Die Krise einer narzisstisch gestörten Persönlichkeit

Es war auf dem Forum Romanum, als meine Ohren das Wort „Absturz“ auffingen, kurz darauf „Germanwings“. In meiner Nähe befand sich eine dieser Schulklassen, denen man in Rom überall begegnet, und eine Schülerin — die, von der ich diese Stichworte auffing — war mehr mit ihrem Smartphone beschäftigt als mit den römischen Ruinen, zwischen denen sie sich befand. Kurz darauf war die ganze Umgebung informiert und schockiert: Germanwings. Flugzeugabsturz. Das Forum Romanum wurde uninteressant, aber es war wohl auch vorher schon nicht besonders interessant gewesen.

Da befindet man sich eigentlich in einer völlig anderen Welt, mitten zwischen den Ruinen der römischen Antike. Generationen von Menschen sind geboren und gestorben, seit auf dem Forum Romanum von einem unbekannten, gestaltungsfähigen Baumeister der erste Stein gesetzt worden ist. Durch Kriege, Hungersnöte, Seuchen, aber auch auf natürliche Weise starben diese Menschen, durch eigene Hand und durch die Hand anderer, doch nie zuvor hat ein Pilot — ich gehe mal davon aus, dass es sich so zugetragen hat, füge aber hinzu: Es ist bisher nicht erwiesen! — seine Macht über andere Menschen so eingesetzt wie Andreas L., der Co-Pilot jenes Germanwings-Fluges, der sein Flugzeug mutmaßlich gegen ein Felsmassiv in den französischen Alpen steuerte. Nie zuvor — 9/11 ausgenommen! Furchtbar, an die Passagiere zu denken, die gestorben sind, und an ihre Panik in den letzten Sekunden vor dem Aufschlag, furchtbar, sich vorzustellen, wie der Flug-Kapitän vergeblich versucht hat, ins Cockpit vorzudringen. Ich mag mir die Szenen, die sich an Bord abgespielt haben müssen, nicht vorstellen. Ich mag auch nicht daran denken, wie Andreas L., der Co-Pilot, der alles andere aus seiner Welt, dem Cockpit, ausgesperrt hatte, dem Aufprall entgegensah — denn er allein hatte den Blick nach vorn. Er sah „es“ auf sich zukommen. Was ging im Kopf dieses Menschen vor?

Die Ermittlungen werden hoffentlich Ergebnisse zeitigen, die den Schmerz der Angehörigen lindern können und die auch uns anderen Klarheit bringen. Für das, was übrig bleibt, werden wir neue Worte, Formulierungen und Lösungen brauchen. Wir müssen uns wohl oder übel näher mit psychischen Krankheiten befassen. Unter diesen ist die Depression in den vergangenen Jahren in den zweifelhaften Rang einer Volkskrankheit aufgerückt. Wir leben offenbar in einer Zeit, die uns mit ihren Lebensumständen krank macht. Andreas L., der Co-Pilot jenes Germanwings-Fluges, soll depressiv gewesen sein. Wollen wir darüber reden, inwiefern er Täter und Opfer zugleich war, oder sind das Begriffskategorien, die hier nicht passen?

Im Gedenken an die 150 Toten des Germanwings-Fluges 4U9525 …

 

Kommen wir zu den Leserbriefen. Stefan Schmitt aus Gudensberg schreibt:

„Ich danke Ihnen für den Artikel „Wenn der Staat trauert“. Nicht nur als Vater von drei Kindern bin ich von den Ereignissen um den Flugzeugabsturz tief betroffen. Das Schicksal der Angehörigen rührt mich sehr. Der Staat hat aber nicht die Aufgabe, sich den emotionalen Betroffenheiten hinzugeben. Der Staat flaggt, um zu zeigen, dass er verstanden hat, die nötigen Diskussionen führen und die notwendigen Konsequenzen ziehen wird. Er zeigt, dass er handlungsfähig ist und bleibt. Das tut er völlig un-emotional und vernünftig.
Sein Beileid und seine Solidarität mit den Betroffenen kann natürlich jeder Politiker persönlich zum Ausdruck bringen. Das ist wichtig und richtig. Auch die Medien haben Verantwortung: Sauberkeit und Klarheit in der Information und in der Bewertung geht vor Sensation. Beim Fernsehen gab es zeitweise gar kein anderes Thema mehr, obwohl oft keine neuen Informationen vorlagen.
Ich möchte gerne selbst entscheiden, wann und wie ich trauere, und nicht dauernd gegen meinen Willen auf allen Kanälen mit dem schrecklichen Geschehen konfrontiert werden.
Ihr Artikel wird Ihnen Kritik einbringen, aber das musste klargestellt werden.“

 Ralf te Heesen aus Altenberge:

„Chapeau, Herr Herl, eine ausgezeichnete Kolumne. Mit der gehörigen Anteilnahme nehmen Sie Stellung zu den ausufernden Berichten über den schrecklichen Flugzeugabsturz. Bissig, aber nicht verletzend, prangern Sie die Medien und die Experten (Klugscheißer) an. Glückwunsch!“

Albrecht Thöne aus Schwalmstadt:

„Natürlich lässt sich dieser Sensations-Suizid als Schlusspunkt nach der langjährigen depressiven Krise einer narzisstisch gestörten Persönlichkeit verstehen. Natürlich hätte mit gründlicher Diagnostik das „Elend hinter der glanzvollen Fassade“ des Co-Piloten schon vor der Ausbildung und erst recht vor der Einstellung erkannt werden können. Vielleicht wurde schließlich in Göttingen die richtige Diagnose gestellt. Wie sinnvoll aber war dann hier das Verharren in einer Schweigepflicht gegenüber Patienten, die mit dem Umlegen eines Hebels Hunderte mit in den Tod reißen können, auch in Atomkraftwerken oder an Massenvernichtungsmitteln? Statt mit Zivilcourage Andreas L. sofort aus dem Verkehr zu ziehen, wurden vermutlich sogar noch Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) verordnet, die die Aktivität steigern – mutmaßlich hier leider auch die Aktivität zur Ausführung eines bisher lediglich lang gehegten, im Sinne der narzisstischen Bedürftigkeit „grandiosen“ Planes.“

Udo Schütt aus Neuberg:

„Angesichts der wiederkehrenden Berichte über die Tat des Germanwings-Piloten frage ich mich: Was ist moralisch verwerflicher und mehr zu verurteilen – die Tötung von 149 Unschuldigen durch einen psychisch Kranken, den man nicht mehr zur Rechenschaft ziehen kann? Oder die Befehle zu Kriegsführungen aus politischem Kalkül und Großmannssucht durch einen US-Präsidenten, der gesund und rüstig seine Pension genießt und – weil einmal mächtigster Mann der Welt – von keiner nationalen oder internationalen Institution zur Rechenschaft gezogen wird? Der zeigt keinerlei Reue und ist überzeugt, alles – auch den Folterbefehl – richtig gemacht zu haben. Dabei sind durch seine Regierung zigtausende Unschuldige und tausende US-Soldaten umgebracht worden. Dazu hat er eine ganze Weltregion destabilisiert sowie Hass gesät, der in den nächsten Jahren noch weiteres Unheil für uns alle hervorbringen wird.“

Irmhild Voit-Franz aus Worms:

„Es wird in den Medien immer wieder nach den Motiven des Copiloten gefragt – meines Erachtens liegen sie auf der Hand.
Andreas L war kein Mörder, er ist kein gewissenloser Psychopath, kein verdammenswerter Mensch, er war hochgradig erkrankt, er wusste nicht, was er tat.
Viele Selbstmörder können die Welt um sich herum nicht mehr wahrnehmen, sie kennen nur noch ihr Ziel, den Tod. Die 360 Grad um sie herum existieren für sie nicht mehr, ihnen bleibt von den 360 nur noch ein einziges Grad, und innerhalb dieses einen Grades ziehen sie mit aller Konsequenz ihr Vorhaben durch. Die Menschen, die sie dabei mit in den Tod reißen, nehmen sie nicht mehr wahr. Die reale Welt existiert nicht mehr für sie, sie sind getrieben, ihr Ziel zu erreichen. Würden sie an die anderen denken können, an das unermessliche Leid, das sie auslösen, stünden sie noch im Leben und würden sich nicht umbringen. Man kann einen Selbstmörder nicht verantwortlich machen, er hat mit der Welt abgeschlossen, sie existiert für ihn nicht mehr, das einzige, was er noch kennt, ist sein Ziel, das er mit aller Klarheit verfolgt. Es ist die grausigste Krankheit, die es gibt.
Ich habe im Abschiedsbrief einer Selbstmörderin, die unter Depressionen litt, gelesen: „Mich kann hier nichts mehr halten, ich bin bereits drüben, und da will ich hin.“ Es ist, als ob ein riesiger Magnet aus dem Jenseits den Selbstmörder zu sich zieht, alles andere um ihn herum ausblendend.
Wir müssen uns das klar machen, Andreas L. ist nicht schuldfähig gewesen, niemanden trifft eine Schuld. Er und viele andere sind das Opfer dieser schrecklichen Krankheit. Auch wer ihm vorwirft, er sei ein Selbstmordattentäter oder ein Amokflieger – liegt falsch. Selbstmordattentäter sind wie Amokläufer unterprivilegierte, ausgegrenzte Menschen auf der Verliererseite des Lebens. Sie wollen endlich einmal Macht ausüben. Das trifft auf Andreas L. nicht zu. Er ist völlig normal aufgewachsen, seine Eltern haben ihm eine gute Ausbildung gegeben, die er erfolgreich abgeschlossen hat. Er hatte einen guten, angesehenen Beruf, er stand als erfolgreicher Mann im Leben.
Eine sehr gute Freundin, eine angesehene und engagierte Hauswirtschaftslehrerin, hat sich vor Jahren umgebracht. Sie war der beste, feinste, sensibelste, gütigste, verantwortungsvollste Mensch, den ich je kannte, auch war sie religiös. Sie hat die Menschen, die sie am meisten geliebt hat, allein gelassen, ihre beiden damals 4 und 6 Jahre alten Söhne. Daran sieht man, daß der Selbstmörder alles andere um sich herum ausblendet, er hat keinen Zugang mehr zur realen Welt, er kennt nur noch sein Ziel. So muß das auch bei Andreas L. gewesen sein, die anderen Passagiere waren nicht mehr in seinem Bewußtsein. Bei diesen Menschen ist das Normale ausgeschaltet, die gesunden Abläufe ihres Handelns existieren nicht mehr. Wir müssen das in Betracht ziehen, niemand sollte sich ein Urteil anmaßen.
Mein tiefstes Mitgefühl begleitet die Hinterbliebenen der Opfer, ebenso die Eltern von Andreas L., auch sie müssen Höllenqualen erleiden.“

Wolf Goehring aus Bonn:

„Der Absturz des Germanwings-Fliegers mit 150 Toten erschüttert uns wie jeder Unfall, bei dem Menschen so urplötzlich aus dem Leben gerissen werden und in den Familien sowie bei Freunden und Bekannten ein Mensch fehlt.
Bei diesem Unglück konzentriert sich fast alles auf den Co-Piloten, der die automatisch verriegelte Tür nicht öffnete und auf nichts mehr reagierte. Der Chefpilot stand außen vor, so als er hätte er seine Haustür ins Schloß geworfen und den Schlüssel vergessen. In diesem Falle hilft nach einigem Warten ein Schlüsseldienst – im Flieger half nichts.
Die Situation war vorhersehbar. Es kann immer vorkommen, daß ein Mensch in einem Führerstand oder Pilotensitz einen Schwächeanfall, einen Herzinfarkt, einen Schlaganfall oder eine Embolie erleidet und ausfällt. Bei Bahnen wird notgebremst, wenn der „Totmann“knopf nicht mehr gedrückt wird. Im Flug verbietet sich die Notbremsung. In den USA gib es die zwingende
2-Menschen-Regel für das Cockpit, weil so etwas passieren kann und weil man dem zwingend vorzubeugen hat, und zwar nicht nur damit eine handlungsfähige Person im Cockpit ist sondern auch um dem Ausgefallenen Erste Hilfe bringen zu können.
Deutsche Fluggesellschaften, die in den USA fliegen, müssen sich daran halten. Man sage nicht, im europäischen oder deutschen Luftraum sei alles ganz anders. Deutschland hat seit Jahrzehnten wohl erprobte Unfallverhütungsvorschriften. Diese legen dem
„Unternehmer“ – also den verantwortlichen Entscheidungsträgern eines Unternehmens – mit gesetzlicher Kraft klare Pflichten auf. Allein die Regel zur Ersten Hilfe in der Unfallverhütungsvorschrift „Prävention“ (§ 24 UV-V A1) hätte genügt zu erkennen, daß die US-Regel zwingend erforderlich ist. Sie für den Flugbetrieb von Germanwings nicht vorgeschrieben zu haben, ist eine grob fahrlässige Unterlassung der Geschäftsführer von Germanwings mit der Folge von 150 Toten. Auch wenn diese Firma in Köln
sitzt, darf bei der Sicherheit das kölnische Prinzip „Et iss noch immer joht jejonge“ nicht Platz greifen.
Ich habe deshalb Strafanzeige wegen grob fahrlässiger Tötung von 150 Menschen gestellt.“

Verwandte Themen

68 Kommentare zu “Die Krise einer narzisstisch gestörten Persönlichkeit

  1. Ja, cher Bronski, man sollte sich sehr wohl der Frage stellen, ob es sich nicht gleichzeitig um Täter und Opfer gehandelt hat… Aber solch eine „tolerante“ Haltung wird vermutlich nicht viel Zustimmung haben.

    Die Kolumne von M. Herl trifft meine Wahrnehmung und Kritik an dem „Massenhappening“. Natürlich empfinde ich mit all den Betroffenen Mitgefühl, Trauer, Hilflosigkeit. Aber zusätzlich zur Kritik an dem beispiellosen und (so man den Kommentaren derer glaubt, die all die Talkshows und Sondersendungen gesehen haben) Wirbel stört mich, dass sich alles um die umgekommenen Deutschen und deren Angehörigen dreht. Wo gab es bei uns Berichte über die anderen? Es scheinen jedenfalls fast doppelt so viele „Nicht-Deutsche“ mit der Maschine abgestürzt zu sein. Wie haben die Medien der betreffenden Länder reagiert? Gab es eine grenzübergreifende gemeinsame Initiative?
    Und last but not least wünsche ich mir, dass die Eltern, die Freundin und alle anderen Nahestehenden des Co-Piloten mit diesem Horrorerlebnis „über“leben können und von all den sensationshungrigen Medien und deren süchtigen Kunden verschont werden – ebenso wie die Hinterbliebenen der gesamten Crew.

  2. .. und während wir uns ausufernd noch über diese kathastrophe austauschen, gibt ’s schon wieder eine „horrornachricht“ aus kenia. genau so viele todesopfer wie bei dem flugzeugabsturz der deutschen linie… nur… wird dieser schreckensmeldung auch nur ein bruchteil der aufmerksamkeit, der analysen, der rätsellösungsversuche und der solidarischen anteilnahme gewidmet werden? wohl kaum…
    globalisierung… auch so. na dann: frohen karfreitag allerseits.

  3. Schlimm finde ich, dass in einigen Zeitungen (nicht in der FR) der volle Name des Copiloten samt Foto und Abbildung des elterlichen Hauses veröffentlicht wurde. Das ist einfach geschmacklos, ja geradezu unmenschlich den Angehörigen gegenüber. Es steht außer Frage, dass die Öffentlichkeit ein Recht auf Information hat, aber diese kann ja auch anonymisiert übermittelt werden.

    Mit Sicherheit ist der Täter auch Opfer, nämlich seiner Krankheit bzw. Persönlichkeitsstörung, und er hat wahrscheinlich bis zu seiner fatalen Entscheidung schweres Leid durchlebt.

    Mit den Familien und Freunden aller Verunglückten empfinde ich tiefes Mitgefühl, am meisten mit den Angehörigen des Verursachers des Absturzes. Sie leiden doppelten, ja dreifachen Schmerz, denn sie haben eine ihnen nahestehende Person verloren und können diese nicht einmal in positiver Erinnerung behalten. Zudem werden sich Schuldgefühle einstellen, weil man nichts gemerkt hat und deshalb nichts unternehmen konnte, um die Katastrophe zu verhindern.

  4. Herzlichen Glückwunsch, Stephan Hebel und Michi Herl,
    in der ganzen „Katastrophenberichterstattung“ wenigstens zwei besonnene Meinungen.
    Und das ist das Problem: Alle Fernsehsender, wußten zwar nichts, aber das dokumentierten sie in nicht enden wollenden Sondersendungen. Doch damit nicht genug: Keinerlei Rücksicht auf die Gefühle der Hinterbliebenen, als ob es einen Erkenntnisgewinn für die Öffentlichkeit darstellt zu wissen, wo die Familie des Copiloten lebt. Ist es eigentlich so schwer zu verstehen, daß auch diese Familie Opfer ist?
    Dankenswerter weise hat die Polizei die Schüler vor der Sensationspresse geschützt und den Zugang zur Schule reglementiert. Doch was ein rechter Schmierfink ist, der bietet Schülern Geld für Smartphone Fotos aus dem Schulgebäude. Wie geil muß es sein, weinende Kinder/Lehrer zu sehen.
    Und wie sollte es anders sein: Das Dreckblatt mit den großen Buchstaben muß natürlich den vollen Namen und das Foto des Copiloten auf der ersten Seite bringen.
    Wie erbärmlich.
    Wenigstens haben die Vertreter der seriösen Presse darauf verzichtet. Doch an den Spekulationen haben sie sich auch beteiligt. Warum kann eine Meldung nicht einfach so lauten: Über den Alpen ist ein Flugzeug der Gesellschaft Germanwings abgestürzt, nähere Informationen gibt es noch nicht. Ende der Meldung!
    Warum wird ein Vorstandsmitglied von Germanwings im „Heute-Journal“ auf inquisitorische Art und Weise nach seiner Verantwortung gefragt.
    Als ob auch nur ein Mensch in der Lage wäre, so etwas vorherzusehen.
    Schon heute oder morgen kann es zu ähnlichen Ereignissen kommen, ohne das dies zu verhindern wäre.
    Was ist denn, wenn ein Polizeibeamter durchdreht und ballernd durch Frankfurt läuft, wenn ein ICE-Lokführer auf einer Langsamfahrstrecke mit Hochgeschwindigkeit durchrast und so den Zug zum Entgleisen bringt. Horror- und Katastrophenszenarien lassen sich viele ausdenken, befreien wir uns von der Vorstellung, das ließe sich verhindern. Wir haben bisher einfach nur Glück gehabt.
    Aber noch ein Wort zum Schluß: Liebe Journalistinnen/Journalisten, egal ob Rundfunk, Fernsehen oder Druckerzeugnisse: Distanziert Euch von den Leuten, die formal Eure Kollegen sind. Es liegen Welten zwischen einer Bascha Mika, Arnd Festerling, Heribert Prantl, dem Tagesthemen-Team oder Heute Journal. Wer mit der Würde eines toten Menschen so umgeht wie ein Dickmann oder Müller Vogg ist einfach nur ein Hetzer

  5. @bronski

    Danke für den vorsichtigen Einleitungstext.

    Ich hatte aber gehofft, daß dieses Blog sich des Themas enthalten würde. Zum Thema selbst möchte ich nichts sagen, möchte aber sagen, daß sich die FR des Themas so sensibel wie möglich angenommen hat.

    Im Vergleich zu NEW YORK TIMES, TIMES, ZEIT, FAZ und SZ steht für mich die FR am besten da, wenn auch nicht ganz gut. Die einschlägigen Schmierblätter lese ich eh nicht, aber so manche Schlagzeile, die ich an der Supermarktkasse lesen mußte, fand ich nur ekelerregend.

    Ich habe mich bei meinem Supermarkt heftig darüber beschwert, daß man per Auslage dazu gezwungen wird, solchen Dreck lesen zu müssen.

    Ich hoffe inständig, daß aus den aufgefundenen Handys keinerlei „Informationen“ veröffentlicht werden und hoffe inständig, daß die FR sich nicht hinreissen lässt, solche „Informationen“ zu verwenden.

  6. Keinen Namen veröffentlichen, ebenso kein Bild, keine halbgaren, weil unbestätigte Informationen, kein Voyeurismus, keine Sensationsgier usw., das ist alles okay (geboten).
    Auch dieser Thread wird mindestens 4 Wochen offen sein, und es wird auch noch Gelegenheit sein, wirklich interessante Fragen zu stellen.
    Eine davon wäre, [1] wie geht ein Mensch mit einer diagnostizierten Depression mit dieser Diagnose um?
    Eine andere, [2] wie geht die Gesellschaft mit diesen Diagnosen und den davon betroffenen Menschen um?
    Eine dritte Frage fällt mir auch noch ein:
    Der Copilot ist tot und weitere 149 Menschen sind tot.
    Hätte der Copilot als einziger Mensch, wie durch ein Wunder, den Absturz überlebt, müßte es zu einem Strafprozeß gegen ihn kommen.
    [3] Was würde da geschehen, ja geschehen müssen?
    Die Frage [3] ist rein spekulativ, die Fragen [1] und [2] sind real.

  7. @ BvG
    ich finde es (inzwischen) doch gut, dass die fr sich des themas SO angenommen hat. nicht zuletzt haben herls kolumne und bronskis einleitungstext einige gute blog-kommentare ausgelöst, die einfach dazu beitragen, dass man sich nicht alleine fühlt inmitten der nach sensationen und indiskretionen-ansammlung lechzenden grösseren masse.

  8. Die bisher bekannten Diagnosen (oder gab es auch Gutachten?) müssen ja nicht stimmen, auch nicht die Diagnose: „Depression“ oder „narzisstisch gestörte Persönlichkeit„.
    Das sollte die FR doch inzwischen besser wissen!

    Zitat der FNP vom 30.09.2014 dazu:
    „Steuerfahnder-Affäre in Hessen Gericht: Gutachter muss zahlen Von Christiane Warnecke Die Steuerfahnder-Affäre hält die hessische Politik schon seit Jahren in Atem. Das Landgericht hat jetzt ein neues Kapitel geschrieben: Der Gutachter Thomas H. muss drei ehemaligen Steuerfahndern den finanziellen Schaden erstatten, der ihnen durch sein falsches Gutachten entstanden ist.“
    Quelle: http://www.fnp.de/rhein-main/Gericht-Gutachter-muss-zahlen

    Noch neuer der hr am 16.10.2014 (Affäre um Zwangspensionierung Happy End für entlassene Steuerfahnder?):
    Zitat:
    „Ein psychiatrischer Gutachter, der vom Land beauftragt war, hatte die vier Beamten fälschlicherweise als „querulatorisch-paranoid“ eingestuft.“
    Quelle: http://www.hr-online.de/website/rubriken/nachrichten/indexhessen34938.jsp?rubrik=34954&key=standard_document_53288587

    Also „die jungen Pferde noch etwas ruhig halten“, oder „abwarten und Tee trinken“ …..

    Die Frage [3] ist übrigens gar nicht so spekulativ, wie sie auf den ersten Blick erscheint, denn die häufige Taktik der Angeklagten und der Verteidiger bei ähnlichen Prozessen in der BRD ist gewöhnlich das Spiel „toter Mann“.
    Der Angeklagte sagt kein Wort und läßt sich auch nicht vom psychiatrischen Gutachter explorieren, er spielt den „toten Mann“ vor Gericht, bleibt stumm und tut so, als ginge ihn das ganze Procedere überhaupt nichts an.
    Das Gericht muß ihm nun alles haarklein nachweisen, es wird ein reiner Indizien-Prozeß werden. Dem Gutachter bleibt nur die „Aktenlage“, ein sehr kluger (oder „gerissener“) Angeklagter verhält sich auch völlig unauffällig nach der Tat, vor und im Prozeß, da ergeben sich auch keinerlei neue „Anknüpfungstatsachen“ für den Gutachter. Nach einer Verurteilung kann er immer noch eine Privat-Insolvenz anmelden und auch später noch seinen inzwischen doch sehr bekannten Namen ändern lassen. In der Haft kann er auch ein Buch schreiben, mein Vorschlag wäre: „Nur Gott flog noch mit“.

    Es mag zwar jetzt gerade vor Ostern leider extrem makaber klingen, darum halte ich mich auch noch etwas mit diesem Szenario zurück, aber in der BRD geht das im Prinzip so, so „streng“ sind hier die Bräuche ……

  9. Zunehmend finde ich mein Gefühl bestätigt, daß das Thema „Die Krise einer narzisstisch gestörten Persönlichkeit“ einem Thread „Im Gedenken an die 150 Toten des Germanwings-Fluges 4U9525…“ nicht gerecht wird.

    Ich teile nicht Bronskis Hoffnung, daß die Ermittlungen zu den Voraussetzungen für die Tragödie, die zum Tod von einhundertfünfzig Menschen führte, Ergebnisse zeitigen werden, die den Schmerz der Angehörigen lindern könnten.

    In den Nachrichten- und Meinungsmedien wird geschildert, wie nach den Aufzeichnungen des Voice-Recorders kurz vor dem Absturz Panik ausbrach, es werden Mutmaßungen über den Gesundheitszustand des Kopiloten angestellt, und es werden Überlegungen angestellt, wie dieser erweiterte Suizid zu verhindern gewesen wäre oder künftig ein solcher zu verhindern sei.

    Den Medien Pietät- oder Geschmacklosigkeit vorzuwerfen, halte ich für verfehlt. Die Menschen brauchen solche Aufreger, was ich nicht zuletzt hier im Blog bestätigt finde.

    Ob es die Angehörigen tröstet zu wissen, daß die Opfer, abgesehen von einem Moment der Todesangst, nicht leiden mußten?

    Wichtig ist jetzt, die Opfer zu bergen und zu identifizieren, damit die Hinterbliebenen ihre Toten bestatten können. Denn zur Trauer gehört ein Grab.

  10. Gerade meldet DIE WELT neue Ereignisse zur (fehlenden) Information an das Luftfahrtbundesamt (LBA).

  11. Sehr eigenartig, in der Einleitung von einer „narzißtisch gestörten Persönlichkeit“ zu sprechen, und zwar in einer Formulierung, als handele es sich hierbei um eine unumstößliche Tatsache. Wer hat das diagnostiziert ? Noch werden die Bausteine für eine Beurteilung von Persönlichkeit, etwaigen psychischen Deformitäten und eventuellen psychiatrischen Erkrankungsumständen gesammelt, und erst viel später kann eine wie auch immer gültige Einschätzung der Handlungen des Co-Piloten vorgenommen werden. Von Fachleuten wohlgemerkt, nicht von Journalisten !

    Es ist für Fachleute wie Gerichtspsychiater und -psychologen schon schwer genug, lebende Straftäter zu beurteilen. Nun soll aber ein posthumes Gutachten verfertigt werden, ohne den Täter befragen, testen und beobachten zu können. Wer kann den Fachleuten helfen ? Ein Kosmologe, ein Journalist, oder gar Ihre Säkularität und Käsefachmann Herr Kolumnist Herl, einer der letzten Deutschen mit Ratio im Kopf ?

    Die FR eröffnet mit ihrer Feststellung aus dubioser Quelle nun ein munteres Rätselraten über Psyche und Pathomechanismen, die den Copiloten zu seinem katastrophalen Tun bewogen haben. Da die Fachleute eingestandenermaßen ratlos sind, kann nur noch der Laie helfen. Befragen wir doch zunächst die FR. Narzißtisch gestört, und dann noch Krise ? Litt der Copilot nun über ein Übermaß an Narzißmus, oder hatte er davon zu wenig ? Hat er sich suizidiert infolge unzureichender Selbst-Liebe ? Wurde ein übersteigerter Narzißmus einer schweren und dauerhaften Kränkung ausgesetzt ? Und was hat dann die Aggression gegen Besatzung und Passagiere ausgelöst, was war das gemeinsame Merkmal ihrer “Verfehlung” ?

    Wie interagieren nun narzißtisch gestörte Persönlichkeit und exogene/endogene Depression ? Was sagt denn die “Quelle” dazu ? Hallo FR, ich hatte eine Frage gestellt ! Hatte der Copilot vielleicht Stimmen gehört, die ihm einen Befehl nicht nur zur Selbsttötung eingaben ?

    Kolumnist Herl würde jetzt souverän rational argumentieren, daß der Copilot nur dann hätte Stimmen hören können, wenn sie auf dem Voicerecorder auch aufgezeichnet seien ! Woran man sieht, daß die “Rationalität” des Herrn Herl sehr mit Vorsicht zu genießen ist.

    Oder doch ein Eifersuchtsdrama ? Würden nicht Passagiere und Besatzung mit jedem anderen Piloten fliegen, sollte er krankheitsbedingt seine Pilotenlizenz verlieren ? Stand in Wahrheit der Chefpilot im Zentrum einer ins Schreckliche übersteigerten Eifersuchtsreaktion ? Die Bereitschaft von Besatzung und Passagieren zur Untreue gegenüber seiner Person als Pilot ?

    Danke, verehrte FR, uns Laien am Rätselraten der Fachleute zu beteiligen. Hoffentlich schaut mal ein Fachmensch in den Blog rein, um sich hier ein paar Ideen zu holen. Denn er hat wenigstens die Lizenz, etwas ex kathedra zu sagen, auch wenn er nicht die Ideen hat, nicht wahr ?

    Oder ist die Persönlichkeit des Copiloten und seine “Krise” als Thema nicht doch zur falschen Zeit eröffnet ? Als unzulässige Spekulation über die Momente und Vorbedingungen einer unfaßbaren Tat, die eben nicht in die Hände von Laien gehört ? Hätte die hoch geschätzte Bascha Mika, Herr Hinzmann (#4), dies eigentlich durchlassen dürfen ?

  12. @ V. Grebe

    „Wer hat das diagnostiziert?“

    Die Überschrift über diesem Thread stammt, wie es in diesem Blog üblich ist, aus einem der Leserbriefe, nämlich dem von Albrecht Thöne. Herr Thöne ist Psychotherapeut. Aber selbst als medizinischer Laie, wie dies wohl für die meisten hier gilt, hat jeder das Recht, eine Einschätzung und seine Meinung zu dem grauenhaften Geschehen abzugeben, denn jeder von uns hätte davon betroffen sein können, sofern sie/er jemals ein Flugzeug benutzt hat oder gedenkt, dies zu tun.

    @ Manfred Petersmark

    Würden Sie denn die Bergung und Identifizierung der Opfer nicht als Ergebnis der Ermittlungen bezeichnen?

  13. # 10 @ V.Grebe
    In diesem Thread, Hr. V.Grebe, finden Sie mich auf Ihrer Seite, bezogen auf das Statement #10,
    als Agnostiker gebrauche ich mal den Ausdruck „Gott“ sei Dank etwas ironisch, denn mein eigentlicher Dank gilt ja der Ratio.

  14. @ Bronski
    Ihr Zitat:
    „Die Überschrift über diesem Thread stammt, wie es in diesem Blog üblich ist, aus einem der Leserbriefe, nämlich dem von Albrecht Thöne.“

    Dann aber hätten Sie es so schreiben müssen:
    ……………………………………
    Die Krise einer „narzisstisch gestörten Persönlichkeit“
    ……………………………………
    nach meinem Dafürhalten …….

  15. Zuerst DIE WELT, jetzt die FAZ:
    „Lufthansa informierte Bundesamt nicht über Depression“
    „Niemand informierte Luftfahrtbundesamt über psychische Probleme“

  16. @ Günter Rudolphi

    Genau genommen haben Sie recht. Allerdings hätten wir dann die ganze Startseite voller Anführungszeichen, da die Überschriften in so gut wie allen Threads in diesem Blog aus den Leserbriefen stammen. Da jede/-r User/-in, die/der FR-Blog liest, weiß oder jedenfalls wissen kann, dass hier ausschließlich subjektive Meinungsbeiträge verhandelt werden, halte ich eine Kennzeichnung als solche durch Anführungszeichen für unnötig.

  17. @ Bronski
    In meiner alten Heimat sagt man:
    „Und wer recht hat, zahlt eine Maß (Bier)“
    Die dürfen Sie jetzt auf mein Wohl fiktiv trinken ….

  18. @ Günter Rudolphi # 6
    Zu Ihren Fragen: 1) „Wie geht ein Mensch mit einer diagnostizierten Depression um?“ und 2) „Wie geht die Gesellschaft mit dieser Diagnose und den davon betroffenen Menschen um?“

    Nach meinem 2. Staatsexamen 1973 erlebte ich etwas, das man heute wahrscheinlich mit „Burnout“ bezeichnen würde. Ich hatte Panikattacken in den verschiedensten Situationen, und statt nach meinem Erfolg zuversichtlich in die Zukunft zu blicken, schaute ich in ein tiefes schwarzes Loch.
    Es dauerte geraume Zeit, bis ich mich überhaupt in ärztliche Behandlung begab, denn man mogelt sich gerne um die Erkenntnis herum, dass man psychisch krank ist, aber mit dem Besuch beim Psychiater wird es dann manifest: man tickt im Oberstübchen nicht richtig.
    Aufgrund meiner Familienanamnese – es gab da eine Tante mit einer Zwangsstörung und einen Onkel, der unter diversen Ängsten litt, aber keinen, bei dem eine Depression diagnostiziert worden war – kam die Nervenärztin zu der Einschätzung, ich litte unter einer mittelschweren endogenen, also genetisch bedingten, Depression.
    In der hoffnungslosen Gefühlslage, in der ich mich damals befand, erlebte ich diese Diagnose natürlich als vernichtenden Schlag. So wie ich die Ärztin verstand, musste ich mich darauf einstellen, mein Leben lang von dieser Krankheit verfolgt zu werden.
    Es dauerte einige Zeit, bis die Tabletten, die ich verordnet bekam, wirkten, deshalb konnte ich meine erste Arbeitsstelle erst drei Wochen nach Beginn des Schuljahrs antreten. Sicher war es von der Ärztin fürsorglich gemeint und eigentlich war ich ihr auch dankbar, dass sie das Attest, das ich für den Arbeitgeber brauchte, auf ein Blatt mit dem Briefkopf ihres Ehemannes, eines Internisten, schrieb. Damit bestätigte sie mir aber auch, dass ich den wahren Grund meiner Arbeitsunfähigkeit verheimlichen musste, weil ich sonst vor aller Welt blamiert gewesen wäre.

    Die Diagnose „endogene Depression“ erwies sich später als anzweifelbar, denn von diesen Zuständen lähmender Niedergeschlagenheit blieb ich in Zukunft verschont, allerdings bedeutete das nicht, dass ich in meinem weiteren Leben von psychischen Störungen frei gewesen wäre. 1977 zeigten sich Anzeichen einer multiplen Angststörung, mit der ich – mal stärker, mal schwächer – bis zum Anfang der 90er Jahre zu kämpfen hatte: Agoraphobie, Flugangst, diverse Körperängste. Zu Arbeitsunfähigkeit führte diese Krankheit zum Glück höchst selten, und auch bei der Betreuung meiner Kinder war ich kaum beeinträchtigt, allerdings entwickelte ich geschickte Techniken, mich um angstauslösende Aktivitäten herumzumogeln, nahm, wenn es gar nicht anders ging, Beruhigungstabletten und hielt mein Leben, je nach Schwere der Symptome, mit äußerster Kraftanstrengung am Laufen, bis die Störungen nach mehrjähriger Psychotherapie vor 22 Jahren verschwanden. In meinem Arbeitsumfeld ist es mir gelungen, meine Probleme zu verbergen, bis ich mich dazu entschied, mich im Interesse meines Selbstwertgefühls nicht mehr zu verstecken.

    Wie fühlt man sich als ein solcher Patient?
    Man empfindet Scham, man fühlt sich als Versager, als nicht normal, als gesellschaftlicher Außenseiter. Körperliche Krankheiten sind akzeptiert, sie lösen Mitgefühl und Rücksichtnahme aus. Psychische Erkrankungen stießen damals weitgehend auf Unverständnis, Ungeduld, herablassendes Mitleid oder gar Verachtung. Es ist zu hoffen, dass sich da mittlerweile Einiges gebessert hat. Vielleicht kann eine solche Erfahrung auch ein Gefühl von narzisstischer Kränkung hervorrufen, das Aggressionen und Rachegefühle auslöst. Bei mir war das nicht der Fall, ich nahm die Rolle der Versagerin willig an.
    Direkte Todessehnsucht hatte ich auch während meiner stark depressiven Phase nie, viel eher panische Angst vor dem Tod. Aber es war dennoch für mich ein tröstlicher Gedanke, dass ich, sollte mein Leben wirklich einmal unerträglich werden, die Möglichkeit besaß, es zu beenden.

  19. @ 12 und 16, Bronski

    Oft werden Zitate aus dem Zusammenhang gerissen, um beim Leser ein Bild in einer bestimmten Richtung zu erzeugen. Hier ist es so, daß dieses Zitat als reißerische Überschrift zum Thread nach meinem Empfinden nicht vereinbar ist mit dem Gedenken, das den Toten gewidmet sein soll

    Warum ich die Bergung und Identifizierung der Opfer für wichtig halte, habe ich geschrieben. Die hierbei gewonnenen Erkenntnisse werden in die Ermittlungen einfließen. Die Staatsanwaltschaft wird in 149 Fällen wegen eines vermuteten Tötungsdeliktes zum Nachteil eines jeden Betroffenen gegen Andreas L. ermitteln. Die Aufgabe der Gerichtsmedizin dürfte darin bestehen, in jedem einzelnen Fall die Todesursache festzustellen. Es könnte ja sein, daß einer oder vielleicht auch mehrere Absturzbeteiligte nicht an den Folgen des Absturzes gestorben sind, sondern möglicherweise schon vorher tot waren. Hoffen wir, daß die Ermittlungsergebnisse den Hinterbliebenen helfen, die Trauerarbeit zu bewältigen!

  20. Ich denke, gerade Personen vom Fach, und ich rechne einen Psychotherapeuten dazu, sollten sich schon heraus aus beruflich gebotener Selbstbescheidung jeglicher Spekulation enthalten, die nicht auf der Kenntnis gesicherter personenbezogener Fakten beruht. Aus dem hohlen Bauch heraus wird hier eine offenkundig gänzlich unbelegte These in den Umlauf gebracht, die Leser des Blogs für bare Münze halten könnten, ja halten müssen. Schlimm genug, daß sich hier ein Psychotherapeut nicht zurückhalten konnte. Das Thema ist zu sensibel, um nach üblichen Blog-Regeln zu verfahren, @Bronski.

    Befragen wir einmal die BBC, die vom Herl´schen Befund eines “wilden Taumels der totalen Irrationalität”, die ja fast die gesamte deutsche Presse befallen habe, dann wohl verschont geblieben sein muß. Unter dem Titel “What drives people to murder-suicide ? zitiert Philippa Roxby, health reporter bei der BBC, britische Fachleute wie folgt: “Incredibly extreme events like this are sometimes just inexplicable, so Prof Sir Simon Wessely, Royal College of Psychiatrists. Und derselbe „Simon Wessely says it’s unlikely we will ever know.“ Dies stimmt überein mit deutschen Fachleuten, die für größtmögliche Zurückhaltung bei Urteilen über den Copiloten plädieren. Dies war auch der FR bekannt, wie der Leitartikel von Torsten Harmsen beweist, der unter dem Titel „Depression ist kein Mordmotiv“ lapidar schreibt, „die Spekulationen über die Motive des Copiloten von Germanwings entbehren einer sachlichen Grundlage“.

  21. @ Manfred Petersmark

    Ich respektiere Ihr Empfinden — und setze ihm meines entgegen. Danach ist die Überschrift das genaue Gegenteil von reißerisch: eine kühle medizinische Diagnose, die das Grauenhafte dieser Katastrophe durch Tonfall und Fachtermini geradezu konterkariert. Mein Gedenken der Opfer liegt in der Mitte zwischen dieser (vielleicht ja nur vorgeblichen?) Sachlichkeit und dem Grauenhaften, indem es sich im Angesicht der Katastrophe um Fassung bemüht.

  22. @ V. Grebe

    „Das Thema ist zu sensibel, um nach üblichen Blog-Regeln zu verfahren, @Bronski.“

    Nein. Das Thema geht uns alle an, denn wir alle (oder nicht?) haben Flugzeuge als Verkehrsmittel genutzt und werden dies wieder tun. Ihre Sorge um die Psychohygiene in diesem Blog in allen Ehren, aber halten Sie sich doch bitte mit solchen Ratschlägen ein wenig zurück.

  23. @ Brigitte Ernst
    Zitat:
    „Es dauerte geraume Zeit, bis ich mich überhaupt in ärztliche Behandlung begab, denn man mogelt sich gerne um die Erkenntnis herum, dass man psychisch krank ist, aber mit dem Besuch beim Psychiater wird es dann manifest[…]Wie fühlt man sich als ein solcher Patient? Man empfindet Scham, man fühlt sich als Versager, als nicht normal, als gesellschaftlicher Außenseiter.“

    Damit machen Sie sich aber selber unnötig klein, außerdem überlassen Sie anderen Menschen – auch einem Psychiater – die Deutungshoheit, was „normal“ oder „nicht normal“ oder „psychisch krank“ sei.

    Sie werden es doch sicher anderen Menschen auch nicht überlassen, ob Sie sich so „alt“ fühlen müssen, wie diese es für angemessen halten, oder welches Alter im Paß steht .
    Die meisten Menschen sagen heute, man ist so alt, wie man/frau sich fühlt. Vielleicht sind Sie nur anders, z. b. empfindsamer, verletzlicher, kreativer als viele Menschen um Sie herum, aber nicht unbedingt „psychisch krank“.
    Hier ist eine Liste von berühmten „psychisch kranken“ Persönlichkeiten:
    http://home.arcor.de/pahaschi/genies.htm
    Was wäre die Welt doch ohne diese Menschen, sie wäre so viel ärmer ……

  24. “Chapeau, Herr Herl, eine ausgezeichnete Kolumne. Mit der gehörigen Anteilnahme nehmen Sie Stellung zu den ausufernden Berichten über den schrecklichen Flugzeugabsturz. Bissig, aber nicht verletzend, prangern Sie die Medien und die Experten (Klugscheißer) an. Glückwunsch!”

    Bei diesem Satz von @Ralf te Heesen aus Altenberge (s.o.) Satz wittere ich Schlimmes. Durch Erfahrung gewitzt, gibt ein Click auf den Link dem Problem sofort ein Gesicht.

    Was haben Erbsen und Tote gemeinsam ? Nun, beides sind zählbare Mengen. Herr Herl bringt nun das Künststück fertig, auch das Nicht-Zählbare zählbar zu machen. Ausgehend von der Überlegung, daß Betroffenheit eine quantitativ begrenzte Menge ist, teilt er nun die Betroffenheit, die der offenkundig beabsichtigte Flugzeugabsturz ausgelöst hat, durch die Zahl aller Gewaltopfer auf dem Planeten. Sorry, nicht aller. Herl erwähnt nur Lampedusa und die durchschnittlich 5 Minuten, die es braucht, um ein Kind weltweit Hungers sterben zu lassen. Durch einfache Division durch die Zahl der Opfer wird nun dank Herl´scher Mathematik die Betroffenheit portioniert, mit der Dimension Betroffenheitsmenge pro Kopf also. Je mehr Opfer, umso kleiner die Betroffenheit pro Kopf. Entsprechend dieser Logik kann die allgemein herrschende Betroffenheit über den Flugzeugabsturz mit ihren 150 Toten keinesfalls größer sein als die Betroffenheit über die weit größere Zahl an Lampedusa-bezogenen Toten oder die Hungeropfer dieser Welt. Herr Herl bezeichnet deshalb die Betroffenheit solange als hochgradig irrational, als sie nicht in exakt proportionaler Weise auch beispielsweise den Lampedusa-Toten zugebilligt wird. Deshalb sein Vorwurf an die Öffentlichkeit, es mit der Betroffenheit über den Absturz einfach übertrieben zu haben, und zwar ins hochgradig Irrationale hinein, Bitte sofort runterfahren damit, sehr geehrte Öffentlichkeit, denn Lampedusa mit der ungleich höheren Anzahl an Opfern gebührt eindeutig der größere Anteil.

    Trauer, Verzweiflung, Betroffenheit an einen einzigen Menschen zu verschwenden, den man beispielsweise gerade zu Grabe tragen muß, und sei es Mutter oder Vater, ohne gleichzeitig an die vielen anderen Toten zu denken, geht einfach nicht, sagt Herl. Ist nichts als ein “wilder Taumel von Irrationaliät“. Ach, “total” ist sie ja auch noch, die Irrationalität. Sorry, ich vergaß. Herl schwelgt in Superlativen, er kriegt sich einfach nicht mehr ein, die Brocken kommen ihm nur so, um in sein sprachliches Meisterwerk einverklebt zu werden. Herl mal orgiastisch zu erleben, welch schöne Osterüberraschung ! Denn er darf sich ja ausnehmen vom Verdikt, das er über die “fast gesamte Presse” verhängt. Denn wagt es die Presse, eine Traueranzeige über die eben verstorbene Mutter in der Zeitung öffentlich zu machen, ohne dabei zugleich proportional der Welttoten zu gedenken (für die Mutter verbliebe auf der Trauer-Anzeigenseite überhaupt nur noch ca. ein Quadrat-Angström an Platz, und zum Lesen bräuchte es dann ein Elektronenmikroskop !), dann hat gleich “fast die gesamte Presse den letzten Rest an Vernunft verloren”. Wer demnächst einen Angehörigen zu bestatten hat, vergewissere sich besser vorher schon sorgfältig darüber, wem er sonst noch Betroffenheit zu zollen hat auf der Welt. Vielleicht läßt man es dann mit dem Bestatten und der Trauer, sonst käme man ja mit Herrn Herl in Konflikt, der dröhnen würde, wie irrational es doch sei, die vielen Anderen Verblichenen leer ausgehen zu lassen.

    Wer oder was ist hier eigentlich am Taumeln ? Zumindest taumelt der Ruf der FR ob dieser Kolumne, ob dieses Kolumnisten, so fürchte ich. Ich taumele selbst auch. Betroffenheit ist ja so irrational wie Hunger oder Durst, aber sollen wir jetzt gemäß der Herl´schen Logik auch das Essen und Trinken herunterfahren ? Wenigstens das Schreiben, Herr Herl, damit sollten Sie wirklich herunterfahren, dies hielte ich für wirklich “total” rational !

  25. Schließe mich xiane , #7 , an , dieser thread ist eine echte Alternative zur vorherrschenden Berichterstattung.

    @maillimi

    „ob es sich nicht gleichzeitig um Täter und Opfer gehandelt hat“

    Genau so ist es , das wollen offenbar viele Medienvertreter nicht wahrhaben , dahinter könnten sich Dinge verbergen , die an den Grundfesten unserer heroischen Leistungsgesellschaft rütteln.

  26. Als ich den Beitrag zum ersten Mal las, aus dem das Zitat stammt, das dem Thread als Überschrift dient, dachte ich nur an eine grobe Anmaßung. Jetzt, nachdem ich erfahren habe, daß der Autor Albrecht Thöne Psychotherapeut ist, halte ich dessen Einlassung für eine Ungeheuerlichkeit. Jedem unbedarften Laien gestehe ich zu, seine Meinung über den Seelen- oder Geisteszustand des Kopiloten zu äußern. Die alternative Therapie des Psychotherapeuten Albrecht Thöne, wonach Andreas L., der den Schlußpunkt einer „depressiven Krise einer narzißtisch gestörten Persönlichkeit“ (ein Schubladenterminus!) durchlitt, sofort aus dem Verkehr hätte gezogen werden müssen, kann einen nur vom Sockel hauen! Wenn wir jeden Depressiven oder anderweitig psychisch Labilen, der sich selbst oder andere gefährden könnte, wegsperren wollten, wären die Straßen bald leerer und die Klapsmühlen voller. Wie allerdings künftig mit der ärztlichen Schweigepflicht in solch hochsensiblen Bereichen umgegangen wird, ist ein brennendes Thema.

  27. @bronski

    Ich frage Sie, warum Sie solche Kommentare wie Rudolphi#8 zulassen.

    Der mitleidslose Zynismus, der bloß auf Diffamierung religiöser Menschen abzielt, ist unerträglich. Offensichtlich versucht G. Rudolphi hier bloss seine eigenen Feindbilder aufzubauen und willfährige Opfer zu finden und schreckt dabei auch nicht vor der Nachrede zurück.

  28. @ Manfred Petersmark

    Die Vermutungen, die Thöne über den Zustand des Copiloten anstellt, sind eine Meinungsäußerung, nicht mehr und nicht weniger. Der Autor behauptet nicht, dass die Katastrophe die Krönung der Krise einer narzisstischen Persönlichkeit ist, sondern er sagt, dass sich die Katastrophe so verstehen lässt. Er sagt nicht, dass dies die einzige Möglichkeit ist, sie zu verstehen, aber sehr wohl eine der Möglichkeiten. Und er behauptet, dass das „Elend“ bei gründlicher Diagnostik hätte erkannt werden können. Was ist daran eine „Ungeheuerlichkeit“? Zumal jetzt nach und nach herauskommt, dass das „Elend“ anscheinend sehr wohl bekannt war — nur nicht den Stellen, die über den Einsatz des Co-Piloten zu entscheiden hatten. Damit sind wir beim Thema Schweigepflicht.

    @ BvG

    Ich würde es begrüßen, wenn Sie sich an Günter Rudolphi direkt wenden würden.

  29. @ Günter Rudolphi # 24
    Ich habe mich nicht „unnötig klein gemacht“, sondern lediglich beschrieben, wie ich mich damals gefühlt habe. Dieser Zweifel am eigenen Wert gehört eben auch zu den Symptomen der Depression. Da kann man nicht von „unnötig“ sprechen, denn das unterliegt ja nur partiell der Ratio. Dass ich immer gegen diese negative Selbsteinschätzung angekämpft habe und einige Menschen mich darin bestärkt haben, war mein Glück, sonst hätte ich da nie herausgefunden. Aber im Alter zwischen 20 und 30 haben viele Menschen noch kein so gefestigtes Selbsbewusstsein.

    @ All
    Ich denke, nach einem derart erschreckenden Ereignis haben wir Menschen einfach das Bedürfnis, für uns selbst die Hintergründe und Ursachen zu klären, weil unsere scheinbar übersichtliche und in unserem Kopf geordnete Wirklichkeit aus den Fugen geraten ist. Mit wie auch immer gearteten Erklärungen, vielleicht auch Spekulationen, versuchen wir, gegen unsere Verunsicherung anzukämpfen, uns eine Überschaubarkeit von Ursache und Wirkung zu schaffen und unser ins Wanken geratenes Sicherheitsgefühl und damit unsere innere Stabilität wiederzugewinnen. Dieses Phänomen sollten wir nicht so negativ beurteilen. Es dient dem Selbstschutz und ermöglicht es uns, unseren Alltag weiterhin zuversichtlich zu meistern.

  30. @ BvG,?

    was ist mit Ihnne los? in #8 wird niemand diffamiert.

    Das ist wohl eher eineReferenz zu den oft unreflektiert in der Sensationspresse generierten Überschrift?

  31. @ BvG
    Es gibt in der jüngeren Justizgeschichte einen Fall eines Kidnappers und Mörders, vorher war er übrigens noch sehr religiös und kirchlich engagiert gewesen, der bekam nach dem grausamen Mord an einem entführten Jungen durch langsames Ersticken lebenslänglich mit besonderer Schwere der Schuld, studierte in der Haft noch fertig, wollte auch eine gemeinnützige Stiftung auf seinen Namen mit einem Anwalt zusammen gründen, schrieb in der Haft ein Buch „Allein mit Gott – Der Weg zurück“, hat später Privatinsolvenz angemeldet, erstritt auch noch für sich Schmerzensgeld und änderte inzwischen seinen Namen.
    Sollten Sie sich in der Justiz nur etwas auskennen, dann dürfte Ihnen der Fall bekannt sein. Darauf hatte ich lediglich angespielt.

    Soviel zu Ihrem Zitat:
    „Der mitleidslose Zynismus, der bloß auf Diffamierung religiöser Menschen abzielt, ist unerträglich.“

    Bronski kann Ihnen ja meine E-mail-Adresse geben.

    Nachträglich auch noch „Ein frohes Osterfest“ für Sie.

  32. @Rudolphi#32

    Das erklärt einiges, vermutlich habe ich zu heftig reagiert.
    Ich finde es aber trotzdem zu weit gehend, die Sätze:

    „Ich mag mir die Szenen, die sich an Bord abgespielt haben müssen, nicht vorstellen. “ (Einleitungstext)

    “Nur Gott flog noch mit”. (#8)

    zu kombinieren. Ich finde Wortspiele im Bezug auf de Absturz unangemessen.
    Auch einen Vergleich beider „Fälle“ halte ich für unzulässig.

    @KM#31

    Es ging nicht nur um #8, sondern um eine Reihe von Kommentaren, aber da sollte ich wohl G.Rudolphi direkt ansprechen.

  33. @ Bronski

    Die Ungeheuerlichkeit, wenn ich es noch nicht verständlich genug ausgedrückt habe, besteht für mich darin, daß der Psychotherapeut Albrecht Thöne eine „Zivilcourage“ vermißt, bei deren Vorhandensein Andreas L. „aus dem Verkehr“ gezogen hätte werden müssen.

    Ich nehme an, daß Albrecht Thöne hier unter Zivilcourage versteht, Andreas L. hätte unter strengerer Gewichtung der Diagnose und unter Umgehung legaler Mittel festgesetzt und ruhiggestellt werden müssen. Denn für normale Vorgänge braucht’s keine Zivilcourage.

    Ich glaube nicht, daß gegen das „Elend“ eines Patienten das Elend in einer geschlossenen Psychiatrie hilft. Intelligente Menschen, deren Psyche krank ist, werden ruhiggestellt, wobei heute keine textile sondern die chemische Zwangsjacke zum Einsatz kommt, gegen die der Kranke nicht einmal mehr bei vollem Bewußtsein aufbegehren kann.

    Psychisch Erkrankten ist in den meisten Fällen schmerzlich bewußt, daß sie von den „Normalen“ stigmatisiert werden. Leider werden sie ihres Zustands als Krankheit oft nicht gewahr, auch wenn sie in Behandlung sind.

    Mir ist nicht bekannt, inwieweit die Piloten der Billigfluglinie Germanwings sich medizinischen Routineuntersuchungen unter Offenlegung ihrer akuten und zurückliegenden Erkrankungen und unter Preisgabe der ärztlichen Schweigepflicht unterziehen müssen. Wahrscheinlich gibt es hier noch genügend Potential zum Nachbessern.

    In wenigen Tagen wird die Biographie samt Krankengeschichte von Andreas Lubitz in den Medien verfügbar sein, ärztliche Schweigepflicht hin oder her.

    Wäre das Flugzeug abgestürzt, weil der Pilot einen Herzinfarkt erlitten und unbewußt einen Sturzflug eingeleitet hätte, so würde die Frage nach der Vermeidbarkeit dieses krankheitsbedingten Unglücks weit weniger in den Vordergrund treten. Die Hinterbliebenen werden sich diese Frage stellen. Die Suche nach einer Antwort wird ihren Schmerz nicht lindern.

  34. @petersmark
    „Wäre das Flugzeug abgestürzt, weil der Pilot einen Herzinfarkt erlitten und unbewußt einen Sturzflug eingeleitet hätte, so würde die Frage nach der Vermeidbarkeit dieses krankheitsbedingten Unglücks weit weniger in den Vordergrund treten. Die Hinterbliebenen werden sich diese Frage stellen. Die Suche nach einer Antwort wird ihren Schmerz nicht lindern.“

    Guter Hinweis

    Bei psychischen Problemen wird noch immer eine „Rest“- Steuerungsfähigkeit unterstellt, die bei körperlichen Erkrankungen (Herzinfarkt) gar nicht verlangt wird.

    Hundertprozentig gesunde Menschen gibt es halt nicht und auch Ärzte können nicht jedes Risiko im Vorfeld erkennen und vermeiden. Da bleiben nur systematische Sicherungsmaßnahmen, wie z.B. Doppelbesetzung oder, wie es ein Kommentator in der New York Times vorgeschlagen hat, eine Fernsteuerung des Flugzeugs durch die Flugsicherung oder GPS-gestützte Maßnahmen. Aber auch dadurch wird keine hundertprozentige Sicherheit möglich werden.

  35. Eine große Mitschuld an dem Flugzeugunglück in den französischen Alpen tragen die Verantwortlichen für ständig steigenden Spardruck. In früheren Zeiten bestand eine Besatzung aus drei Personen, den beiden Piloten und einem Bordingenieur. Die Tragödie wäre nicht möglich gewesen. Die erste Maschine der Lufthansa nach dem Krieg flog sogar mit einer Besatzung aus fünf Personen.

  36. Sehr geehrter Herr Harmsen, Ihr so wichtiger und guter Leitartikel von heute lässt mich einfach nicht los. Gestatten Sie mir bitte, dass ich einige Gedanken dazu bei Ihnen ‘’ablade’’. Vorab fürchte ich, dass diejenigen Menschen, die von psychischen Krankheiten absolut keine Ahnung ‘am lautesten das Maul aufreissen‘ und Ihren Artikel sicher nicht gelesen haben.
    Was mir so unheimlich wichtig wäre ist die Beantwortung der Frage, wie ein junger Mann Mitte/Ende 19damals war er wohl schon in psychotherapeutischer Behandlung) bereits Suizidgedanken- /Absichten haben kann. War er evtl. in der Odenwaldschule oder einer ähnlichen Einrichtung?
    Trotz der schrecklichen Tragödie in den Alpen, die ich nicht in Worte fassen kann, halte ich den Co-Piloten für keinen Massenmörder, wie der Springerkonzern das fast genüsslich nennt – ekelhaft! Ebenso halte ich es für nicht wahrscheinlich, dass er diesen Absturz genau geplant hat. Als der Pilot kurz nach erreichen der Flughöhe sich wohl zur Toilette verabschiedete, saß der junge Mann ganz allein in dem ziemlich kleinen Cockpit. Und da, denke ich, kam ihm die Idee, dass er diese Chance für einen erfolgreichen Selbstmord wahrscheinlich nie wieder bekommen wird. Die 149 Menschen hinter ihm waren bei ihm sicher total ausgeblendet, und er konzentrierte sich wohl nur auf die technischen Dinge die gemacht werden mußten, damit sich sein größter Wunsch endlich erfüllt – mit 27 Jahren!
    Damit Sie mich nicht falsch verstehen, sehr geehrter Herr Harmsen, mein ganzes Mitgefühl ist bei den Opfern und deren Familien und Freunden, ich mag gar nicht daran denken, auch nur einen einzigen Menschen gekannt zu haben, der in der Maschine saß. Und deshalb halte ich Ihren Artikel auch für so ungeheuer wichtig, nämlich, dass eine Abgrenzung von psychisch zu ‘normalen’ Krankheiten niemals erfolgen darf. Siegmund Freud würde sich im Grabe rumdreh’n, und die Zahlen der Suizide würden sich um ein Vielfaches erhöhen.

  37. @ Helene Scondo (6. April 2015 23:27)
    Es wird doch berichtet, der Copilot habe sich bereits Tage vorher im Internet nach der Türsicherung erkundigt und nach Möglichkeiten der Selbsttötung gesucht. Das hatte die Staatsanwaltschaft Düsseldorf bekannt gegeben nach Auswertung der Browserchronik. Daneben werden auch weitergehende Aktivitäten berichtet.
    Ich führe dazu auch eine Quelle an:
    https://de.nachrichten.yahoo.com/germanwings-copilot-loggte-sich-als-skydevil-auf-seinem-115040313.html
    Die Staatsanwaltschaft jedenfalls erscheint mir hier doch sehr glaubwürdig zu sein.
    Zu der Validität von Diagnosen nach einer depressiven Symptomatik, von der ja auch Brigitte Ernst berichtet hatte, merke ich nur an:
    Wie gesichert war diese erste Anfangs- oder Verdachts-Diagnose?
    Wurde auch differentialdiagnostisch abgeklärt?
    Wurde die Diagnose unabhängig gegengeprüft, auch per Zweitmeinung, wie waren die Punktzahlen nach der Hamilton rating scale for depression?
    Eine depressive Symptomatik kann ja bei sehr unterschiedlichen Störungen auftreten, auch reaktiv nach äußeren oder früheren Belastungen, der Begriff „endogen“ ist veraltet, zum Einstieg in die ganze Problematik der „Depression“ wäre ein Blick in den Wikipedia-Artikel zur Depression schon mal ein guter Anfang:
    http://de.wikipedia.org/wiki/Depression

    Ansonsten sind Schnell-Schüsse aus der Hüfte in diesem Thread nicht so mein Ding, am Ende des Monats April weiß man sicher noch mehr.
    Aber die Hinweise auf eine bewußt geplante Tat mit Selbsttötung und vielfacher Massentötung Unschuldiger, zufällig im Flugzeug Anwesender, auch Ahnungsloser verdichten sich, da kommt die Frage nach Mordmerkmalen – wie der Heimtücke – ins Spiel.
    Ebenso müßte aber auch bei Mord geprüft werden, ob Schuldunfähigkeit oder verminderte Schuldfähigkeit zur Tatzeit in Frage käme.
    Ein bewußt herbeigeführter Massenmord mit Suizid und voller Schuldfähigkeit zur Tatzeit aber entspräche einem Selbstmord-Attentat.

  38. Gemeinsamkeiten und Unterschiede zeigt dieser Artikel der WELT:
    „Der Amok-Pilot, der den eigenen Absturz überlebte“
    Zitat daraus:
    *“Als ich vom Autopiloten in den manuellen Betrieb umschaltete, um zu landen, empfand ich plötzlich große Übelkeit. Dann befiel mich eine unerklärliche Panik, und schließlich verlor ich fast das Bewusstsein.“ Die Auswertung des Stimmenrekorders ergab, dass der Flugzeugführer zuvor laut im Cockpit wirres Zeug herumgeschrien hatte und schließlich schluchzend und weinend den Absturz erwartete. Er habe sich, so sagte sein Copilot später vor Gericht aus, in einem „Zustand des Wahns“ befunden. Als das Meerwasser in das Cockpit strömte, habe er nur weinend dagesessen und gesagt: „Nun habe ich es doch getan!“*
    Quelle: http://www.welt.de/politik/ausland/article139137557/Der-Amok-Pilot-der-den-eigenen-Absturz-ueberlebte.html
    Der Copilot jetzt soll aber ganz ruhig gewesen sein, bei vollem Bewußtsein, wenn alles aber bereits vorher überlegt wurde, dann ist ein Massenmord wahrscheinlich geworden.

  39. Das Rätselraten über den Copiloten ist nun in vollem Gange, wie der Beitrag von Frau Scondo (#37) beweist. Nun toben sich also Laien über eventuelle Motive oder Nicht-Motive des Unglückspiloten aus, und der hehre Anspruch der FR, es anders in der Befassung mit dem Thema machen zu wollen als die üblichen „Verdächtigen“, schmilzt dahin. Höchst geschmacklos wird Frau Scondo dann, wenn sie anderen Zeitungen „Genüßlichkeit“ beim Verweis auf den diskutierten Massenmordcharakter des Tuns („murder-suicide“ im Englischen) unterstellt. Das ist starker Tobak und geht eindeutig zu weit.

    Korrekt mit dem Thema „Copilot“ befaßt sich nur, wer sich – und das gerade als Laie – äußerster Zurückhaltung befleißigt, und Leute vom Fach, die keine anderen Sachkenntnisse über den Copiloten haben als jene, die in den Medien veröffentlicht wurden, sind schon aus beruflichen Gründen zur Zurückhaltung verpflichtet. Von der Verantwortung der Journalisten, Meinungen nicht als Tatsachenbehauptungen darzustellen, ganz zu schweigen.

    Die Frage, ob der Tod der 149 mitbetroffenen Personen den Tatbestand des Mordes erfüllt oder nicht, ist schon schwierig genug und wahrscheinlich niemals (endgültig) zu beantworten. Insofern ist eine Äußerung wie die von Frau Scondo oben gemachte überflüssig, weil einfach irrelevant.

    Jedoch hat sie die Verwendung des Adjektivs „ekelhaft“ verraten. Das Unglück wird benutzt, instrumentalisiert, um anderen, und sei es ein eh schon ungeliebtes Presseorgan, eins überzubraten. Da hilft dann auch die übliche Mitgefühlsbeschwörung nicht mehr. Wir sind in der Niederungen desjenigen angelangt, was ein berühmter Schwank des Ohnsorg-Theaters einen „Tratsch im Treppenhaus“ nennt.

    Schade, sehr schade.

  40. Ich danke Helene Scondo (# 37) für den Link zum Artikel von Torsten Harmsen. Er klärt bereits Einiges, was zu den letzten Beiträgen richtigzustellen war. Dennoch bleibt noch das eine oder andere zu ergänzen:
    Früher nannte man die Depression eine „Gemütskrankheit“. Der Patient merkt, dass etwas mit ihm nicht stimmt und empfindet einen starken Leidensdruck. Dass die Statistik noch heute von einer so hohen Dunkelziffer ausgeht, wundert mich, denn der Zustand ist so unerträglich, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass man da nicht früher oder später einen Arzt aufsucht. Erklären kann ich mir das nur bei leichteren Fällen oder bei Kombinationen mit anderen Krankheiten, wie sie Harmsen nennt, oder bei beginnender Demenz, wenn der Patient selbst nicht mehr in der Lage ist, sich Hilfe zu holen. Aber obwohl die Depression heute nicht mehr so stigmatisiert ist wie noch vor 30 Jahren, könnte sich mancher immer noch aus Scham scheuen, sich und dem Arzt seine Krankheit einzugestehen. Hier wäre es in der Tat fatal, wenn die Depression (zu Unrecht) in den Verdacht der Gefährlichkeit für andere geriete.

    Im Zusammenhang mit einer medikamentösen Behandlung bei Depressionen von einer „chemischen Zwangsjacke“ (Petersmark #34) zu sprechen, halte ich für problematisch. Ein Depressiver muss nicht ruhig gestellt werden, er ist bereits antriebslos und verzagt genug. Ich selbst war sehr froh, dass ich Medikamente bekam, die mich aus dem Stimmungstief herausgeholt haben, allerdings können solche Mittel auf Dauer auch gefährliche körperliche Nebenwirkungen haben.

    Wichtig ist, zu unterscheiden zwischen einer Depression und einer Psychose. Ein Depressiver nimmt sich als krank wahr, jemand, der an einer Psychose, z. B. einer Paranoia, leidet, kann zwischen Realität und Wahn nicht unterscheiden und fühlt sich tatsächlich verfolgt.

    Zur ärztlichen Schweigepflicht:
    Wenn ein behandelnder Arzt oder Psychotherapeut einen Patienten für gefährlich hält, ist ja bereits heute seine Schweigepflicht aufgehoben. Das Problem im aktuellen Fall war aber offenbar, dass die Information über die während der Ausbildung aufgetretene Suizidalität, die der spätere Copilot an seine Ausbilder weitergeleitet hatte, der Flugsicherheitsbehörde vorenthalten wurde. Wem dieser Fehler anzulasten ist, weiß ich nicht.

    Zum möglichen Fall, dass einer der Piloten einen Herzinfarkt erlitten hätte (## 34 u. 35):
    Hier hätten ja die bisher schon gültigen Sicherheitsbestimmungen gegriffen, denn der zweite Pilot, der ja nur kurz auf der Toilette war, hätte das Cockpit wieder betreten und das Steuer übernehmen können. Dass dies nicht möglich war, lag ja daran, dass der Copilot die Tür willentlich von innen verschlossen hatte, so dass sie sich trotz Eingabe des dazu nötigen Codes nicht mehr öffnen ließ. Hier hätte es bereits genügt, der Regelung zu folgen, die seit Langem in den USA vorgeschrieben ist, nämlich dass bei Abwesenheit eines der beiden Piloten ein Flugbegleiter im Cockpit anwesend sein muss, der die Tür im Notfall dann ja öffnen kann. Um das zu verhindern, hätte der Copilot zu körperlicher Gewalt greifen müssen, was aber auch bei Anwesenheit eines dritten Piloten, wie sie Manfred Christmann (# 36) fordert, möglich gewesen wäre. Diese Bestimmung (Vier-Augen-Regelung) wurde ja jetzt auch in Deutschland eingeführt und kostet die Fluggesellschaft keinen Cent.
    Hier muss man der deutschen Flugsicherung ein folgenschweres Versäumnis vorwerfen.

  41. Wieder eine Einlassung, die zu weit geht. Diesmal von @Frau Ernst (#41), die der „deutschen Flugsicherung“ kühn ein „folgenschweres Versäumnis“ vorwirft. Auch eine 2. Person im Austausch gegen einen der Piloten wird wahrscheinlich wenig bis nichts gegen einen zu allem entschlossen Selbstmörder im Cockpit ausrichten können, der diese Tat vorher geplant hat. Wir bewegen uns in einer Situation, der der es keine ideale Lösung geben kann. Was man auch tut, es bleibt ein Sicherheitsdefizit bestehen. Dies interessiert den Laien jedoch nicht, der nur eine Wahrheit kennt, nämlich die seine. Und diese dann noch verabsolutiert, wie Frau Ernst dies hier tut. Niemand ist in der Lage, die Wahrscheinlichkeit einer im Menschen selbst begründeten krisenhaften Entwicklung im Flugzeug auf Null zu reduzieren. Man sollte einfach die Kirche im Dorfe lassen.

  42. # 39 Günter Rudolphi
    Der Welt-Artikel ist einerseits recht informativ, andererseits befremdet mich das Vorgehen des Reporterteams doch sehr. Wie dumm-dreist sind die denn? Glauben sie, dass ein Mann mit einer derartigen Vergangenheit – und die kannten sie ja bereits – ihnen fröhlich seine Tür öffnet und ihnen von seiner über 30 Jahre zurückliegenden Tat erzählt? Und das in einem Land wie Japan, wo die Privatsphäre viel stärker geachtet wird als bei uns. Wollten sie seine alten Wunden weder aufreißen, wenn diese denn überhaupt verheilt sind?
    Was ich am schlimmsten finde, ist die Tatsache, dass diese rücksichtslosen Eindringlinge dann nicht einmal davor zurückschrecken, den alten Mann, dessen wahre Identität die Nachbarn nicht kannten und der endlich seine Ruhe finden wollte, jetzt vor seiner Umgebung zu outen. Ein schlimmes Beispiel für menschenverachtenden, skandalgeilen Journalismus.
    Völlig unnötig auch der Hinweis auf seine Pension. Soll der Mann nach jahrelangen Aufenthalten in der Psychiatrie jetzt Not leiden?

    Na ja, die „Welt“ halt…

  43. # 42 V. Grebe:
    Wo habe ich eine Wahrheit verabsolutiert?
    Ich habe auf eine Verringerung der Gefahr durch die Vier-Augen-Regelung hingewiesen, die die deutsche Flugsicherung jetzt ja auch erkannt hat, sonst hätte sie diese Regelung nicht nachträglich eingeführt. Dass man niemals allen Eventualitäten vorbeugen kann, ist mir auch klar, lieber Herr Grebe, aber die Gefahr sollte doch so gering wie möglich gehalten werden, oder? Sonst könnte man ja von vornherein auf jegliche Vorsichtsmaßnahmen und Kontrollen verzichten in der fatalistischen Gewissheit, dass man doch nicht alle Gefahren ausschließen kann.
    Wenn die deutsche Flugsicherheitsbehörde nach dem schrecklichen Vorfall das einführt, was schon vorher in den USA galt, ziehe ich daraus den logischen Schluss, dass sie ihr vorheriges Versäumnis selbst erkannt hat.

  44. #42 Frau Ernst, ich bezweifle, daß die Maßnahme zu einer meßbar verbesserten Sicherheit führt. Die Wahrscheinlichkeit eines Ereignisses wie des beklagten ist schon extrem gering. Ich denke, die Panik unter den Menschen hat einen Ruf nach einer Maßnahme laut werden lassen, deren Wirkung als solche durchaus infrage steht, aber den Fluggesellschaften dennoch keine Wahl gelassen hat. Denn die allgemeine Panik verlangte nach einer Reaktion, selbst wenn sie keine wirkliche Lösung darstellt. Es geht hier vor allem um Balsam auf die vielen Seelen.

  45. @ V. Grebe # 45
    Messbar wird die Verbesserung der Sicherheit durch die Vier-Augen-Regelung hoffentlich nicht sein, denn so viele Piloten mit suizidaler Absicht fliegen ja zum Glück nicht in der Weltgeschichte herum. Und ob jemand in den USA ohne diese Regelung etwas Ähnliches durchgeführt hätte, wird man auch nie erfahren, genauso wenig wie man je wissen wird, ob diese Vorschrift die Katastrophe der German-Wings-Maschine tatsächlich verhindert hätte. Aber ich persönlich setze in diesem Fall auf das gute alte Prinzip: „Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste“. Ich wüsste nicht, was daran falsch wäre.

  46. Andreas Lubitz war während dieser letzten, der wahrscheinlich lustvollsten Phase seines Lebens nicht depressiv. Er wollte alles voll auskosten und hat deshalb genau kalkuliert, welche Sinkflugrate einzuhalten war, um an dem vorbestimmten Berg, vielleicht sein Favorit in den französischen Alpen, den Höhepunkt zu erleben. Das Fugzeug schnell abstürzen zu lassen, hätte ihm zwar auch Schlagzeilen eingebracht; aber diese letzte sinnliche Sensation, die er wählte, war ihm wichtiger. Wie ich mit ihm fühle!

  47. Wie erwartet, stürzt dieser Thread mit rasender Geschwindigkeit in’s Schmuddelige ab.
    Es wäre besser gewesen, ihn nicht zu eröffnen.

    Die vielen Besserwisser, innerhalb und ausserhalb dieses Blogs, sollten wenigstens den Anstand haben, über Tote nicht schlecht zu reden.

    (…) Je mehr man das menschliche Ansehen des Copiloten zerfleddert, umso schmerzlicher wird der Tod der Passagiere.

    Barmherzigkeit wäre angesagt, allen Insassen des Flugzeugs gegenüber und den Angehörigen gegenüber.

    (Es ist an dieser Stelle auch keine Besserwisserei über Barmherzigkeit gefragt!)

    (…) Passage gelöscht, Anm. Bronski

  48. @ 49

    BvG, Sie sind der erste Kommentator, ohne daß Sie es vielleicht wissen, der mir seit Eröffnung dieses Threads aus dem Herzen spricht.

    „Im Gedenken an die 150 Toten des Germanwings-Fluges 4U9525…“

  49. De mortuis nihil nisi bene ….. („über Tote nicht schlecht zu reden.“) ist ein sehr ehrenwerter Grundsatz und wird ja auch im allgemeinen beherzigt.

    Für Historiker, Pathologen, Rechtsmediziner, Juristen und Kriminalisten ist das aber nicht immer der erste Grundsatz ihrer Tätigkeit, bei der es mehr um Aufklärung und evtl. auch um Vorbeugung, sprich Prävention geht.

  50. Nicht ohne Grund unterliegen diese Berufe der Schweigepflicht.

    Auch für bestimmte historische Zusammenhänge gilt das, aber im besonderen für pathologische, juristische und kriminalistische Erkenntnisse.

    Darüber hinaus muß bedacht werden, wer diese Informationen erhalten darf und in welcher Form. Da gibt es berechtigte und unberechtigte Interessen.

    Ansonsten gibt es die Möglichkeit anonymisierter Erhebungen.

    Derzeit scheint es Mode zu sein, daß jeder, der sich eine Sache nicht erklären kann, ein Recht daraus ableitet, jede verfügbare Information zu erhalten, die ihn aus seinem Defizit erlöst oder aber darüber zu spekulieren, bis ein Zwang zur Veröffentlichung der Wahrheit entsteht.

    Dieses Recht existiert aber nicht. Man kann von Unbeteiligten auch verlangen, stillschweigend ihre Unkenntnis zu ertragen und auszuhalten.

    Es wäre noch die Unterscheidung zwischen „Betroffenheit“ und „Beteiligung“ zu klären.

    Betroffen mag sich jeder zeigen, beteiligt ist er deshalb lange noch nicht.

    Valentineske:
    „Woran ist er denn gestorben?“
    „Am Ende hat’s Leben gefehlt!“

  51. @ BvG

    Darf man denn auch von den Unbeteiligten oder Betroffenen der anderen Seite, wie auch immer, verlangen, stillschweigend ihre Kenntnis zu ertragen?

  52. Darauf fällt mir nur ein besonders „perfides“ Zitat (Frage und Antwort) ein. Da ging es um Leserbriefe:

    Frage:
    „Und was wünschen sich die Leser aus Ihrer Erfahrung am meisten von der Rundschau?“

    Antwort:
    „Debatten. Die meisten FR-Leser mögen Pro und Contra, Stimme und Gegenstimme. Sie wollen Alternativen hören, neue Anregungen und Horizonte erfahren. Die lebendige Auseinandersetzung. Die sind wissbegierig, auch die ältesten unter ihnen. Und deswegen mache ich mir keine Sorgen, denn davon haben wir jede Menge im Blatt. Das ist geradezu unser Markenzeichen.“

    http://www.fr-online.de/wir-ueber-uns/fr-leserbriefe-bronski—ihr-mann-in-der-fr,4353508,4375552.html

  53. @petersmark

    Ich habe keine Ahnung, was Sie meinen. Welchen „Seiten“ gibt es hier?

    a. Generell würde ich sagen, daß der „Schweigepflicht“ auch eine entsprechende „Diskretionspflicht“ (=“Neugierbremse“) gegenüber stehen soll.

    b. Jemand, der von jemandem, der unter der Schweigepflicht steht, etwas erfährt, untersteht weiterhin der Schweigepflicht und ist nicht etwa davon befreit. Auch ein offensichtlicher Bruch der Schweigepflicht durch die erste Person entbindet die zweite Person nicht von dieser.

    c. „Stillschweigend Kenntnisse zu ertragen“ ist ja der Kern der Schweigepflicht und der Diskretion, ich weiß nicht, wohin diese Frage zielt.

  54. @ 55, BvG

    Welche Seite es außer der anderen gibt, dahinter sind Sie ja schon gekommen!

    Sonst geht’s nur ums Ertragen.

  55. Ich zitiere Sie, BvG (12. April 2015 10:23):
    „b. Jemand, der von jemandem, der unter der Schweigepflicht steht, etwas erfährt, untersteht weiterhin der Schweigepflicht und ist nicht etwa davon befreit. Auch ein offensichtlicher Bruch der Schweigepflicht durch die erste Person entbindet die zweite Person nicht von dieser.“

    Das ist doch eindeutig falsch, also kompletter Unfug, wenn die zweite Person keine der im §203 StGB genannten Personen ist.
    Sagt ein Arzt etwas über einen Patienten seinem befreundeten Golfpartner, z.B. einem Bauunternehmer, kann dieser Bauunternehmer nicht bestraft werden, wenn der das weiter trägt, der Arzt schon.

    „Lesen hilft“ eben offensichtlich nicht bei Ihnen, BvG!

  56. Eine „Diskretionspflicht“ ist außerdem so schwammig und juristisch irrelevant wie eine fiktive „Erzählpflicht“ beim Kaffeekränzchen des Wandervereins.

  57. @ all

    Um das mal klarzustellen, insbesondere an die Adresse von BvG: Dies ist ein Leserforum. Hier tummeln sich interessierte Laien. All diese Menschen sind, waren oder werden Fluggäste sein und haben daher ein Recht darauf, sich über die Konsequenzen aus dem Flugzeugabsturz zu unterhalten. Meinungen darüber auszutauschen ist ein Akt der Selbstvergewisserung. Ich kann nicht erkennen, dass die Rechte der bei dem Absturz getöteten Menschen oder die des Co-Piloten, der den Absturz mutmaßlich verursacht hat, verletzt worden wären. Die gesamte Debatte erfolgte in einer Atmosphäre hoher Sensibilität und des Respekts, jedenfalls überwiegend. Solange das weiterhin der Fall ist, kann in genau dieser Weise weiter über die Katastrophe gesprochen werden, denn sie betrifft uns alle. Es kann und wird auf diesem Blog daher keine Rede- oder Denkverbote in dieser Hinsicht geben. Ich werde Kommentare, die solche Redeverbote auszusprechen versuchen, nicht mehr freischalten und bitte alle Beteiligten, sich nicht mehr mit dieser Frage zu beschäftigen.

  58. Der Absturz der Germanwings Maschine, die vermutlich auf eine psychische Erkrankung des Copiloten zurückgeht, bedeutet für andere Erkrankte mit dieser Diagnose, das von ihrer Erkrankung Gefahr ausgehen kann, gegen das eigene oder das Leben anderer. Für Erkrankte in der Psychiatrie allgemein ist eine Tat wie der bewusst herbeigeführte Absturz der Germanwings Maschine keine gute Nachricht, denn es sei unter dem Einfluss einer „ihrer“ psychische Erkrankung geschehen. Ich denke dabei insbesondere an Erkrankte in Gewahrsam, denn das einsitzen kann Jahre dauern. Es dauert ebenfalls wieder Jahre sich zu rehabilitieren. Damit wird es noch schwerer nach Taten wie durch den Copiloten Thomas L. aus dem psychischen Gewahrsam wieder herauszukommen.

  59. @ 62

    Gewiß, Herr Vollmershausen, es ist nicht nachvollziehbar, daß der Kopilot Thomas Lubitz nicht zu allererst an das Nächstliegende, an das Schicksal der im Psychiatrie-Gewahrsam einsitzenden Erkrankten, gedacht hat. Kann sein, daß er gar nicht so richtig wußte, wie es in der Psychiatrie so richtig läuft.

  60. @ 63

    wie es läuft in der Psychiatrie, nun da ergeben sich enorme Brüche in der Biographie und in der Karriere.
    Also ein Verkehrspilot zu sein ist doch eigentlich ein Traumberuf zudem gut bezahlt. Krankschreiben ist dabei problemlos, man benötigt nur ein Unwohlsein und wird damit fluguntauglich geschrieben. Das ist problemlos, wie ich aus sicherer Quelle weiß. Thomas L. war krank geschrieben, damit fluguntauglich und ist trotzdem geflogen. Die Krankmeldung, d.h. die Fluguntauglichkeit wurde nicht weitergegeben an Germanwings durch Thomas L.
    Er erschien fluguntauglich zum Dienst und niemand schöpfte Verdacht. Was danach geschah war vielleicht eine fixe Idee, die umgesetzt werden musste. Wie können solche Taten verhindert werden, wenn das Unwohlsein des Piloten durch diesen nicht weitergegeben wird ? Dabei genügt ein Anruf, man sei fluguntauglich und ein anderer Pilot würde eingesetzt und das Unglück damit verhindert werden. Germanwings wie die anderen Fluggesellschaften vertrauen darauf, das ihre Piloten ehrlich sind, was ein Unwohlsein betrifft.

  61. @ 64

    Wahrscheinlich war Thomas Lubitz krank. Aber sein Krankheitsbild bestand im entscheidenden Moment anscheinend nicht darin, sich unwohl zu fühlen. Möglicherweise hatte er stimulierende Medikamente erhalten, die in ihm das Verlangen nach dem ultimativen Kick auslösten.

  62. Spekulieren kann man natürlich, Herr Petersmark.
    Die Fakten sind:
    Die Staatsanwaltschaft hat seine Krankenakten, weiß also, welche Medikamente (Psychopharmaka) verordnet wurden.
    Was vermutlich niemand weiß, ist, ob er diese auch eingenommen hatte, in welchen Zeiträumen vor dem Tattag oder noch am Tattag.
    Dazu bräuchte sie eine Blutprobe, um den Blutplasmaspiegel auf Psychopharmaka untersuchen zu lassen, das ist ja nicht mehr möglich.
    Auch aus einer Haarprobe lassen sich Rückschlüsse ziehen, aber wesentlich unbestimmter, vor allem gibt eine Haarprobe nicht den unmittelbaren Zeitraum vor dem Tattag wieder.
    Der Copilot hat sich bewußt getötet und weitere 149 Menschen. Alles andere ist Spekulation.

  63. Der Copilot Thomas L. ist zur Arbeit als flugtauglich erschienen trotz Krankmeldung. Das ist Fakt, damit eine vorsätzliche Täuschung gewesen durch ihn, zumal er noch in Tötungsabsicht das Steuer mit übernahm. Das System zwischen den Cockpit Angestellten und einer Fluggesellschaft beruht auf Vertrauen. Dieses Vertrauen wurde bereits durch die Pilotenstreiks bei Germanwings etwas erschüttert. Es ist da die Frage wie es weitergehen soll mit dem Vertrauen der Fluggesellschaften in ihre Piloten. Psychische Krankheiten verbreiten sich immer mehr in der Gesellschaft, machen auch vor dem Berufsbild des Verkehrspiloten nicht halt. Mit der Einnahme von Psychopharmaka, Herr Rudolphi, hätte Thomas L. auf keinen Fall fliegen dürfen, denn auf den Beipackzettel der Psychopharmaka steht generell, dass man nicht mehr verkehrstüchtig ist zum Führen eines Fahrzeugs, erst recht keines Flugzeugs mit 150 Passagieren. Mit Psychopharmaka hätte er also auf keinen Fall fliegen dürfen und die Fluggesellschaft hätte auch informiert werden müssen.
    Sollte vielleicht eine Informationspflicht für Psychiater eingeführt werden, außerhalb der ärztlichen Schweigepflicht ?

  64. „Sollte vielleicht eine Informationspflicht für Psychiater eingeführt werden, außerhalb der ärztlichen Schweigepflicht ?“
    Ich denke, ja, die Krankmeldung hätte direkt an die Fluggesellschaft gehen müssen, auch wenn ich die Meinung der Ärzteverbände dazu kenne und die anderen Konsequenzen, die auch schon oben genannt wurden.

Kommentarfunktion geschlossen