Auch Michael Schumacher hatte einen Helm auf

Ich habe zur Frage, ob Radfahrer einen Helm tragen sollten, eine klare Haltung: Je nachdem – oder auch nicht. Aber wenn ich Geschichten lese wie die von dem Frankfurter, der kürzlich nach einem Sturz vom Fahrrad starb, denke natürlich auch ich: Wäre schon besser. Wobei nicht gesagt ist, dass der Helm das Leben des Mannes gerettet hätte. Aber er hätte wohl die Wahrscheinlichkeit erhöht.

Was ist geschehen? Ein 43-Jähriger fuhr 1. mit dem Rennrad 2. mit seinem achtjährigen Sohn auf der Längsstange 3. vom Bürgersteig auf die Fahrbahn und trug 4. keinen Helm. Er starb, der Sohn kam mit ein paar Kratzern davon. Ein tragischer Unfall und vier Fehler! Wenn es den Mann nur wieder lebendig machen könnte, über diese Fehler zu reden!

Rennräder sind auf Leichtigkeit und Schnelligkeit hin konzipiert und für einzelne Menschen gebaut. Jemanden auf der Längsstange mitzunehmen, auch wenn es sich „nur“ um ein Kind handelt, kann das Gleichgewicht komplett durcheinander bringen. Auch ein erfahrener Nutzer eines solchen Rades wird dadurch mit Fahrbedingungen konfrontiert, die er nicht gewohnt ist. Hier war also wohl Selbstüberschätzung im Spiel. Dann wagte der Mann auch noch ein Fahrmanöver, das schon unter normalen Bedingungen, also mit ihm allein im Sattel, Risiken birgt: Er wechselte vom Gehweg auf die Fahrbahn, d.h. er musste drei Faktoren koordinieren: 1. die Kurvenfahrt mit dem Rad, 2. das Überqueren des Bordsteins, 3. den Verkehr auf der Straße im Auge behalten. Ein vierter Faktor kam hinzu: der destabilisierende Sohn.

Trotzdem wird nicht über das Fahrverhalten von Radlern diskutiert oder darüber, dass die staatliche Ordnungsmacht, vulgo Polizei genannt, offenbar nicht einschreitet, wenn Rennradler mit Kindern auf der Längsstange auf Bürgersteigen fahren, sondern es wird wieder das Thema Helmpflicht hochgebracht. Ich frage mich, was das soll. Natürlich wäre es möglich, dass der Mann noch leben würde, hätte er einen Helm getragen. Doch bevor man diese Frage stellt, sollte man doch fragen, warum er die drei anderen Fehler gemacht hat. Die Hauptursache für tragische Unfälle mit Radfahrern im Straßenverkehr ist nicht, dass diese Leute keine Helme tragen, sondern es liegt daran, dass Menschen sich selbst überschätzen, infolge dessen die Kontrolle verlieren und sich und andere gefährden. Das kann ich täglich im Frankfurter Straßenverkehr beobachten. Es ist eigentlich ein Wunder, dass nicht viel mehr schlimme Unfälle passieren. Viele Radfahrer und auch Radfahrerinnen leben nur deswegen noch oder sind nicht körperlich schwer beeinträchtigt, weil andere für sie den Überblick behalten haben. Ich bin selbst Radfahrer und erlebe ständig Situationen, in denen ich nur den Kopf schütteln kann. Also, liebe Leute: Falsche Diskussion!

Trotzdem zum Thema Helmpflicht –> Hier.

fr-balkenLeserbriefe

Gerhard Sturm aus Nidderau meint:

„Vor einigen Jahren habe ich mich, zusammen mit meiner Frau, zu einer folgenschweren Radtour für meine Haartracht entlang dem Vulkanradweg von Glauburg Stockheim nach Hirzenhain und zurück aufgerappelt. Der Hinweg war, bedingt durch die stetige gleichmäßige Steigung, anstrengend aber wohl gesundheitsfördernd. Die Rückfahrt auf dieser Strecke ist an sich nicht anstrengender als eine Autofahrt. Gebüsch rechts, ein paar Häuser links, eine leichte Rechtskurve, ca. 15 km/h schnell, etwas Ablenkung und, vor der Kurve nicht zu sehen, ein bunt angestrichener Pfosten mitten auf dem Radweg. Da mein Rad, plötzlich und unerwartet, mit dem linken Pedal am bunten Pfosten zum stehen kam setzte mein Körper die Fahrt, vollkommen gelöst (Haltungsnote 9,9) mit einem gekonnten Salto (4 – 5 Meter) auf den geteerten Radweg alleine fort. Eine glückliche Landung auf beiden Füßen und leichtes Abrollen über das Hinterteil, leichte Prellung der linken Hand, 5 Zentimeter leichte Hautabschürfung, ein verbeultes Pedal. Die Radtour konnte ich noch zu Ende fahren. Um mein Glück oder Schutzengel nicht zu sehr zu strapazieren, müssen meine Haare bei einer Fahrt mit dem Rad jetzt grundsätzlich auf ihre Freiheit verzichten. Kein Radfahrer kann mir erzählen, dass er nicht auch einmal eine Sekunde unaufmerksam ist.
Für mich besteht seit diesem Erlebnis Helmpflicht! Ich hoffe, dass sich die vier von fünf Radfahrern die noch keinen Helm tragen, Gedanken darüber machen ob sie ihr Glück auch so strapazieren können!“

Volker Stein aus Frankfurt:

„Letztendlich muss es jeder verantwortlich für sich und seine Kinder selbst entscheiden. Der ums Leben gekommene Vater hat für sein Kind fast alles richtig gemacht. Ob er mit Helm noch am Leben wäre bleibt Spekulation. Besser wäre sicher gewesen, den Jungen nicht ‚auf der Längsstange mitgenommen‘ zu haben. Aber leider fahren viel zu viele Radfahrer unvernünftig.
Gerade heute im Westend wieder einen gesehen: In der rechten Hand den ‚to go‘ Kaffeebecher und eine Tüte mit ‚Brötchen‘, die linke am Rennlenker und bei ROT über die Kreuzung. Ohne Helm. Und das sieht man in ähnlicher Form täglich im Dutzend. Wenn die alle auch mit Helm fahren … darüber mag jeder selbst spekulieren.
Michael Schumacher hatte auch einen Helm auf (schrieben die Medien).
Umsichtiges Fahren, „ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht“ (§ 1 der StVO), bringen am meisten.“

Helga Kraus aus Frankfurt-Oberrad:

„Glücklicherweise ist Fahrradfahren en vogue, gesund und sportlich – aber leider auch gefährlich.
Es ist nicht bewundernswert die flotten Radler in Oberrad zu erleben, wie sie von Süden (Stadtwald) gen Norden (Main) nicht genüsslich radeln, sondern in einem rasanten Tempo bei einer Neigung vo ca.15% in unseren alten engen Gassen/Wegen oder auch der breiten Buchrainstraße nebst Auto- und Busverkehr RÜCKSICHTSLOS ODER STRASSENMITTIG fahren.
Die Ängste und Warnungen der Anwohner z.B. im Hansenweg, teilweise nur 4.90m schmal, keine Bürgersteige oder nur Randstreifen von 48cm, parkende Autos, wurden von den bei Zulassung des Radverkehrs entgegen der Einbahnstraße zuständigen Verkehrsexperten zwar geprüft – aber nicht geändert – auch nicht bei einem Radfahr-Unfall im Hansenweg via Villa Bonn – o h n e tödlichen Ausgang. – sogar 2 Wochen Prüfungs-Einsatz der Verkehrs-Polizei brachten für die Bürger und Radler keinen Erfolg.
Bis heute ist es nicht nur für die rasenden Radler bergab „todesgefährlich“, sondern für die Fuß0gänger/Kinder, die z.B. im Hansenweg auch noch den Bürgersteig wechseln müssen wegen fehlendem Bürgersteig oder einseitigem Randstreifen; selbst für Autofahrer ist eine stete Gefahr durch die „rasenden Radler“ -es geht steil bergab- gegeben: eine Ausfahrt der anwohnenden Autofahrer in den Hansenweg ist für beide „lebensgefährlich“ weil auch noch durch die stets parkenden Autos keine ausreichende Sicht zur Ausfahrt gewährleistet ist und die Radler in Volltempo vorbeisausen.
Leider ist im alten und engen Oberrad verkehrsmässig einiges verbesserungswürdig – wir hoffen auf Prüfung und Aufhebung der Gefahrenquelle „Radfahren entgegen der –abschüssigen- Einbahnstraße.

Diskussion: frblog.de/helmpflicht

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9 Kommentare zu “Auch Michael Schumacher hatte einen Helm auf

  1. Ein Unfall durch unüberlegtes Verhalten mit Verlust des Gleichgewichtes kann jeden treffen, auch Fußgänger, von einer Helmpflicht für Fußgänger wird jedoch nicht gesprochen. Meiner Meinung nach sollte vorsichtiges und rücksichtsvolles Verhalten aller Verkehrsteilnehmer ausreichen, eine gesetzliche Regelung ist in diesem Falle völlig überflüssig und mindert die Akzeptanz des Radfahrens. Bei rücksichtsvollem Verhalten könnten Radfahrer auch auf dem Gehweg fahren (manchmal eben in Schritttempo), wie es auf Fußgängerzonen auch funktioniert und erlaubt ist. Dies wäre gerade in Frankfurt sehr hilfreich, da manche Straßen infolge Trennung beider Seiten durch Gleisanlagen oder viele Fahrspuren keine andere Wahl lassen (erlaubt ist es dort leider trotzdem nicht). Beim Überqueren sollten Radfahrer, auch in Hinblick auf die eigene Gesundheit, absteigen, dann dürften sie auch den Fußgängerüberweg („Zebrastreifen“) verwenden. Bei Kritiken sollten sich jeder überlegen, dass er möglicherweise selbst mal Radfahrer/in, Fußgänger/in oder Autofahrer/in ist.

  2. Ich traue mich schon lange nicht mehr mit dem Fahrrad im Straßenverkehr unterwegs zu sein. Ich lasse es nahezu. Aber wenn ich sehe, wieviele Fahrradfahrer sich was zutrauen, mit eben diesen Fahrverhaltensweisen, wie sie Bronski anspricht, dann finde ich in der Tat die Helmdiskussion eine Scheindebatte. Ich lebe in einer Stadt (Wiesbaden), die, was die Fahrradwege im Stadtverkehr angeht, wohl an letzter Stelle der Skala der Fahrradfreundlichkeiten in Deutschland steht. Aber trotzdem verhalten sich auch hier in einer besonders fahrraduntüchtigen Stadt viele Radler mehr als fahrlässig und gefährdend für sich und andere. Selbstüberschätzung und Angeberei dürften eine große Rolle spielen.

  3. 1. «Profis» fahren mit Helm.
    2. Es gibt bereits genug Gesetze, die nicht befolgt und nicht geahndet werden (Nötigung im Strassenverkehr, Rauchverbot in Gaststätten,…). Eine weitere derartige Vorschrift ist sinnlos.
    3. Die Überschrift «Auch Michael Schumacher…» ist ärgerlich. Sie ist etwa auf dem Niveau: «Mein Grossvater war Kettenraucher und hat trotzdem keinen Lungenkrebs gekriegt.»

  4. Ein Risiko zu minimieren schadet doch nicht.

    Mein E-Pedelec ist schon ziemlich schnell. Wenn ich will, so um die 25 km/h. Und manchmal ein wenig mehr – dann schaltet der Motor ab. Ich will mir gar nicht vorstellen, was passiert, wenn ich mit dieser Geschwindigkeit stürze und z.B. mit dem Kopf gegen den Bordstein oder mit einem anderen Radfahrer (zusammen)-pralle. Fürchte aber, dass es heikel würde. Deshalb ist ein Helm für mich Pflicht. Ich kann ihn nicht für alle verpflichtend machen, aber diese Einsicht müssten eigentlich alle haben. Auch die Zahlen sprechen doch dafür. Und schick sind die Dinger zudem geworden und dabei (halbwegs) erschwinglich geblieben. Also, was spricht dagegen – nichts aus meiner Sicht. Und ein Risiko zu minimieren, schadet doch nicht.

  5. Seit ich ein E-Fahrrad habe, trage ich Helm… wenn auch ohne die bekannten Herausforderungen in einer Grosstadt…Mein Umfeld ist eher eine kleinstädtische Idylle.
    Vier meiner fahrradfahrenden Freunde sind Mediziner (1 Chirurg,1 Unfallchirurg, 1 Internist, 1 Anästhetist). Dazu kommt ein Krankenpfleger (seit 30 Jahren in der Chirurgie)… Preisfrage: Wer trägt konsequent einen Helm auch bei kleinsten Entfernungen, weil er – Statistik hin, Statistik her – fast tagtäglich miterlebt, wie sich das Nichttragen eines Helms auswirken kann…?

  6. Ne es ist der Pfleger. Die anderen sind aus unterschiedlichen Gruenden halbhelmtragend… die einen wegen der Kinder (Vorbildzwang), die anderen aus Eitelkeit.
    Sorgen ueber Sorgen…………..

  7. „Mein E-Pedelec ist schon ziemlich schnell. Wenn ich will, so um die 25 km/h. Und manchmal ein wenig mehr – dann schaltet der Motor ab. Ich will mir gar nicht vorstellen, was passiert, wenn ich mit dieser Geschwindigkeit stürze und z.B. mit dem Kopf gegen den Bordstein oder mit einem anderen Radfahrer (zusammen)-pralle.“

    Wer seinen Kopf mit Tempo 30 mit einer starren Oberfläche wie einer Hauswand, Kantstein o.ä. kollidieren lässt, hat auch mit einem Helm nur unwesentlich mehr Chancen als ohne. Die Beschleunigung, die dabei auftritt, ist einfach ungesund und auch der Helm bietet nicht wirklich eine Knautschzone, die den Bremsweg verlängert.

    Der Helm schützt vor lokalen Verletzungen bei anderen Belastungen, die bei einem Sturz auftreten: So schützt er z.B. davor, mit dem Schädel direkt auf dem Asphalt zu bremsen, wenn man nicht richtig reagiert.

    Nach meiner Meinung entsteht allerdings das große Risiko nicht einfach durch das Tempo, sondern dadurch, dass wir mit technischen Hilfsmitteln Tempos erreichen, die nicht mehr zu unserer körperlichen Verfassung passen. Ich bin (Bremsen mit eingerechnet) auch schon bei Geschwindigkeiten um die 30 „unfreiwillig abgestiegen“ ohne mir etwas zu tun – allerdings bin ich auch mit 60+ noch gelenkiger als meine Söhne (18 und 16) und habe meine Fähigkeit, auch auf Asphalt abzurollen, gerade mal wieder auf Inlinern ausprobiert (Unaufmerksamkeit beim Überqueren von Eisenbahnschienen). Dafür trage ich beim Skaten Hand-, Ellbogen- und Knieschützer, die den ersten Straßenkontakt unproblematisch machen.

    Die Medizin hat übrigens deshalb keine Empfehlung für eine Helmpflicht ausgesprochen, weil man dabei nicht an die individuelle, sondern an die Gesundheit aller gedacht hat. Und in der Summe erwartet man bei einer Helmpflicht mehr negative Folgen durch eine geringere Attraktivität des Radfahrens als die Verringerung von Sturzfolgen positiv zu Buche schlagen.

    Aber: Bis auf eine kleine Ausnahme möchte ich Bronskis einleitenden Worten recht geben: Der Anlass bot nicht wirklich einen Anlass für diese Diskussion.

    Wo ich Bronski auch aus eigener Erfahrung widerspreche: Die Instabilität eines Rennrades in dieser Situation hat nichts mit der Leichtbauweise zu tun, die Leichtbauweise wird durch entsprechende Materialien ausgeglichen – sonst würden diese Räder auch Belastungen durch die Kraftanstrengungen ihrer Fahrer z.B. im Wiegetritt nicht überstehen. Die Instabilität ist eine der Balance, wie Bronski anschließend auch ausführt. Sie ergibt sich aus der anderen Rahmengeometrie mit dem erheblich steileren Lenkrohr.

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