Lösung erzwingen mit Verhandlungen bei Wasser und Brot

Und wieder streikt die GDL. Durch den bisher längsten Streik der in der Gewerkschaft deutscher Lokomotivführer organisierten rund 34.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wird der Zugverkehr in Deutschland schwer beeinträchtigt. Entsprechend groß ist der Ärger vieler Menschen. Bis Sonntag, 10. Mai, soll der Ausstand dauern. Seit Herbst 2014 können sich Deutsche Bahn und Gewerkschaft nicht einigen. Die Forderungen der Gewerkschaft liegen auf dem Tisch: fünf Prozent mehr Lohn für das Zugpersonal, Reduzierung der Wochenarbeitszeit auf 38 Stunden, Begrenzung der Überstunden auf 50, ein freies Wochenende soll bei der Bahn von Freitag 22 Uhr bis Montag 6 Uhr dauern.

So weit, so übersichtlich. Bisher wurde über diese konkreten Forderungen jedoch noch gar nicht verhandelt, denn im Hintergrund steht ein grundsätzliches Problem: Aus Sicht der Bahn hat die GDL kein Recht, auch für die in ihr organisierten Zugbegleiter und Bordgastronomen zu verhandeln. Dieses Recht aber nimmt sich die GDL heraus, und genau darum streikt sie derzeit. Nach den Urteilen des Bundesarbeitsgerichts von 2010 — insgesamt handelt es sich um drei Urteile — steht ihr dieses Recht wohl zu. Das Gericht hatte unter Berufung auf das Grundgesetz die Tarifpluralität unterstrichen: Die Interessen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dürfen durchaus von verschiedenen Gewerkschaften vertreten werden, auch wenn diese Menschen für denselben Betrieb arbeiten. Es gebe keinen übergeordneten Grundsatz, dass für verschiedene Arbeitsverhältnisse derselben Art in einem Betrieb nur einheitliche Tarifregelungen zur Anwendung kommen könnten, ist dazu bei Wikipedia zu lesen. Natürlich kann es für den Arbeitgeber problematisch werden, wenn er für dieselbe Arbeit unterschiedliche Löhne zahlen soll, nur weil die eine Gewerkschaft die Interessen ihrer Mitglieder besser vertritt als die andere. Dennoch: Im Grundsatz bedeutet Tarifpluralität also Wettbewerb zwischen den Gewerkschaften. In einer vom Wettbewerbsgedanken geprägten Gesellschaft sollte unter dem Strich daher ein klares Ja zur Tarifpluralität stehen.

Dagegen steht der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Wenn 34.000 Menschen ein großes Land wie Deutschland weitgehend lahmlegen oder jedenfalls schwer beeinträchtigen können, dann muss die Frage erlaubt sein, ob der Versuch dieser Menschen, ihre Grundrechte durchzusetzen, nicht in unverhältnismäßiger Weise mit den Interessen der übrigen 81.050.000 Deutschen kollidiert. Viele Menschen können Reisepläne beerdigen, Pendler müssen aufs Auto ausweichen, der Wirtschaft entstehen Schäden in Millionenhöhe. Und das alles, weil 34.000 Trotzköpfe nicht klein beigeben wollen? Es ist wohl eher so, dass in einem Spezialproblem juristische Unklarheit besteht. Dieses Spezialproblem mag etwas für die Feinschmecker unter den Juristen sein, aber da Deutschland ein hochkomplexes und durchspezialisiertes Land ist, kann so was eben Auswirkungen auf uns alle haben. Die GDL jedenfalls besteht darauf, ein Grundrecht durchsetzen zu wollen.

Und genau das ist das Problem mit dem Tarifeinheitsgesetz, das vermutlich in wenigen Wochen vom Bundestag erlassen wird und das diese juristischen Unklarheiten beheben soll. Tarifeinheit hatten wir schon mal: Bis 2010 galt der Grundsatz, dass pro Betrieb ein Tarifvertrag zum Einsatz kommt. Dieser Grundsatz wurde, siehe oben, vom Bundesarbeitsgericht gekippt. In dem von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) erarbeiteten neuen Gesetz heißt es nun unter anderem:

„Soweit sich die Geltungsbereiche nicht inhaltsgleicher Tarifverträge verschiedener Gewerkschaften überschneiden (kollidierende Tarifverträge), sind im Betrieb nur die Rechtsnormen des Tarifvertrags derjenigen Gewerkschaft anwendbar, die zum Zeitpunkt des Abschlusses des zuletzt abgeschlossenen kollidierenden Tarifvertrages im Betrieb die meisten Mitglieder hat.“

Das ist exakt das Gegenteil von dem, was das Bundesarbeitsgericht 2010 gesagt hat. Damit ist schon jetzt klar, dass dieses Gesetz vor dem Verfassungsgericht landen wird. Es ist ohnehin die Frage, warum dieses Problem nicht schon 2010 an das höchste deutsche Gericht durchgereicht wurde. Dann wäre uns der aktuelle Streiksalat erspart geblieben: Entweder hätte das Verfassungsgericht die Tarifeinheit bestätigt und sich gegen das Arbeitsgericht ausgesprochen; dann wäre die GDL die kleine Spartengewerkschaft geblieben, die sie von ihrem Umfang her eigentlich ist, und hätte niemals diese machtvolle Wirkung entfalten können. Oder das Verfassungsgericht hätte die Tarifpluralität bestätigt und damit klar gemacht, dass in Betrieben unterschiedliche Tarifverträge gelten können; dann hätten die Verantwortlichen bei der Bahn ernsthaft verhandeln müssen, hätten jedenfalls keinen Grund gehabt, die Verhandlungen mit der GDL in Erwartung des Tarifeinheitsgesetzes so lange zu verzögern, wie sie es jetzt getan haben.

Die GDL legt also mit diesem Streik den Finger in die Wunde. Sie kann gar nicht anders, denn wenn das Gesetz in einem Monat kommt, ist ihre machtvolle Position dahin — auf jeden Fall so lange, bis das Verfassungsgericht das Problem entschieden hat. Also muss sie jetzt streiken. Das ist unangenehm, ärgerlich, ja schädlich, aber diesen Schaden haben im Grunde jene zu verantworten, die nicht rechtzeitig für Rechtsklarheit gesorgt haben. Die GDL aber streikt für das Grundrecht auf Koalitionsfreiheit. Gut so!

Hans-Peter Piepho aus Ostfildern meint:

„Sachsens Ministerpräsident Tillich (CDU) wirft der GDL vor, dass der Streik Ostdeutschland besonders betrifft, da es im Osten keine beamteten Lokführer gebe. Das ist putzig. Die Wirkung des Streiks beschreibt er ja richtig, nur die Ursache scheint er nicht verstanden zu haben. Das ist die Bahnreform, mit der sich die Bundesregierung aus einem weiteren Teil der Daseinsvorsorge verabschiedet und die Verbeamtung der Lokführer abgeschafft hat. Sich darüber zu beschweren, dass Gewerkschaften ihr Streikrecht wahrnehmen, lässt ein seltsames Verhältnis zu den Prinzipien von Demokratie und Marktwirtschaft erkennen. Wer keine Streiks im Bahnverkehr will, der muss die Bahnreform rückabwickeln und die Lokführer alle wieder verbeamten. Bei der Gelegenheit können gleich noch ein paar andere Kollateralschäden der Bahnreform zurückgenommen werden, zum Beispiel das Infrastrukturrückbau- und Immobilienprojekt Stuttgart 21.“

Manfred Wetzel aus Agathenburg:

„Erinnern wir uns an den letzten, Streik des Herrn Weselsky: Zweimal ging die Deutsche Bahn vors Arbeitsgericht und zweimal hat sie verloren, aber nicht, weil sie, die DB, sondern weil Weselsky einen Vergleich und sogar einen Schlichter ablehnte. Mir hat bis-lang noch jeder Anwalt gesagt: „Wenn der Richter einen Vergleich anbietet, müssen Sie annehmen, denn sonst ist der Richter sauer, weil er dann ein Urteil schreiben muss, und dann werden Sie garantiert verlieren.“  Nicht so jedoch vor den Arbeitsgerichten und also auch im Arbeitsrecht selbst? Da kann etwas nicht stimmen.
Das grundgesetzlich garantierte Streikrecht gilt für die klassischen Gewerkschaftsaufgaben betreffs Arbeitslohn, Arbeitszeit und Arbeitsplatzverhältnisse; mittlerweile kommen Ausbildungsplätze und anschließende Übernahme in feste Arbeitsverhältnisse, Vorruhestand und Altersteilzeit hinzu und was sonst noch damit in Zusammenhang steht. Es kann aber keine Rede davon sein, dass die Grundgesetzväter und -mütter, auch die gab es, im Sinn gehabt hätten, das Machterweiterungsbegehren eines Gewerkschaftsbosses gegenüber einer konkurrierenden Gewerkschaft grundgesetzlich zu schützen, und schon gar nicht, wenn dafür Millionen Bürgerinnen und Bürger in Geiselhaft genommen werden.
Und, was die Grundgesetzväter und -mütter seinerzeit noch nicht wissen, nicht einmal ahnen konnten: die ungeheuren zusätzlichen Umweltbelastungen. Auch das Auto nützt  nicht viel – die Straßen sind zusätzlich verstopft, es gibt Stop-and-Go, die mit Abstand emissionsreichste Verkehrsform. Umweltfragen aber interessieren einen Gewerkschafter wie Weselsky nicht – so schlecht mit dem Umweltbewusstsein steht es sonst nur noch nur im Deutschen Bauernverband.
Also kommen wir um eine grundgesetzliche Präzisierung des Streikrechts nicht herum, denn die Arbeitsrechtler  sind offensichtlich nicht bereit, in den unabdingbaren Meta-Rechtskategorien der Güterabwägung und der Verhältnismäßigkeit zu denken, sondern frönen einem erbärmlichen Rechtspositivismus, der, so denke ich, vor dem BVerfG keinen Bestand haben könnte. Warum geht die DB dann aber nicht vor die oberste arbeitsrechtliche Instanz, das Bundesarbeitsgericht, um, falls sie auch da verliert, vors BVerfG gehen zu können? Angesichts der Ungeheuerlichkeiten von Herrn Weselskys, Ablehnung von Vergleichen, Ablehnung eines Schlichters, material-rechtlicher Missbrauch des Streikrechts, hätte die DB doch wohl beste Aussichten! Güterabwägung zwischen einzelnen GG-Artikeln und Verhältnismäßigkeit in ihrer Anwendung ist der eine große Aufgabenbereich des BVerfG.
Freilich, eines hat Herr Weselsky, das muss man ihm lassen, erkannt: Wie in der FR zu lesen war, fürchtet er, man höre, „eine Einschränkung des Streikrechts zugunsten der Daseinsvorsorge“, denn, nun wird’s noch toller, mit der „Entscheidung für die Privatisierung der Bahn sei die Entscheidung zugunsten des Wettbewerbs gegen die Daseinsvorsorge gefallen“. Das ist wirtschaftsliberales Denken – und das von einem Gewerkschafter! TTIP-Anhänger müssten ihn in ihre Arme schließen!“

Dieter Fehse aus Neu-Isenburg:

„Eine schnelle Lösung wäre, die Verhandlungsführer der Tarifparteien wie bei der Papstwahl so lange in einem Raum einzusperren, bis eine Einigung zustandegekommen ist. Wurde nach einer bestimmten Zeit keine Einigung erzielt, wird nur noch bei Wasser und Brot weiter verhandelt.“

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12 Kommentare zu “Lösung erzwingen mit Verhandlungen bei Wasser und Brot

  1. Erster Streiktag der Lokführer: ICE 611 fährt tatsächlich, allerdings über zwei Umleitungsstrecken, dann Verzögerung durch eine Signalstörung, gefolgt von einem Abschnitt mit 20 (!) Km/h statt Tempo 300, Verspätung 45 Minuten. In ihrem Zwist scheinen sich streikende Lokführer und Bahnmanagement dennoch einig, die letzte Art kultivierten Reisens zugrunde zu richten. Früher knallvoll, herrscht gähnende Leere im ICE 611. Die ehemaligen Bahnkunden haben sich wohl in enge Fernbusse gezwängt oder auf das Schlachtfeld deutscher Autobahnen begeben. Auch mit dem bislang längsten Streik können sich Reisende und Wirtschaft durchaus arrangieren. Denn die Bahn als einstiges Rückgrat des Verkehrs ist längst zum Nischenanbieter geschrumpft. Mit der Umwandlung zur Aktiengesellschaft wurde der Staatsbetrieb DB dem politischen Einfluss im Sinne des Gemeinwohls entzogen. Die einst so ehrwürdigen beamteten Lokführer fahren nicht mehr im öffentlichen Interesse, sondern nur noch für den Profit einer AG.

    Angesichts der Klima- und Umweltschädigung, des Lärms und Flächenfraßes, immenser ungedeckter Kosten von Auto- und Flugverkehr dient eine leistungsfähige Eisenbahn mehr denn je der öffentlichen Daseinsvorsorge. Ebenso wie bei Erzieherinnen und Sozialarbeitern sollten sich daher die Gehälter des Bahnpersonals am wahren volkswirtschaftlichen Nutzen orientieren. Warum nicht wieder eine Art Beamtenstatus für alle Lokführer mit entsprechenden Rechten und Pflichten, auch Streikverbot?

  2. Diesen ganzen Zirkus hätte man sich ersparen können. Warum nennt niemand das Kind beim Namen? Die Ideologie des Neoliberalismus hat uns auch das eingebrockt. Das wollen ihre Verfechter aber nicht hören. Wer hat uns gezwungen die Deutsche Bundesbahn teilweise zu privatisieren? D.h. das kostenintensive Gleisbett bleibt allerdings beim Staat und somit beim Steuerzahler – ein ganz superschlaues Modell! Selbst die urkapitalistische Schweiz entschied sich schon vor Jahren ihre Bundesbahnen im Staatsbesitz zu behalten – andere europäische Länder übrigens auch, da – so die Schweizer damals – man sich eine solche Bahn leistet, oder man lässt es eben bleiben. Zum Glück haben wir in Europa ein enges Bahnnetz, das auch für Deutschland immer noch essentiell ist und somit sollte es für Privatisierung jeglicher Art tabu sein. Die Lokführer der Bahn sollten also Beamte ohne Streikrecht sein, was sie auch einmal waren, dann hätten wir uns das ganze Getöse sparen können. Sie stünden wieder in einer Reihe mit Polizisten und/oder z.B. Berufsfeuerwehrleuten, die ebenfalls hoheitliche Aufgaben erfüllen.

  3. Ich kann mich den Meinungen von Herrn Piepho (Leserbrief oben) und Herrn Boll (Beitrag 2) inhaltlich nur absolut anschließen.

    Erstaunlicherweise (?) sind es nun diejenigen, die die Privatisierung der Bahn aus ideologischen Gründen vorangetrieben haben, die nun am lautesten aufheulen und Überlegungen anstellen, wie man das Streikrecht beschneiden kann.

  4. Falls mir mein Arbeitgeber anböte, zwar mein Gehalt zu erhöhen, aber gleichzeitig darauf hinwiese, dass er künftig nicht mehr mit meinem bisherigen Interessensvertreter über Entgelt, Arbeitsplatzbeschreibung etc. verhandeln würde, sondern mit einer Organisation, der ich nicht angehöre und aus guten Gründen auch künftig nicht angehören möchte, dann würde ich mich wehren.

    Das entsprechende Instrument der abhängig Beschäftigten ist in solchen Fällen der Streik. Dessen Auswirkungen betreffen üblicherweise auch und vor allem jene, die gar nicht Verhandlungspartner in Tarifauseinandersetzungen sind. Aber statt Partei zu ergreifen für die, die sich gegen ein Tarifdiktat wehren, stellen sich viele auf die Seite jener, die das Kernproblem ausgelöst haben. Und entscheiden sich gegen eigene (aktuelle und künftige) Lebensinteressen. Denn wer wird ihnen beistehen, wenn sie über den Tisch gezogen werden sollen?

    Die Boulevardpresse präsentiert Claus Weselsky als den Bösewicht. Und selbst die eigentlich seriöse Redaktion der hr2-Sendung „Der Tag“ sprach am 5. Mai von Geiselnahme. Hingegen wird kaum ein Wort verloren über die, welche im Hintergrund eine Suppe zusammenkochen, die das gesamte Sozialsystem dieses Landes vergiften wird.

  5. Auch ich schließe mich meinen Vorrednern an:
    1.) Wenn auch die geballte Presse auf die GdL schimpft, sollte doch deutlich gemacht werden, dass die Bahn bisher lediglich etwas mehr Geld angeboten hat, aber auf die anderen Forderungen wie kürzere Arbeitszeiten nicht eingeht.
    2.) Bei allen Streiks, auch bei Lufthansa, wird auf die angeblich enstandenen Kosten hingewiesen, für diese Kosten hätte man doch den Betroffenen mehr zahlen können.
    3. Wenn die Bahn Milliarden für das unsinnige Stuttgart 21 verbuddeln oder zum Ankauf ausländischer Verkehrsbetriebe wie Arriva (z.B. in Malta mit ungeeigneten, bereits stillgelegten Bussen, die man nachher für einen Euro verkauft) hohe Beträge zahlen kann, kann sie auch ihre Mitarbeiter, die die Gewinne erwirtschaften, anstänig bezahlen.
    4. Wieviele Beschäftigte könnte man mit dem Gehalt für Pofalla besser bezahlen?
    5. Wenn Grube ein Angebot ankündigt, sollte er auch ein Angebot unterbreiten und nicht Persönlichkeiten wie Matthias Platzeck missbrauchen.
    6.) Wieviel Geld erhalten die vielen Vorstände und Aufsichtsräte der DB sowie der zahlreichen Tochtergesellschaften, hier zeigt man sich erheblich großzügiger, wobei die Tantiemen der Aufsichtsräte zusätzlich zu den ohnehin üppigen Gehältern dieser Leute gezahlt wird.

  6. Preisfrage:

    Wenn Lokführer, Erzieher, Arbeiter streiken, merkt das jeder schnell in seinem Alltag.

    Wenn Manager/Leitungskräfte streiken würden, wie schnell würde das jemand bemerken?

    Die Zeitspanne, die bis zum „Bemerken“ vergeht, sollte ein Maß für den Lohn sein.

    „Wie bald man eine Fron vermisst,
    sei Maß, wie man den Lohn bemisst!“

  7. Bei dem Ganzen fällt mir nur eine Abwandlung des alten Spruches ein: „Der Kapitalismus frißt seine Kinder“. Dies verbunden mit der alten „qui bonum – wem nützt es?“ Frage. Wenn wir es also schaffen würden, in ganz Deutschland, und ganz Europa, und in der ganzen Welt neoliberale Bedingungen zu installieren, bei denen Menschen zu Hungerlöhnen arbeiten, und von diesen Löhnen billigen Scheißdreck von Lebensmitteln, Medikamenten, Versicherungsleistungen etc. pp. noch, irgendwie, zu bezahlen, ganz abgesehen von ihrer sonstigen Lebenshaltung und -Unterbringung – wer sorgt dann eigentlich letztendlich für das Wachstum des Profits. Oder anders gefragt: Ab welchem Zeitpunkt streiten sich die Oberen beim Kannibalismus um die leckersten Brocken?

    Und mir kommt das alte Brecht-Zitat in den Sinn, weil wir es anscheinend alle so gewollt haben: „Es wählen sich die dümmsten Kälber, ihre Metzger immer selber.“

  8. Und noch eine Ergänzung: Es gibt ja das alte Zitat „Gier frisst Hirn“. Mann & Frau könnte sich kaputt lachen, wie die kapitalistischen Machenschaften gerade in „christlichen“ Parteien (nicht nur, weil die SPD da auch kräftig dabei ist) auf die alte christliche Botschaft hingebogen, oder besser, hingerichtet, werden.

  9. zu 7 u. 8, ganz genau Wolfgang Fladung,und noch ein Spruch von Volker Pispers:
    „Der Kapitalismus ist dazu da, dass die einen dran verdienen und die anderen dran glauben müssen“

  10. Die bis 2010 und vom BAG gekippte Tarifeinheit hat in Deutschland für vergleichsweise stabile Arbeitsmärkte gesorgt und war ein Argument für den Standort Deutschland. Mit der Einführung der Berufsgruppengewerkschaften zeichnet sich ein m. E. bedenklicher Trend ab. Über die Löhne und Arbeitsbedingungen entscheidet nunmehr der anrichtbare Kollateralschaden. Der ist z. B. bei GDL und VC extrem hoch. Andere Berufsgruppen gucken da in die Röhre, weil ihre Streiks nicht wahrgenommen werden (s. #6). Sollte das so gewollt sein? Dann wird es bald ein Gewerkschaft der Müllwerker geben.

    M. E. darf es nicht sein, dass Kleingewerkschaften (dazu gehört auch die GDL) ein ganzes Land lahmlegen. Ich halte das für unverhältnismäßig. Insofern begrüße ich ein Tarifeinheitsgesetz. Allerdings teile ich die allgemeine Skepsis bezüglich der Verfassungskonformität. Warten wir es einfach ab. So, wie zur Zeit, darf es nicht weitergehen.

  11. Als GdL-Mitglied möchte ich darauf hinweisen, dass ich für mich und meinen Arbeitsplatz streike und nicht für Herrn Weselsky. Ich bin diesem aber sehr dankbar, dass er sich so für uns einsetzt. Sollte mich die GdL künftig nicht mehr vertreten dürfen so würde ich keinsfalls in die Eisenbahnergewerkschaft gehen, diese ist ja dermaßen arbeitsnehmerfeindlich denkend und redet den Unternehmern das Wort, da steht mir ja mein Arbeitgeber noch näher.

  12. Zustimmung in großen Teilen erfährt Herr Boll (Nr.2) in seinem Beitrag „Lokführer sollten wieder Beamte ohne Streikrecht sein“.
    Es wurde hier nicht nur die Deutsche Bundesbahn sondern auch die Deutsche Bundespost privatisiert. Warten wir es ab wann hier die ersten Streiks drohen.
    Ob es nun richtig ist alles zu verstaatlichen und damit die Arbeitnehmer zu verbeamten damit sie nicht mehr streiken dürfen sehe ich mal ganz anders. Zumindest dann, wenn wie in Hessen, ganze Bevölkerungsschichten aufgrund des unsäglichen Austritts Hessens aus der Tarifgemeinschaft der Länder, massiv Lohnverzicht üben müssen. Hessischen Beamten – ohne Streikrecht- werden Null-Lohnrunden zugemutet und das unter dem Deckmäntelchen der Schulden-Bremse. Eine gerechte Entlohnung gegenüber den Polizisten, Finanzbeamten und Lehrern ist hier nicht mehr gegeben. Solide Berechnungen nennen eine Zahl von über 15% Lohnverzicht in den letzten Jahren und das bei boomender Wirtschaft. Wenn sogar Politiker sich für eine Rentenerhöhung (zu Recht)stark machen und man sich in vielen Berufsfeldern auf bis zu 5% Lohnerhöhung durchringt, habe ich ein Problem damit, dass gut arbeitende hessische Beamte nicht entsprechend entlohnt werden. Da wäre das Streikrecht ein Segen!

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