Es gibt wohl unter uns hier im FR-Blog niemanden, der oder die nicht den Kopf schüttelt über die Eskapaden eines Donald Trump, der lügen kann, dass sich die Balken biegen, oder über den Irrsinn eines Recep Tayyip Erdogan, der die Türkei direkt in die Wirtschaftskrise steuert. Zölle statt Freihandel, Konfrontation statt Kompromiss, narzisstisches Gekeife statt „good governance“ – geht die Welt vor die Hunde? FR-Leser Werner Lenz aus Oberursel spricht das Bild vom Sandkasten an, um das Kindische im Handeln der Führer unserer Gegenwart herauszuarbeiten – die Zerstörung des Sandkastens ist dabei möglich. Für das Print-Leserforum war dieser Leserbrief einfach viel zu lang. Ich habe dort eine arg gekürzte Fassung veröffentlicht. Und hier nun, wie gewohnt, der ungekürzte Leserbrief als Gastbeitrag im FR-Blog.

Am Ende hilft nur Diplomatie

Von Werner Lenz

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Es ist einfach nur noch lächerlich: Die aktuelle Entwicklung des Welthandels ähnelt derzeit eher den Sandkastenspielen von Kindern im Vorschulalter als der ernsthaften Suche nach Kompromissen, bei denen zwar die eigenen Vorteile im Vordergrund stehen, jedoch auch die Randbedingungen der jeweiligen (Handels-) Partner in einfühlsamer, angemessener und vorausschauender Weise ihre Berücksichtigung finden. Nur so kann eine auf Dauer für alle Beteiligten zumindest halbwegs akzeptable Balance gefunden werden.

Da von den weltweit in Konkurrenz stehenden und ausschließlich auf Gewinnmaximierung fokussierten Unternehmen weder die Einsicht in diese Abhängigkeiten noch eine entsprechend verantwortungsbewusste Ausrichtung ihrer Aktivitäten am Markt erwartet werden darf, ist es selbstverständlich Aufgabe der Politik, hier einen möglichst für alle tragfähigen Ausgleich zu erarbeiten. In besonderem Maße sind hier die Wirtschafts- und Außenministerien und natürlich die Regierungen gefordert.

Zurück zum Sandkasten: Ein von absurden Vorstellungen besessener und von keinerlei sozialen Grundkompetenzen belasteter Narzisst wirft, um in erster Linie sich selbst, aber auch seinen ihn bewundernden (und von ihm abhängigen) Freunden zu gefallen, den anderen Kameraden eine Schaufel Sand in die Augen. Er ignoriert – aus Unwissen oder Verdrängung, ersteres ist vermutlich eher zutreffend – dass die Spielkameraden mit gleicher Münze antworten könnten, was prompt auch geschieht. Und, wie bei Menschen am Anfang der Sozialisierung nicht unüblich, wirft er jetzt erneut mit Sand um sich, nun aber mit einer größeren Schaufel. Wenn die Lage im Sandkasten in diesem Stil weiter eskaliert und die anderen sich anstecken lassen, ist eine Massenschlägerei mit unvorhersehbarem Ausgang, eventuell sogar mit der Zerstörung des Sandkastens nicht auszuschließen.
In höherem Alter sorgt besagter Narzisst außerhalb des Sandkastens für Belustigung, aber auch für blankes Entsetzen: National wird die Menge der Beifall spendenden Anhänger nach der letzten im Vergleich zur vorletzten Wahl ersichtlich so falsch dargestellt, dass man hier einfach nur Absicht unterstellen kann, international wird mit der Größe des Atombomben-Schaltknopfes oder auch eines gewissen männlichen Körperteils kokettiert. Weitere Beispiele gibt es zuhauf. Ja, geht’s noch?

Zurück zur politische Realität: Sicher gehören wirtschaftliche Sanktionen noch zu den harmloseren und dennoch wirksamen Maßnahmen, einen objektiv oder subjektiv als feindlich eingestuften Gegner in die Schranken zu weisen. Irgendwann muss aber Schluss sein mit dem gegenseitigen Hochschaukeln, und dies hoffentlich rechtzeitig. Um konkret zu werden: Glücklicherweise gibt es in den USA deutlich mehr liberal, inter-/multinational und demokratisch eingestellte Bürger als das Ergebnis der letzten (von außen beeinflussten?) Wahl suggerieren möchte. Ihre Anzahl nimmt nicht zuletzt wegen der täglich neuen Überraschungen und Kapriolen aus dem Weißen Haus stetig zu. Dass nach allen bisherigen Ereignissen die Machtverhältnisse in den USA noch stabil erscheinen, ist in erster Linie dem schon lange nicht mehr zeitgemäßen Wahlsystem zuzuschreiben. Nicht nur in Europa hätten die Parteien und die Bürger schon längst eine Ablösung durchgesetzt bzw. die Berufung einer ausschließlich kommerziell und national-konservativ orientierten und dazu noch selbstsüchtigen Person in eines der höchsten Ämter verhindert.

Was also tun? Fortgesetzte Strafzölle u.ä. Maßnahmen sind gefährlich, da sie langsam zur Austrocknung ganzer Wirtschaftszweige und damit zum Verlust vieler Arbeitsplätze, aber auch zu Unruhen in den beteiligten Staaten führen können. Wie so oft ist auch hier die Diplomatie die einzig vernünftige Methode, die allerdings ein Europa voraussetzt, das an einem Strang zieht und sich gemeinsam um wichtigere Dinge als die sogenannte Flüchtlingskrise kümmert. Dies zu erreichen, ist nach dem aktuellen Stand vermutlich noch die größte Herausforderung. Erst ein weitgehend geeintes und gemeinsam auftretendes Europa ist stark genug, um vom Partner/Gegner auf der anderen Seite des Atlantiks respektiert zu werden. In Bezug auf die Forderungen der USA nach höheren Rüstungsausgaben durch die Nato-Staaten ist die Analyse von Mohssen Massarrat sehr aufschlussreich, der in seinem Gastbeitrag vom 07.08 2018 in der FR überzeugend darlegt, wie die USA die Nato unter Druck setzen und in deutlich höherem Maße als gemeinhin dargestellt von deren Beteiligung profitieren.

Unabhängig von allen wirtschaftlichen und sonstigen Vereinbarungen ist aber alles zu tun, was zur Stärkung und Unterstützung der demokratischen Kräfte in den USA beträgt. Nur diese haben die Chance, Korrekturen oder gar Änderungen im Lande herbeizuführen.

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Ein Kommentar zu “Am Ende hilft nur Diplomatie

  1. Nun ja. Zu vielen neuen Einsichten verhilft der Beitrag von Werner Lenz nicht.
    Sicher beschreibt das Bild vom Sand werfenden Jungen einen infantil-narzisstischen Präsidenten richtig. Womit aber noch nichts ausgesagt über Ursachen und Umgang mit diesem Phänomen.
    Betr. die Ursachen sind weniger die pathologischen Umgangsformen dieses Präsidentendarstellers beunruhigend als die Tatsache, dass die Hälfte der Bevölkerung dessen zu bedürfen scheint, was durchaus für eine Art kollektive Paranoia spricht.
    Beunruhigend wohl auch der schier unendliche Opportunismus der Republikaner, der permanente Selbstdemütigung dem Risiko des Handelns vorzieht, um dem Spektakel endlich ein Ende zu bereiten.

    Nun aber zu der anderen Seite.
    Natürlich ist es richtig, die USA nicht mit Trump gleichzusetzen und „alles zu tun, was zur Stärkung und Unterstützung der demokratischen Kräfte in den USA beträgt“. –
    Was aber heißt das?

    Mein Eindruck ist, dass auch die europäischen Länder auf einen Trump starren wie das Kaninchen auf die Schlange. Als gäbe es in diesem Riesenland nur eine einzige Adresse.
    Dabei gäbe es doch Ansatzpunkte.
    Die USA ist ein föderaler Staat. Und in der Umweltpolitik etwa betreibt Kalifornien eine völlig andere Politik als die Washingtoner Zentralregierung. Warum also nicht Abkommen mit bestimmten Staaten treffen, die ansprechbar erscheinen?
    Auch könnte ich mir vorstellen, dass Industriepolitik, Investitionen z.B. oder Handelsabkommen dezentral möglich sein müssten. Und für Kulturpolitik, z.B. Studentenaustausch, halte ich das sowieso für selbstverständlich.

    Dazu bedürfte es vor allem der Fantasie, und daran scheint es auch in Europa zu mangeln, vor allem in Regierungskreisen. Beschämend jedenfalls, dass auch nach fast 2 Jahren Trump-Provokationen noch immer nichts von entsprechenden Initiativen zu hören ist.

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