Vogelgrippe: Verbreitung durch Wildvögel ist bisher nur eine Theorie

Die Vogelgrippe ist in Europa unterwegs – und nicht nur in Europa. Der tückische Erreger H5N8 taucht in Südkorea auf, in China, dann plötzlich bei uns (Mecklenburg-Vorpommern), in den Niederlanden, in Großbritannien. Immer punktuell, immer in großen Mast- oder Legebetrieben und immer mit dem Ergebnis, dass Tausende, ja Hunderttausende von Hühnern, Enten und Puten getötet werden mussten. Wie geht so was? Die Behörden rätseln noch und verbreiten die Theorie von der Verbreitung des Virus‘ durch Zugvögel, doch dazu werden meines Erachtens zu wenige infizierte Wildvögel gefunden. Es gab jetzt einen vereinzelten Fall einer Krickente, mit dem sich der unten folgende erste Leserbrief auseinandersetzt.

Zunächst einmal: Die Variante des Vogelgrippe-Virus‘, von der wir hier reden, ist grundsätzlich nicht neu. A/H5N8 ist seit 1983 bekannt. Allerdings hinkt die Wissenschaft den Entwicklungen in der Virenwelt naturgemäß immer ein wenig hinterher. Diese Viren sind nicht einfach zu klassifizieren. Jene Variante, die jetzt die Betreiber von Massentier-Betrieben Sorgen machen muss, ist hochaggressiv. Und sie ist gerade erst als derart aggressiv aufgefallen. Viren können schnell mutieren, und wenn bei einer solchen Mutation eine neue effiziente (im Sinne des Virus‘) Variante entsteht, wird sie sich immer schnell verbreiten, wenn sie günstige Bedingungen vorfindet. Es kann daher sein, dass der jetzt aufgetauchte Erreger bald als eigene Variante geführt werden wird. Aber das sind Fragen, mit denen sich Experten herumschlagen, während wir uns eher Sorgen um die vielen Tiere machen sollten, die möglicherweise noch getötet werden müssen.

Zweitens: Vogelgrippe-Viren sind für den Menschen generell nicht ungefährlich. Der Erreger H5N1 beispielsweise, der uns vor einigen Jahren beschäftigt hat, erreichte eine für ein Grippevirus erstaunlich hohe Letalitätsrate von 50 Prozent beim Menschen, das heißt jeder zweite Infizierte starb. Zum Vergleich: Die berüchtigte „Spanische Grippe“, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts bis zu 50 Millionen Todesopfer gefordert hat, besaß eine Letalitätsrate von etwa fünf Prozent. Aber der Erreger der „Spanischen Grippe“ gehört zu den Humaninfluenza-Viren. Vogelgrippe-Viren hingegen können zwar vom Vogel auf den Menschen übertragen werden (solche Fälle sind für H5N1 damals in China belegt), aber (bisher) nicht von Mensch zu Mensch weitergegeben werden. Eine Epidemie oder gar eine Pandemie unter Menschen erscheint daher auch durch H5N8 unwahrscheinlich.

Drittens: Mir erscheint die Übertragung durch Wildvögel unwahrscheinlich. Der bisher vereinzelte Fall einer infizierten Wildente kann nicht erklären, wieso H5N8 punktuell an weit voneinander entfernten Orten Europas auftaucht, dazwischen aber nirgends. (Die Wildente wurde auf Rügen geschossen, was im Verbreitungsmuster von H5N8 keinen Sinn ergibt, wenn man einen Zusammenhang erstellen will.) Wenn man diese Verbreitung mit der der Schweinepest vergleicht (über die ich vor einer Weile auf meiner privaten Webseite geschrieben habe –> HIER), wird der Unterschied augenfällig. Die Schweinepest breitete sich wie eine Welle in den europäischen Wildschweinbeständen aus, wobei sie anscheinend von Betrieben in Russland ausging. Inzwischen hat sie die EU erreicht. Auch die Schweinepest wird unter anderem durch Wildvögel (hier: Aasfresser) übertragen.

Ich will es nicht hoffen, aber ich fürchte, hinter dem sonderbaren Muster der Ausbreitung von H5N8 steckt in Wirklichkeit ein Futtermittelskandal. Wir haben so etwas ja schon erlebt, beispielsweise beim BSE-Skandal. Kontaminiertes Fleisch wird zu Tiermehl verarbeitet, das wiederum zu Kraftfutter für die Mastbetriebe weiterverarbeitet wird, und so gelangt der Erreger mit dem Futter zu den Tieren. Und damit sind wir beim eigentlichen Skandal, der hinter der Angst vor H5N8 zurücktritt: dem himmelschreienden Unrecht der Massentierhaltung. Darüber wird noch zu reden sein.

Eine Zusammenfassung der H5N8-Vorfälle gibt es –> HIER. Sie widerspricht meinem Text teilweise, aber ich denke, in Bälde sind wir alle schlauer.

Nun zum Fall der Krichente. Elisabeth Petras aus Hamburg meint:

„Gefunden wurde eine einzige Ente mit einem recht unsicheren Befund, der von Fachleuten als wenig aussagekräftig angesehen wird (vergleiche Michael Hoffmann auf NDR.de, vergleiche Wissenschaftsforum Aviäre Influenza WAI www.wai.netzwerk-phoenix.net).
Selbst wenn diese Ente Trägerin des Virus gewesen sein sollte und nicht zu den Enten gehörte, die in Stallhaltung aufgezogen und von Jägern alljährlich in großer Menge ausgesetzt werden, könnte sie sich immer noch an Austrägen der Geflügelfabriken angesteckt haben, denn der Krankheitsausbruch dort erfolgte ja lange vor dem Fund der obskuren Wildente.
Da das Virus bislang ausschließlich in geschlossenen Ställen und an weit voneinander entfernten Orten auftrat, ist eine Verbreitung durch Wildvögel höchst unwahrscheinlich. Es gibt so gut wie keine Vögel, die von Ost nach Westen fliegen, es kommt allenfalls in Ausnahmen vor. Sollten sich nun ausgerechnet diese Tiere kamikazeartig in Putenställe stürzen? Und wie kommen sie dort hinein?
Auch die Staffettenhypothese der Frau Reinking ist völlig unbewiesen, denn es hätte sonst auf dem Weg Krankheitsausbrüche geben müssen. Will man darauf allen Ernstes eine Stallpflicht gründen?
Wildvögel wurden nachweislich intensiv beprobt. Der gefundene Wildvogel ist der einzige, der das Virus eventuell trug. Ein Beweis ist das nicht, denn es gibt bei der gängigen PCR-Methode (Polymerase chain reaction, Anm. d.Red.) auch immer wieder falsch positive Tests, wie in der Fachliteratur nachzulesen ist.
Zumindest einer der drei Geflügelbetriebe hat Handelskontakte nach Südkorea – und nach Brandenburg/Wriezen. Diese Handelswege, aber auch die so genannten Keulungen und die damit verbundenen Transporte und auch die Transporte zum Schlachthof bergen Übertragungsgefahren. Hier ist anzusetzen, wenn man das Problem wirklich lösen möchte.“

Gerne veröffentliche ich an dieser Stelle auch einen Leserbrief von Carl Andreas Franz aus Berlin:

„Natürlich sind Weihnachtsgänse in Gefahr, weil jedes Jahr Hunderttausende diese klugen, sensiblen Tiere vom schlimmsten aller Raubtiere – nämlich von uns Menschen – umgebracht werden, ausgerechnet zu Weihnachten, dem Fest der Güte und und Liebe.
Hat denn niemand Nils Holgerson gelesen oder diesen wunderbaren Film über die Wildgänse auf ihren Reisen gesehen?“

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Ein Kommentar zu “Vogelgrippe: Verbreitung durch Wildvögel ist bisher nur eine Theorie

  1. Nach Rinderwahn und Schweinepest haben wir nun H5N8, die Vogelgrippe. An der abartigen Massentierhaltung kann es nicht liegen, nein es müssen Wildvögel gewesen sein die die Enten in ihren erbärmlichen Ställen angesteckt haben!! Wie dämlich müssen wir sein, um so einen Unsinn zu glauben? Wo werden die Fäkalien der Massentiere denn entsorgt? Haben Wildvögel Zutritt zum Misthaufen? Wie werden die Mastenten prophylaktisch behandelt, um den Stress zu überleben? Die Auswirkungen dieser Sauerei kann man in unseren Krankenhäusern bewundern (resistente Keime). Wozu brauchen wir denn noch einen Gesundheitsminister, den Posten kann man doch einsparen und damit der Agrarindustrie viele Lobbyarbeit ersparen. Ich esse schon lange keine Hähnchen mehr und die Weihnachtsgans wird auch gestrichen.

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