Warum gibt es keinen Marshallplan für Griechenland?

Die Lage in Griechenland ist desolat. Gerade wurden ein weiteres Mal die Renten gesenkt — ich habe nicht mitgezählt, aber es könnte das zehnte Mal gewesen sein. Die Einkommensteuer wurde erhöht, eine Touristensteuer eingeführt und vieles andere mehr, was die eigentlich eher linke Koalitionsregierung unter Syriza-Führung durchs Parlament drückt und was sie „Reformen“ nennt. Das meiste davon ist dem Druck der internationalen Geldgeber geschuldet: Die verlangen solche „Spar“-Maßnahmen, sonst bekommt Griechenland keine frischen Kredite, um damit alte Kredite zu bedienen. Das Land befindet sich in einer Abwärtsspirale. Allerdings ist Regierungschef Alexis Tsipras optimistisch, dass Griechenland 2017 an die Kapitalmärkte zurückkehren könne, um sich aus eigener Kraft Geld zu beschaffen. Das werden wir ja sehen. Der Mann steht mit dem Rücken an der Wand, und es bleibt ihm gar nichts anderes übrig als zu versuchen, Optimismus zu verbreiten.

Die internationalen Geldgeber sind sich derweil uneins über die weitere Strategie im Umgang mit dem hochverschuldeten Land. Der IWF will sich angeblich aus der weiteren Finanzierung zurückziehen, wenn Griechenland kein Schuldenschnitt gewährt wird. Die EU, allen voran die Deutschen unter Führung von Angelad Merkel und Wolfgang Schäuble, wollen einen Schuldenschnitt keinesfalls akzeptieren. Offenbar haben sie Angst, dies würde ihnen als Weichheit ausgelegt, so dass auch andere verschuldete Volkswirtschaften anfangen könnten zu versuchen, sich mehr herauszunehmen. Doch nur ein Schuldenschnitt kann Griechenland wirklich helfen, sagt der Wirtschaftswissenschaftler Heinz-J. Bontrup im FR-Gastbeitrag.

Friedrich Grimm aus Weinsberg meint:

„Was den Menschen in Griechenland wieder und wieder zugemutet wird, ist nicht nur eine Katastrophe, sondern vor allem auch eine Schande. Mitverantwortlich an vorderster Stelle unsere Kanzlerin und ihr Superfinanzminister, Herr Schäuble. Diese beiden Politik-Superstars beherrschen vor allem eines: die Reichen und Superreichen zu beschützen. Würden sie etwas von Volkswirtschaft verstehen, dann hätte Griechenland niemals seine Gewinn bringenden Flughäfen an Fraport verscherbeln dürfen. Und wo bleibt seitens der EU die Unterstützung für Griechenland, dass die griechische Regierung auf das im Ausland gebunkerte Geld zugreifen kann? Fehlanzeige!“

Roland Klose aus Bad Fredeburg:

„Wie soll Griechenlands Wirtschaft jemals wieder auf die Beine kommen, wenn die Troika aus EZB, IWF und EU den griechischen Bürgern weitere Sparmaßnahmen in Form von Steuererhöhungen bzw. Renten- und Lohnkürzungen zumutet – und das bei einer Arbeitslosenquote von sage und schreibe 25 Prozent?
Das Sparpaket, welches im griechischen Parlament nach heftigen Diskussionen beschlossen wurde, ist in höchstem Maße schädlich und der Todesstoß für die griechische Wirtschaft. Damit kann die griechische Wirtschaft niemals genesen, so bleibt sie ständig am „Euro-Infusionstropf“ und muss zwangsläufig künstlich ernährt und beatmet werden. Es ist übrigens bereits die 10. Rentenkürzung in Griechenland seit dem Jahr 2010.
Die GroKo in Deutschland, vertreten durch die Troika, steht übrigens unter anderem hinter den aufoktroyierten Rentenkürzungen für das griechische Volk. Deshalb meine Frage. Wie ernst können wir die Intention der GroKo nehmen, die Altersarmut in Deutschland zu bekämpfen, wenn sie Griechenland gerade in die bitterste Altersarmut stürzt?“

Hans-Jürgen Gratz aus Friedrichsdorf:

„Herrn Hebels Analyse der Situation Griechenlands (Kommentar vom 10.05.) kann man sich nur anschließen. Wie sogar unser Wirtschaftsminister schon vor Monaten betont hat, wurde diese Regierung von den Griechen gewählt, weil sie versprochen hat, die seit über fünf Jahren wachsende und von mehreren Vorgängerregierungen verursachte Verarmung des Landes (bis auf die korrupte Politiker- und Reederkaste) zu bekämpfen. Tsipras hat bisher geliefert und darauf vertraut, dass Europa seinen Teil zur wirtschaftlichen Erholung seines Landes beisteuern wird. Doch nichts dergleichen ist geschehen. Stattdessen mußte das Land wertvolle Assets wie die rentierlichen Flughäfen und den größte Hafen unter Wert verkaufen.. Dabei weiß heute jeder informierte Europäer, dass Griechenland den in den vergangenen Jahren aufgehäuften Schuldenberg, dessen Gelder bekanntlich am wenigsten den normalen Bürgern zu gute kam, auch nicht in einem Menschenalter wird abtragen können. Und erst recht nicht, wenn ein Sparprogramm nach dem anderen die Griechen in immer größere Armut treibt.
Warum hat die EU, die jedes Jahr Milliarden an Subventionen und als Kredite über die Europäische Investitionsbank (EIB) vergibt, nicht schon längst ein vernünftiges Programm entwickelt, das ähnlich dem Marshallplan nach dem zweiten Weltkrieg die Wirtschaft des Landes durch gezielte Investitionen in Verbindung mit steuerlichen Maßnahmen anschiebt. Nur so kann zumindest ein weiterer sozialer Abstieg der großen Mehrheit der Bevölkerung verhindert werden. Das alles gehört in ein Vertragspaket, und zwar zusammen mit einem Schuldenschnitt und einem Aufschub der Zinsen für die verbleibende Schuld, eventuell verbunden mit einem Besserungsschein. Dies würde dem Land Luft verschaffen und wäre ein solidarisches Verhalten von uns Europäern, die wir allesamt nicht am Hungertuch nagen.
Es ist bemerkenswert, dass Herr Stieglitz, immerhin Wirtschafts-Nobelpreis- träger, den Griechen seinerzeit zum Nein für das Sparpaket geraten hat. Wenn wir uns heute das Verhalten der Regierenden in Europa ansehen mit Herrn Schäuble an der Spitze, müssen wir Herrn Stieglitz Recht geben. Die Kinder unserer Politiker werden ja auch nicht in Griechenland groß.“

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8 Kommentare zu “Warum gibt es keinen Marshallplan für Griechenland?

  1. Manchmal hat man den Eindruck , daß es gewissen Leuten ganz einfach Spaß macht , Andere nach unten zu drücken.

  2. zu DH:
    Den Eindruck habe ich schon lange, insbesondere gilt dies für Schäuble, Merkel und Dijsselbloem; man erinnere sich an das Foto nach der Erpressung Griechenlands vom 13. Juli 2015, als Schäuble und Dijsselbloem sich tierisch gefreut haben.
    Hat Deutschland den griechen im Krieg nicht bereits genug Schaden zugefügt?
    Dem Nicht-EU-Mitglied Ukraine, deren Präsident zu den Inhabern von Panama-Papieren gehört und wo die Demokratie mit Füßen getreten wird, wird ein Schuldenschnitt gewährt, dem EU-Mitglied Griechenland jedoch nicht.
    Ganz zu schweigen von den Milliarden, die Merkel der Türkei in den Rachen wirfst, damit diese Geld, um Krieg gegen die Kurden zu führen.

  3. Meine Sicht: Natürlich weiss auch Herr Schäuble, dass ein Schuldenschnitt unvermeidlich ist. Nur gibt es leider in Deutschland einen nicht unbedeutenden Teil der Bevölkerung, der das anders sieht. Wolfgang Schäuble möchte diesen Teil aber nicht in die Arme der AfD treiben. Also muss der Schuldenschnitt noch bis nach der nächsten Bundestagswahl warten.
    Übrigens sollte man statt von Schulden lieber von Krediten sprechen, da es mit Deutschen die unglückliche Verbindung von Schuld und Schulden gibt.
    @Peter Boettel
    Aus Schnappschüssen auf das Denken zu schliessen, halte ich doch für ziemlich gewagt.

  4. Henning Flessner:
    Das war doch eindeutig nach diesem Drama, und das Tandem Schäuble und Dijsselbloem hatten noch nie das Wohl der Menschen im Sinn, sondern den Vorteil ihrer Länder und Banken; die Beispiele hier aufzuführen, würde den Rahmen sprengen.

  5. Inzwischen wurde wohl auch die Syriza-Regierung weichgeklopft. Als sich Schäuble lobend (völlig neue Töne) über Griechenland aussprach – noch vor der Eurogruppen-Entscheidung – war mir alles klar. Schon August Bebel sagte: „Wenn dein Feind dich lobt,hast du etwas falsch gemacht.“

  6. Auch ein Schuldenschnitt wird nicht helfen, solange die Tonangebenden in der EU, allen voran Schäuble und Merkel, auf ihrer Austeritätspolitik beharren. Man schaut ungerührt zu, wie Menschen sich und ihre Familien kaum noch ernähren können und wegen des zusammengebrochenen Gesundheitswesens früher sterben, nur um dieses hirnrissige Sparprogramm durchzuziehen. Selbst Obama setzt mittlerweile auf Schulden zugunsten von Investitionen, nur Europa scheint nicht lernfähig zu sein.

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