Mir war der Euro zu teuer geworden

Wolfgang Fladung brauche ich Ihnen nicht vorzustellen. Er ist ja quasi Urgestein als Kommentator im FR-Blog. Er hat mir einen langen, langen Leserbrief geschrieben, der vor allem von seiner Zuneigung zu Europa zeugt und mit Kritik am aktuellen Europa dennoch nicht spart. Im Print-Leserforum konnte ich heute nur einen kleinen Auszug daraus veröffentlichen. Hier kommt die Voll-Version.

Mir war der Euro zu teuer geworden

von Wolfgang Fladung

Soll der Euro fortbestehen oder abgeschafft werden? Ich habe lange Jahre am deutschen Wirtschaftswunder partizipiert, mit regelmäßigen Lohnerhöhungen, die auch höher waren als die Inflationsraten. Bereits als Jugendlicher hatte ich großes Interesse an anderen Ländern und an anderen Leuten, weil in einem Industriebetrieb gelernt, der Praktikanten aus aller Welt ausbildete. Vor allem meine Neugier führte zu alljährlichen Auslands-Urlauben, nicht unbedingt luxuriös, und gerne mit Zelt, aber immer abwechslungsreich und informativ. Sehr gerne in alle heute von der Euro-Krise und den Sparmaßnahmen betroffenen Länder. Ich hatte weder Probleme mit Umtausch oder Einreise-Formalitäten, auch nicht bei der Umrechnung in DM, auch ohne Taschenrechner. Überall hatte ich den Eindruck, dass die Menschen gut mit ihren eigenen Währungen auskamen und lebten.

Nach der Euro-Einführung war dann „Schluss mit lustig“. In all den Ländern, die jetzt den Euro hatten, stiegen die Preise kräftig an. Was jedoch nicht anstieg, war meine Kaufkraft. Und plötzlich konnte ich mir all diese schönen Länder nicht mehr leisten – mein Land war wohl durch die ganzen „Reformen“ wie Lohnkürzungen, Leiharbeit, Soli-Einführung, Krankenkassen- und Rentenbeitragserhöhungen bei gleichzeitiger Absenkung der Versicherungsleistungen zwar wunderbar „wettbewerbsfähig“ geworden, aber leider auf meine Kosten. Mein persönlicher Warenkorb kostete plötzlich das in Euro, was ich vorher in DM ausgegeben hatte. Ich könnte auch sagen: Mir war der Euro zu teuer geworden. Dafür leisteten sich die meisten anderen Euro-Länder kräftige Lohnsteigerungen und davon gepuschte Kreditaufnahmen, kurz, man verschuldete sich heute, weil man ja morgen genug zum Bezahlen hatte (hoffte man). Eine Milchmädchenrechnung, die leider nicht aufging. Ja, es war eine schöne Zeit vorher. EWG: passé.

Wichtig war mir Respekt

Für mich war Europa immer ein geografisches Gebilde mit unterschiedlichen Nationen, Nationalitäten und der einhergehenden unterschiedlichen regionalen Kultur. Weil anders als zu Hause, habe ich mich darauf eingelassen, versucht, die Sprachen ein wenig zu lernen und die kulturellen Unterschiede zu erfahren, die mir oft gefielen. Wichtig war mir Respekt. Ich habe andere in ihrem Anderssein respektiert und oft gemocht, und habe erwartet und mich gefreut, wenn ich selbst respektiert oder gemocht wurde. Als Friede-Freude-Eierkuchen-Europäer habe ich mich nie gefühlt und wollte auch nie ein solcher sein, wie die schwafelnden Politiker in ihren Sonntagsreden. Ich mochte die Paella mit einem Rioja dazu genauso wie den Handkäs‘ und den Äppler daheim. Ich hatte dann irgendwann den Eindruck, dass die Lage durch den wachsenden Einfluß der Brüsseler Bürokraten immer unübersichtlicher und für mich auch vom Verstand her nicht mehr nachvollziehbar wurde. Ich fühlte mich auch als Wähler nicht mehr berücksichtigt und ernst genommen. Habe ich Herrn Barroso gewählt?

Als die Einführung des Euro bevorstand, habe ich mich ernsthaft gefragt, ob die noch ganz dicht sind. Jetzt hat man uns Deutschen oder besser noch, unsere marktgläubige und marktradikalisierte Regierung, mit ihrem Dogma von „Wettbewerbsfähigkeit“ und „Export-Weltmeister“ eingehämmert, dass wir Normalos uns bitte in unseren Lohn-, Renten- und sonstigen Ansprüchen bescheiden sollen, und es geschafft, unsere deutschen Produkte so billig zu machen, dass fast kein anderes Land in Europa damit mehr konkurrieren kann.

Was folgte, war eine Verschuldungsspirale

Und diese Länder blieben auf ihren eigenen Produkten, so überhaupt für den Export gedacht, sitzen. Früher konnte der Preis für den Schafskäse oder die italienischen Schuhe oder das französische Auto in der eigenen Währung einfach abgewertet werden – mit dem Euro funktioniert das nicht mehr. Was folgte, war eine Verschuldungsspirale, welche inzwischen droht, durch die Decke zu gehen. Einhergehend damit, dass plötzlich weder Firmen noch Privatleute mehr ihre Kredite bedienen konnten, und die Banken auf Schuldenbergen saßen. Investitionen, wenn überhaupt nachgefragt, wurden nicht mehr gefördert, weil das Risiko für die überschuldeten Banken zu groß war. Und wer will schon investieren und in was, wenn es keine Nachfrage mehr gibt? Wer arbeitslos ist oder wem die Arbeitslosigkeit droht oder wem das Gehalt, die Pension und die Rente zusammengestrichen wurden – Befehl der Troika –, hat nichts mehr zum Ausgeben und oft nicht einmal für den täglichen Lebensunterhalt übrig. Das Prinzip „schwäbische Hausfrau“ kann nicht funktionieren, wenn es auf ganz Europa übertragen wird, denn „Autos kaufen keine Autos.“ Oder anders: Die Ausgaben des Einen sind die Einkommen der Anderen, und vice versa. Spart einer, mag das o.k. sein, und betriebswirtschaftlich korrekt. Sparen jedoch alle, stürzt die Volkswirtschaft ab, zunächst in die Rezession, dann in die Depression. Wir in Deutschland zwingen mit unseren Export-Überschüssen andere dazu, sich zu verschulden.

Ich habe mich gefragt: Würde ich ein Haus bauen, und einen Architekten mit der Planung beauftragen, dann würde ich diesen zum Teufel jagen, wenn er mir eine Konstruktion präsentierte, bei der das Dach als erstes errichtet würde, und nicht das Fundament mit der begleitenden Statik. Und jetzt will man, weil man plötzlich erkannt hat, dass ein solches Dach nicht trägt, nachträglich eine Art Not-Fundament errichten, und spannt einen Rettungsschirm nach dem anderen auf, weil es so stark hineinregnet. Und woher holt man das Geld? Richtig, von den Banken, die man vorher mit dem Geld, das man sich genau von diesen Banken geliehen hat, rettete – oder auch nur scheinbar rettete. Banken sollten übrigens sich auf ihr Kerngeschäft besinnen, oder darauf zurecht gestutzt werden, so wie die alte Sparkasse. Geld von Sparern nehmen, denen dafür Zinsen zahlen, und dieses Geld an Firmen verleihen. Wohl ein schöner Traum inzwischen.

Eine historische Chance wurde vertan

Derzeit sieht es leider so aus, dass der Euro nur spaltet und nicht vereint. Bleibt das Euro-System, wie es ist, nimmt Europa immer größeren Schaden. Eine historische Chance wurde vertan, weil man den Auftrag zur Errichtung des Hauses Europa den falschen Architekten gab. Ob es noch zu einer einigermaßen glimpflichen Abkehr von dieser Krüppel-Währung kommen kann? Unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich. Dies setzt Kontrollen des Kapitalverkehrs voraus, und vor allem eine kräftige Anpassung der Kaufkraft in Deutschland durch Erhöhung von Löhnen und Renten. Hier habe ich allerdings wenig Hoffnung, weil sich das neoliberale Denken dermaßen verfestigt hat, dass nur alle wettbewerbsfähig werden müssten, damit es dann allen wieder besser geht. Dabei haben wir es im eigenen Lande bereits in den letzten zehn Jahren erfahren: Besser ging es nur den oberen zehn Prozent, alle anderen, einschließlich des Mittelstandes, der sich so gerne von denen „unten“ distanziert (aus Angst vor dem Abstieg) waren die Gearschten. Und dann könnten wir, entweder durch Euro-Bonds, oder zumindest eine kräftige Geld-Flutungs-Aktion der EZB, mit begleitender Vorbereitung einer Rückkehr zu nationalen Währungen, das Schlimmste verhindern – nämlich ein unkontrolliertes Auseinanderbrechen der Euro-Union.

Dass es so nicht weitergehen kann, zeigt das Ansteigen der Arbeitslosigkeit in den Süd-Euro-Staaten und vor allem die erschreckende Höhe der Jugend-Arbeitslosigkeit. Ich jedenfalls habe Angst, dass, wenn es so weitergeht, sich nationalistische und rechte Bewegungen breit machen, und dann ist es wirklich perdu mit der Idee einer Union europäischer Staaten. Allen, die jetzt noch am Festhalten am Kretin Euro propagieren, rate ich, sich die weitere Zukunft mit diesem Kretin Euro vorzustellen. Die EWG hat gut funktioniert, und auch noch das EWS, und darin als Kern die deutsch-französische Freundschaft, jenseits aller Parteigrenzen, siehe Kohl-Mitterand. Aber die EU mit ihrem Euro ist eine Schnapsidee Brüsseler Bürokraten. Ich jedenfalls habe keine Lust und kein Interesse, für diese Schnapsidee und die Folgekosten mit meinem spärlichen Einkommen zu haften.

Wer Europa wirklich will, muß bereit sein, auch Butter bei die Fische zu tun. Also eine Art Länder-Finanzausgleich auf EU-Ebene. Nur profitieren, aber nichts für den Erhalt tun, kann und wird nicht funktionieren.

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49 Kommentare zu “Mir war der Euro zu teuer geworden

  1. Aus meiner Sicht, ein Brief den man erst einmal unterschreiben kann und der in weiten Teilen richtig ist. Allerdings halte ich den Euro nicht für den Hauptschuldigen der beschriebenen Entwicklung. Werte wurden in Euroland seit der Einführung des Euro genug geschaffen. Das Problem ist die Verteilung dieser Werte. Nahezu jede Reform die irgendjemanden einfällt wird von Lobbygruppen so verändert das eine Umverteilung von Unten nach Oben stattfindet. An anderer Stelle habe ich das beim Thema Energiewende schon einmal beschrieben. Daran ist nicht der Euro schuld. Wenn man der unteren Hälfte der Bevölkerung immer nur wegnimmt wird natürlich Wachstum nur schwer möglich sein und der Lebensstandard sinken. Wenn dann noch, wie beschrieben, die Herstellung von Wettbewerbsfähigkeit um jeden Preis (Lohn)dazu kommt , wird es halt eng. Die Frage vor der Europa steht ist ob die Probleme mit der Angebotspolitik zu lösen sind, oder diese jetzt an ihre Grenzen stößt. Wobei ich nicht meine das der Missbrauch von Sozialleistungen zu tolerieren ist.

  2. Das Ende der Euro-Zone mag vernüftig sein, würde aber nichts mehr bringen. Dann müssten alle ja ihre eigene Währung wieder bekommen. Das Ist eine Kostenfrage. Ich bin gegen den Euro, weil zwei entscheidende Fehler gemacht wurden. Entweder alle EU-Staaten haben den Euro oder gar keiner. Von derzeit 27 Mitglieder, haben 17 den Euro. Wo ist da die Europäische Union? Der zweite Fehler ist grafierender: Man hat, zumindest in Deutschland, Aus DM wurde Euro. Was früher 35 Pfennig gekostet hat, kostet heute 35 Cent, also 70 Pfennig. Das hätte vermieden werden müssen. Löhne/Gehälter wurden halbiert, dann hätte dies auch bei den Verbrauchsgütern geschehen müssen.
    Insgesamt halte ich die EU für ein undemokratisches Gebilde, dass unbedingt aufgelöst werden muss, zumindest in dieser Form. Es kann nicht sein, das eine EU-Kommision ein Nichtrauchgesetz fordert, um nur ein Beispiel zu nennen. EU-Kommissionen/Kommissare gehören abgeschaft.
    Noch deutlicher wird es doch, was in Griechenland und zu letzt in Zypern passiert oder passiert ist. Mit welchen Recht sagt IWF, EU und EZB, dass Beamte entlassen werden müssen, Renten gekürzt werden, Löhne und Gehälter gekürzt werden, Steuern erhöht werden müssen? Und was passiert jetzt? IWF räumt Fehler ein. Hier hat man drei Fehler gemacht. 1. IWF und EZB ins Boot zunehmen. 2. Das man nicht den Haushalt besser durchforstet hatte und 3. das man genau da anfängt zu sparen, wo die Bürger am empfindlichstend sind, am Geldbeutel, und genau das schadet Griechenland. Ein Land lebt ach von der Kaufkraft der eigenen Bürger, entziehe ich ihnen Geld, kann ich mir nichts mehr leisten, also wird gesparrt, und das trifft genau die Wirtschaft. Griechenland ist ein Fass ohne Boden, weil man Griechenland auch nicht aufzeigt, wie sie den Weg aus der „Krise“ selbst findet. Deutschland und Frankreich schreiben vor und Griechenland muss folgen, sonst gibs kein Geld. Ich nenne das Erpressung und ein äußerst undemokratisches Verhalten.
    Solange sich die EU als Zahlungsgeber für andere EU-Staaten versteht, solange wird sich in der EU auch nichts ändern. Und noch eins ist wichtig: Die EU darf sich nur um Themen kümmern, die innerhalb der EU spielen. Kein Handelskrieg, kein Bali-Einsatz und keine Strafverfahren gegen unternehmen, die gar nicht in der EU sind.

  3. Hallo Hans, und vielleicht andere Mitdiskutanten,

    natürlich haben Sie Recht. Aber mein Leserbrief war sowieso schon zu lang geraten, und ich wollte kein Buch verfassen. Unsere selbsternannten „Eliten“, mit all ihren damit verbundenen und davon partizipierenden Lobbyisten, Maulhuren und Lohnschreibern haben es natürlich geschafft, nach dem Scheitern der kommunistischen Systeme auch die soziale Marktwirtschaft, die ja bei uns zumindest noch eine Art Alternative darstellte, auszuhöhlen und durch den Neoliberalismus zu ersetzen. Dieser wird uns jetzt, weil angeblich, siehe z.B. Merkel „alternativlos“, als neue Heilslehre täglich eingehämmert und eingebleut. Wer nicht mitmacht, ist entweder nicht ganz dicht, ahnungslos, nur neidisch oder hat all die auf ihn einprasselnden Wohltaten nicht verstanden. Und da der Neoliberalismus nur den Kapitalismus in Reinkultur darstellt, und keine soziale und marktwirtschaftliche Alternative, wie z.B. die kath. Soziallehre oder den Ordoliberalismus kennt, haben wir, nicht nur in Deutschland und Europa, sondern weltweit jetzt darunter zu leiden, daß die 1% der Bestimmenden und die restlichen 9% der Partizipierenden sich die restlichen 90% zur hemmungslosen Ausbeutung abgreifen. Natürlich sind die Grenzen fließend: teilen wir hälftig in 50% Besitzlose und 50% mehr oder weniger Besitzende, dann gibt es natürlich in der oberen ersten Hälfte durchaus Nutznießer und in der zweiten Hälfte Ausgebeutete, die nur deshalb noch irgendwie existieren, weil sie sich im und dem System mit Haut und Haar ausgeliefert haben.

    Und es zeigt sich am Steuersystem, am Schulsystem, an der Vergabe und Sicherheit von Arbeitsplätzen, an der Wertigkeit von Nachhaltigkeit, Umweltschutz, und an den neusprachlichen Schöpfungen a la Orwell, das überall Umverteilung und damit verbunden Ausgrenzung statt findet. Es zeigt sich beim Hantieren mit Statistiken, wo man die Einkommensteuer als Beispiel für die ach so hohe Belastung der Besserverdienenden als Beispiel nimmt und vergißt, zu erwähnen, daß das höchste Steueraufkommen durch die Mehrwertsteuer erzielt wird, von der Arme dann anteilig zum „Einkommen“ das meiste entrichten, und die damalige Erhöhung von 16 auf 19% als Geringverdiener am meisten belastet hat. Und es zeigt sich bei den dauernden Versuchen, Dinge der Grundversorgung komplett zu privatisieren, wie die Versorgung mit Energie, Wasser und Wohnraum. Die Teil-Privatisierung der Altersversorgung und die Zuzahlungen bei Gesundheit und Pflege haben uns ja bereits gezeigt, wohin die Reise geht.

    Nehmen Sie Begriffe wie: REFORM, und schlagen Sie die Bedeutung nach. Nehmen Sie das Wort „Leistungsträger“, welches ja auf Pflegekräfte im Heim nicht angewendet wird, auf die Chefetagen der Konzerne jedoch sehr wohl. (was sich dann eben auch in der Bezahlung abbildet). Gibt ein „Arbeitgeber“ dieselbe oder nimmt er sie? Und ein Arbeitnehmer nimmt vielleicht eine Stelle an, aber er gibt seine Arbeitskraft und seine Leistung her. Keiner scheint zu merken, daß es eine „marktkonforme Demokratie“ nicht geben kann, weil sich Demokratie und Märkte ausschließen. Märkte können mit Demokratie nichts anfangen, mehr noch, Demokratie stört oder verhindert das Erzielen von Gewinnen. Oft habe ich den Eindruck, daß anscheinend nur noch unser Bundesverfassungsgericht hin und wieder unser Grundgesetz ließt.

    Leider scheinen es auch die meisten unserer Abgeordneten nicht so genau mit Grundgesetz und Demokratie zu nehmen, und eher sich den Vorgaben und Einflüsterungen von Lobbygruppen verpflichtet zu fühlen. Und immer öfter wird die demokratische Entscheidung und die demokratische Kontrollmöglichkeit einfach umgangen, über interne Absprachen, Verlagerung von Konzernteilen, Deals, etc. Entscheidungen aus Brüssel, wo die Lobbyisten-Dichte noch um das Mehrfache größer ist als in Berlin, werden getroffen, ohne daß ich hier ein demokratisches Zustandekommen erkennen kann, oder zumindest eine Wahl- und Entscheidungsmöglichkeit des EU-Parlaments.

    Und weil das so ist, wie es ist, und die Kritiker des Systems eben als „linke Spinner“ gelten, und hinzu kommt, daß es eben genügend Profiteure gibt, besser noch, Besitzstandswahrer, wird sich nichts ändern. Es wird sich nichts ändern, weil die Verklärung diktatorischer Strukturen und Verhältnisse in Europa wieder um sich greift, und sich die Menschen, da eher auf Befehle von oben als auf eigenes Denken und Handeln ausgerichtet, sich im Zweifelsfalle eher nach rechts orientieren (und der reale Sozialismus sich ja selbst ins Abseits befördert hat). Warum war der Verfassungsschutz mehr als 10 Jahre auf dem rechten Auge blind? Warum werden Menschen wie Gustl Mollath, wie in Diktaturen Mißliebige, mit dubiosen Begründungen und Verfahren entrechtet und eingesperrt? Warum bekommen Zuwanderer immer mehr den Stempel „Schmarotzer“ aufgedrückt, so wie immer noch Hartz-IV-Empfänger? Und warum fragt niemand nach den wirklichen Gründen für Arbeitslosigkeit und Armuts-Zuwanderung?

    Auch hier im Blog habe ich immer wieder erfahren, daß uns Kritikern eher das Etikett eines Hofnarren angeheftet wird. Wir haben eben eher ein Loser-Image, weil wir die Segnungen des Systems nicht erkennen wollen, oder vielleicht irgendwann in unserem Leben mal falsch abgebogen sind. Bestenfalls dienen Kritiker eher dazu, Demokratie vorzutäuschen, nach dem Motto: Man kann doch alles sagen (aber gottseidank nix ändern). Dazu zählen dann auch unsere Kabarettisten, im Gegensatz zu den Comedians, Hofnarren eben. Und dann gibt es noch die Advocatus diaboli, wie den Heiner Geißler, die sich konziliant geben, sogar Attac-Mitglied sind, aber genau diesen Typ vortäuschen: ein bißchen kritisieren, aber in Wirklichkeit nichts an den Verhältnissen ändern wollend, siehe Stuttgart-21-Mediationsverfahren. Wer dieses verfolgt hat, weiß, wie „offen“, auch im Ergebnis, hier ein Streit gelaufen ist. Eben, wie so oft, nur vorgetäuschte Demokratie.

  4. Von einer Abwicklung des Euro sollte nicht zuviel erwartet werden , die Probleme in Euro-freien Ländern sind dieselben wie in der Eurozone .
    Trotzdem ist es gut , wenn der Euro auch in Frage gestellt wird , solange es um Argumente geht und nicht um nationalistische Beißreflexe , was nicht auch immer wieder hinterfragt wird , kann sich auch nicht entwickeln.

  5. Herr Oettinger vertritt polternd die hohe Schule von Gestern. Recht hat er nur damit, dass die EU ein Sanierungsfall ist.
    Er übersieht, dass der desaströse Zustand der EU exakt von den überholten Rezepten herrührt, die er zum Besten gibt, wie Rentenkürzungen, längere Lebensarbeitszeit und eine geringe Staatsquote. Das nützt zwar der Angebotsseite der Wirtschaft, denn die Unternehmen können dadurch mehr und billiger produzieren. Aber heute gilt nicht mehr die Angebots-, sondern die Nachfrageökonomik. Längst wird die Wirtschaftsleistung nicht mehr vom Angebot, sondern von der Nachfrage bestimmt. Das belegen die vollen Regale und die Unsummen, die für Werbung ausgegeben werden. Der Staat stützt mit seinen Ausgaben die Nachfrage und nimmt das Geld vorwiegend von denen, die so viel davon haben, dass sie es weder für ihren Konsum noch für Investitionen ausgeben. Investitionen sind ja nur bei genügender Nachfrage sinnvoll. Die Staatsquote war nicht zu groß, sondern zu klein. Davon zeugen die Billionen auf den Finanzmärkten, die sich aus Überschüssen der Reichen speisen.
    Die Leistungsfähigkeit der deutschen Industrie stützt keineswegs die Staatengemeinschaft, sondern treibt sie in den Ruin. Denn es wird durch den deutschen Exportüberschuss enorm Nachfrage aus andern Ländern abgesogen. Das erhöht bei ihnen die Arbeitslosigkeit und die Finanznot und destabilisiert sie. Sie durch die Spardiktate konkurrenzfähiger machen zu wollen, scheitert an der deutschen technischen Überlegenheit und zusätzlich an den Dumpingmethoden der deutschen Wirtschaft und Politik. Beispiele dafür sind die weitgehend fehlenden Mindestlöhne, Leiharbeit, vom Staat aufgestockte Hungerlöhne und dass sich exportierende Unternehmen nicht an den Kosten der Energiewende beteiligen müssen.
    Die in Deutschland noch von allen Parteien außer der Linken vertretene Angebotsökonomik muss überwunden werden. Andernfalls wird die Krise trotz aller Anstrengungen konserviert. Sie wird dann zum Totengräber der EU und der Demokratie in einem Land nach dem andern. Die Hoffnungen und das Lebensglück von hundert Millionen Menschen werden zerstört.

  6. Danke für die Kommentare. Was tun, wenn die Politik (nicht nur bei uns) als Hündchen auf dem Schoß der Mächtigen in Industrie, Wirtschaft, Handel und Finanzen sitzt? Was tun, wenn keine Hoffnung auf Änderung besteht, es sei denn mit einem Paukenschlag, oder weil plötzlich ein „schwarzer Schwan“ erscheint, mit dem keiner gerechnet hat? Wie wehren wir uns? Nichtwählen kann keine Lösung sein, den Wahlzettel ungültig machen auch nicht, weil das denen wohl am Allerwertesten vorbei geht. Also protestieren, sich Aktionen von Lobbycontrol, Attac, Occupy, etc., im Netz und auf der Straße anschließen. Die Linke wählen ist auch gut, aber ich weiß nicht, ob ich mit solchen Anregungen gegen irgendwelche Richtlinien der FR verstoße??? Und wer nicht auf die Straße gehen will oder kann, kann sich auch Aktionen im Internet anschließen, z.B. gegen die Wasserprivatisierung. Außerdem kann jeder, und sei es nur mit ein paar Euro, für die Orgas seiner Wahl spenden – viel Kleinvieh macht dann auch ordentlich Mist, mit dem die Demokratie gedüngt werden kann.

    Und stoersender.tv fördern und gucken, protegiert von Urban Priol und arrangiert von Dieter Hildebrandt. Sehr empfehlenswert, der letzte, inzwischen frei empfangbare Beitrag auf http://www.stoersender.tv, mit u.A. Georg Schramm und Roger Willemsen. Und vielleicht alle am kommenden Samstag, 15.06.13, um 17.00 Uhr zur Großdemo im Schloßgarten Stuttgart gegen das Unsinnsprojekt und reine Lobbyistenförderung – letzte Kostenschätzung 6,8 Milliarden Euro, aber sicherlich bei Fertigstellung mindestens das Doppelte – uns versammeln. Und den Wahlkreisabgeordneten ansprechen, und auf Bürger-Versammlungen kritische Fragen stellen, und dto. an den Wahlkampfständen. Ich werde auch einen Zettel an den Briefkasten kleben, auf dem ich bitte, keine unerwünschte Wahlwerbung einzuwerfen.

    Natürlich sind Leserbriefe auch gut und wichtig, vielleicht in unserer Region auch an die NEUE PRESSE und an die FAZ und nicht nur an die FR. Natürlich ist bei NP und FAZ auch die Gefahr der Zensur oder Ablage unter „P“ größer als bei der FR.

  7. zu @ Wolfgang Fladung
    Ich habe schon des Öfteren bemerkt das ich mit ihren Problembeschreibungen mich weitgehend einverstanden erklären kann. Bei den Lösungsansätzen sieht es schon etwas anders aus. Es gibt kein Land als Beispiel in dem eine zu Linke Politik dazu geführt hat das es den Menschen besser geht. Deshalb bin ich der Meinung das der richtige Weg irgendwo in der Mitte liegt. Das die Reichen nicht zu reich und Armen nicht zu arm sind. Als Beispiel sehe ich dafür die skandinavischen Länder oder Dänemark an. Man könnte auch sagen, auch wenn Schröder das mit Füßen getreten hat, die Grundrichtung der SPD ist richtig. Die Angebotspolitik hat genauso ihre Vorteile wie die Nachfragepolitik und sie schließen sich nicht wirklich aus. Der Staat könnte wenn die Angebotspolitik überhand nimmt durch entsprechende Steuern auf große Vermögen wieder nachfrageorientiert umverteilen. Die derzeitige Regierung macht es einfach nicht und der Schröder geschädigten SPD glaubt(berechtigt?) das keiner. Daran wird sich bis zur Wahl nichts ändern. Deshalb kann der Selbigen unsere Kanzlerin gelassen entgegen sehen.

  8. zu Hans # 7: Es geht für mich nicht um linke oder rechte Politik, sondern um die richtige. Da gab es, wie ich auch angeführt hatte, die kath. Soziallehre der CDU – was ist daraus geworden? Dann gab es die soziale Marktwirtschaft der CDU mit Ludwig Erhard – und? Es gab in den späten 60ern und frühen 70ern in der FDP Vertreter des Ordo-Liberalismus, siehe K.H. Flach, und?
    Und es gab einmal eine SOZIAL-Demokratische Partei mit und unter Willy Brandt, und Herbert Wehner, und Anderen – alles spätestens von Schröder weggeräumt, als „Gedöns“. Welche „Grundrichtung“ der SPD meinen Sie denn, die von Dreßler und Schreiner und Ypsilanti? Der erste lebt – noch, der zweite ist tod, die Dritte hat gerade bei den Wahlen zur hess. Landesliste den – ruhmreichen (???) 6. Platz ergattert. Woran machen Sie da Ihre Hoffnungen fest, an der Realität oder am Träumen?

    Und welcher Staat würde sich wirklich heran trauen, die großen Vermögen mehr zur Kasse zu bitten, wenn doch genau diese großen Vermögen bis ins Kanzleramt, siehe Geburtstagsparty für Ackermann, mit Friede Springer und anderen illustren Wohltätern, hinein regieren? Und Frau Merkels Bemerkung von der „marktkonformen Demokratie“ war ernst gemeint, und zeigt ja genau, wohin die Reise gehen soll.

    Übrigens sollten Sie bei den skandinavischen Ländern unterscheiden. Schweden hat sich inzwischen auch dem neoliberalen Weg angeschlossen, was sich in den jüngsten gewalttätigen Protesten in den Stockholmer Vororten widerspiegelte. Dänemark ist da vielleicht noch eine Ausnahme, aber man bemüht sich. Googeln Sie einfach mal.

  9. zu @ Wolfgang Fladung
    Vielleicht ist es naiv, aber in Wirklichkeit hoffe ich auf das Volk. Nicht zuletzt besteht über die neuen Medien wie hier z.B. die Möglichkeit andere Standpunkte als das was manchmal in allen Medien gleichzeitig verbreitete wird darzustellen. Auch da muss man sich nur den Weg den die erneuerbaren Energien genommen haben ansehen und das gegen alle Berichterstattung. Wenn man da sieht oder liest, auch in der FR, was da schon für ein Unsinn geschrieben worden ist. Aber es ist nicht gelungen die Realität völlig auszublenden. Da muss man nicht zuletzt das nennen was unser BUM letzte Woche in der FR so von sich gegeben hat. Ich denke das dem normalen FR Leser klar war das er sich mit den Äußerungen lächerlich gemacht hat. Diese Effekte treten bei allen möglichen Politikfeldern auf und zwingen die Regierung vorsichtiger zu reagieren. Das liegt nicht an der Opposition. Das liegt daran das eine für die Politik gefährliche Menge an Wechselwähler inzwischen vorhanden ist. Wenn diese Menge noch um das ein oder andere % zulegt dann kann das Volk noch mehr bewirken. Übrigens, was die Opposition beim Thema erneuerbare Energie so von sich gibt ist auch zum Haare raufen.

  10. Dass sich die EU-Institutionen in einem miserablen Zustand befinden – mit Ausnahme der EZB –, pfeifen die Spatzen vom Dach. Die Misere hat damit angefangen, dass die „Europäische Verfassung“ von der französischen und holländischen Bevölkerung abgelehnt wurde. Die äußerst kritischen Aussagen von Helmut Schmidt und Giscard d‘Estaing in Paris legen nur den Umstand offen, dass der Gemeinschaftswille in Europa – ganz zu schweigen vom Vereinigungswillen – weitgehend erlahmt ist. Die Euro- Schuldenländer-Problematik setzt dem Ganzen die Krone auf. Hinzu kommt die systematische Verunglimpfung Deutschlands, das angeblich super-egoistisch sei und es an der nötigen Solidarität mit anderen Euro-Währungszonen-Mitgliedern ermangeln lasse. Deutschland trägt aber doch schon mit über 25 Prozent Anteil an der Rückversicherung durch die sogenannten „Rettungsschirme“ eine gewaltige Last, die der deutsche Steuerzahler früher oder später zu spüren bekommen wird.
    Nach allem vernünftigen Ermessen führt kein Weg daran vorbei, dass die Bevölkerungen in allen bald 28 EU-Mitgliedsländern, qua Referendum befragt werden, ob sie weiterhin in der EU bleiben möchten. Exklusives Regierungshandeln ist nicht mehr ausreichend legitimiert. Die Aussage der deutschen Bundeskanzlerin, wenn der Euro sich nicht behaupte, gehe Europa unter, ist grober Unfug.
    Jürgen Habermas hat den konstruktiven Vorschlag gemacht, einen Europäischen Konvent einzuberufen. Warum wird diese sinnvolle Proposition nicht aufgegriffen? Ohne direkt-demokratische Legitimation kann Europa nicht gelingen!

  11. Das erste was funktionierende EU Institutionen tun müssten sind die Deutschen Handelsbilanzüberschüsse in der EU abzubauen. Wir haben den ziemlich schizophrenen Zustand erreicht das wir den anderen Geld schenken damit sie bei uns einkaufen können. Das geschenkte Geld sind Kredite die dann erlassen werden. Wir schenken den anderen aber nur das Geld wenn sie richtig pleite sind. Das denen das nicht wirklich gefällt ist wohl nachzuvollziehen. So kann das aber nicht weitergehen, weil wir dann unsere Produkte gleich verschenken könnten. Das stimmt nicht ganz wir wollen ja auch noch die Zinsen für die Kredite solange sie nicht über einen Schuldenschnitt gelöscht werden. Glaubt denn hier einer das die Bürgschaften die D. eingegangen ist nicht fällig gestellt werden? Das was ich jetzt geschrieben habe ist ein kleines bisschen übertrieben. Ich wollte damit aufzeigen dass das Modell D. nicht die Lösung sondern ein Teil des Problems ist. Wie hat Helmut Schmitt am letzten Sontag sinngemäß bei Phönix gesagt: Frau Merkel wird sehr erfolgreich die Rechnungsstellung ihres Tuns auf einen Termin nach der Bundestagswahl verschieben.

  12. @hans,

    was Sie da schreiben ist nicht übertrieben, sondern beschreibt es ganz gut: Wir sollen es finanzieren, daß andere unsere Produkte kaufen können, weil es uns ja so gut tut, wenn andere unsere Produkte kaufen können. Ob solcherart „Rabatt“-System uns dann immer noch guttut, ist zu bezweifeln.

    Ich halte die Möglichkeiten für staatliche oder europäische Eingriffe in den Handelsüberschuß für begrenzt. Wenn man nicht gleich eine Planwirtschaft einführen will, die jedem, der Güter exportieren will, das gesetzlich verbietet, oder seinen Export mit hohen Strafsteuern belegt, (oder den anderen Ländern per Gesetz aus Brüssel befiehlt, ihre Güter nicht selber zu verkonsumieren, sondern unbedingt nach Deutschland zu exportieren, oder per behördlicher Anordnung befiehlt, solche überhaupt erstmal nennenswert herzustellen) dann bleibt nur übrig, die Inlandsnachfrage über die hier schon beschriebene Nachfragepolitik (z.B. Umverteilung) zu beleben. Aber auch das wird doch schwierig. Die deutschen Haupt-Exportschlager sind Automobil und Maschinenbau. Im Autosektor ist doch hierzulande der Markt recht gesättigt, wer noch nicht hat, der will auch nicht, und daß sich Hartz IV-Empfänger nach einer Verdoppelung der Hartz IV-Sätze dann eine Industriemaschine ins Wohnzimmer stellen, die z.B. Äpfel sortieren kann, ist auch zu bezweifeln. Weitere Hauptexportartikel sind chemische Erzeugnisse sowie Pharmaprodukte. Soll man wirklich vermuten, daß Deutsche, sobald sie einmal mehr Geld zur Verfügung haben, sich entscheiden, deshalb ihren Arzneimittelkonsum nenneswert zu erhöhen? Nach dem Motto: Jetzt kann ichs mir leisten? Und die Erzeugnisse der chemischen Industrie sind auch im Wesentlichen weder direkt vom Endverbraucher konsumierbar, noch Basis von Produkten, die in Deutschland hergestellt werden… weder werden die Deutschen wesentlich mehr Waschmittel verbrauchen („ich wasche nicht so oft, weil mir das Geld dazu fehlt“, wird kaum jemand sagen, aber wenn, ist das sogar ökologisch sinnvoll) noch Düngemittel (erstens fressen die Deutschen eh schon zuviel, und zweitens ist auch Düngemittel schon zu viel im Einsatz, unter ökologischen Gesichtspunkten) uswusf.

    Die Werkbanken hingegen, die z.B. technische Erzeugnisse für den Endverbraucher herstellen (nahezu die ganze Elektronikindustrie), stehen außerhalb Europas… hier wird durch Nachfragebelebung auch das Geld hingehen, und nicht Exporte europäischer Staaten in unser Land nach sich ziehen. Die Deutschen kaufen nicht deshalb massenweise griechische Waren (oder die anderer südeuropäischer Krisenländer), weil sie kein Geld dafür haben, sondern weil die nichts anzubieten haben.

    Nein, eine wirksame Dämpfung des Außenhandelsbilanzüberschusses kann man nur durch eine Dämpfung der wirtschaftlichen Produktivität erreichen, etwa indem man die Gewerbe- und Gewinnsteuern drastisch erhöht. Damit kann man sich französischem Niveau angleichen, wenn man das will: Hohe Arbeitslosigkeit, dahinschleichende, marode Wirtschaft.

    Hier wurde behauptet, volle Regale wären Zeichen einer Nachfragewirtschaft (was auch immer das sein soll). Volle Regale sind allerdings ein Zeichen, daß die Nachfrage schon jetzt sehr HOCH ist. Die Waren liegen nämlich nicht in den Regalen und werden nicht gekauft. Wäre das so, würden die Handelsfirmen reihenweise pleite machen. Die Summe des gekauften (also dessen, was der Inländer ausgibt), liegt HÖHER als der Beschaffungswert der Waren, die in den Regalen liegen (Gewinn machen die Verkäufer nämlich auch). Die vollen Regale sind also zunächst ein Hinweis, daß jene völlig falsch liegen, die eine verbreitete oder nennenswerte Verarmung postulieren.

    Jetzt soll aber ein an sich schon hoher Konsum noch einmal erhöht werden, indem man Geld unter die Leute bringt, nach dem Motto: Das Wachstum muß immer weitergehen, egal wie. Erheiternd ist es ein stückweit, wenn ausgerechnet sowas aus der grünen Ecke verargumentiert wird.

  13. P.S. Es sollte natürlich heißen:

    Die Deutschen kaufen nicht deshalb keine griechischen Waren…

  14. Ich weiß nicht ob ich wirklich in einer grünen Ecke stehe. Obwohl das Steuerkonzept im grünen Wahlprogram finde ich schon ganz gut. Ich kann noch mal ein anderes Beispiel anführen das die derzeitige Situation aus meiner Sicht beschreibt. Als vor gut 20 Jahren die DDR der BRD beigetreten ist hatte unser Land auf einmal 15 Millionen Einwohner mehr. Diese neuen Mitbürger waren als Verbraucher sehr willkommen zumal die damalige Regierung sie sehr gut mit DM ausgestattet hat. Als arbeitende Bevölkerung hat man sie nicht gebraucht weil der Westen das bisschen was da zusätzlich verkauft werden konnte locker mitproduzieren konnte. Das sie wenigstens ein bisschen was zu tun hatten hat man mit Steuergeldern eine Immobilienblase aufgeblasen die nach ein paar Jahren auch geplatzt ist.
    Im Moment läuft das Ganze Spiel wieder ab nur zwischen Nord und Südeuropa. Das was im Süden so gebraucht wird(Landwirtschaft mal ausgenommen) kann im Norden locker mitproduziert werden. Die Immobilienblase hatten wir auch schon und jetzt kommt das böse erwachen, weil das Ganze halt eine Nummer größer ist als vor 20 Jahren und es keinen Länderfinanzausgleich gibt. Außerdem ist es nicht gerade förderlich das die USA und Japan sich auch schon ihre Immobilienblase genommen haben. Das Ganze passiert nicht weil es in Europa zu wenig Geld gibt sondern weil das Geld zu!! ungerecht verteilt ist. Das hat mit ungebremsten Wachstum nicht viel zu tun. Das es in der DDR dann besser funktioniert hat wie heute im Süden hat natürlich auch damit zu tun das wir einen Kanzler hatten der die Portokasse mit der Rentenkassen verwechselt hat.

  15. @hans,

    ich meinte eigentlich nicht Sie, als ich mein Amüsement bzgl. grün bekundete. Ihre Begeisterung für PV bedeutet erstmal nur, daß Sie technischen Neuerungen gegenüber aufgeschlossen sind, und auch wenn Sie deren Möglichkeiten hierzulande ein wenig überschätzen mögen, macht Sie das in meinen Augen noch nicht unbedingt grün. Nein, ich meinte damit die Begründungen der Partei Die Grünen für ihr Steuerprogramm, die auf mich den Eindruck machen, als hätte man sich schon ein wenig von den eigenen Wurzeln entfernt. Von der ehemaligen eher konsumkritischen Haltung hin zur jetzigen Forderung nach allgemeiner Ausweitung und Steigerung des Konsums. Zum andern von Ihnen gesagten später evtl. mehr.

  16. @hans,

    so… Bauarbeiten nahe meines Hauses versetzten das Gebäude so in Vibrationen, daß ich einen Festplatten-Headcrash fürchtete, da half nur ein schneller Not-Aus des PC. Nicht nur theoretisch, sondern aus Anschauung heraus mitzureden, das wäre jetzt mein neuer Status im Flugzeuglärm-Thread. Aber jetzt gehts wieder.

    Daß das Geld ungerecht verteilt ist, das können Sie eigentlich nicht meinen. Wenn man den Griechen Geld gibt, und die wiederum überwiegend deutsche Produkte damit kaufen, ist morgen das Geld wieder „ungerecht verteilt“. Dann müsste man wieder geben uswusf. Eine Daueralimentation dieser Art kann aber doch nicht ihre Vorstellung von „Gerechtigkeit“ sein.

    Was Sie vermutlich als ungleich verteilt ansehen, und damit hätten Sie völlig recht, sind die Produktionsstätten, die eine hohe Wertschöpfung erlauben, deren erzeugte Werte in nationalen und besonders auch internationalen Märkten nachgefragt und gut absetzbar sind.

    Die Frage ist jetzt nur, wie bekommt man hier eine zumindest erstmal „gleichere“ Verteilung dieser Wohlstandsquellen hin.

    Ich bezweifle, das dies allein mit dem Hingeben von Geld erreicht wird, sei es aus Umverteilung, oder durch neudrucken. Daß Staaten ihr Geld schon „irgendwie“ so ausgeben, daß eine NACHHALTIGE Stärkung der Wirtschaftskraft dabei herauskommt, werden nur extreme Optimisten glauben.

    D.h. hier dürfte es kein „irgendwie“ geben, sondern den betreffenden Staaten müssten strenge Vorschriften gemacht werden bzgl. der Art und Weise, wie die Hilfsgelder verwendet werden… nämlich z.B. nicht dazu, erstmal den Staatsbediensteten Gehaltserhöhungen zu spendieren, und dann zu hoffen, daß die dann „irgendwie“ zu nachhaltigen Wirtschaftsinvestitionen führen, und nicht zu einem Kaufrausch, z.B. der Griechen, von chinesischen oder deutschen Produkten.

    Diese Vorschriften sind aber natürlich ein Eingriff in die Autonomie der Länder. D.h. hier müsste Europa überhaupt noch ein ganz großes Stück weiter politisch ausgestaltet werden, daß solch ein Eingriff von den betreffenden Ländern akzeptiert wird und nicht, wie jetzt ja nicht selten der Fall, als undemokratische Einmischung „von außen“ gebrandmarkt wird. Man kann eben nicht auf der einen Seite sagen, wir sind doch Teil des Ganzen, helft uns deshalb, und auf der anderen Seite, wenn der Rest des Ganzen dann die Hilfe sinnvoll verwendet sehen will, den für fremd und außenstehend halten, und sich Einmischung verbeten.

    Nicht zuletzt wird solche Hilfe noch erschwert dadurch, daß Behörden de facto kaum eine Ahnung davon haben, welche Investitionen zum Aufbau künftig und nachhaltig erfolgreicher Wirtschaftseinheiten führen… weil sie die meisten anderen Menschen auch nicht haben. Dazu gehört unternehmerische Weitsicht, Einsicht in Märkte, Intuition, Fachkenntnis und sogar Glück, sowie der Hauptfaktor, ein Gefühl der Verantwortlichkeit, weil die eingesetzten Ressourcen im Eigenbesitz sind. Ob ein Brüsseler Bürokrat das einfach so aus seinem Ärmelschoner schütteln kann ist fraglich. „Alle sagen, künftig müssten doch diese oder jene Produkte gefragt sein, also baut doch mal Fabriken dafür oder subventioniert deren Ansiedelung“, ist schnell gesagt… aber was, wenn dann alles anders kommt? Dann hat man schnell teure Ruinen rumstehen.

    Ach, wie einfach war das noch, als es noch nicht den Euro gab. Wer Investoren anlocken wollte, wertete seine Währung ab. Das Risiko der Investitionen trugen die Investoren freiwillig… wohingegen die jetzt angedachte planwirtschaftliche Verwendung von Umverteilungsgeldern ja auf Enteignung und damit Zwang beruht.

  17. http://www.google.de/url?sa=t&rct=j&q=euroland%20handelsbilanz&source=web&cd=3&cad=rja&ved=0CDkQFjAC&url=http%3A%2F%2Fwww.anleihencheck.de%2Fnews%2FArtikel-Handelsbilanz_Eurozone_weist_geringeren_Ueberschuss_aus-4640959&ei=AtW5UZTFMpOyhAfwiYGgCw&usg=AFQjCNHpxhzbNQoVwFXkTsGj2XYhVbayzA
    @Max Wedell
    Sowohl als auch. Warum soll man Griechenland eigentlich kein Geld schenken? Die Frage ist ein bisschen provokativ gemeint, aber z.B. der Werktätige aus der DDR bekommt auch seine Arbeitsjahr aus der DDR in der Rentenversicherung der BRD angerechnet ohne dafür für diese Rentenversicherung irgendeine Beitragsleistung erbracht zu haben. Oder die weitgehend unsinnigen Landwirtschaftssubventionen u.s.w. Klar ist das die Handelsbilanz von Euroland mit der restlichen Welt weitgehend ausgeglichen ist.(siehe Link) Das ist zuerst einmal gut so und hat den Vorteil das wir uns auf das konzentrieren können was in Euroland passiert. Ganz Euroland in ein Modell D. zu verwandeln mit riesigen Handelsbilanzüberschüssen gegen den Rest der Welt ist etwas was dieser Rest kaum akzeptieren würde und deshalb keine Option.
    Also müssen wir sehen wie wir mit uns selber klar kommen. Seit dem die 15 Millionen DDR Bürger einfach beigetreten sind ohne das ihre Arbeitskraft auch nur ansatzweise gebraucht worden wäre ist für mich klar das die Produktivität dem Wachstum davonläuft. Das bedeutet das man immer weniger Menschen braucht um das was Euroland so erwirtschaften muss zur Verfügung zu stellen. Deshalb gibt es die hohe Arbeitslosigkeit. Wenn wir jetzt hergehen und verlagern erfolgreich 20% der Arbeitsplätze von Nord nach Süd verteilen wir nur die Arbeitslosigkeit. Die Frage ist wie gehen wir damit um das ein paar Millionen Leute im erwerbsfähigen Alter einfach nicht gebraucht werden? Die Produktivität verringern kann nicht sein. Da muss man erst einmal die Frage stellen wie hoch ist denn die Wertschöpfung und wie wird sie verteilt? Im Grunde ist es völlig egal ob im Süden überhaupt einer arbeitet wenn die Wertschöpfung im Norden hoch genug ist. Wenn ich mir jetzt die Vermögensverteilung im Euroland anschaue dann scheint die Wertschöpfung selbst nicht das Problem zu sein sondern eindeutig die Verteilung. Die eher links stehenden Parteien beginnen sich dem Problem langsam zu nähern. Eurobonds und Vermögensabgaben jeder Art können ein Schritt in die richtige Richtung sein, wenn man Euroland als Einheit sieht. Wenn man das nicht so sieht wird man Euroland trennen müssen. Ob das für D. besser ist, ist schwer zu sagen wahrscheinlich aber nicht. Die derzeitige Regierung versucht sich um dieses Problem zu drücken. Solange sie das tut würde ich zuerst einmal annehmen das Zypern überall ist. Allerding übersteigt es mein Vorstellungsvermögen das eine schwarz/gelbe Regierung die Regel von Zypern auf D. anwenden lässt. Sie sagen halt nicht wie es weiter gehen soll nach der Wahl und kommen wohl damit durch.
    PS Alles was ich jetzt geschrieben habe setzt voraus das es in jedem Land ordentliche Verwaltungen gibt die Steuerhinterziehung und Missbrauch verhindern.

  18. Nun, ich bin auch kein Hellseher, um zu erkennen, wie sich die Euro-Situation wohl entwickeln mag, aber ich wünsche mir schon ein Europa mit einer Währung. Dass dieser Weg steinig ist, sehen wir und müssen die kleinen Schritte akzeptieren.
    Doch die Argumentation des Leserbriefschreibers, dass die EWG funktioniert habe, daran festzumachen, dass zu jener Zeit das Lohn-Preis-Gefüge in Ordnung war, ist schon merkwürdig. Vermutlich muss der Schreiber sehr jung sein, sonst müsste er sich erinnern können, dass in den sogenannten „Boomzeiten“ der 60er Jahre die Bundesbank mit Geldentwertungsraten bis sechs Prozent zu kämpfen hatte und dass den Einkommensempfängern seinerzeit auch die Preise davonliefen.
    Es ist ja nun mal leider so, dass eine kapitalistische Marktwirtschaft keine stabile Währung gewährleisten kann. Dazu gehört auch, dass die Marktteilnehmer anlässlich einer Währungsumstellung mehr oder weniger stark in die neue Währung „aufrunden“. Und eine staatliche Verschuldungspolitik gab es zu DM-Zeiten ebenso wie heute mit dem EURO. Also, was ist anders an den heutigen Problemen gegenüber einer „EWG-Zeit“? Der Rahmen größer geworden und sicherlich haben die Probleme zugenommen.

  19. @hans,

    unser Problem wird sein, daß wir die hiesige hohe Produktivität noch einmal dringend selber benötigen werden, und zwar aufgrund der bekannten Demographie hierzulande. Immer weniger Menschen im Berufsleben müssen immer mehr alte Menschen finanzieren, und das wird sich noch drastisch verschärfen. Es mag sein, daß man momentan Produktivitätsüberschüsse abschöpfen könnte, um sie an ärmere Länder in einer Art institutionalisiertem Almosen zu verteilen (allerdings mit demokratischer Legitimation, die bisher noch austeht… ob alle Bürger hierzulande davon so begeistert wären wie Sie, ist noch sehr die Frage). Diese Produktivitäts(noch)überschüsse werden aber mehr und mehr in unsere Kranken- und Rentensysteme fließen müssen. In meinen Augen ist es überhaupt ganz fraglich, ob der hiesige Wohlstand insgesamt gehalten werden kann.

    Auf Einwanderung wird man da überhaupt nicht zählen können… qualifizierte Einwanderung in ein armes Land, in dem jeder Arbeitnehmer erstmal eine Reihe Alter mitfinanzieren muß, wird es kaum geben (gibt es heute ja schon kaum, siehe Greencard-Debakel), und die schon früher Eingewanderten werden in großer Anzahl weiterziehen auf der Suche nach dem Wohlstand, den es hier nicht mehr geben wird, denn sie werden sich nicht als Deutsche fühlen, da auf Assimilation hierzulande nicht hingearbeitet wird (werden darf).

    Es wird dann dereinst interessant sein, zu sehen, in wievielen der anderen dann reicheren Länder Europas sich Personen finden werden, die einer institutionalisierten Almosengabe an Deutschland das Wort reden werden, wenn diese dann notwendig geworden ist, weil D seine Zukunft durch die Kinderarmut aufs Spiel setzte. Hoffen wir, daß es dann ausreichend viele sein werden.

  20. zu @ Max Wedell
    Wenn man Euroland nicht als Einheit sieht wird man den Euro wieder aufgeben müssen. Das habe ich weiter oben geschrieben und ist auch meine Meinung. Entweder man geht weitere Schritte Richtung Europäische Union, was letztlich auch die Sozialsysteme betreffen wird, oder man geht wieder zurück in die Zeit vor dem Euro. Dann muss man so denken wie sie beschrieben haben. Unsere Regierung verweigert aber das Problem zur Kenntnis zunehmen bzw eine Richtung zu nennen in die es gehen soll. Griechenland ist derzeit wieder dabei in seinen Schuldzinsen zu ertrinken. Der nächste Schuldenschnitt steht an und dieses mal wird es den Bundeshaushalt direkt treffen. So sieht eine Lösung wohl gar nicht aus.

  21. zu Kurt Ehrenberg # 18: Da Sie vermutlich mich mit „jungem Leserbriefschreiber“ meinen, verrate ich Ihnen mein Alter: Im nächsten Monat 68. Natürlich hatten wir relativ hohe Inflationsraten, aber dafür auch, auch dank noch funktionierender Gewerkschaften, entsprechend hohe Lohnzuschläge – von denen übrigens dann auch die Rentner profitierten, sowohl aktiv als auch passiv. Heute leben wir mit einer Inflationsrate zwischen 1 und 2%, daran orientieren sich dann auch die Löhne und dann wiederum die Renten, und wer Spargeld hat oder auf eine Lebensversicherung wartet, ist angeschissen. Für mein Tagesgeld erhalte ich derzeit 0,8%, und mein Girokonto verzinst sich mit stolzen 0,13%. Das ist noch nicht einmal ein Inflationsausgleich. Nehmen wir doch jetzt einmal die Statistik zur Hand:

    Gehen wir vom VPI = Verbraucherpreisindex aus, gibt es zwei Werte,
    a) die jährliche Inflation, gerechnet vom Dezember des Vorjahres zum Dezember des lfd. Jahres
    b) die durchschnittliche jährliche Inflation, also der Durchschnitt der 12 monatlichen Inflationsraten.

    Ich gehe einmal davon aus, daß Sie Geldentwertung und Inflation gleich setzen. Lt. historischer Tabelle finden Sie a) in den Jahren 1973 mit 7,92% und 198 mit 6,69%. b) erhalten Sie 1973 mit 7,03%, 1974 mit 6,99% und 1975 mit 5,91%. In den 80er gingen die Raten zurück und es gab nur noch 1992 einen Ausrutscher, wohl wegen der Wiedervereinigung von 5,75 bzw. 5,07%.

    Übrigens hat sich die EZB zu einem Inflationsziel von 2% verpflichtet, aber das war wohl einmal. Interessant, daß nach Euro-Einführung die kumulierten Inflationsraten nicht die wahren Preissteigerungen abbilden, wohl eine „schöngerechnete“ Statistik, weil wir alle ja erlebt haben, wie die Dinge des täglichen Bedarfs und des täglichen Lebens plötzlich teurer wurden, um mindestens 30% schlagartig, oft auch mehr oder sogar sich im Preis verdoppelten.

    Machen wir doch einmal ein Gedankenspiel: Wir haben wieder die DM, und dann erleben Sie einen normalen Tag. D.h. Sie gehen arbeiten, nehmen in der Pause einen Imbiß, sagen wir, Currywurst und Pommes, aha, 9 – 10 DM. Auf der Heimfahrt tanken Sie voll, sagen wir, 50 Lt. und zahlen dafür 80 DM. Schnell noch den Lottozettel ausgefüllt, 4 Kästchen, hurra, 17 DM. Abends gehen Sie mit Ihrer Frau in ein bürgerliches Restaurant, essen jeder eine Spargelcremesuppe, danach Schnitzel oder Schinken mit Spargel, da zu Fuß, trinken Sie ein Bier und einen Wein und Ihre Frau ein Wasser und einen Wein. Noch ein kleiner Nachtisch? Na klar, Erdbeeren mit Sahne. Und dann kommt die Rechnung: 125 DM. Erinnern Sie sich, was Sie damals zu DM-Zeiten tatsächlich bezahlt haben? Ich höre schon die Erwiderung, man soll nicht immer alles umrechnen. Da sich meine Rente jedoch nicht verdoppelt hat, sondern ich im Gegenteil seit Renteneintritt 2005 im Jahr nur im Durchschnitt eine Erhöhung von 1,2% bekam, die durchschnittliche Inflationsrate seither 1,6% betrug, habe ich also Miese gemacht. Und das scheint so weiter zu gehen.

    Natürlich hat die niedrige Rentensteigerung Gründe, als da sind:

    niedrigere Durchschnittseinkommen
    Aufstocker, Zeitarbeiter, Leiharbeiter, Scheinselbständige
    die Absenkung der Rentenformel und das Einfrieren des Beitragssatzes – schönen Dank an die Arbeitgeber-Lobby
    die Unfähigkeit, eine Solidarversicherung für Alle einzuführen, also auch für Selbständige, Beamte, etc., nach Schweizer Vorbild z.B.

    Übrigens, die Beiträge, die für RIESTER aus dem Fenster geworfen werden, in die staatl. Rentenversicherung eingezahlt, würden ein Erkleckliches mehr bringen als die Riesterei (die nur Banken, Versicherungen und den Puff-Besuchern der Hamburg-Mannheimer gedient hat).

    Übrigens habe ich als pedantischer Mensch meine ganzen alten Lohnzettel aufgehoben, und kann daher meine persönliche Lohn-Preis-Spirale nachvollziehen.

  22. kleine Korrektur: es soll natürlich heißen: …ab 2005 die ausgewiesene und angebliche Inflationsrate seither 1,6%…

  23. Zum ganzen Euro-Thema paßt dieser hervorragende und durchdachte Kommentar von Friederike Spiecker, Mitarbeiterin bei Flassbeck-economics: http://www.flassbeck-economics.de/marktwirtschaft-nein-danke-eine-standortbestimmung/.

    Hervorragend deshalb, weil Sie einmal alle angeblichen Systemänderungs-Vorschläge, egal ob von links, rechts, oben oder unten, auf den Seziertisch legt und auf Machbarkeit prüft.

    Hallo, HERR WEDELL, zwar nicht immer Ihrer Meinung, aber da ich Sie als klugen Analytiker sehe, vielleicht Ihre Meinung zu diesem Kommentar???

  24. Max Wedell, #19: Jetzt habe ich mir Ihren Beitrag mal zu Gemüt geführt. Was Sie in punkto Demografie ins Feld führen, sehe ich entschieden anders. Zunächst gibt es in einem Land immer einen Gesamtbetrag X, das ist das erwirtschaftete BSP bzw. BIP, zu verteilen. Allerdings haben sich bestimmte Schichten, ich sehe da die oberen 10% der Gesellschaft, in den letzten Jahren erheblich mehr in die Taschen gescheffelt als Andere. Natürlich wird dann genau von dieser Schicht, von interessierten Arbeitgebern, von Banken und Versicherungen die angebliche ganz schlimme demografische Situation angeführt; das Ganze noch unterfüttert von den Mietmäulern in der Presse und bei Ökonomen.

    Wenn es wirklich so wäre, daß es nur mehr Kinder bedarf, um das Problem zu lösen, dann müssen Sie wirklich Butter bei die Fische tun, also

    – mehr in Bildung investieren, und dafür sorgen, daß alle Gesellschaftsschichten die gleichen Chancen haben
    – die Löhne erhöhen, damit mehr in die Rentenkassen fließt, und die Leute ggf. mehr privat vorsorgen können (wobei ich von privater Vorsorge in Riester-Form nichts halte)
    – eine einheitliche Versicherung für alle schaffen

    Ich habe aus Beamtenkreisen noch nie gehört, daß hier der demografische Faktor eine Rolle spielt – oder bekommen die mehr Kinder? Außerdem sollten die Ergebnisse der Volkszählung berücksichtigt werden, die gezeigt haben, daß wir nicht nur insgesamt weniger sind, sondern auch weniger Alte, die Lebenserwartung also nicht so doll ist. Man kann natürlich durch unsere Zwei-Klassen-Medizin dafür sorgen, daß dann noch mehr frühzeitig abnippeln, dann wäre dies auch eine Art Endlösung bei den angeblichen demografischen Bedrohungen.

    Nicht zu unterschätzen sollte auch sein, daß natürlich Ältere, die nicht mehr im Arbeitsprozeß stehen, doch sehr wohl ihren Teil zum Bruttoinlandsprodukt beitragen, also nicht nur „nehmen“. Und nicht zu vergessen, die RV wurde eingeführt als Generationenvertrag, jung zahlt Beiträge für die Rente der Alten. Und daher sollte jung auch entsprechendes Einkommen erzielen, und sich nicht von befristeter Beschäftigung zu Praktika etc. pp. hangeln – wenn überhaupt nach Ausbildung, Abi und Studium sich eine Stelle anbietet.

  25. @ Wolfgang Fladung,

    erstmal ein Dankeschön für den „klugen Analytiker“. Ich habe es mir, das ist ja bekannt, ein wenig zur Gewohnheit gemacht, in diesem Blog grundsätzlich zu widersprechen. Bei dieser Aussage von Ihnen will ich aber mal eine Ausnahme machen.

    Es wird Sie vermutlich nicht überraschen, wenn ich dem Fazit des von Ihnen verlinkten Artikels 100%-ig zustimme: Auch ich plädiere angesichts der Alternativen, die mir bisher bekannt wurden, für die Markt­wirt­schaft mit makro­öko­no­mi­scher Steue­rung und strik­tem ord­nungs­po­li­ti­schen Rah­men für den Schutz unse­res Pla­ne­ten. Bei den Vorstellungen, wie die makroökonomische Steuerung (durch den Staat) konkret und im Detail aussehen soll, da werden dann wohl die Unterschiede zwischen Ihnen und mir aufklaffen.

    Es wäre ziemlich schwierig für Spieker, die Machbarkeit von Vorschlägen der Systemkritiker zu prüfen, die einen Systemwechsel fordern, d.h. eine Abschaffung der Marktwirtschaft… denn diese Vorschläge sind, wie sie selber sagt: „wenig kon­kre­t und wenig durch­dach­t“. Speziell ersteres ist auch mein Eindruck. Und etwas zu kritisieren, von dem Details niemandem so richtig bekannt sind, ist wirklich nicht einfach.

    Im einen Beispiel (Ulrich Brandt), erfahre ich (jedenfalls aus dem Zitierten) nicht viel mehr, als daß der Kapitalismus abgeschafft werden müsse, und anschließend… tja, da müsse man dann halt umdenken, transformieren, umbauen und nachhaltig wirtschaften. Vage.

    Auch im andern Beispiel (Heinz Bier­baum, die LINKE) wird die Über­win­dung kapi­ta­lis­ti­scher Struk­tu­ren gefordert. Seit Lötzsch aber weiß man ja schon, daß Teile der LINKEN „irgendwie“ zum Kommunismus streben, aber nicht wissen, auf welchem Weg, wobei es (laut Kommunist 2.0) vermutlich sogar viele Wege gibt usw… auch hier wenig Konkretes zum Systemwechsel, das man auf Machbarkeit prüfen könnte.

    Die öffentliche Diskussion um die Marktwirtschaft ähnelt einer Diskussion um Autos, die folgendermaßen verläuft: Was fällt uns zu Autos ein… Mit Autos gibt es Unfälle (manche tödlich), Autos verbrauchen die wertvolle Ressource Benzin, für Autos pflastert man die Welt mit Straßen voll, Autos produzieren CO2, erzeugen Feinstaub, usw…. dammich, Autos haben ja NUR Nachteile! Weswegen hat man sie nicht schon längst abgeschafft? Weg damit. Aber was dann?

    Na ist doch ganz einfach. Man ersetzt Autos durch etwas völlig anderes, mit dem es keine Unfälle gibt, was kein Benzin verbraucht, was keine Straßen braucht, kein CO2 oder Feinstaub produziert uswusf. Und was natürlich auf nachhaltiger Basis funktioniert, selbstredend. Wie man dieses etwas baut, ist noch nicht genau bekannt, aber eins ist schon deutlich: Es gibt verschiedene Wege, es zu bauen. Das ist doch schonmal ein Hinweis.

    Nicht nur ist die Utopie, die das Auto ersetzen soll, recht vage, sondern das „Abwägen“ der Vor- und Nachteile des Autos findet so statt, daß eine Seite der Waagschale immer merkwürdig leer scheint… als gäbe es bei Autos gar nichts, was für sie sprechen könnte.

    Wer hingegen das Fazit von Spiecker zieht, sagt sinngemäß: Behalten wir doch das Auto. Bauen wir einen CO2-Filter ein. Lassen wir es mit Strom fahren. Reduzieren wir die Höchstgeschwindigkeit allgemein auf 50 km/h, dann gibt es weniger Unfälle. Bauen wir Reifen ein, die einen geringeren Abrieb haben. Mit den Straßen werden wir allerdings vorerst leben müssen.

    Es scheint mir sinnvoll zu sein, genau so in der Systemfrage vorzugehen.

  26. @ Wolfgang Fladung #24,

    erinnere ich mich da richtig, waren Sie nicht ein begeisterter Leser der Nachdenkseiten?

    Deren Chef Albrecht Müller begegnet der allgemeinen Verunsicherung zum Rentensystem, die aus der vorherzusehenden demografischen Entwicklung herrührt, mit der Theorie, das herkömmliche gesetzliche Rentensystem hätte überhaupt kein prinzipielles Problem durch die Demografie, weil nämlich künftig die Produktivitätszuwächse der immer weniger werdenden Arbeitenden so hoch sind, daß die Einnahmedefizite der Rentensysteme ausgeglichen sein werden.

    Wenn wir allerdings die Produktivitätszuwächse in andere Länder Europas verschenken, wie Hans das vorschlug (oder so habe ich ihn zumindest verstanden), stehen sie nicht mehr für die Versorgung von Rentnern (und Pensionären) zur Verfügung. Ich wollte mit meinem Beitrag #19 eigentlich nicht mehr tun, als Hans darauf hinzuweisen.

    Wenn A. Müller sagt, das demografische Problem ist gar keines, wird übertrieben usw., dann meint er das übrigens nicht auf die Bevölkerungszahlen, auf die eigentliche Demografie bezogen. Die hält auch er sicher für drastisch. Er sieht halt nur eine Lösung fürs Problem: die stetig steigende Produktivität, die in seinen Augen das Rentenproblem entschärft. Wenn Sie Albrecht hier folgen wollen, müssten Sie nicht die Demografie selber als „hochgeschrieben von den Mietmäulern in der Presse und bei Ökonomen“ bezeichnen, sondern das durch sie erzeugte Rentenproblem.

    Ähnliches wie für die Produktivität gilt übrigens auch für die Vermögen Superreicher. Jeden Euro aus diesen, den man in andere europäische Länder umverteilt, kann man nicht mehr in die Rentenkasse umverteilen (und umgekehrt).

  27. zu @ Max Wedell
    Glauben sie wirklich die Zahlungen an den Süden wären zu vermeiden? Heute vor einer Woche hat Helmut Schmitt bei Phönix sinngemäß gesagt das Frau Merkel es wohl schaffen wird den Beginn der Zahlungen aus dem Bundeshaushalt auf einen Termin nach der Bundestagswahl zu verschieben. Glauben sie wirklich das nicht jeder Euro aus den Bürgschaften diverser Rettungsschirme fällig gestellt wird? Ich denke das nicht. Die Frage ist wer soll das bezahlen und wie geht es weiter? Will man in Richtung Europäische Union gehen oder mehr in die Richtung das es ein Europa Eigenständiger Staaten gibt? Soll es dann noch einen Euro geben? Geht das überhaupt, nach den bisherigen Erfahrungen? Darüber schweigt sich unsere Regierung aus. Das kann sie aber nur weil selbst Leute wie sie das zulassen und heimlich hoffen das der Kelch vorüber geht. Das man sich Gedanken über den Süden machen muss gerade wenn es mehr Richtung Europa geht ist klar. Es kann nicht sein das auf Dauer nur der Norden arbeitet obwohl das theoretisch möglich wäre.
    Zu dem was sie gerade mit Wolfgang Fladung diskutieren. Nach meiner Meinung braucht es keinen Systemwechsel. Zumal keiner bisher ein System vorgestellt hat das besser als die Marktwirtschaft funktioniert. Die Lösung unserer Probleme liegt tatsächlich in der Produktivität und das diese Wertschöpfung sozial gerecht verteilt wird. Wenn wir noch eine Lohnquote wie vor 20-30 Jahren hätten gebe es keine 0 Runden bei Rentnern usw. Das wird nur nicht so kommen solange Lobbygruppen jede Reform so verbiegen das genau das Gegenteil rauskommt. Da ist mein Lieblingsthema Energiewende ein typisches Beispiel dafür. Das habe ich hier an anderer Stelle schon einmal beschrieben. Die Energiewende wäre übrigens ein Feld bei dem uns die Südeuropäischen Länder helfen könnten und wir ihnen dafür die Milliarden geben die im Moment für Öl und Gas gezahlt werden. Ein Schritt zu mehr Europa könnte dafür die Türen öffnen.

  28. Inzwischen ist der Parteitag der LINKEN vorüber, und die große, oder übergroße (?) Mehrheit hat sich für den Erhalt des Euro ausgesprochen. Wer den nach der Kipping-Rede nicht klatschenden Lafontaine und sein versteinertes Gesicht beobachtet hat, weiß, das hier wieder einmal ein Konflikt mit der Friede-Freude-Eierkuchen-Methode zugekleistert wurde. Finde ich doch die sich an den Realitäten, und nicht an dem Wünschbaren, orientiertende Kritik von Lafontaine (und Wagenknecht, wo blieb die, weggeduckt?), ja auch unterstützt von seinem ehemaligen Adlatus Flassbeck, immer noch richtig. Oder ist Kritik am Euro nur von rechts erlaubt, siehe AfD, und nicht von links? Oder ist Kritik deshalb falsch, weil sie von rechts kommt?

    Vielleicht lehne ich mich ziemlich weit aus dem Fenster, aber mir scheint bei der Favorisierung des Euro bei den Ost-Linken immer noch der alte Neid auf die DM – im Vergleich zu den DDR-Alu-Chips – mit rein zu spielen. Und die Tatsache, daß ein Bewohner der neuen Bundesländer ja gerade mal 11 Jahre Zeit hatte, mit der DM zu leben. Ich habe da eben mit meiner Vita, durch 50 Jahre DM-Geschichte, ein anderes Verhältnis. Aber ich hatte es ja bereits beschrieben. Es ist nicht der Name, der die Krankheit heilte, sondern die verabreichte Medizin. Und da gibt es eben keine, die gleichermaßen für Griechenland, Spanien, Irland, Holland, Slowenien und Deutschland wirkt.

    Außerdem finde ich, daß sich die Linke hier einen Bärendienst erwiesen hat. Gibt es doch sicherlich bei den WählerInnen so um die 2%, die Links nur aus Protest gewählt haben und wählen, und die beim Thema EURO eine dediziert andere Meinung haben. Wenn die alle jetzt zur AfD abwandern, dann droht der Linken womöglich das Abrutschen unter die 5%-Hürde. Also wie so oft auf der linken Seite: Gut gemeint, weil theoretisch prima unterfüttert, aber
    dann schlecht gemacht. Ein Trabi als Golf funktioniert halt nicht.

  29. Die Linke muß schon nach ihrer Überzeugung handeln , ein anderes – populistisches -Vorgehen wäre sehr gefährlich.
    Es scheint eine Parteimehrheit für den Euro zu geben , also kann die Partei nicht auf die 2 % schielen , die ihr womöglich dann wegbrechen.

    Gegen eine innerparteiliche Debatte über den Euro ist ja nichts einzuwenden , wenn sie denn als solche geführt wird von Euro-Befürwortern und – Gegnern.
    Nur leider besteht auf der politisch linken Seite immer die Gefahr , daß konstrultive Meinungsverschiedenheiten kippen in die attsam bekannte linke Selbstzerfleischung.

  30. DH, # 29: Es geht doch nicht um 2% von 100%, sondern um die möglicherweise fehlenden 2% zu den 7% in den Meinungsumfragen. Da droht doch die Gefahr, unter die 5% Hürde zu rutschen. Und selbst bei einem Wiedereinzug in den Bundestag – wie will die LInke mit einem Wahlergebnis von 5 – 6% ihre, ansonsten durchaus überzeugenden und berechtigten Themen anbringen, wo sie bei der letzten Wahl doch immerhin über 11% eingeheimst hat? Mir scheint, daß die innerparteiliche Debatte, die sicherlich weiterhin geführt wird, diesen Punkt einfach übersieht oder ausklammert. Aber schaun wir mal. Und „populistisch“ ist das Thema nicht, weil es um eine ernste Bedrohung geht. Für mich geht es um die Aussage: Wenn wir mit unseren Austeritäts-Maßnahmen so weiter machen wie bisher, dann droht der unkontrollierte Kollaps des Euro. Und dann bekommt die Merkel, unwillkommen, Recht: Scheitert der Euro, dann scheitert Europa. Aber vielleicht will sie ja das, die Brandenburger FDJ-Sekretärin für Propaganda.

    Oder anders: Wenn des Nachbarn Hütte brennt, kann ich mich nicht weigern, Löschwasser zur Verfügung zu stellen, auch auf die Gefahr hin, daß mein eigenes Grundstück etwas ab bekommt. Wäre zu verschmerzen, im Gegensatz zum Funkenflug, der dann auch mein Haus in Brand steckt.

  31. @hans,

    die Frage, wie es weiter gehen soll, Europäische Union vs. Europa der Vaterländer, ist ja die eigentliche Frage. Hier scheint man mir einen perfiden Trick versucht zu haben, um den Bürger übers Ohr zu hauen. Zuerst wird der Euro eingeführt, ganz harmlos, ist ja bloß eine Währung, genausogut wie die alte, sagt man. Anschließend, wenn man allgemein merkt, daß dieser Euro ohne eine gemeinsame Finanzpolitik nicht funktioniert, scheint auf einmal die gemeinsame Finanzpolitik alternativlos. Also diskutiert man überhaupt nicht mehr darüber, ob man eine gemeinsame Finanzpolitik überhaupt haben will, sondern setzt sie ohne große weitere Diskussionen in Szene, denn sie ist ja für den Erhalt des Euro notwendig. Hätte man dem Bürger von Anfang an gesagt, daß man eine gemeinsame Finanzpolitik ansteuert, indem man den Euro einführt, dann wären die Proteste gegen den Euro wohl vehementer ausgefallen.

    Es ist übrigens klar, wie es dann weiterginge. Eine gemeinsame Finanzpolitik wird nicht so recht funktionieren, wenn man nicht auch eine gemeinsame Gesellschaftspolitik macht, usw.usf. Eh man sichs versieht, ist die Union der vereinigten Staaten von Europa (USE) da, die die Bürger so nie gewollt hätten.

    Diese USE ist aber eine Schnapsidee, sie ist völlig verrückt. Es gibt KEIN EINZIGES ARGUMENT, das für sie spräche.

    Mein Mietshaus bekommt gerade eine neue Fassade. In diesem Zusammenhang wurde auf einer Eigentümerversammlung nebenbei erwähnt, daß in den Stockwerken 6 und 7 Stangen auf den Balkonbrüstungen installiert sind, weil ab einer bestimmten Höhe erhöhte Balkonbrüstungen gesetzlich vorgeschrieben sind. Wer die Deutschen kennt, weiß natürlich, daß sich in solch einer Situation sofort ein Gschaftlhuber finden wird, der folgenden glorreichen Vorschlag macht: Wo jetzt gerade sowieso gebaut wird, könnten wir doch gleichzeitig diese Stangen an allen anderen Balkonen auch anbringen, damit „alles gleich wird“. Meine Frage, warum alles gleich sein soll, stößt auf Erstaunen. Ist es nicht irgendwie gut, wenn alles gleich ist? Was eine erhöhte Balkonbrüstung z.B. im Erdgeschoß für einen Sinn haben soll, außer die Sicht zu versperren, fragt sich scheinbar keiner.

    Aus genau diesem irrationalen Wunsch nach Gleichmacherei, alles soll schön ordentlich, gleich, normiert, universal sein, aus genau dieser anal-retentiven Befindlichkeit, wie Freud das nannte, entspringt auch die Idee eines uniformen Europas, daß man mit einem Europa der Einheitspolitik anstrebt. Genau wie bei der Balkonbrüstung gibt es ansonsten KEINEN Grund, das anstreben zu wollen, außer dem Gefühl einer vagen Befriedigung bei der anal-retentiv veranlagten Persönlichkeit, wenn sie „Ordnung“ und „Gleichförmigkeit“ geschaffen hat.

    Es ist auch nicht erstaunlich, daß die Beschwörung einer Notwendigkeit eines solchen „ordentlichen“ Europas in jenen Ländern, die größere anal-retentive Anteile im Nationalcharakter haben (wie Deutschland, ich sage nur „Preußen“!), auf fruchtbareren Boden fällt als in andern Ländern, wo diese Anteile viel geringer sind, wie z.B. in Großbritannien.

    Wir haben in Europa praktisch in jedem Land eine andere Sprache, Kulturen, die sich in weit, weit höherem Ausmaß unterscheiden als sich Ostfriesen von Bayern unterscheiden (das Argument, USE wäre ja auch nichts anderes als eine Föderation von Bundesländern wie die BRD ist also absurd), die Menschen der einzelnen Länder leben in weitgehend getrennten „Fächern“ nebeneinander her, und das wird alles nicht so schnell zu ändern sein… wenn es überhaupt änderbar ist, wenn nicht jeder Bürger mindestens 5 weitere Sprachen neben seiner Muttersprache lernt und beginnt, sich aktiv für die Kulturen, gesellschaftlichen Zustände usw. in anderen Ländern zu interessieren (und damit meine ich nicht, einmal die Woche den Weltspiegel anzuschauen).

    Unter solchen Bedingungen kann die USE nur ein Mittel für die Eliten der Länder sein, die anderen Bürger (die Schafe) besser (d.h. in ihrem Sinne) steuern zu können. Hier wurde Habermas erwähnt: laut ihm ist Demokratie vorrangig politische Partizipation: „mündige Bürger nehmen unter Bedingungen einer politisch fungierenden Öffentlichkeit, durch einsichtige Delegation ihres Willens und durch wirksame Kontrolle seiner Ausführung die Einrichtung ihres gesellschaftlichen Lebens selbst in die Hand“. Indem man die Politik auf eine Ebene verlagert, auf der für den einfachen Bürger die Vorgänge undurchschaubarer werden, weil er die Spezifika anderer Kulturen nicht mehr so genau kennt, ihre Bedürfnisse und Einstellungen, Entscheidungen, oder die von Habermas genannte Öffentlichkeit gar nicht verfolgen kann, so sie sich in anderen Ländern befindet, in denen man unbekannte Sprachen spricht, betreibt man Entdemokratisierung. Mehrheiten in größeren Ländern, die Spezifika berechtigter Bedürfnisse in kleineren Ländern überhaupt nicht kennen, bewirken dann Politik, die wie eine Dampfwalze über die kleineren Länder hinwegrollt. Kontrollmöglichkeiten sind drastisch reduziert, wenn man die Bedürfnisse, auf die Politik zugeschnitten ist, gar nicht kennt, weil man nur die eigenen kennt (die im eigenen Land), aber nicht die der anderen (in den anderen Ländern). Was man dann von der „Öffentlichkeit“, d.h. der öffentlichen Diskussion in anderen Ländern kennt, wird einem durch die Medien übersetzt, die dabei die gewohnte Verantwortlichkeit an den Tag legen werden… m.a.W. auch von dieser Seite der „Vermittlung“ zwischen den Nationen sind Manipulation und Desinformation Tür und Tor geöffnet.

    Daß Habermas selber diese Entdemokratisierungstendenzen durch eine USE nicht auffällt, ist erstaunlich… vermutlich denkt er aber bei dem Begriff „mündige Bürger“ an Intellektuelle wie sich selber, die ja den Überblick über die Vielfalt der Kulturen haben und deren Tagesöffentlichkeit… und es reicht ja dann völlig aus, wenn solche Intellektuelle den politischen Prozeß betreiben, der dann dem restlichen Plebs übergestülpt wird… Solche Eliten wie Habermas sind dann eben die Hütehunde, die die Schafe steuern. Und es mag jemand noch so gut über die Situation im eignen Land, die eigenen Bedürfnisse, die eigene Öffentlichkeit informiert sein, wenn er über den Rest Europas und deren Situation, öffentliche Diskussiones usw. wenig oder gar nichts weiß, wird er zum Schaf, zum Euro-Schaf.

    Das Schlimme ist: viele dieser Schafe sind inzwischen soweit konditioniert, jedenfalls hierzulande, daß sie schon laut blöken: Europaaaa, Europaaa, jaaaah… määääh.. Europaaaa… Diese Kondition kam besonders in unserem Land in wesentlichen Teilen dadurch zustande, daß der, der solche USE ablehnt, von den Propagandisten einer solchen USE jedesmal mehr oder weniger deutlich in die Ecke: Nationalist, Kriegstreiber, Menschenfeind gestellt wurde und wird.

    Sorry, Hans, wenn ich mich von der Umverteilungsfrage ein wenig entfernt habe, aber die Umverteilungsfrage ist gegenüber der prinzipiellen Frage: USE, warum überhaupt? nun wirklich ganz untergeordnet, sie ist eine nachgelagerte Detailfrage.

  32. Zustimmung, Max Wedell. Auch ich bin Anhänger eines Europas der Vater- oder auch Mutterländer.

    Es gab am 17.5.10 ein sehr schönes Essay bei SPON von Leon de Winter, dem holl. Schriftsteller. Er beschreibt Europa als fixe Idee Brüsseler Bürokraten und fügt hinzu, daß niemand auf die Idee käme, in Asien eine asiatische Union zu gründen. Sicherlich ein Vergleich, der etwas hinkt, aber auch eine Nord- und Mittelamerikanische Union aus Kanada, den USA und Mexiko ist für mich nicht vorstellbar. Ich habe schon meine Probleme mit der Amigo-Wirtschaft in Bayern – da soll ich mich dann auch solidarisch mit dem griechischen Nepotismus erklären? Ihr wolltet 14 Monatsgehälter, mit 55 oder 60 in Rente gehen, nur sporadisch am Arbeitsplatz anwesend sein; gerne- aber nicht auf meine Kosten. Bestes Beispiel aus jüngster Zeit: die Zustände beim staatl. griech. Rundfunk und Fernsehen. Und bei einer USE würden diese Zustände wohl eher zunehmen. Das sehen wir ja bei unserem förderalen System, wo man ja auch sehr gerne das Geld der Geberländer ausgibt, siehe das „arme, aber sexy Berlin“, wo man auf das BER-Desaster jetzt noch mit der Stadtschloß-Dollerei eins drauf legt. Und Kleinstaaterei und kurzsichtiges und kurzfristiges Denken hat ja wohl auch dazu geführt, daß die 2. Jahrhundertflut binnen 11 Jahren massivere Schäden angerichtet hat, als angenommen. Manches Brett vor dem Kopf wäre wohl in einer Schutzwand besser aufgehoben gewesen. Gut Geld aus dem Fenster werfen können wir und tuen wir seit Jahren – dafür braucht es kein Europa.

    Nein, wir haben im eigenen Lande genügend Beispiele für menschliches Fehlverhalten – das brauche ich dann in der Zehner-Potenz auf Europa übertragen absolut nicht, vor allem auch deshalb, weil dann noch mehr Prozesse in der Lobby-gesteuerten Bürokratie und in Mauschelrunden ablaufen würden, und die sowieso schon beschädigten demokratischen Strukturen dann endgültig zur Farce bzw. zum Marketing-Gag verkämen.

    Der Euro sollte so eine Art Kitt oder Kleber sein, um die europäischen Länder zu verbinden. Abgesehen davon, daß es schwierig bis unmöglich ist, einen Verbundkleber zu finden, der gleichzeitig Eisen, Holz und Ziegel miteinander verbindet, hat sich dieser Euro nur als eine Art „weiße Salbe“ erwiesen, die man den Menschen auf die Augen geschmiet hat. Europa wäre besser gedient, die Unterschiede oder die Andersartigkeit anzuerkennen, und jedem Land seine eigenen Wege gehen zu lassen (sofern friedlich, nicht auf Kosten Anderer, und demokratisch legitimiert).

  33. Und noch etwas zu HANS: Wir sind uns, glaube ich, einig darüber, das nur eine nicht Interessen-gesteuerte soziale Marktwirtschaft auf Dauer funktioniert. Eine Soziale Marktwirtschaft, die immer auf den Ausgleich unterschiedlichster Interessen bedacht ist. Eine Marktwirtschaft, die weder den blanken Kapitalismus mit seiner Ausbeutung noch der Allerärmsten gewähren läßt noch ein für ökologische Gutmenschen gedachter Sozialismus, der ein Grundproblem des guten Lebens für Alle immer wieder übersieht: die menschliche Fertilität. Können zwei Milliarden gut leben, dann von 7 Milliarden einige gut und der Rest mehr schlecht als recht. Bei über 10 Milliarden ist dann Ende der Fahnenstange – dann hilft nur noch Kannibalismus (den wir ja im übertragenen Sinne in der 3. Welt, siehe Ausbeutung der Rohstoffe, beim Menschen-, Kinder- und Organhandel, beim Austesten, Anwenden und Entsorgen chem. Produkte heute schon erleben).

  34. Ja, über das Thema soziale Marktwirtschaft sollten wir eigentlich der gleichen Meinung sein. Ich kann mich sogar der Meinung anschließen das es wohl ein Fehler war den Euro zu den damaligen Regeln einzuführen. Wahrscheinlich war der Fehler sogar vorhersehbar, zumindest bei der Aufnahme von Griechenland. Und die Argumente sie sie genannt haben sind auch alle irgendwie nachvollziehbar, aber was bedeutet das für die aktuelle Situation? Als jemand der jetzt auch schon über 40 Jahre seines Arbeitslebens in der Exportindustrie verbracht hat, halt ich es für unmöglich den Euro rückabzuwickeln. Das hätte für D. kurzfristig fürchterliche Folgen. Ich halte es für die einzige Lösung das die Durchsetzung der sozialen Marktwirtschaft in Euroland erfolgt. Natürlich kann es nicht sein das die einen sich ausruhen und die anderen zahlen. Missbrauch muss definiert und bekämpft werden überall. Wenn das nicht möglich sein sollte ist Zypern letztlich wohl überall in Euroland die Lösung. Das ist aber eine Lösung die einer Währungsreform schon sehr nahe kommt. Man sollte bei dem festgestellten Missbrauch in den Südeuropäischen Ländern aber auch zugeben das dieser Missbrauch vom Norden zugelassen wurde. Mir fällt da z.B. gerade ein das D. überhaupt keine Probleme hat Waffen auf Kredit nach Griechenland zu verkaufen obwohl D. weiß das Griechenland den Kredit nie zurückzahlen kann. Wenn eine Bank jemanden einen 100000 Euro Kredit für sein Haus gibt aber weiß das dieses Haus eine Hundehütte ist, dann ist nicht nur der Kreditnehmer schuld. Also wer soll das bezahlen und wen soll man im September wählen damit wenigstens einigermaßen die Richtigen bezahlen?

  35. @ Wolfgang Fladung,

    vielen Dank für den Hinweis auf den interessanten Essay von de Winter.

    Sie haben meines Erachtens ganz recht, wenn Sie auf die Gefahr hinweisen, daß in Brüssel noch größerer Unsinn passieren kann als an den Regierungsitzen der einzelnen Nationen. Zum einen wortwörtlich, weil von Brüsseler Entscheidungen, also auch von Fehlentscheidungen, eine viel größere Anzahl Menschen betroffen ist als bei einer nationalen politischen Entscheidung, und zum anderen, weil in Brüssel die Distanz zu den Regierten noch größer ist als sagen wir mal in Berlin. de Winter sprach ja das auch an.

    Mir ist aber wichtig, auf die nicht zu beseitigende Inkompatibilität von UAE und Demokratie hinzuweisen. Demokratie heißt ja nicht, daß jeder seine politischen Vertreter nach seinen eigenen Interessen wählt. Hierfür bräuchte man gar keinen mündigen Bürger, denn es ist nicht schon der mündig, der seine eigenen Wünsche und Vorstellungen kennt, und ansonsten nur noch informiert ist, was ihm welcher Politiker verspricht.

    Nein, der mündige Bürger ist deshalb zu wünschen, weil der sich zu anstehenden Problemen umfassend informiert, die Argumente verschiedener Seiten auch erwägt, und dann zu einem Fazit kommt, für das er dann den passenden Volksvertreter aussucht… ein Fazit, das eben auch von seinem eigenpersönlichen Interesse abweichen kann, wenn dem mündigen Bürger das Gesamtwohl am Herzen liegt.

    So wird sichergestellt, daß die Partikularinteressen von Minderheiten stärkere Beachtung finden als daß einfach nur das zugestanden wird, was grundgesetzlich garantiertes Minimum ist… der mündige Bürger erkennt berechtigte Forderungen anderer, und macht sie ein stückweit zu seinen, wenn sie ihn überzeugen.

    Auf europäischer Ebene ist das alles stark eingeschränkt. Man nimmt weit weniger die Forderungen von Bürgern in anderen Ländern wahr, und zur Beantwortung der Frage, wie berechtigt die sind, weiß man womöglich noch weniger. D.h. der mündige Bürger (die wenigen Kosmopoliten, die in Berlin, London, Paris, Rom, Madrid uswusf. gleichzeitig geistig zuhause sind mal ausgenommen) wird in der Frage, welche europäische Politik er befürwortet, mangels Wissen um die Verhältnisse in anderen Ländern immer Entscheidungen treffen, die unter der Annahme getroffen werden, in Europa wäre überall genau das der Fall, was im Heimatland der Fall ist, dessen Lage man kennt.

    Mit anderen Worten, man macht Annahmen über ein Gemeinwohl, die meilenweit daneben liegen können.

    Dabei kommen die Partikularinteressen von Minderheiten in anderen Ländern unter die Räder, aber nicht nur die, sondern sogar auch die Partikularinteressen von Mehrheiten, die leider das Pech haben, in (relativ zu anderen) bevölkerungsarmen europäischen Staaten zu leben.

    Wer aber der Meinung ist, Demokratie wäre schon, wenn die Menschen ihren egoistischen Interessen gemäß ihre Volksvertreter wählen, für den besteht auf europäischer Ebene natürlich kein inhärentes Demokratiedefizit. In diesem Fall braucht der Wähler sich anläßlich von Wahlen zur Bestimmung der Politik einer Europäischen Union ja für niemand anderen zu interessieren als… für sich selber. Und der wohnt im gleichen Land.

  36. @ Wolfgang Fladung

    Das mit den 2 % habe ich schon so verstanden wie Sie es schildern , aber selbst dann darf die Linke auf keinen Fall kurzfristig auf diese 2 % schielen , sofern sie damit gegen ihre Überzeugung handelt.
    Das würde selbst dann gelten , wenn es um die Hälfte der eigenen Wählerschaft ginge , auch um den Preis eines Rauswurfs aus dem Bundestag.

    Mit „populistisch“ hatte ich nicht das Thema an sich gemeint , populistisch wäre es aber , würde die Linke Euro-Gegnern zu Mund reden , um ihre Stimmen zu fangen , obwohl sie mehrheitlich eigentlich pro Euro ist.

    Die Austerität führt in den Abgrund , Zustimmung , daran ist aber nicht der Euro Schuld , die Folgeprobleme der Sparpolitik zur falschen Zeit hätten wir auch mit der D-Mark.

  37. # 36, DH: Ich frage mich, und Andere, ob die Linke mit ihrem Festhalten am Euro über den besseren Blick in die Zukunft, und/oder die besseren Ökonomen verfügt, wobei wir ja wissen, daß die Ökonomen-Zunft in den letzten Jahren viele begnadete Kaffeesatz-Leser hervor gebracht hat. Es geht doch für mich nicht darum, „für“ oder „gegen“ den Euro zu sein. Es geht mir darum, ob der Euro unter den gegebenen realen Bedingungen noch eine Chance hat. Und da sieht es für mich finster aus. Die Chancen wären nur dann gegeben, wenn alle die Wünsche der Linken, nach Mindestlohn, Stärkung der Binnenkaufkraft, Abkehr vom gnadenlosen Anbeten des Wettbewerbs-Gottes, der eigentlich nur ein Teufel ist, der da heißt: Verschaffe Dir Vorteile auf Kosten deiner Nachbarn. Ich glaube, die Linke jagt da einem Phantom nach, und rein zufällig ist dieses Phantom identisch mit dem unserer Kanzlerin, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Merkel will keine Butter bei die Fische tun, Kipping & Co. können es nicht.

    Irgendwann fliegt irgendwo der „schwarze Schwan“, und dann gibt es Heulen und Zähneknirschen. Lafontaine, Flassbeck und andere sind ja nicht per se Euro-Feinde – nur hatten sie von Anfang an Bedenken über dieses naiv-euphorisch zusammen gezimmerte Konstrukt. Sie raten jetzt, aus berechtigter Furcht vor einem unkontrollierten Zusammenbruch, nur davor, rechtzeitig Dämme vor der Flut einzuziehen. Warum das falsch sein soll, kann ich nicht erkennen. Man prügelt den Sack, aber meint den Esel.

    Natürlich gäbe es immense Verwerfungen. Aber würde man sich darauf hinstellen, wären die größten beherschbar. Wenn jedoch der „schwarze Schwan“ erst einmal fliegt, weiß keiner, wo und mit welcher Wucht er landet, wohl auch Sie nicht, werter DH.

    Und die Linke sollte, wie bei so vielen anderen Themen, natürlich nicht aus purem Populismus das Euro-Thema kritisch hinterfragen, sondern aus Überzeugung. Ich halte Flassbeck und Spiecker nicht für Populisten, und Wagenknecht auch nicht, bedingt noch nicht einmal den Herrn Lucke von der AfD – auch der hat seine fundierten Begründungen.

  38. # 35, Max Wedell: Es hilft eigentlich nur noch eine Art Schweizer Modell mit Volksentscheiden, auch wenn das Ergebnis dann – minarettmäßig gesehen – mal nach hinten los gehen kann. Aber „Demokratie“ heißt für mich immer noch: „Volksherrschaft, politisches Prinzip, nach dem das Volk durch f r e i e Wahlen an der Machtausübung im Staat t e i l h a t.“ Und wenn ich richtig liege, ist die Möglichkeit von Plebisziten im GG vorgesehen.

    Mir reicht es schon, wenn keine der regierenden, und zum Großteil auch der Oppositionspartein, meine Teilhabe repräsentiert. Aber im europäischen Dschungel fühlte ich mich dann noch mehr als Lamm den Wölfen ausgeliefert.

  39. „Wenn jedoch der “schwarze Schwan” erst einmal fliegt, weiß keiner, wo und mit welcher Wucht er landet, wohl auch Sie nicht, werter DH.“

    Wo habe ich behauptet , das zu wissen ?

    „Ich halte Flassbeck und Spiecker nicht für Populisten, und Wagenknecht auch nicht, bedingt noch nicht einmal den Herrn Lucke von der AfD – auch der hat seine fundierten Begründungen.“

    Sie haben immer noch nicht verstanden , was populistisch bedeutet , nicht die Euro-Gegnerschaft an sich ist populistisch , sondern das reine Schielen nach Wählerstimmen.

    „Die Chancen wären nur dann gegeben, wenn alle die Wünsche der Linken, nach Mindestlohn, Stärkung der Binnenkaufkraft, Abkehr vom gnadenlosen Anbeten des Wettbewerbs-Gottes, der eigentlich nur ein Teufel ist, “

    Spräche für den Euro , an diesen Veränderungen kommen wir ohnehin nicht vorbei , sie sind quasi „alternativlos“ , es ist nur die Frage , wieviel Porzellan bis dahin noch zerschlagen wird.

  40. # 39, DH: Sie erlauben, daß ich aus dem Duden die Wortbedeutung für „Populismus“ zitiere:
    „von Opportunismus geprägte, volksnahe, oft demagogische Politik mit dem Ziel, durch Dramatisierung der politischen Lage die Gunst der Massen zu gewinnen“.

    Welche Wählerstimmen wollen denn Flassbeck und Spiecker gewinnen? Ich wußte gar nicht, das die beiden für irgendeine Partei in Spitzen-Positionen kandidieren. Und ich kann doch von einer Sache zutiefst überzeugt sein, und diese vertreten, auch in der Hoffnung, dabei und damit WählerInnen zu erreichen – ist das verboten?

    Populisten sind für mich Menschen, die nur auf die Wählerstimmen schielen, ihre Meinung danach ausrichten, auch öfters wechseln, eben ihr Fähnchen nach dem Wind ausrichten, und gewissenlos dann sagen: „Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern.“ Wenn Menschen wie Lafontaine, und Flassbeck, bereits vor der Euro-Einführung vor den Folgen gewarnt haben, und gewarnt haben, daß hier etwas zusammengeschustert wird ohne Rücksicht auf die Realität und die Folgen, und diese Meinung seit rund 14 Jahren immer noch vertreten – warum sollten diese Herren dann Populisten sein???

    Wenn Sie ein Sinnbild für eine Populistin benötigen, dann nehmen Sie Angela Merkel, Diese Frau ist Teflon-beschichtet, propagandistisch geschult, verkauft Ihnen heute die um 180& gewendete Meinung von früher und heimst dafür dann noch Lob über Lob ein. Dafür sollte Sie gleich mehrere Orden erhalten.

    Also danke für noch einmal darüber nachdenken.

  41. Eine Ergänzung zu meiner Beschreibung bezüglich Populismus, nicht nur für DH, von Albrecht Müller von den NachDenkSeiten (ich hätte es nicht besser formulieren können):
    (Link abgelehnt, Anm. Bronski, siehe Blog-Regel Nr. 8 )

    Hier zeigt sich doch das ganze Dilemma. Es gab damals eigentlich nur Befürworter vor der Euro-Einführung, nur einige, die gewarnt haben, das ganze Paket nicht zu sorglos zu schnüren.
    Und da diese Sorglosigkeit anhielt, und niemand „Butter bei die Fische“ tun wollte, mußte und wird der Euro scheitern. Und aus dieser realistischen Einsicht heraus sagen jetzt auch ehemalige Befürworter: Aus diesem Kind wird nix mehr.

    Mich dünkt, daß gerade Menschen wie Merkel mit ihrem „Scheitert der Euro, dann scheitert Europa“, die wahren Totengräber des Euros und damit auch einer weiteren europäischen Annäherung sind. Eben weil sie sich der Ansicht verweigern, auch etwas dafür zu tun und nicht nur zu fordern (was im Grunde nur ein „dagegen“ bedeutet).

  42. zu 41 Wolfgang Fladung
    Vorsicht, Zypern geht überall. Man wird das sicher die nächsten 12 Monate noch ein zwei mal bei kleineren Ländern probieren. Ob Frau Merkel klar ist das Zypern in D. die gleiche Wirkung für die CDU hätte wie Hartz 4 für die SPD?

  43. @Wolfgang Fladung

    Den Definitionen des Populismus stimme ich durchaus zu , die genannten Namen habe ich auch nirgends damit in Verbindung gebracht , mit Ausnahme allerdings von Lafontaine , bei dem ich mir da nicht so sicher bin.

    Merkel ist , glaube ich , keine Populistin , sie hängt ihr Fähnchen nicht in den Wind , sie sorgt eher dafür , daß erst gar kein Wind aufkommt.

  44. Es ist nicht der Euro, der gescheitert ist. Das Scheitern des Euro ist nur eine Folgeerscheinung. Im Grunde ist die alte Idee (wieder einmal) gescheitert, daß Politik soziale und wirtschaftliche Ingenieurskunst ist. Der Politiker winkt einmal mit dem kleinen Finger, und schon sind die sozialen und wirtschaftlichen Gegebenheiten so, wie er sich das wünscht. Politiker sind nicht so dumm, daß sie nicht wissen, daß das ziemlicher Quatsch ist. Dem Bürger gegenüber aber müssen sie ja dieses Bild abgeben, als wäre es tatsächlich so, alles andere würde ihre Wichtigkeit unterminieren und ihre Möglichkeiten, den Menschen das Blaue vom Himmel zu versprechen und dabei noch ernst genommen zu werden.

    Bedingungen für die Einführung des Euro waren ehemals die sog. „Konvergenzkriterien“. Man war dann wenigstens so klug, zu erkennen, daß es nach der wunderbarsten Konvergenz auch wieder eine Divergenz geben könnte, und um die zu verhindern (weil sie das Funktionieren einer gemeinsamen Währung mehr und mehr unterminiert), wurden einige dieser Kriterien über die Einführung des Euros hinaus verlängert und verbindlich gemacht. Mit Entsetzen stellte man dann fest, daß die Realität sich nicht an die Kriterien hielt.

    Es ist dabei übrigens eine dumme Ausrede, wenn jetzt behauptet wird, das läge an Außenhandelsungleichgewichten oder außergewöhnlichen Ereignissen wie der Finanzkrise. So hatte Deutschland 2005 schon zum wiederholten Male gegen die Konvergenzkriterien verstoßen, als die Finanzkrise lange noch nicht in Sicht war, und wieso der übliche AußenhandelsÜBERSCHUSS Deutschland in jenen Jahren zu einem hohen Haushaltsdefizit zwang, müsste wirklich nochmal jemand den Mut haben erklären zu wollen.

    Die Politik hat ihre Ohnmacht oft genug bewiesen, Verhältnisse herbeizuzaubern, wie sie sich wünscht. Die Politiker sagen uns nun: Diese Ohnmacht liegt nur an der Art und Weise, wie Politik wirkt (nämlich weitgehend nur auf nationaler Ebene), dies muß verändert werden, die Macht der Politik muß erweitert werden und zentralistisch von einem neu zu schaffenden Machtzentrum aus die Verhältnisse des gesamten Kontinents steuern.

    Für jemanden (wie mich), der die Idee des Politikers als Ingenieur im Sozialen und Wirtschaftlichen für von der Realität ausreichend widerlegt hält, kann diese Ausweitung der politischen Macht keinem anderen Zweck dienen als dem, daß sich eine Kaste selber zusätzliche Pfründe zuschustert. Die Ohnmacht von Ohnmächtigen wird jedenfalls nicht dadurch beseitigt, daß man ihre Zahl verdoppelt und das Gebiet, auf das sich ihre Ohnmacht erstreckt, kräftig erweitert.

    Leider sind das aber Erwägungen, die die meisten Bürger nicht nachvollziehen werden (und nun schon gar nicht die in einem eher linken Blog, denn die Vorstellung von Politik als gesellschaftlicher Ingenieurskunst ist ja ganz besonders auch eine linke Vorstellung). Die Idee, Politik könne tatsächlich (im Sozialen oder Wirtschaftlichen) zielgerichtet etwas Beabsichtigtes bewirken, alle schädlichen Nebenwirkungen dabei im Voraus erkennen und anschließend vermeiden, also eine Punktlandung hinlegen, ist noch weitverbreitet… vermutlich nicht zuletzt deshalb, weil es sehr wünschenswert wäre, wenn es so wäre. Die Komplexität der Realität wird dabei völlig ausgeblendet, d.h. ihre Zusammensetzung aus unzähligen Wirkkräften, über die bestenfalls unvollständige Informationen vorliegen, oder die gar gleich ganz unbekannt sind (z.B. weil es sich um künftige Wirkkräfte handelt, die im Einzelfall auch unvorhersehbar sein können).

    Politische Punktlandungen sind nun nicht ausgeschlossen… manchmal haben eben auch Politiker Glück. Eine Politzentrale Europas sollte aber nicht auf der Basis errichtet werden, daß ganz selten mal der Eindruck entstehen kann, es wäre ihr etwas gelungen, weil die Umstände, die außerhalb ihrer Kontrolle liegen, in einem glücklichen Moment entsprechend zusammenspielen.

  45. Ich bin Wolfgang Fladungs Verweis auf die Nachdenkseiten gefolgt, und dann von dort weiter zu Flaßbeck… und habe mir dann den Spiegel-Artikel „Die Taschenrechner“ zu Gemüte geführt, der Anlaß der Aufregung Müllers/Flaßbecks ist.

    Ich muß allerdings hinzufügen: Berechtigter Anlaß.

    Ich teile dabei weniger die Meinung Müllers/Flaßbecks, daß der eigentliche Skandal dabei die Tatsache ist, daß Flaßbeck mit anderen Euro-Kritikern irgendwie in einen Topf geworfen wird (Da aber der Spiegel überhaupt nicht auf die Idee kommt, die Thesen der einzelnen Kritiker im Detail zu erläutern, was eigentlich eine lohnenswerte Aufgabe gewesen wäre, sind natürlich auch keine Unterschiede erkennbar). Sondern der Skandal beginnt ja schon, wenn eine ganze Reihe unzusammenhängender Details (Müller macht Urlaub auf den Malediven, Flaßbeck isst Trüffel, Lucke schreit im Zug und freut sich, wenn er in einer Provinzstadt erkannt wird, Henkel lässt sich nicht gern „Arschloch“ nennen uswusf.) verwendet werden, um politisch auswertbare Stimmung AD PERSONAM zu machen. Der Artikel besteht zu 95% aus solchen Details, die nur darauf abgestimmt sind, den betreffenden Personen Eigennutz und Abgehobenheit oder ähnlich Negatives unterstellen zu können… wobei diese Unterstellungen ja nicht direkt, frank und frei geäußert werden, sondern man überlässt die Schlußfolgerungen aus den bißgerecht zurechtfrisierten (und teilweise sogar zusammenfantasierten) Details dann gnädig dem Leser.

    Dieser Artikel war mit „Stimmungsmache“ überschrieben, und das ist wirklich eine exzellente Vorbereitung des Lesers darauf, was ihn bei der weiteren Lektüre erwartet.

    Die restlichen 5% des Artikels bestehen dann ebenfalls aus Stimmungsmache, aber diesmal nicht gegen eurokritische Personen, sondern FÜR den Euro. Aber neue Stimmungsmache in dieser Sache war nicht zu hören, sondern nur der altbekannte Unsinn: Ohne Vereinigte Staaten von Europa gibts wieder Krieg, ohne Euro bricht Deutschlands Exportwirtschaft zusammen etc. (Dazu nur mal am Rande: zwischen 2008 und 2011 wertete der Schweizer Franken um doch recht erhebliche 30% gegenüber dem Euro auf, und daher brach auch die Schweizer Exportwirtschaft zusammen… wenn man einen Rückgang des Exports um 4% als Zusammenbruch bezeichnen kann. Der Außenhandelsüberschuß der Schweiz nahm in diesem Zeitraum übrigens sogar zu).

    Leider ist dieser Artikel bezeichnend für die Rolle, die viele Medien mittlerweile glauben spielen zu können oder gar zu müssen… nämlich allen möglichen Quatsch zu bringen, nur bloß keine relevanten, sachlichen, nüchternen, möglichst umfassenden und daher neutralen Aufklärungen.

  46. zu Max Wedell
    Anarchie ist auch in der Wirtschaft nicht das passende. der Staat muss Regeln setzen innerhalb dieser sich Marktwirtschaft entfalten kann. Das sollen nicht zuletzt auch soziale Regeln sein. Der Staat versagt dann wenn er zu detailliert regeln will, oder Fakten einfach ausblendet z. B. wenn Lobbygruppen die Regel vorgeben.

  47. @hans,

    ich wollte nun nicht gleich Politiker aufgrund der Tatsache, daß sie nicht Wohlstand o.ä. herbeibefehlen können, obwohl sie so tun, als könnten sie es, als überhaupt völlig überflüssig bezeichnen. Wenn die Menschen gewisse Regeln wollen, dann sollen sie diese Regeln natürlich unbedingt bekommen… auf dem Umweg über ihre Stellvertreter, die Politiker. Sich als Stellvertreter eines Volkswillens zu verstehen, ist aber, besonders in der Europafrage, nicht der Eindruck, den unsere Politiker momentan abgeben.

    Zu den von Ihnen erwähnten Versagenskategorien muß man anmerken, daß gerade ein zentralistisch regiertes Europa eine erhöhte Anfälligkeit zu solchem Versagen zeigt:

    Die Mitbestimmung von Regeln durch Lobbyisten (die sich i.d.R. Marktvorteile dadurch verschaffen, zum Schaden von Mitbewerbern und Endverbrauchern) kann aber mit geringerem Aufwand gleich viel mehr Menschen schädigen, wenn man nur in Brüssel tätig werden muß, und nicht in jeder einzelnen europäischen Landeshauptstadt.

    Eine Überregulierung der Art, daß es die falschen Regeln dort gibt, wo man andere oder vielleicht sogar keine bräuchte, wird durch die zunehmende Entfernung einer Zentralregierung von spezifischen Einzelgegebenheiten stark begünstigt… man kehrt vom Zentrum aus der Einfachheit halber gern alles über einen Kamm, und das ist dann in den vielen Einzelregionen des Europeriums öfter mal eher unangemessen als angemessen.

    So kommt es z.B. zur absurden Situation, daß in Großbritannien weitestgehende gesellschaftliche Einigkeit darüber besteht, Einwanderer in einem Test zu befragen, ob ein Wille oder eine Fähigkeit zur Arbeit vorhanden ist, bevor man Sozialleistungen auszahlt (der sog. „right to reside“-Test), von Brüssel aus aber jetzt der Befehl unter Strafandrohungen kommt, diesen Test auf der Stelle abzuschaffen.

    Brüssel zeigt den Engländern deutlich auf, daß sie das Recht verloren haben, das zu wollen, was sie eigentlich wollen. Sie dürfen nur das wollen, was Brüssel will, und bekommen im Gegenzug eine eingeschränkte Mitbestimmung dessen, was Brüssel will. Die Briten, nicht so leicht aufs Glatteis zu führen wie Deutsche oder andere, fragen sich natürlich: Warum sollen Schweden, Deutsche, Holländer, Franzosen oder andere mitbestimmen, wie wir hier unser Leben organisieren? Was für Vorteile bringt usn das? Das Bemerkenswerte an diesen Fragen ist, daß es keine vernünftige Antwort darauf gibt. Hier wären wir wieder mal beim schon von mir erwähnten anal-retentativen Charakter der Idee der europäischen Gleichförmigkeit.

    Und wirklich schmunzeln muß ich, wenn eine solche Politik des Hineinredens aller in die Angelegenheiten anderer als Maßnahme behauptet wird, die sicherstellt, daß der Frieden in Europa erhalten bleibt. Eher das Gegenteil ist der Fall. Die Brüssler Strafandrohung in vorgenannter Sache kommt jedenfalls gerade bei nahezu allen Engländern, egal an welcher Position im politischen Spektrum, eher so an, als hätte man eine Handgranate auf sie geworfen. Soviel zum Frieden, den uns Europa bringen wird…

  48. Max Wedell: Ihre letzten Beiträge kann ich mit unterschreiben. Schon seit einiger Zeit geht es mir gewaltig auf den Senkel, daß jeder Mahner, Entscheidungen doch besser zu durchdenken, und jeder Kritiker, sagen wir, der reinen Vernunft, sofort zum Nestbeschmutzer und Anti-Europäer abgestempelt wird. Dabei wird nicht gesehen, und es will Vogel-Strauß-mäßig nicht gesehen werden, daß schon seit Jahren hier die Spaltpilze munter wachsen und von den den Lobbyisten hinterher rennenden Politikern kräftig gedüngt werden. Auch das Erstarken rechts-populistischer bis rechts-nationaler Bewegungen führe ich darauf zurück. Aber anscheinen fragt nie jemand nach der Ursache, und bei Entscheidungen oder vorher Vorschlägen auch niemand nach dem: QUI BONUM!!?? Auch das Übergehen des Europa-Parlamentes, wie es heute wieder aus den Medien berichtet wurde, weist ja auf die Kungelrunden in irgendwelchen Hinterzimmern hin, wie wir sie und es auch genügend von den Berliner Entscheidungen kennen.

    Da kann ich auch gleich die Parlamentssitze mit kleinen Nick-Negern (sie kennen das vielleicht noch von früher aus kath. Kirchen, man konnte da Münzen für Neger in Afrika einwerfen, und nach dem Einwurf nickte die kleine Figur mehrmals) besetzen, die dann alle Regierungsvorlagen nur noch abnicken. Eben die entkernte, ausgehöhlte, oder, lt. Merkel „marktkonforme Demokratie“.

    Leider scheint auch auf der Linken, wenn ich den Berichten über den jüngsten Parteitag folge, eine zunehmende Naivität, Blauäugigkeit und auch Durchhalte-Mentalität bei Kipping und Co. sich durchzuseten, bei der ich mich frage, in welchem Europa dann diese grandiosen Ideen und von wessem Geld auch durchgesetzt werden sollen.

    Inzwischen befürchte ich, daß es für einen gesteuerte Rückzug aus dem Euro und aus den lobby-durchseuchten Brüsseler Institutionen schon zu spät ist, und das uns der Laden über kurz oder lang um die Ohren fliegt. Dabei wird dann wieder nur Lieschen Müller und Otto Normalverbraucher zahlen und sein vorletztes Hemd verlieren, als die ganzen Profiteure der letzten Jahre. Es täte mir dann leid um „mein“ Europa, wie ich es kennengelernt habe und durfte und es mit meinem Eingangs-Statement beschrieben habe, eben ein „Europa der Nationen“ oder auch der, sorry für den Pathos, „Vaterländer“.

    Hier in Deutschland bin ich (Süd)-Hesse, liebe dien Dialekt, den Humor, die hess. Regionen, Handkäs, Äppler, Rhöner Kümmelbrot (geb. in Fulda) und Anderes mehr. Ich käme nicht auf die Idee, mich im Osten oder Norden der BRD ansiedeln zu wollen. Auf den Urlaubs-Kurzreisen, die ich mir noch leisten kann, zieht es mich nach Franken oder nach Baden. Ich spreche einigermaßen englisch, kann mich französisch verständigen, habe durch Kontakte mit türkischen Arbeitskollegen (ich habe mehrere Jahre in Baufirmen gearbeitet) etwas türkisch gelernt, was gut ankam und nie versucht, meinen „Handkäs“ einem türkischen Kollegen, bildlich gesprochen, über zu stülpen – aber gerne mit ihm Kebab gegessen, und dazu Ayran getrunken, und vielleicht auch einen Raki, wenn Allah gerade nicht hingeschaut hat. Ich mag Rembetiko wie frz. Chansons, schottischen Folk und den österr. Alpen-Rock. Nur mag ich mir nicht länger erzählen lassen, warum zu all dem unbedingt der Euro gehört.

  49. Herr Fladung,

    na da sind wir beide ja wohl Paradebeispiele für die politischen Standorte, von denen der SPIEGEL die Eurokritik hauptsächlich ausgehen sieht:

    „Es rumort im politisch linken Lager, es rumort auch rechts. Beide attackieren den Euro von den Rändern aus…“

    Politiker hingegen können noch so links oder rechts sein, sie sind in erster Linie Politiker. Und wieso sollen Politiker auf ein neues Betätigungsfeld verzichten? Es ist daher gut erklärbar, daß auch die Linken den politischen Ausbau Europas gutheißen, und daß eine Partei, die europakritisch ist, nicht durch Politiker entstehen konnte, sondern durch Personen, die jetzt erstmalig zu Politikern werden (ganz sicher gegen ihren Willen, weil es nicht anders geht).

    Europa bietet viele Arbeitsplätze für Politiker, umso mehr, je mehr man es ausbaut. Wieso sollen Politiker das kritikabel finden? Auch Linke werden das nicht kritisieren. Es sind immerhin gutbezahlte Jobs mit einem gewissen Status. Das famose Überraschungs-Interview von Henryk Broder mit Lothar Bisky im Europaparlament in Straßburg zeigt das ja:

    HB: Unter uns, muß man sich das antun, wenn man über 60 ist?
    LB: Nein, das muß man nicht.
    HB: Warum machen Sie’s.
    LB: Ich brauchte einen vernünftigen Abgang ohne Krach.
    HB: Versteh ich Sie da richtig, das hier ist so eine Art Beschäftigungstherapie, um nicht am Nichtstun zu verzweifeln?
    LB: Für mich persönlich ist es ein vernünftiger Abschied aus der Politik, der ohne Krach und ohne Blessuren stattfindet, für alle Beteiligten, auch für mich, und das ist dann in Ordnung.
    HB: Und das ist den Aufwand wert?
    LB: Na ja, es ist ja nicht langweilig hier. Also, n bischen hab ich schon Interesse daran.

    Klingt das danach, daß linke Ideen vorangebracht werden müssen? Nein, das klingt danach, gut versorgt mit Geld und Status über die (im Falle Biskys letzten) Runden zu kommen, und sich dabei nicht zu sehr zu langweilen. Es wäre naiv, zu meinen, es gäbe Parteien, bei denen solche Motivlagen überhaupt ganz ausgeschlossen sind, weil alle Mitglieder reine Idealisten sind. Und so ist der Euro-Idealismus unserer Politiker mit Vorsicht zu genießen und die Frage zu stellen: Was genau nutzt hier wirklich wem?

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