Wir Wähler wollen den Unterschied!

Rita Betz-Taubel aus Frankfurt, die sich auch zu den Koalitionsverhandlungen im Bund geäußert hat, schrieb mir einen weiteren Leserinbrief zu den Vorgängen in Hessen. Da ist nämlich immer noch nicht klar, worauf es hinausläuft. Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) hat sich als Meister des Taktierens erwiesen. Zurzeit ist Schwarz-Grün offenbar genauso möglich wie eine Große Koalition. und sogar eine Minderheitsregierung. Nur eine Konstellation scheint vom Tisch zu sein: Rot-Grün-Rot. Der Linken wird Realitätsverweigerung vorgeworfen. Zu diesem Kuddelmuddel nun mahnende Worte.

Wir Wähler wollen den Unterschied!

Von Rita Betz-Taubel

Wir, ich denke es geht vielen Wählern der SPD so, warten endlich auf ein Nein der Hessen-SPD durch Thorsten Schäfer-Gümbel (TSG) an die CDU, dass mit ihnen keine Koalition zustande kommen wird. TSG sollte endgültig zu seinem Wählerauftrag stehen, die derzeitige Koalition der CDU/FDP abzulösen und sie dorthin zu verweisen wo sie hingehört, und zwar in die Opposition.

Uns allen hat das Wahlergebnis gezeigt, dass CDU und FDP keinen Regierungsauftrag erhalten haben, weder im Land noch im Bund – oder haben sie die absolute Mehrheit bekommen? Es ist wohl doch etwas zu viel Negatives und Bürgerfeindliches und vor allen Dingen Bedrohliches für die in unserem Grundgesetz verankerten Rechte für uns Bürger durch die CDU/FDP-Regierenden passiert, auch im Bezug auf unsere Freiheit auf Meinungsäußerung, Demonstrationsrechte, Abhörskandale, Menschenrechtsverletzung, Reformen, Bankenrettungsschirme, gescheitere Gesundheitspolitik, Verschönerung des Sozial- und Armutsberichts etc. – so dass der eindeutige Wählerwunsch an eine Dreier-Kette von Rot-Grün-Rot – und zwar „eine Gemeinsamkeit, eine Solidarität herzustellen“ – gegangen ist. Auch ein Tarek Al-Wazir, den man in Berlin ebenfalls abgestraft hat, müsste das kapieren – oder muss auch er erst komplett geschasst werden?

Wenn sich die SPD auch unter Thorsten Schäfer-Gümbel weiterhin schwertun wird, sich einer ähnlich sozial denkenden Partei wie der Linken zu öffnen, nur weil Animositäten alter, bereits abgehalfterter Machtmenschen der SPD sich auch weiterhin gegen einen ehemaligen Genossen stellen und mit all ihrer Macht auch heute noch versuchen wollen, diesem und seiner Partei nachträglich eine auszuwischen, dann wird es endlich Zeit aufzuwachen, denn sonst ist die SPD in vier Jahren dort, wo sich nun die FDP wiederfindet – nämlich weg vom Fenster, die FDP hätte damit auch niemals gerechnet!

Da lob ich mir doch das emotional links schlagende Herz, das ein Oskar Lafontaine 1999 bildlich zitierte, als er die SPD verlassen hat. Denn es tut verdammt weh, wenn man aus einer Überzeugung heraus eine Partei verlässt, weil sie komplett von dem Weg der Väter, die sie gegründet haben, abgekommen ist, und wenn man nichts mehr verändern kann, weil man gegen die Windmühlen (Kapitalismus) ankämpfen muss und mit jeder zu treffenden parteipolitischen Entscheidung gegen die eigene sozialistische Überzeugung verstößt, dann sollte man wirklich lieber gehen. Ehrlicher geht es nicht, Willy Brandt hätte es ihm wohl gleich getan.

Wünsche dem TSG, dass er den Mut aufbringen wird sich nicht vom Bundesvorstand der SPD bevormunden zu lassen und sich hier in Hessen auf etwas Neues und Erfolgreiches mit Rot-Grün-Rot einlassen wird, um die amtierende CDU-Regierung, die Hessen in den Jahren ihrer Regierungszeit in ein finanzielles Desaster gestürzt hat, abzulösen. Vielleicht würde eine solche Entscheidung auch den Bundesvorstand der SPD aktivieren, von einer großen Koalition Abstand zu nehmen und sich dieser Kombination zu widmen. Eine große Koalition – ob auf Landes- oder Bundesebene bedeutet vier weitere Jahre Stillstand, geschönte Zahlen des Sozial- und Armutsberichte, geschönte und gezielt gestreute Nachrichten, geschönte Arbeitsmarktzahlen etc.

Wir Wähler wollen auch keine Einheitspartei, wie es sie in der ehemaligen DDR gab, wir wollen den Unterschied. Wir wollen die Freiheit, die Wahrheit und eine Regierung, der wir vertrauen können und die uns nicht von vorne nach hinten belügt. Das haben wir derzeit nicht, denn sonst wären CDU und FDP im Land- und im Bund nicht abgewählt worden. Auch ein bisschen Mehrheit an Wählerstimmen zu haben heißt eben nicht, wie es uns von der Wirtschaft und den Medien gerne vermittelt wird, dass damit auch der Gewinner oder Sieger einer Wahl feststeht – nein, Gewinner einer Wahl ist die Partei, die es schafft eine Mehrheit der Stimmen im Parlament hinter sich bringen kann, und das sind SPD – Linke – Grüne und nicht die CDU.

Ich kann der SPD nur wünschen, ein bisschen mehr Mut zu haben, sich gegen die alten „Macher“ in ihrer Partei durchzusetzen und Neues zu wagen.

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8 Kommentare zu “Wir Wähler wollen den Unterschied!

  1. Wenn ich die Berichte über die so genannten Sondierungsgepräche lese, sträuben sich mir die Haare. Es scheint mir, als ob die Vorsitzenden von SPD, Grünen und Linke geradezu nach Gründen suchten, wie sie den von der Mehrheit der hessischen Wähler erteilten Auftrag nun wieder los bekommen können, ohne das Gesicht zu verlieren. Es war klar und keinen hat es überrascht, dass Rot-Grün bei der Landtagswahl 2013 keine haushohe Mehrheit im hessischen Landtag bekommen würde. Trotzdem haben Sie jetzt die Chance, ein Führungsgremium mit neuen Ansichten und Zielen, an Gemeinschaft, Bildung und auch Umwelt orientiert, zu bilden. Sie haben es in der Hand! Ihre Diskussionen hingegen drehen sich im Vergleich dazu um Nichtigkeiten. Politische Programme sind doch hinterher das Papier nicht wert, worauf sie gedruckt wurden. Entscheidend ist doch, erreichbare Ziele mit einer klaren Struktur und Prioritäten zu setzen, und nicht, um Eindruck zu schinden, gleich die ganze Welt verändern zu wollen. Das schafft Ihr sowieso nicht. Ergo: Entweder Sie, Frau Wissler, Herr Schäfer-Gümbel und Herr al-Wazir, werden sich Ihrer Verantwortung gegenüber den vielen Wählern von Rot-Grün-Rot bzw. Nicht-Schwarz-Gelb-X bewusst und finden intelligente Lösungen, oder von mir bekommt keiner von Ihnen jemals wieder eine Stimme bei irgendeiner Wahl. Nie mehr!

  2. #1, Heinz,
    So ähnlich sehe ich das auch. Ich bin bei all dem was ich über „Hessen“ lese und höre völlig ratlos. Keine Strategie zu erkennen. Kein Veränderungswillen.
    Kein Mut, etwas Neues zu wagen.

  3. Wie es sich jetzt darstellt, kann die SPD sich „erhobenen Hauptes“ wieder in die Opposition begeben. Da kann sie 5 Jahre lang darüber nachdenken, was sie als „stärkste linke Kraft“ alles versäumt hat, um aus einer linken Mehrheit im Landtag wieder keine Regierung zustande gebracht zu haben.

  4. Wahrscheinlicher ist dass es im Falle einer Koalition jedes noch verbliebene Feuer für eine Basisdemokratie seitens der Linkspartei ablöschen würde.

  5. Schäfer-Gümbel hat sich als der Statist dargestellt, als den ich ihn von Anfang gesehen hatte. Endloses lavieren alias Sondierungsgespräche, um bloß keine Verantwortung zu übernehmen und zu handeln, statt Hessen eine neue Perspektive zu bieten. Es zeigt sich deutlich die festgefahrene Situation zwischen den drei als links geltenden Parteien in Hessen. Keiner will mit keinem so richtig. Und nun springen ausgerechnet die Grünen über ihren Schatten Richtung Koalitionsverhandlungen mit Bouffier. Nachdem sie erst die Sondierung mit der CDU haben platzen lassen, lockt nun wohl doch die Macht, daß alle vorhergehenden Differenzen zwischen beiden Parteien vergessen sind. Plötzlich bieten sich die Grünen als Steigbügelhalter Bouffiers an, nachdem sie sich noch nicht allzu langer Zeit eine klare Grenze gezogen, als sie von Bouffier massiv beleidigt wurden. Al Wazir schnurrt auf einmal wie ein Kätzchen, schwärmt von einer Zweckpartnerschaft und ihrem Nutzen. Es ist, als ob wir das nicht alles schon aus Frankfurt kennen, diese unselige Partnerschaft Schwarz-Grün, mit der nun auch die Hessen insgesamt beglückt werden sollen. Das läuft dann so, daß die CDU für mehr Straßenbau in Hessen sorgt, und die Grünen werden dafür sorgen, daß Alleen daraus werden. Prost Mahlzeit!

  6. Es ist ja nun nicht so, dass Schwarz-Grün die bevorzugte Variante der Grünen ist, aber, davor ziehe ich den Hut, die Grünen versuchen wenigstens ihre Inhalte in eine Regierung einzubringen. Das wird nicht zu 100% möglich sein. Ob das nun eine unselige Partnerschaft wird, kann man zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht beurteilen. ich sehe das nicht so pessimistisch. Es bringt auf jeden Fall Bewegung in die Parteienlandschaft und eröffnet neue Perspektiven (auch bundesweit), die man nicht so einfach abtun sollte.
    Wenn eine solche Koalition halbwegs erfolgreich arbeitet, ist es ein bitterer Schlag für all jene die Rot-Rot-Grün als das Zukunfstmodel sehen.

  7. Den werde ich mir wieder ausschneiden !
    <> heute in der FR von Stephan Hebel.
    Wer könnte die Situation in Hessen und im Bund noch besser beschreiben !?
    Die „kleine Überschrift“ fasst es gut zusammen :
    „Das Kürzel > ROT/GRÜN < kann man sich künftig sparen. Beide Parteien haben sich entschieden, der Union die Macht zu sichern. Auf Dauer schaden sie damit sich selbst und der Demokratie".

  8. Es ist schon klar das Zeitungen auch was schreiben müssen wenn es eigentlich nichts zu schreiben gibt. Einen Koalitionsvertrag bewerte ich erst wenn ich einiges über seinen Inhalt weiß. Das Parteien miteinander reden sollte normal sein in einer Demokratie. Wir sollten froh sein das dem so ist und für wen das dann gut ist wird sich zeigen. Das hängt auch wieder davon ab was bei dem Reden raus kommt. Also weiter abwarten.

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