo Mehl mehr als ein Brot mit einem Kilo gefertigt. Also können Sie fröhlich mehr Brot auf dem Bahnhof backen.

    Die Sicherheitlage in Deutschland wird mit absoluter Sicherheit nicht durch die unkontrollierte Zuwanderung besser werden.

    Beispiel Ellwangen, berichtet vor Kurzem im Fernsehen.
    Der Vertrag mit dem Land Baden-W. sah die Unterbringung von 1000 Flüchtlingen vor. Inzwischen sind es 3000, jeder 5. in Ellwangen ist Flüchtling. Die Zahl der Ladendiebstähle hat sehr stark zugenommen. Jetzt musste dies durch verstärkte Polizeipräsenz bekämpft werden. Doch wie lange ist diese verstärkte Polizeipräsenz durchzuhalten, wo jetzt schon die Polizei am Limit arbeitet?

    Die Realität wird auch die Politiker und auch die beflissene Hofberichterstattung des Fernsehens, alle Probleme schön zu reden,irgendwann einholen. Das ist nur eine Frage der Zeit.

  43. @ runeB

    Ich möchte nachhaken. Sie schreiben: „Die Zahl der Ladendiebstähle hat sehr stark zugenommen“. Das ist eine Tatsachenbehauptung. Damit legen Sie einen Zusammenhang mit der Zahl der Flüchtlinge in Ellwangen nahe. Ich möchte Sie bitten, das zu belegen – beispielsweise mit einem Link, damit ich nachvollziehen kann, was Sie sagen wollen.

  44. @ Klaus Philipp Mertens, #38

    Zunächst danke für die Verlinkung des Interviews von Thea Dorn.
    Eine Überprüfung eines Eindrucks, der sich auf relativ kurzes Zitat bezieht, ist immer angemessen. Auch, wenn mein Einwand gegen den unsinnigen Begriff der „Idealismusseligkeit“ vor dem Hintergrund der Kenntnis einiger Moderationen dieser Dame erfolgte.
    Um es rund heraus zu sagen: Das gesamte Interview hat meine Befürchtungen noch um einiges übertroffen. Ich kann in dem Geschwafel zwar einige platte Klischees entdecken -aber keinen klaren Zusammenhang, noch weniger begründete Einschätzungen. Von der Ansprache als „Schriftstellerin und Philosophin“ offenbar geschmeichelt, schlägt sie einen Bogen von „deutscher Seele“ zu Urteilen zum Flüchtlingsthema, völlig aus der Luft gegriffen und nicht einmal ansatzweise begründet.

    Ich verzichte auf nähere Ausführungen zu letzterem und beschränke mich auf ihre pseudohistorische Methodik am Beispiel „Idealismus“ und „deutsche Seele“.

    Für „Idealismus“ gibt es schon bei Wikipedia neben dem Alltagsbegriff, der „eine altruistische, selbstlose Haltung“ bezeichnet, 4 verschiedene Definitionen. Nur eine davon stellt eine Gegenposition zum „erkenntnistheoretischen Realismus“ dar: „In dieser Denkhaltung wird angenommen, dass die Welt, wie sie dem Menschen erscheint, vorrangig und ursprünglich durch das menschliche Denken bestimmt ist. Der Idealismus bestreitet ein Sein der Dinge ohne Tätigkeit des menschlichen Verstandes.“
    Selbst in der letzten Bedeutung wären nur Schlussfolgerungen auf rein erkenntnistheoretischer Ebene denkbar und sinnvoll.

    Frau Dorn dagegen hält es nicht einmal für nötig zu klären, was sie mit „Idealismus“ eigentlich meint. Sie benutzt Begrifflichkeit -nicht nur in diesem Zusammenhang – in vugarisierender Form, um sich in kaum zu übertreffender Klischeehaftigkeit ein der realen Geschichte enthobenes Urteil über „die deutsche Seele“und „deutsche Geschichte“ anzumaßen:
    „(…) dass man sich fragt, was war los in den Zeiten meinetwegen im späten 18. Jahrhundert, wo die Deutschen von einem unglaublichen Idealismus beseelt waren, dann kippt das Ganze im frühen 19. Jahrhundert, es kommt ein sehr rasselnder Nationalismus. (…) Also, diese deutsche Geschichte torkelt ja auch permanent zwischen Extremen hin und her.“

    Vom Verhältnis von Sein und Bewusstsein -Grundlage der „Idealismus“-Definitionen – hat Frau Dorn offenbar ebenso wenig gehört wie von realer Geschichte:
    Davon, dass die Aufklärung im“späten 18. Jahrhundert“ keine deutsche, sondern eine europäische Bewegung war, ausgehend vor allem von Frankreich. Dass „deutsch“ als nationale Bezeichnung gar nicht existierte, sondern nur als Kulturbegriff, dass weder die Klassik in ihrer kosmopolitischen Grundhaltung noch Hegelscher „Idealismus“ als Modell geschichtlicher Entwicklung eine „deutsche Seele“definiert oder verkörpert.
    Dass, bevor man überhaupt von „deutscher Nation“ sprechen kann, noch ein Napoleon kam, der Untergang eines fast 1000-jährigen „römischen Reiches deutscher Nation“ – ein Vielvölkerstaat! -, eine Befreiungsbewegung, die erstmals so etwas wie „Nationalgefühl“ schuf. Dass das noch alles andere als „rasselnder Nationalismus“ war (siehe Steinsche und Humboldtsche Reformen!).
    Dass es, um dahin zu kommen,noch eines Scheiterns einer Revolution und demokratischer Reformversuche bedurfte, mehrerer Kriege, einer „deutsch-französischen Erbfeindschaft“ – und vor allem eines sich ausweitenden Kolonialismus, um in einer zu spät gekommenen Nation ein auf Komplexen aufbauendes Gefühl, zu kurz gekommen zu sein, zu erzeugen, der mit einem zum Größenwahn neigenden Wilhem und nun in der Tat mit „Säbelrasseln“ einen „Platz an der Sonne“ erobern zu müssen glaubte.

    Nur Stichworte (die alle einer ausführlichen Erörterung bedürften), dennoch notwendig, um das mystifizierende Geschwätz von „deutscher Seele“ zu entlarven, völlig abgehoben von realer Geschichte. Das zugleich – hier stimme ich BvG völlig zu – reaktionär und gefährlich ist.
    Das im Grunde auf der gleichen geschichtsklitternden Ebene liegt wie das eines AfD-Mitbegründers Adam, der meint, ausgerechnet den Flüchtling Heine als Kronzeugen für Ressentiments gegen Fremde instrumentalisieren zu müssen (dazu Link).
    Das in seiner pseudo-intellektuellen Arroganz auch geeignet ist, als „philosophische“ Rechtfertigung für Geschwätz von „Islamisierung des Abendlands“ zu dienen – und mag sie sich noch so sehr von Pegida-„Pöbelei“ distanzieren. –
    Es sind die Inhalte und Methoden des Denkens, die zählen und die den Weg vorgeben.

    Wie sagte doch Frau Dorn so schön:
    „(…) die Deutschen haben sich – muss man einfach sagen – auch immer schwer damit getan, einen Weg der Besonnenheit zu gehen.“ – Wie wahr, Frau Dorn – zumindest, wenn Sie von sich selber sprechen!

    http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/afd-gruender-konrad-adam-im-interview-ueber-islamisierung-13319981.html

  45. @Engelmann

    Wobei zu ergänzen ist:
    Wie kommen eigentlich verschiedentliche Interpreten dazu, den Idealismus der Unbesonnenheit zu bezichtigen?

    Eine gewisse Unbesonntheit mag bei manchem Stubengelehrten zu einer gewissen Blässe geführt haben, welchselber Gefahr jedoch z.B Kant durch regelmäßige Spaziergänge entgegen zu wirken wußte.

    Spaziergänge können sehr gesund sein, wenn man sich nicht durch Schilder und Banner unter einen Schatten begibt…

  46. zu # 43
    Bronski: Ich kann nur das wiedergeben, was ich in diesem Beitrag gehört habe.

    Soll ich jetzt eine eidesstattliche Erklärung abgeben? Dazu wäre ich bereit. Das wurde gesagt, was mich echt gewundert hat, da das Fernsehen keine Probleme mit Flüchtlingen anspricht.

    Deshalb meine Bezeichnung als Hofberichterstattung.

  47. @ runeB

    Ich nehme zur Kenntnis, dass Sie die behaupteten Ladendiebstähle nicht belegen können. Sie geben wider, was Sie in einem Beitrag gehört haben, aber das reicht nicht, um einen solchen weitreichenden Vorwurf zu untermauern, wie Sie ihn formuliert haben. Wenn Sie so etwas behaupten, müssen Sie dazu auf eine Quelle verweisen können. Wenn Sie das nicht können, sollten Sie vorsichtig mit solchen Behauptungen sein, die hier als Tatsachenbehauptungen stehen. Es geht hier nicht um eine Einschränkung der freien Meinungsäußerung, sondern es geht um verantwortete Meinung. Gehen Sie bitte sorgsam damit um. Ihre freie Meinung ist ein hohes Gut.

  48. @runeB

    Niemand behauptet, daß es ohne Konflikte ausgehen wird.
    Ich behaupte aber, daß wir, „Deutschland“, besser mit solchen Konflikten umgehen können und diese lösen können, als es derzeit in den Vertreiberländern möglich ist.

    Ich sehe die Konflikte sehr wohl, sehe aber keinen Grund zur Mutlosigkeit.

  49. @ BvG, all

    #41:
    „Da kommt einem schon der Gedanke, daß es wiedereinmal nur darum geht, sich selbst zum Opfer zu machen. Dieses Opfergetue geht einem schon auch auf den Geist.“
    „Diese mittlerweile dämliche und stellenweise auch staatsgefährdende Scheinrealismusideologie und – orgie, die derzeit stattfindet, könnte man psychologisch und neurologisch in der Luft zerreissen.“
    #46:
    „Wie kommen eigentlich verschiedentliche Interpreten dazu, den Idealismus der Unbesonnenheit zu bezichtigen?“

    Das mit dem „sich selbst zum Opfer zu machen“ ist sicher eine Möglichkeit. Doch es gibt noch andere. So z. B, als Trittbrettfahrer sich an das dranzuhängen, was Sie „Scheinrealismusideologie“ nennen. Das bietet dann die Möglichkeit, wenn die geistigen Mittel fehlen, sich in den Vordergrund zu schieben. Oder schlicht der „Spaß“ daran, andere in ihren moralischen Grundüberzeugungen herabzusetzen. So klinkte sich z.B. einer mit völlig wirrem Zeug in meinen Blogtalk „Gerechtigkeit und Selbstgerechtigkeit in Online-Debatten“ (13.10.2014) ein, um schließlich freimütig seinen „Spaß“ an der Verunsicherung anderer durch Hassmeils zu bekennen.

    Nun will ich hier aber keine Motivforschung betreiben, schon gar nicht gegenüber Menschen, die ich nicht kenne.
    (Da tut sich ja schon mancher Kiminologe oder Richter ganz schön schwer, der sich auch auf psychologische Gutachten stützen kann.)
    Solchen Blödsinn überlasse ich also lieber anderen. (Ich habe hierauf ja schon mehrfach darauf verwiesen, zuletzt hier in #26.)
    Lassen wir also mal eine (durchaus berechtigte) Empörung darüber und wenden wir uns nüchtern dem zu, worauf es wirklich ankommt: Eine politische Analyse über Funktion und mögliche Folgen.

    Da sticht zunächst einmal ins Auge, dass das, was da so forsch daherkommt, letztlich ein Eingeständnis eigener Schwäche und Unbedarftheit darstellt. Bei Pegida völlig offensichtlich.(Habe ich z.B. im Thread „Reden mit Pegida“ unter #81 zu analysieren versucht.) Ist ja auch klar, dass, wer sich von dumpfen Bauchgefühlen leiten lässt, nicht mit rationalen Argumenten punkten kann, es demnach mit anderen Mitteln versucht.

    Nun aber mal etwas systematischer, ausgehend von mittlerweile recht beliebten Methoden, die man (z.T. auch hier) beobachten kann:
    1. Einzelfälle verallgemeinern und, statt ihnen nachzugehen, zur Erzeugung von Stimmungen nutzen (vgl. hier einige Nachfragen von Bronski).
    2. Ursache und Wirkung vertauschen, um Spekulationen anzuhängen (z.B. „Merkel hat die Flüchtlinge geholt.“).
    3. Kurzschließen und ganze Teile der Wirklichkeit systematisch ausblenden (z.B.:Was soll nun mit längst anwesenden Flüchtlingen geschehen, die nicht wegzuzaubern sind?).
    4. Von anderen detailliert festgezurrte Strategien verlangen, aber selbst keine bieten.
    5. Motivforschung betreiben, also die Psyche des Gegenüber ins Zentrum rücken, statt die Sache zu analysieren und (wenn möglich) zu einer Synthese zu führen.
    6. Hemmungslos emotionalisieren und polarisieren.
    7. Hemmungslos Verschwörungstheorien nachjagen und zur Realität erklären.
    8. Begriffe verdrehen, mit emotionalen Inhalten füllen und so einer rationalen Auseinandersetzung den Boden entziehen (ganz oben das bekannte Unwort – Sie wissen schon – nach dem Motto: aus „Idealisten“ mach Naivlinge mit gestörter Wirklichkeitswahrnehmung, aus Egoisten und notorischen Schwarzsehern mach „Realisten“ usw.)
    9. Verantwortungsgefühl und gesellschaftliches Engagement lächerlich machen (etwa: aus engagierten Helfern mach Menschen, die sich auf „Idealismus ausruhen“, vgl.#6)
    10. Grenzen des Erträglichen austesten und immer weiter verschieben (Hassmails usw.)

    Allen diesen Methoden ist eines gemeinsam:
    Sie schlagen, in einfacheren Formen (etwa 1-5) grundlegende Regeln sachlicher Argumentation in den Wind, verhindern so einen sachbezogenen und zielführenden gesellschaftlichen Diskurs. Und sie zielen, in den gesteigerten Formen (6-10) auf Unterhöhlung von Grundwerten und Regeln, die einen gesellschaftlichen Konsens ausmachen.

    Sicher hat das alles viel mit Internetkommunikation zu tun, die Globalisierung eben auch archaischer Instinkte erlaubt. Und sicher ist es kein Zufall, dass sich dies in dem Moment zu immer neuen Paroxysmen aufheizt, in kollektive Paranoia umzuschlagen droht, wo die Folgen von unverblümtem Eigeninteresse und Machbarkeitswahn in Menschengestalt vor der eigenen Tür stehen.
    Natürlich geht es bei dem, was man (in Verkehrung von Ursache und Wirkung) fäschlicherweise „Flüchtlingskrise“ nennt, um weit mehr als nur ein Verteilungsproblem. Es geht auch um den Versuch, das geahnte Ende eines faktisch fortbestehenden Kolonialismus mit Beschwörung und Verdrängungskünsten hinausschieben zu wollen -und eben auch mit Aufgabe zivilisatoischer Errungenschaften.
    Es ist also die Nagelprobe dafür, wie es mit zivilisatorischen Errungenschaften und Werten tatsächlich bestellt ist. Und ich befürchte, die Diagnose fällt da nicht sehr ermutigend aus.

    Wut, Neigung, „in der Luft zu zerreißen“, was sich da an „Scheinrealismusideologie“ breit macht, ist da nur zu verständlich. Aber nicht sehr zielführend.
    Besser wohl, die eigenen Möglichkeiten, den eigenen – auch bescheidenen – Beitrag dazu auszuloten, den erwähnten „Umschlag in kollektive Paranoia“ zu stoppen.
    Was nun z.B. den Blog hier angeht:
    Deutlich zu machen, dass, wer mit selbstbezogenem Gejammere hausieren geht, mit dumpfen Verweisen auf Stimmungen, die behaupten, „das Volk“ zu sein, zumindest hier nicht damit zu rechnen hat, seinerseits mit Samthandschuhen angefasst zu werden.
    Methode „Schmidt-Schnauze“ eben.
    Und das auch in ehrendem Gedanken an einen großen Staatsmann.
    Vor allem aber schlicht und ergreifend deshalb – egal, wieviel „Tugendprotzerei“ man mir da unterstellt -, weil eine „verantwortete Meinung“, eine Verantwortlichkeit auch gegenüber dem „Gemeinwohl“ (welch veraltetes Wort!) es nun mal verlangt.

  50. # 26

    Herr Engelmann,
    ich hab’s Ihnen schon mal geschrieben, dass Ihr inquisitorischer Stil mit allerhand Rabulistik versehen keine weiterbringende Debattenkultur hervorruft. Sie verhindern mit Ihrer Art, Teilaspekte aus den Texten Ihrer Mitdiskutanten zu isolieren, die vom Autor mitgegebene Konnotation des Gemeinten ans Tageslicht zu verhelfen. Ich gebe Ihnen zwei Beispiele, auch wenn ich befürchte, dass sie daraus keine Konsequenzen ziehen und Ihren Stil weiterhin pflegen werden. Ich schrieb von einer von oben verordneten Willkommenskultur. Daraus entwickeln Sie die Frage: „Wer hat hier eigentlich wann was ‚von oben verordnet‘?“ Sie tun so, als hätte ich geschrieben, die Oberen, also die Regierung, hätte ein Gesetz erlassen, das wir zu befolgen hätten, weil wir ansonsten bestraft werden würden. Das ist natürlich Unsinn, weil so nicht verordnet wird. Das wissen Sie auch. Vielmehr wird der gesamte PR-Apparat benutzt, diese Willkommenskultur, wie auch immer sie aussehen mag, zu etablieren. So haben etwa die rheinland-pfälzischen Mehrheitsfraktionen einen Antrag ins Landesparlament an ihre eigene Regierung eingebracht, in dem steht: „Der Landtag fordert die Landesregierung auf, die Einrichtung von Welcome Centern in Rheinland-Pfalz zu ermöglichen… Die Welcome Center können dazu beitragen, die Willkommens- und Anerkennungskultur für Eingewanderte aus aller Welt weiter zu verbessern.“ Darunter waren natürlich auch Mitglieder der Regierung, sofern sie Landtagsabgeordnete sind. Dieser Beschluss wird dann über die Medien an die Bevölkerung herangetragen, um seine Wirkung zu entfalten.

    Viele Wählerinnen und Wähler werden somit in einen Konflikt hineingetrieben, weil sie nicht mehr sagen können, was sie denken und fühlen. Wer kann schon gegen eine Willkommenskultur sein, ohne gleich in die rechtsradikale Ecke gestellt zu werden? Das ist praktisch nicht möglich. Denn Willkommenskultur ist etwas Positives, steht doch inzwischen auf jedem zweiten Fußabtreter am Hauseingang das Wort ‚Willkommen‘ oder ‚Welcome‘. Ist es nicht legitim, z.B. Angst vor der Masse an Flüchtlingen und den daraus resultierenden mögliche Folgen zu haben, auch wenn sie diffus geäußert wird? Gerade heute hörte ich im DLF eine Reportage, die dem Tenor nach für Verständnis für die Flüchtlinge warb. Immerhin wurde kurz am Rand bemerkt, dass in Köln eine Konkurrenzsituation auf dem Wohnungsmarkt zwischen Flüchtlingen und Studierenden besteht. Aber darüber sollte man doch reden zu können, ohne die Keule der Willkommenskultur über sich schweben zu haben.

    Das zweite Beispiel, das ich herausgreifen möchte, ist Ihr Anwurf: „Wer ‚ruht sich auf seinem Idealismus aus‘? Woran machen Sie das fest?“ Dazu möchte ich die Ausgabe der FAZ vom 10.11.2015 zu Hilfe nehmen, die den idealismusverkündenden christlichen Kirchen vorwirft, Äußerungen zu tätigen, die „nicht von dieser Welt“ seien und die Auffassung vertritt, dass Normen „kontextabhängig“ seien. Man müsse auch die Folgen mit in den Blick nehmen. Und dann frägt, wozu es Vernunft brauche, wenn man die Glaubensmoral gepachtet habe. Eine Folge dieser Haltung könnte die von der FR auf Seite eins aufgeworfene Frage sein: „Wird Europa von den Rechten gekapert?“ (10.11.15)

  51. zu # 48 Bronski

    Ich habe die Stadt Ellwangen nicht besucht, das wissen Sie auch. Welchen Vorwurf habe ich erhoben? Sie unterstellen mir anscheinend einen Vorwurf, den ich gar nicht erhoben habe.

    Der Bericht war – soweit ich mich erinnere – in einem der öffentlich rechtlichen Programme – nicht gerade verdächtigt irgendwelche schlimmen Nachrichten über Flüchtlnge verbreiten zu wollen.

    Sie gehen von einer von mir vertretenen Meinung aus, aber das trifft nun gerade nicht zu. Hier geht es nicht um meine (nicht zu beweisende) Meinung, sondern schlicht um einen Bericht im Fernsehen. Unterlegt mit Zahlenangaben zu den untergebrachten Flüchtlingen. Also nachprüfbar. Sie können mich also (vermuteter) Lügen leicht überführen.

    Ich habe mir nicht die Ladendiebstähle und auch nicht die erhöhte Polizeipräsenz aus den Daumen gesogen. Auf diese Feststellung lege ich Wert.

    Noch Eines zum Abschluss.

    Schweden führt (vorübergehend) Grenzkontrollen wieder ein. Schweden kann nicht mehr genügend Unterbringungsmöglichkeiten für Flüchtlinge bereitstellen. Es werden Flüchtlinge in beheizten Zelten den Winter verbringen müssen.

    Das war in den letzten Nachrichten des hessischen Rundfunkds zu hören. Ist das Ihrer Bewertung nach wieder als meine Meinung einzustufen oder nur als eine schlichte Information?

    Ich räume ja ein, dass Sie mir journalistisch haushoch überlegen sind und ich ihnen auf diesem Sektor nicht das Wasser reichen kann.

  52. zu # 45 BvG
    „Wo gebacken wird, da fallen Späne…“

    Alle Achtung!

    Sie haben sogar Humor. Hätte ich gar nicht erwartet.

    Nehmen Sie die Späne, um Brot zu backen? Auf dem Münchner Hauptbahnhof?
    Etwa Buchenholz, um dem Brot einen ungewohnten Geschmack zu verleihen?

  53. @ runeB

    Wenn der Bericht, auf den Sie sich beziehen, im öffentlich-rechtlichen Programm war, dann wird er sich ja wohl in irgendeiner Mediathek finden und hier verlinken lassen. Dazu müssten Sie nur die URL, die Adresszeile in Ihrem Browser, hier hineinkopieren. Es geht nicht darum, Ihnen etwas zu unterstellen, sondern es geht darum, dass Sie etwas behaupten, was Sie nun belegen müssen. Bevor das nicht passiert ist, glaube ich Ihnen die Sache mit den Ladendiebstählen in Ellwangen nicht. Und solange Sie den entsprechenden Link nicht beigebracht haben, sind Sie derjenige, der hier im FR-Blog diese Behauptung aufstellt, nicht jener öffentlich-rechtliche Sender, welcher auch immer das gewesen sein mag.

  54. #55 runeB
    Googeln zu Ellwangen und Ladendiebstahl brachte folgendes Ergebnis aus der SuedWest Presse:
    Das Ergebnis: Durch die Bank waren es Mücken, die zu Elefanten fettgeredet wurden. Beispiel: Vor C&A soll ein neunsitziges Polizeiauto gehalten haben, die Beamten hätten sich geduckt, damit niemand sehe, dass sie in so großer Zahl da sind. Dann sei „der Laden gestürmt“ worden. Die Wahrheit: In dem Auto saßen zwei Polizisten. Die nahmen zwei Ladendiebe in Empfang. Ende der Geschichte.

    Und das jüngste Gerücht zu guter Letzt: C&A und K&L Ruppert wollen angeblich demnächst wegen der vielen Diebstähle schließen. Fakt ist: Völliger Blödsinn. C&A und K&L dementieren das energisch. Keine Rede davon. Wer redet solches Blech?

  55. In #50 habe ich zur Beschreibung besorgniserregender Entwicklungen des gegenwärtigen Diskurses das Bild des „Paroxysmus“ gebraucht, in Anspielung auf das Unbeherrschte resp. Unbeherrschbare, wie es sich bei Vulkanaubrüchen oder, in medizinischer Hinsicht, bei Ausbruch von Krankheitssymptomen zeigt. wiktionary.org fügt dem eine weitere interessante Bedeutung hinzu: den „Paroxysmus der langen und blutigen napoleonischen Kriege“.
    Solche Bildhaftigkeit verlangt natürlich nach konkreten Belegen, wenn sie glaubhaft und angemessen sein soll.

    Hier nun ein solches Beispiel, das ausgerechnet der ehemalige Neuköllner OB Buchkowsky bei „Anne Will“ lieferte, den ich aufgrund seiner zweifellos vorhandenen Erfahrungen auf dem Gebiet der Integration und seines Pragmatismus bisher durchaus schätzte.

    Es gäbe viele Fragen, bei denen eine sachlich fundierte Einschätzung eines (ehemaligen) Praktikers hilfreich wäre.
    Z.B. die nach den Auswirkungen der Abschreckungspolitik à la De Maizière, so der Wieder-Inkraftsetzung von Dublin oder dem Aussetzen des Familiennachzugs für Syrer.
    Dazu Maya Alkhechen, in fließendem Deutsch, 2013 unter Lebensgefahr mit Mann und Kindern aus Syrien über Ägypten und das Mittelmeer geflohen, da es in dem Camp (3 Mio. allein in Ägypten!) so gut wie keine Lebensgrundlage gab:
    „Afghanen, die hören, sie würden alsbald zurück in ihr für sicher erklärtes Heimatland befördert, tauchen ab. Familienväter, die in der Hoffnung enttäuscht werden, dass ihre Familie nachziehen können, begeben sich erneut in die Türkei oder nach Ägypten und kommen das nächste Mal gemeinsam mit Frau und Kindern.“
    Und ihr Fazit der Diskussion bei Anne Will: „Was ihr in den letzten 75 Minuten an Argumenten begegnet sei, vermittele ihr nur den Eindruck, erneut abgelehnt zu werden. So verfliege jeder Integrationswille. Die Willkommenskultur braucht eine erfahrungsgestützte Pragmatik. Und ja, dafür wäre auch Differenzierung nützlich.“
    (http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/tv-kritik/tv-kritik-anne-will-millionen-syrer-machen-den-faktencheck-13907754-p2.html)

    Differenzierung, Fakten fordert auch der Tübinger OB Boris Palmer (Link unter #36):
    „In der Flüchtlingsdebatte scheint es nur Extreme zu geben. Dabei brauchen wir eine lösungsorientierte Debattenkultur in einer zutiefst strittigen und den Kern des menschlichen Daseins berührenden Frage. (…)
    Wenn es keine Klarheit über die Fakten gibt, gedeihen Halbwahrheiten und Spekulationen. Die Gesellschaft kann nur angemessen diskutieren, wenn es klare Grundlagen gibt.“

    Auch hier wären Sachkenntnis und Lösungsstrategien eines Herrn Buschkowsky gefragt.
    Was aber kommt dem in den Sinn?
    „Auch für einen starken Spruch ist Buschkowsky sich nicht zu schade, den hat er eigens zu diesem Zweck als Geschenk für Frau Peter mitgebracht: Mit Moralimperialismus kommen wir auch nicht weiter.
    Welchen pragmatischen Sinn es hat, eine Rhetorik des „wir schaffen das nicht“ anzustimmen, bleibt das Geheimnis von Heinz Buschkowsky und Peter Ramsauer.“
    (zitiert nach TV-Kritik“Anne Will Millionen Syrer machen den Faktencheck“ von Hans Hütt, Feuilleton der FAZ vom 12.11.2015, a.a.O.)

    Was für ein Verfall der Diskussionskultur!

  56. zu # 58 I.Werner

    Vielen Dank für diesen Link, den ich mir sofort angesehen hab.
    Meine Frage: Unter dem Text der Hinweis: Stand 20.5.2015 16.26

    Beziehen sich diese Angaben auf den Inhalt des Links? Dann wäre es ein Bericht vor fast einem halben Jahr und somit nicht aktuell. Der Bürgermeister von Ellwangen beklagte sich, dass das Land B.-W. sich nicht an die Planung, 1000 Flüchtlinge unterzubringen, gehalten habe. Jetzt seien es schon 3000.

    Möglicherweise weisen Sie auf einen älteren Beitrag als in der aktuellen Situation hin. Ich kann mich bei meinem Beitrag nur auf mein Gedächtnis stützen, mehr habe ich auch nicht behauptet.

  57. zu # 40 s. Vollmershausen

    “ … eine Willkommenskultur, aber es muss nun zwingend eine Verteilungskultur ins Abendland erfolgen, dort wo Platz ist und nicht dort, wo es bereits dicht bevölkert ist. Wir schaffen das, ergänzt um : das andere Länder mit uns mitziehen“

    Nach meinem Kenntnisstand sollen 160 000 Flüchtlinge EU-weit verteilt werden. Tatsächlich verteilt wurden 136 Flüchtlinge. Das ist die derzeitige Lage, von europäischer Solidarität kann man da beim besten Willen nicht reden.

    Unsere Regierung räumt inzwischen ein, nicht die Zahl der in den Erstaufnahmen untergekommenen Flüchtlinge zu kennen.

    Das ist nicht gerade beruhigend für diejenigen, die der massiven Zuwanderung eher skeptisch gegenüberstehen.

  58. Ein Bericht zur Lage an der Außengrenze Stand 28. Oktober, der erschreckend offenbart, dass weder Griechenland noch die Türkei an einer Überwachung dieser Grenze interessiert sind. Vielmehr drängt sich der Eindruck auf, dass die Flüchtlinge als Druckmittel gegen die EU und insbesondere gegen Deutschland eingesetzt werden.

    „Unser Ziel war es, die Aktivitäten der Schleppermafia zu dokumentieren. “

    (….)

    Es wird immer wieder darauf hingewiesen, dass die Außengrenzen der EU überwacht werden sollen. Doch offenbar sieht die Realität völlig anders aus.

    Herr Bronski,

    ich kann keinen Link liefern, sondern habe den Beitrag abgetippt. Hoffentlich reicht das als Beweis für meine Glaubwürdigkeit.

    (…) Passage gelöscht, da vermutlich urheberrechtlich geschützt.
    Gruß, Bronski

  59. @ runeB, #55
    „Allerdings sieht es so aus, dass allmählich die Stimung kippt.“

    – Verstehe ich Sie recht, dass die Richtigkeit von Argumenten vorrangig von Wasserstandsmeldungen über die Stimmung im Land abhängt?

    @ Rudi, #51

    „Ihr inquisitorischer Stil mit allerhand Rabulistik versehen“
    „die Keule der Willkommenskultur über sich schweben“

    – Werter Herr Rudi,
    Ihr Schicksal dauert mich sehr.
    Nach eingehender Beratung mit dem Inquisitionsgericht bin ich als Oberinquisitor zur Auffassung gekommen, dass die Tatsache der Nachfrage zu einer Behauptung in einem Online-Blog, kombiniert mit der über Ihnen schwebenden Keule der Willkommenskultur durchaus einer „peinlichen Befragung“ gemäß dem päpstlichen Erlass „Ad Extirpanda“ aus dem Jahr 1252 gleichzusetzen ist.
    Damit Ihnen keine bleibenden geistigen Schäden zugefügt werden, hat das Inquisitionsgericht beschlossen, auf ein weiteres Folterverhör zwecks Wahrheitsfindung unter der Auflage zu verzichten, dass Sie sich hinfort weiterer Verdächtigungen gegenüber dem Oberinquisitor enthalten.

  60. @ runeB

    Sie dürfen keine vollständigen Texte anderer Zeitungen hier hineinkopieren. Das musste ich kürzlich auch Rudi und anderen sagen. Diese Texte sind urheberrechlich geschützt. Der Artikel, den Sie in Kommentar nr # 62 zitieren, ist in der Welt erschienen und hat folgenden Link:

    http://www.welt.de/print/die_welt/politik/article148548189/Ausser-Kontrolle.html

    Es war ganz leicht, ihn zu ixquicken. In diesem Artikel steht meines Erachtens nichts, was nicht auch schon in der FR stand.

  61. @ 59; BvG

    Wenn Dir nix mehr einfällt, mein Lieber, dann will ich Dich daran erinnern, daß Du an Deiner Philippika, mich betreffend, noch einige Korrekturen vorzunehmen hast.

  62. zu # 64 Bronski
    Ich habe kein vollständigen Artikel abgetippt, sondern nur einige Passagen. Kenntlich gemacht duerch … Auslassungen.
    Dass Sie als Journalist sich in den Medien besser auskennen als ich und wissen, wo Artikel zu finden sind, dürfte unbestritten sein.

    zu # 63 W. Engelmann
    – Verstehe ich Sie recht, dass die Richtigkeit von Argumenten vorrangig von Wasserstandsmeldungen über die Stimmung im Land abhängt?

    Was soll diese Unterstellung.

    Sie haben früher schon besser argumentiert.

    Im Übrigen muss die Politik auch Stimmungen in der Bevölkerung berücksichtigen.

  63. @ runeB, #66

    Na ja, das ist nun mal so ’ne Sache mit der Ironie. Hat nämlich mit „Argumentieren“ nicht allzu viel zu tun.
    Man kann sich aber z.B. bei Wikipedia erkundigen, unter „rhetorische Ironie“:
    „Der ironisch Sprechende zeigt durch die ironische Indirektheit an, dass er den ironisch Kritisierten als einsichtig einschätzt und er auf direkte Kritik verzichten kann.“
    – Also nichts für ungut!

  64. Thema: Salafismus und Terrorismus – importiert oder hausgemacht?
    Ein ausgezeichnetes Interview von Viktor Funk mit der systemischen Familienberaterin Berna Kurnaz in der FR vom 8.11. („Salafismus Hilfe, meine Schülerin verschleiert sich“), das leider viel zu schnell verschwunden ist. Darum hier der Link:
    http://www.fr-online.de/wissenschaft/salafismus–hilfe–meine-schuelerin-verschleiert-sich-,1472788,32361310.html

    Frau Kurnaz weiß nicht nur bestens Bescheid über die Möglichkeiten, wie junge Menschen in den Sog des Terrorismus geraten, sie weiß auch Rat, wie man damit umgehen kann.
    Und sie weist nach, wie unverantwortlich, weil problemverschärfend das Gerede über per Flüchtlinge importierten Terrorismus ist. Schon weil solcher ohne hausgemachte Bereitschaft dazu gar nicht möglich wäre. Eine Sprechblase, die genauso platzen wird, wie die durch die BKA-Studie nun wiederlegte Behauptung des Imports von Kriminalität.
    Danke, Viktor Funk! Es sind genau solche Beiträge, die wir in einer zur Hysterie aufgeheizten Atmosphäre brauchen.

    Hier einige wenige Antworten von Frau Kurnaz:
    „An sich ist es ja kein importiertes Phänomen, das hat nichts mit Migranten zu tun, es sind in der Regel deutsche, in Deutschland geborene und sozialisierte Jugendliche.“
    „Es gibt eine latente Islamfeindlichkeit und die äußert sich unterschiedlich. Und etwas gegen diese gefühlte Ablehnung und die Ohnmacht tun zu wollen, ist eine wichtige Motivation für Jugendliche. Und Erwachsene reagieren darauf manchmal mit Unverständnis.“
    „Das Muster hinter dem Religiösen ist den Pädagogen bekannt: Ein junger Mensch sucht nach Orientierung und Selbstwirksamkeit.“
    „Wichtig ist, dass alles ohne Alarmismus geschieht. Wir müssen ruhig und professionell den Sozialraum eines Jugendlichen begreifen.“

  65. @petersmark
    Na, so schlimm war’s doch nicht..?

    Du hast die Fluchtgründe der Personen in Zweifel gezogen und das sollte man, meiner Ansicht nach, nicht tun.

    Meine Reaktion auf das „IPhone“ Argument rührt daher, daß in vielen Diskussionen von Flüchtlingen „Armut“ erwartet wird, was allerdings mit der Notwendigkeit zur Flucht gar nichts zu tun hat.

  66. @ 69; BvG

    Schlimm genug!

    Ich habe die Fluchtgründe nicht generell in Zweifel gezogen, bin aber der Meinung, daß sie im Anerkennungsverfahren sehr streng geprüft werden müssen.

    Obwohl ich selbst nicht mal ein Handy habe, mißgönne ich keinem Immigranten sein iPhone. Aus der vorgeblichen Notwendigkeit dieses Kommunikationsmittels habe ich halt meine Schlüsse gezogen.

    Und ich denke schon, daß den Menschen, die aus Ländern mit einem niedrigeren Lebensstandard zu uns kommen, eine gewisse Bescheidenheit abverlangt werden kann, zumal sie ja darauf angewiesen sind, mit dem auszukommen, was sie hier für ihren Lebensunterhalt zur Verfügung gestellt kriegen. Nur heißt das nicht, daß sie sich eine Behandlung als Menschen zweiter Klasse gefallen lassen müssen.

  67. 68 Werner Engelmann 13. November 2015 19:09 http://frblog.de/koalition2/#comment-38269

    „Vergesst nicht, mir mein altes Deutschland wiederzugeben“: Imad Karims Appell an das deutsche Volk“
    http://www.statusquo-news.de/vergesst-nicht-mir-mein-altes-deutschland-wiederzugeben-imad-karims-appell-an-das-deutsche-volk/

    Imad Karims schrieb, vor Jahren habe er Neukölln besucht und den Stadtteil nicht mehr erkannt. Er dachte, er befände sich in Kabul. […] Alle seien fromme und gläubige Moslems geworden, die felsenfest überzeugt seien, Deutschland werde in naher Zukunft islamisch und die Christen oder Juden, die sich nicht zum Islam konvertiert werden wollten, müssten dann Kopfsteuer (Jizia الجزية) zahlen und sich damit abfinden, Menschen zweiter Klasse zu sein. Seine „Freunde“ von damals sagten ihm auf seine Frage hin, „ja, wir müssen Hindus, Buddhisten und sonstige Götzenanbieter töten. Bitte verstehe uns nicht falsch, wir haben nichts gegen diese Menschen, aber wir müssen Gottes Befehl folgen.“

    Sätze von Berna Kurnaz wie: „An sich ist es ja kein importiertes Phänomen, das hat nichts mit Migranten zu tun, es sind in der Regel deutsche, in Deutschland geborene und sozialisierte Jugendliche.“ wirken natürlich ablenkend oder sogar bewusst irreführend, denn wo wird der Bezug zur Migration unterbrochen, weil der Jugendliche hier geboren ist.

    Wir dürfen vielleicht nicht belehrend aber wir müssen eindeutig lehrend auf die Jugendlichen zugehen. Wir brauchen in unseren Schulen ein Fach, nennen wir es Weltanschauungswissenschaften, welches verpflichtend ist und alle(!) Weltanschauungen unter dem Maßstab der Menschenwürde einer ethischen, philosophischen und juristischen(!) Prüfung unterzieht. Ein Fach also das ethisch-philosophische und grundgesetzliche Kenntnisse von frühester Kindheit an vermittelt. Gleichzeitig werden im Religionsunterricht keine Noten mehr vergeben. Dann werden Kinder von muslimischen Eltern ein Schulfach belegen, dass auch den Islam rational hinterfragt. Und Muslime mit menschenrechtswidersprechenden Einstellungen werden sich dann vielleicht fragen, ob sie herkommen oder hierbleiben wollen. Das zu einem humanen Rechts- und Wertesystem ein Beschneidungs- und Schächtungsverbot gehört, muss nicht nochmals ausgeführt werden.

  68. zu # 67 Werner Engelmann
    Na ja, das ist nun mal so ’ne Sache mit der Ironie. Hat nämlich mit „Argumentieren“ nicht allzu viel zu tun.

    Das habe sogar ich begriffen.

    Für mich klang das reichlich kryptisch, um nicht zu sagen enigmatisch.

    Vermutlich bin ich nicht so gelehrt wie Sie, mit dieser Erkenntnis muss ich wohl von nun an leben. Ich werde das aber tapfer ertragen.

  69. @ all

    Ich habe in den Kommentar von Steffen Wasmund eingegriffen und die Passage von Imad Karim in indirekte Rede übertragen. Meine Bitte an alle: Wenn Sie nicht allein auf das Verlinken vertrauen, sondern längere Textpassagen in Ihre Kommentare einbetten, muss das in indirekter Rede passieren. Bei solchen Texten besteht immer die Möglichkeit, dass ihre Urheber ihr Urheberrecht geltend machen. Satzweises Zitieren ist dagegen kein Problem.

  70. Mein Vater schrieb 1946 aus sowjetischer Gefangenschaft an meine Mutter:“Die größte Weisheit und die klügste Tat ist doch die Menschlichkeit“.
    In der Metatagesschau vom 24.11. zum Thema: Einsatz von Flüchtlingen im Bundesfreiwilligendienst, stieß ich in einem Kommentar auf folgenden Satz: „Für mich macht das alles den Eindruck einer sehr ratlosen Politik, getrieben einerseits von verantwortungslosem „Gutmenschentum“ und andererseits überrollt von den völlig falsch eingeschätzten Folgen der eigenen falschen Politik („Asyl kennt keine Obergrenze).“
    Was ist mit der Bezeichnung „Gutmenschentum“ gemeint? Sicher nichts positives, sondern ein fragwürdiger, weltfremder und unverantwortlicher Luxus, der auf Kosten der Armen und Schwachen geht und Land und Leute gefährdet. Ich stelle mir die Frage, ist Menschlichkeit per se gerecht, weise und notwendig oder hängt das vom Ausmaß, den Umständen und den Menschen ab, die sie brauchen? Kann es sein, dass Menschlichkeit unverantwortlich ist?
    Soweit ich die Geschichte der Menschheit kenne, ist mir kein Fall bekannt, dass ein Zuviel an Menschlichkeit je eine Katastrophe ausgelöst hätte; es war immer ein Zuwenig. Bis zum Beweis des Gegenteils glaube ich deshalb: Die größte Weisheit und die klügste Tat ist doch die Menschlichkeit.

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