Was ist nur in Georgiens Präsident Michail Saakaschwili vorgegangen, als er seine Trupppen gegen Südossetien vorstoßen ließ, obwohl er kurz zuvor erst eine Waffenruhe verkündet hatte? Hat er ernsthaft geglaubt, die Russen, die Südossetien de facto verwalten, würden stillhalten? Hat er ernsthaft geglaubt, militärisch mit seinen 128 Panzern, 109 Artilleriegeschützen und 9 Kampfflugzeugen gegen eine russische Übermacht bestehen zu können, die 23000 Panzer, 26121 Geschütze und 1736 Kampfflugzeuge aufweisen kann? Oder hat er Nato und die USA an seine Seite zwingen und damit einen globalen Konflikt heraufbeschwören wollen? Wie auch immer – er hat sich verkalkuliert. Saakschwili hat Harakiri begangen.

Die Ursachen des Konflikts liegen allerdings tiefer. Saakaschwili ist nur die Lunte, die das Pulverfass Kaukasus zur Explosion bringen könnte. Da wäre erstens die sowjetische Nationalitätenpolitik. Seit den 20er und 30er des 20. Jahrhunderts haben die Sowjets die zahlreichen Ethnien ihrer Union kulturell gefördert und gewissermaßen zur Eigenständigkeit erzogen, mit dem Ergebnis, dass gerade im Kaukasus etliche starke Nationalismen entstanden sind. Da wäre zweitens die Politik vor allem der USA, denen globalstrategisch daran liegt, Russland zu umklammern. Die Nato hat seit dem Zerfall der Sowjetunion eine Expansionspolitik betrieben, die auf Isolation Russlands aus ist. 1999 traten ihr die ehemaligen sowjetischen Bruderstaaten Polen, Tschechien und Ungarn bei, 2004 folgten die früheren sowjetischen Teilrepubliken des Baltikums, aber auch Bulgarien, Slowenien, Rumänien und die Slowakei. Der Ukraine und auch Georgien wurde ein Nato-Beitritt in Aussicht gestellt, den Georgiern unter der Bedingung, dass die Probleme mit den Regionen Südossetien und Abchasien gelöst würden. Und drittens wäre da der Charakter Wladimir Putins, der weiterhin der eigentliche Machthaber im Kreml zu sein scheint. Putins Devise: Stärke zeigen! Man hat in Tschetschenien gesehen, wozu er fähig ist.

Es kommt ein weiterer Punkt hinzu: die Energiepolitik. Georgien bietet sich als Transitland für wichtige Rohstoffe wie Erdöl und Erdgas vom Kaspischen Meer an. Russland wäre auf diesem Sektor gern Monopolist, während dem Westen natürlich daran gelegen sein muss, diese Ressourcen auch unabhängig von Russland beschaffen zu können. Folgerichtig haben die russischen Truppen jetzt die Gelegenheit genutzt, die georgischen Pipelines weitgehend unbrauchbar zu machen und den Schwarzmeerhafen Poti zu bombardieren.

Der Zeitpunkt von Georgiens Aggression, mit der Saakaschwili – wohl nur vordergründig – die verfassungsmäßige Einheit Georgiens wiederherstellen wollte, passt Russland bestens ins Konzept, denn der Westen kann kaum reagieren. Das Militär von Nato und USA ist an anderen Orten gebunden. Und: US-Präsident George W. Bush ist eine „lame duck“ am Ende seiner Amtszeit. In den USA ist Wahlkampf. Ganz abgesehen davon, dass ein Krieg gegen Russland eine Katastrophe wäre – denn dieser Krieg ließe sich nicht begrenzen, er würde zum dritten Weltkrieg werden -, ganz abgesehen davon ist dies für Russland eine günstige Gelegenheit, Fakten zu schaffen. Saakaschwilis gefährliches Spiel könnte zum Ende der georgischen Unabhängigkeit führen. Derzeit beziehen russische Truppen Stellungen im georgischen Kernland, nur wenige Kilometer von der Hauptstadt Tiflis entfernt. Putin braucht nur zuzugreifen. Saakaschwili hat ihm Georgien auf dem Silbertablett serviert. Eine politische Dummheit ersten Ranges. Mit einem Wort: Harakiri.

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10 Kommentare zu “Gefährliches Harakiri

  1. Saakaschwili hat sich mit seiner militärischen Aktion, gegen Südossetien total verkalkuliert.
    Er ist bestimmt davon ausgegangen, das die Nato, wie auch die USA ihn bei dieser „Aggression“ militärisch unterstützen würden. Aber hier hat er weit gefehlt!
    Ihm durfte ja auch bewusst gewesen sein,das Russland,militärisch intervenieren würde und diese miltärisch nicht zu schlagen sind.

    Das Ergebnis dieses militärischen Konfliktes, ist ja inzwischen Weltweit bekannt. Das russische Militär nutzt natürlich die Gunst der Stunde in Georgien für sich aus und pfeift natürlich wie nicht anderst zu erwarten, auf alle Proteste und Eingebungen, der Amerikaner und EU.
    Hier ist ein Konflikt entstanden, welcher unter Umständen noch (negative) Wirtschaftliche Auswirkungen, für große Teile der westlichen Welt haben könnte ?

  2. Michail Gorbatschow hat die Ursachen des Georgien-Krieges treffend analysiert. In dreister Rattenfänger-Manier haben die USA den georgischen Präsidenten Saakaschwili aufgebaut und als gefügige Marionette benutzt, um ihre Machtgelüste im Dunstkreis Russlands weiter voranzutreiben. Saakaschwili hat dem falschen Freund vertraut und größenwahnsinnig einen Krieg vom Zaun gebrochen. Heuchlerisch wie Schakale warnen jetzt die US-Machthaber die Welt vor dem russischen Bären, den sie selbst bis auf Blut gereizt haben und geben sich selbst lügnerisch als das friedliebende Unschuldslamm aus.

  3. Kurzer historischer Abriss
    1) Russland nach dem 1. Weltkrieg – Finnland, Baltikum, Galizien weg, aber 11 Millionen Tote
    2) Sowjetunion nach 2. Weltkrieg – 25 Millionen Tote, darum Aufbau eines Sicherheitsgürtels bestehend aus von Moskau kontrollierten Staaten (nach Gründung der NATO)
    3) Russland nach dem Ende der Sowjetunion – Baltikum, Weißrussland, Ukraine, Moldawien, Georgien, Armenien, Aserbaidschan und die fünf zentralasiatischen Länder weg – Reaktion des Westens: Statt Auflösung der NATO eine Erweitung des Militärpaktes nach Osten

    Wobei niemand auf die russischen Proteste zu hören schien. Und jetzt hat Russland endlich einen Anlass und nach Ansicht der russischen Regierung das Recht, mal zu zeigen, wie sehr das Flirten mit der NATO das (zu Recht) paranoide Russland verärgert. Und das kleine Georgien wurde ermutigt den russischen Bären zu provozieren.

    Und jetzt hilft ihnen niemand so richtig. Auch wenn der georgische Präsident rechtswidrig mit der Flagge der Europäischen Union auf allen Bildschirmen der Welt zu sehen ist (Georgien liegt in Asien, da südlich des Kaukasus!).

    Armes Land mit einem jungen unerfahrenen und eigentlich dummen Präsidenten, der offensichtlich zuviel auf das Geflüster der USA gehört hat. Und was das bringt, das wissen die Schiiten im Süden des Irak nach dem 1. Golfkrieg zu genau – nämlich eine Katastrophe.

    Fazit: das georgische Fiasko war vorhersehbar und hätte vermieden werden können, hätte der georgische Präsident nur den „gesunden Menschenverstand“ genutzt, anstatt auf die zu hören, die mal sehen wollten, wozu das russische Militär in der Lage ist, um ihre eigenen Strategien zu überprüfen.

  4. Prag und Budapest standen auch allein als Russland einmaschierte und vergeblich nach Hilfe Richtung Westen gerufen wurde und Kennedy ist tot.
    Saakaswili hätte es wissen müssen.

  5. Na klar, was hätte denn Putin mit seinem Medwedjew- Püppchen am Finger auch anderes tun sollen, nachdem er so provoziert worden war, als mit seinen Truppen in einen anderen Staat einzumaschieren? Hätte sich doch Saakaschwili das Bild von Putin mit seinem entblößtem Oberkörper in wilder Natur ein bisschen genauer angesehen, dann wäre ihm wohl klar geworden, dass ein Kerl mit soviel Testosteron im Körper gar nicht anders kann. Einem wie Putin ist einfach nicht zuzumuten, das Völkerrecht zu achten in Anbetracht der hilfsbedürftigen russischen Schwestern und Brüder in der georgischen Diaspora. Souveränität von Staaten? Pah, soviel Psychologie hätte man von Saakaschwili schon erwarten dürfen. Immerhin ist Putin nicht der einzige, der die UN-Charta nach Belieben auslegt. Bush hinter dem Spiegel verfährt ja genauso. Sag, liebes Orakel, schadet das denn der Wirtschaft?

  6. Jetzt kommt es dazu, was Gysi schon 1999 im Bundestag vorhergesagt hat. Konflikte, die bestehen, werden mittels Militär gelöst. Wie einst im Kosovo. Völkerrecht hin, Völkerrecht her. Frieden aber hat Angriffskrieg noch nie gebracht.

    Noch ein Aspekt: In der FR wird immer wieder argumentiert, die Russen hätten der Ukraine den Gashahn zugedreht. Daraus aber wird nur ein Schuh, wenn erwähnt wird, dass die Ukraine sich weigerte, den erhöhten Preis zu zahlen. Der Weltmarktpreis aber wurde von der Ukraine nicht mal gefordert. So wie in der FR derzeit über diesen Konflikt berichtet wird, ist es nämlich nicht gewesen. Entweder die Ukraine passt sich dem Kapitalismus an oder sie wird nicht beliefert. Ich werde auch nicht beliefert, wenn ich meine Energierechnung nicht bezahlt habe. Ganz zu schweigen davon, dass die Ukraine auch das Problem einer nicht gerade unerheblichen russischen Minderheit hat.

    Was mag die Kanzlerin geritten haben, den Georgiern die Mitgliedschaft in der Nato anzudienen?

  7. Die Empoerung des Westens ueber den Einfall russischer Truppen in Georgien und deren zoegerlicher Rueckzug ist absolut unglaubwuerdig. Warum sollte Russland sich nicht dazu berechtigt fuehlen, was Israel seit mehr als
    40 Jahren zugestanden wird ? Die unterschiedlichen
    Standards, mit denen westliche Politiker das Weltgeschehen beurteilen, entlarfen zunehmend die
    sogenannten „westlichen“ Werte. Was bleibt ? Das gleiche Macht- und Hegemoniestreben, das jetzt Russland
    vorgeworfen wird.

  8. Ich würde mal den Herrn Bush fragen oder in der CIA-Zentrale anrufen wer sich diesen Cuop ausgedacht hat mit dem Beginn der olympischen Spiele diese Krise anzuzetteln. Keiner wird glauben der Superdemokrat Saakaswili hat sich das alleine ausgedacht. Hier handelt es sich um eine langfristige Strategie Russland zu isolieren.

  9. Offenbar kann man über die Verfehlungen der russischen Politik nicht sprechen, ohne das außenpolitische Sündenregister der USA zur Sprache bringen zu müssen. Gut, dann aber bitte sachlich und nicht in dieser spekulativen Form, die in Kalter-Krieg –Rhetorik verhaftet ist. Natürlich ist es doppelzünging, wenn die USA einerseits mit aggressiv-idealistischer Rhetorik begleitet, jedem Staat demokratische Strukturen implantieren wollen und gleichzeitig keinen Finger dafür rühren, dass diese demokratischen Strukturen auf der Ebene der Global Governance eingehalten werden, in erster Linie mal von der amerikanischen Supermacht selbst. Die Schwächung der Vereinten Nationen wurde durch die Alleingänge des amerikanischen Präsidenten verursacht. Bekanntlich führten die NATO bzw. eine Allianz der Willigen unter der Führung der USA die Invasionen 1999 im Kosovo und 2003 im Irak ohne die Zustimmung des UN-Sicherheitsrates durch. Die US-Regierung missachtete nicht nur die Genfer Konventionen und die UN-Konvention, als sie unter menschenunwürdigen Bedingungen Kriegsgefangene in Abu Ghraib und Guantanamo inhaftierte und weigerten sich dem Vertrag zum Internationalen Strafgerichtshof zuzustimmen. Schließlich verkündete Bush 2002 den Austritt aus dem ABM-Vertrag. Nicht zuletzt diesem Schritt verdanken wir nun die Installation eines Raketenabwehrsystems in Tschechien und Polen. Vor diesem Hintergrund erscheint es natürlich als Heuchelei, wenn die USA nun Russland scharf kritisieren. Dennoch sollte man nicht den Fehler begehen und die russische Außenpolitik lediglich als auf die US-Politik reagierend auszumachen, wenngleich die russische Anerkennung der Unabhängigkeit von Südossetien und Abchasiens ohne Zweifel eine Reaktion auf die Anerkennung der Unabhängigkeit des Kosovo durch die USA darstellt. Es wurde sogar eine ähnliche Wortwahl in der „Begründung“ gewählt (trotz gravierender Unterschiede in der Sache). Dennoch , eine Opferrolle kommt Russland- wie es in einigen Kommentaren hier im Blog anklingt- absolut nicht zu. Sehr selbstbewusst, hatte es den Brüdern und Schwestern, die es nun vorgab, durch seinen völkerrechtswidrigen Einmarsch retten zu müssen, zuvor mit russischen Pässen ausgestattet, also den Nationalismus in Südossetien angefacht. Auch Saakaschwili hatte sich der Rhetorik der Ausgrenzung bedient, um die Präsidentenwahl zu gewinnen. Das heißt beide haben zur Durchsetzung eigener Interessen, den Nationalismus in Südossetien befeuert. Mich wundert jedoch, dass hier von Empörung „des Westens“ gesprochen wurde. Gerade dieser Konflikt hat doch wieder einmal gezeigt, das der Westen vielstimmig ist. Allein das Aushandeln des 6-Punkte –Plans zwischen Sarkozy als Eu-Ratsvorsitzenden mit den Konfliktparteien, erschien wenig transparent. Von europäischer Einigkeit oder Absprache war nicht viel zu merken, eher kam es mir wie ein Alleingang des französischen Präsidenten vor. Sarkozy äußerte sich beispielsweise sogar verständnisvoll für das Vorgehen Russlands, während die USA den Einmarsch verurteilten, andere europäische Staaten sprachen lediglich von einer „Überreaktion“, wieder andere äußerten sich gar nicht. Erst nachdem Russland den ausgehandelten 6-Punkte-Plan, nicht eingehalten und darüber hinaus Südossetien und Abchasien als unabhängige Staaten anerkannt hatte, war einhelliger scharfer Protest zu vernehmen. Und dieser Protest ist richtig. Das Verhalten der russischen Großmacht ist ausgesprochen besorgniserregend. Russland steht, was die Auslegung von Konflikten nach seinem Gutdünken anbelangt übrigens der USA in nichts nach. Bekanntlich nahm Putin die Unabhängigkeitsbestrebungen von Tschetschenien weniger gelassen hin. Im Gegenteil- der Kreml reagierte auf brutalste Weise und ließ kritische Journalisten wie die kluge und tapfere Anna Politkovskaja ermorden.

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