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Leserforum 2 20190916Forum vom 15. November

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Niemand spricht über Moskauer Imperialismus

„Friedensfragen“, Ukraine-Krieg: „Wer ist bereit, den Weg zum Frieden zu weisen?“, FR-Politik v. 21.10.

Zu Recht wird der überseeische Kolonialismus europäischer Mächte beklagt und nun gegenüber den Nachfolgegenerationen der Opfer Abbitte auch unter Einsatz materieller Mittel geleistet. Gleichzeitig wird der russische Kolonialismus völlig übersehen. Man sehe sich in einem Geschichtsatlas die Expansion Russlands nach Westen z.B. im Zuge der „polnischen Teilungen“ und nach 1939/45 an oder die allmähliche Ausbreitung nach Osten/Sibirien und Südosten!
Statt aber aus diesem kontinentalen Imperialismus Russlands die „Heimholung historischer Territorien“ als fadenscheinige Begründung für Russlands/Putins Aggressivität gegenüber ehemals einverleibten „Sowjetrepubliken“ in West und Südost zu verstehen, kaprizieren sich die Verteidiger putinscher Aggressionen darauf, den USA und der Nato ein bedrängendes Einkreisen Russlands vorzuwerfen, schlimmer: als rechtfertigenden Kriegsgrund gegenüber der Ukraine anzuführen. Dafür aus Brzezinskis Feststellung: „Russland hört ohne die Ukraine auf, ein Imperium zu sein“ oder auf die Ausgleichs- und Friedenspolitik der sozialliberalen Regierung Brandt/Genscher zu verweisen, zeigt nur einen weiteren Mangel an Geschichtsbewusstsein – die Zeiten haben sich entscheidend geändert.
Die neuen Nato-Mitglieder flohen aus eigenem Willen, gezwungen von der Angst vor russischer Aggression, unter den Nato-Schutzschirm. „Immer die Hand am Puls des anderen haben“ (Egon Bahr) – genau das fehlte in Bezug auf die von Putins Russland überfallenen Staaten. Während wir es vor 50 Jahren mit rational handelnden Führungspersonen der UdSSR/KPdSU zu tun hatten, überschreitet heute ein geschichtsklitternder, nach KGB/FSB-Kriterien unkalkulierbar Handelnder jegliche Grenzen.

Dieter Hartwig, Kiel

Was wohl in Belarus passiert?

Putin stationiert Truppen in Belarus. Wenn Lukaschenko, Belarus (Weißrussland) von dort aus Angriffe auf die Ukraine zulässt, dann ist Belarus am Krieg beteiligt, und alle Sanktionen gegen Russland müssen auch gegen Belarus gelten. Wenn die Medien das verkünden und die Menschen in Belarus das erfahren, weiß ich nicht, was dort dann passiert.

Gerd Manzel, Bad Oldesloe

fr-debatteNiederlage für Autokratie

Zu: „WM? Nein danke!“,  FR-Tagesthema vom 12. November

Fifa-Präsident Gianni Infantino hat sich von der katarischen Herrscherfamilie auf Gedeih und Verderb im Stile eines Mafia-Clans für deren Zwecke einkaufen lassen. Für den Fußball-Fan gibt es eigentlich nur eine Wahl: Die WM 2022 findet ohne ihn statt, denn Autokraten können Niederlagen – zum Beispiel durch schwache Einschaltquoten – nicht vertragen.

Dieter Obst, Wiesbaden

fr-debatteAngebliche Werte

Zu: „Der Streit um private Rettung dauert an“, FR-Politik vom 7.11.

FR-Korrespondent Dominik Straub weist darauf hin, dass der Streit um die Flüchtlinge auf den unter deutscher Flagge fahrenden Schiffen leicht beigelegt werden könnte, indem nämlich Deutschland diese Flüchtlinge nicht nach der Rettung aus Seenot zurückließe, sondern sie in Deutschland aufnähme. In der Tat: Alle Berufung auf angebliche Werte und alle Kritik an Italien ist pure Heuchelei, solange das nicht geschieht.

Christoph Strecker, Stuttgart

fr-debatteÜberhaupt nicht cool

Fahrradhelme: „Blink, blink“, FR-Region vom 5. November

Ich finde die blinkenden Helme überhaupt nicht cool, eher nervig. Auf einsamen Landstraßen mag das ja sinnvoll sein, aber im Stadtverkehr? Wenn das jeder machen würde! Überall blink blink. Am Ende werden die übersehen, die ganz normal mit vorschriftsmäßiger Beleuchtung unterwegs sind.
Blinkende Lichter an Fahrrädern sind aus gutem Grund verboten. Die Gesetzeslücke mit den blinkenden Helmen halte ich für sehr bedenklich. Einige meinen, für sich einen Vorteil zu erlangen und drängen damit andere im wahrsten Sinne in den Hintergrund.

Uwe Kasten, Frankfurt

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Leserforum 2 20190916Forum vom 16. November

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Die Politik ist in schlechter Verfassung

Zum Zustand der Ampelkoalition: „Ich mache keine Schulden für Wahlgeschenke“, FR-Wirtschaft vom 12. November

Da steht Deutschland mitten in seiner größten ökonomischen Krise seit dem Zweiten Weltkrieg. Und unsere Politiker? Setzen sie sich vielleicht parteiübergreifend zusammen und entwickeln Lösungsansätze und Zielvorstellungen, um Zuversicht zu vermitteln? Nein, sie verstricken sich wie immer aus Partei- und Profilierungsinteresse in der Bedienung von Klientelgruppen. Einzig der Kanzler ist hier unangreifbar: Er hat sein Ziel – Kanzler – ja erreicht und schwebt in der Sphäre des handlungs- und planungsbefreiten Lächlers.
Die Grünen vollziehen die Wende vom Pazifismus zum Bellizismus. Der Satz der Außenministerin „Deutsche Waffen retten Leben“ zeigt eine zynische Abkehr von der „Ablehnung der Lieferung von Waffen in Kriegs- und Krisengebiete“, die die Grünen-Bundestagsfraktion auf ihrer Homepage verkündet. Wenn das „feministische Außenpolitik“ ist, dann wünsche ich mir die „maskuline“ zurück!
Das Hin-und Her der Energiebezuschussung und die permanente anfängliche Offenlassung der Details zeigt eine politisch-bürokratische Hilflosigkeit auf, die uns Deutschen bislang ziemlich fremd war. Was sich die kleinen „Partner“ der Ampel bisher geleistet haben, ist nachgerade konstitutiv für die Regierungsunfähigkeit dieser Koalition. Bei jeder politischen Entscheidung muss der „Beitrag“ für die FDP und die Grünen sichtbar werden, und sei es, dass aufgezeigt wird, was man an Wünschen der „anderen“ verhindert. Der Ruf nach „Führung“, schon früh an den Kanzler gerichtet, erreichte ihn wie ein Pfeil den Sumpf. Der gleiche Wunsch an den Bundespräsidenten führte zu einer Rede, in der er Deutschland betrachtet als ein Land, dem nach „guten Jahren mit Rückenwind“ nun „härtere Jahre“ und „eine Epoche mit Gegenwind“ bevorstehen und dazu auffordert, „Einsatz für das Gemeinwesen“ zu zeigen, „in den nächsten Jahren Einschränkungen“ hinzunehmen und sich „zu bescheiden“. Nicht genug, er wärmt den alten Hut des sozialen Pflichtjahres wieder auf. Was verlangt dieser Bundespräsident von der jungen Generation, der aus der Politikergeneration kommt, die Hartz IV und Niedriglohnsektor etabliert hat und die Energieabhängigkeit von Russland verantwortet? Wenn den Deutschen das vorhergesagt worden wäre, was der Bundespräsident jetzt als „Einschränkungen“ und „Gegenwind“ geradezu verharmlost, dann wäre die politische Haltung der Bundesrepublik in diesem Kriegsszenario wohl von Beginn an ganz anders diskutiert worden!

Werner Dörr, Polch

fr-debatteSackgasse für digital abstinente Menschen

Erwiderung auf „Wir sollten munter werden und die Abhängigkeit vom Internet beenden“, FR-Forum vom 5. November

Das öfter zu beobachtende „Empört Euch“ als Gegenwehr-Spruch auf den Schildern bei Straßenprotesten enthält viele Möglichkeiten zur Umsetzung auf unterschiedliche Ziele. Digitale oder ähnliche Zwänge auf die Allgemeinheit durch meist „Business-Egomanen“ einschließlich Banker sind und waren deshalb berechtigte Anlässe für Leserbrief-Beschwerden wie von Ingrid Kellermann und Wilma Brettschneider im FR-Forum vom 5. November.
„Empört-Euch“-Demos gegen „Digital-Pusher“ wären deshalb auch gegen erstere angebracht, weil diese meist auf ihre selbstbezogenen kosten- und personalsparenden Vorteile ausgerichtet sind – mit Unterstützung durch die Politik. Letztere stört dabei nicht, dass jene im demokratischen Sinne eigentlich denen Schutz gegen „Pusher“ bieten sollten, die, aus welchen berechtigten Gründen auch immer, nicht zwanghaft am digitalen Umbruch teilnehmen möchten. Eigentlich sollten sie dabei fast automatisch durch einen Grundanspruch unserer Gesellschaftsform geschützt sein, wenn sie z. B. am Ende ihres Lebens anderen Prioritäten oder Gewohnheiten nachgehen wollen.
Aber: Die „Digital-Pusher“ versäumen keine Gelenheit, um sehnsüchtig auch einen geringen Anstieg bei den z. B. älteren Internet-Nutzern zu bemerken und triumphierend als Pressemitteilung zu verbreiten (z.B. FR vom 11.11. unter Wirtschaft). Danach ergibt sich bei den über 70-Jährigen heute eine Nutzerrate von etwa 50 Prozent, gemäß einer genannten Studie von ARD und ZDF. Kein Wunder also, dass seit dem HR-Einstieg eines 46-jährigen Intendanten Nachrichten der Hessenschau nicht immer vollständig präsentiert werden. Den Rest soll man sich bei „hrpunktde“ selbst besorgen. Fehlt noch die Werbung für die Mediathek, die ebenfals aufdringlich daherkommt.
Auch wenn man sich beim Staat – kommentarlos, aber ungeduldig – zukunftsgewandt dazu die Hände reibt, sollte man sich daran erinnern, dass es bisher nur einer lumpigen Parlaments-Minderheit von fünf Prozent bedarf, um die zwingende Logik für die Umsetzung der Autobahn-Maximalgeschwindigkeit auf 130 Km/Std. zu verhindern. Was hindert also den Staat, ähnliche Einflüsse auf eine digitale Flutwelle (mit unbekantem Ausgang) zu übertragen? Gegenläufig dazu hat das Hessische Parlament 2018 — versteckt in einer Art Paketabstimmung — die ursprünglich enthaltene analoge Alternative als Redundanz zur Digitalisierung wieder eliminiert. Bingo für eine fallenartige Sackgasse für digital-abstinente Bürger .
Nein, ich bin kein totaler „Kostverächter“ hinsichtlich sinnvoller Digital-Anwendungen. Nur: Direkte oder indirekte Zwänge mit antidemokratischer Impliziertheit auf die Allgemeinheit sollten tabu bleiben.

Dieter Denhard, Steinau a. d. Str.

fr-debatteStreiter für eine klare Sprache

Wolf Schneider ist tot: „Den Ochsen gerade vor den Kopf schlagen“, FR v. 12.11.)

Sylvia Staude sei Dank für den empathischen Nachruf auf Wolf Schneider, den Streiter und Lehrmeister für klare (deutsche) Sprache. Dem ist wenig hinzuzufügen, außer vielleicht die Erkenntnis, dass die Sprache lebt und folglich auch mal Launen entwickeln und krank werden kann, besonders im Bereich Werbe- und Politsprech.
Seit Jahren wird z.B. immer wieder das „Es“ aufgerufen, das dringend etwas „braucht“ (z.B. FR vom 12.11., Seite F11). Wer oder was ist dieses Es? Haben plötzlich alle, die so sprechen, Sigmund Freud („Das Ich und das Es“) gelesen – und missverstanden? Wohl kaum.
Warum man nicht mehr sagt, „wir brauchen“ oder „die Jugendlichen brauchen mehr Angebote“, sondern „es braucht“ (oder noch verzagter: „bräuchte“) mehr Angebote, ist so rätselhaft wie das „Es“. Vielleicht finden die so Sprechenden ihre Forderung akzeptabler und überzeugender, als wenn sie sagen würden, wer die Forderung stellt und an wen sie gerichtet ist. Wahrscheinlich ist „es“ sehr oft „die Politik“ oder sonst ein externes Über-Ich; das ist allerdings auch nicht viel klarer.
„Wo Es war, soll Ich werden.“ (Sigmund Freud, allerdings aus dem Zusammenhang gerissen).
Genau. Definitiv. Isso.

Ernst Reichenbach, Frankfurt

fr-debatteAlso schaffen wir Anreize!

Bürgergeld: „Auf Kosten der Amen“, FR-Meinung vom 1^4. November

Die Arbeitergeberverbände und deren politische Vertretung in den Parlamenten kritisieren bei den Hartz-IV-Sätzen (bald auch als Bürgergeld bezeichnet) u. a. die Höhe der Bezüge. Demnach ist der Abstand zu den unteren Einkommensgruppen aus Erwerbsarbeit zu gering, der Anreiz, eine bezahlte Arbeit aufzunehmen, nicht gegeben.
Nun, die Arbeitgeber könnten das ja problemlos ändern. Oder gibt es ein Gesetz, welches es verbietet, die Löhne und Gehälter im Niedriglohnsektor auf eine Niveau anzuheben, welches deutlich über dem Existenzminimum liegt und somit Anreize schafft, eine Arbeit anzunehmen? Es ist eigentlich ein Unding, dass Menschen von ihrer Erwerbsarbeit nicht leben können und noch staatliche Unterstützung erhalten müssen. Das ist doch eine (nicht mal gut) versteckte Subventionierung „der Wirtschaft“!

Otto Gebhardt, Frankfurt

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Leserforum 2 20190916Forum vom 18. November

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Der Bundespräsident verliert an Bürgernähe

Bundespräsident stimmt auf harte Zeiten ein: „Plädoyer für die Zukunft“, FR-Politik vom 29.10.

Eine armselige Rede offenbart den Verlust der Bürgernähe Eine armselige Rede hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Freitag im Schloss Bellevue gehalten. Besonders schwer wiegt dabei der stehende Applaus des Publikums, weil dieser den Verlust der Bürgernähe bei den anwesenden politischen und gesellschaftlichen Entscheidungsträgern offenbart. Steinmeier spricht mit Recht vom „Epochenbruch“ und benutzt zwei Bilder zur Verdeutlichung: Die „Friedensdividende ist aufgebraucht“ und Putin habe nicht nur internationale Spielregeln verletzt, sondern gar das ganze „Schachbrett umgeworfen“. Solch Bildersprache ist verräterisch – ganz abgesehen davon, dass die Vermischung von menschlichen Werten wie „Frieden“ mit Finanzbegriffen fragwürdig ist. Doch wenn die Friedensdividende aufgebraucht ist, dann wäre es schon vorher angezeigt gewesen, rechtzeitig neue internationale Friedensinvestitionen zu tätigen, um auch zünftig Friedensrendite zu erzielen. Das aber geschah weder zu Steinmeiers Zeiten als Kanzleramts- noch als Außenminister und jetzt als Bundespräsident liefert er Worthülsen, aber keinerlei konkreten Impuls. Beim Schachbrett-Vergleich bleibt die Frage, mit wem Putin gespielt hat: War es der Westen, dann wären die Menschen in der Ukraine hilflose Schachfiguren der anderen Mächte … Oder „spielten“ Putin und Biden gegeneinander, dann wären die Ukraine, Deutschland und die EU Spielfiguren – meinte das der Bundespräsident? Soll Deutschland so „Führung im Interesse Europas übernehmen“? Steinmeier meint weiter, die „Demokratie gehört zur kritischen Infrastruktur“. Da hat er Recht, leider ist diese in Deutschland trotz jahrelanger Warnung vieler Fachleute auf allen Gebieten gar nicht oder völlig unzureichend geschützt – dies gilt auch für die Demokratie. Hierzu fällt Herrn Steinmeier nichts anderes ein als an den Zusammenhalt der Gesellschaft zu appellieren – dies ist seit Jahrzehnten erfolglos – also mehr von demselben! Besonders dramatisch dabei, dass der Bundespräsident seine eigene Widersprüchlichkeit nicht bemerkt: Er singt das Loblied auf das Ehrenamt und zivilgesellschaftliches Engagement und betont, dass Sonntagsreden allein nicht ausreichten. Sein Vorschlag: das soziale Pflichtjahr! So etwas geht nun völlig in die falsche Richtung. Natürlich geht ehrenamtliches Engagement zurück, aber da hilft kein soziales Pflichtjahr: Denken wir an die Freiwilligen Feuerwehren, mit ihren umfangreichen und fortlaufenden Aus- und Fortbildungen, den Fußballschiedsrichtern und Schiedsleuten mit ihrem Fingerspitzengefühl, den kommunalpolitischen Akteuren mit ihren vielen Aufgaben und Herausforderungen usw. Da gibt es eine Krise des Ehrenamtes, die aber nicht mit einem sozialen Pflichtjahr behoben werden kann. Es drängt sich der Verdacht auf, Herr Steinmeier hat vor allem frühere Zivi-Tätigkeiten im Krankenhaus oder der Altenpflege vor Augen. Doch gerade auf den beiden Gebieten besteht ein eklatanter Fachkräftemangel, der dringend politisch und nicht mit einem sozialen Pflichtjahr begegnet werden muss! Steinmeier betont „die Reichen und Wohlhabenden müssen jetzt mehr tragen“ – hört, hört. Der in der Schweiz lebende deutsche Unternehmer Klaus-Michael Kühne hat allein 2021 rund 1,9 Milliarden Gewinnausschüttung nur durch seine Hapag-Lloyd-Beteiligung erhalten. Darauf musste er wegen der sog. Tonnageregelung nur 0,65% Steuern zahlen. Da hätten wir durchaus konkrete Ideen, wie bei Inflation und Energiekrise mehr Verteilungsgerechtigkeit möglich wäre. Natürlich: Der Bundespräsident macht keine Tagespolitik oder Gesetze, kann keine Entscheidungen diesbezüglich treffen oder Beschlüsse diktieren. Aber substanzielle Vorschläge, zukunftsfähige Impulse oder Ähnliches wären durchaus zu erwarten gewesen. Leider hat Herr Steinmeier diese Chance vertan – und das Publikum hat stehend applaudiert – armselig!

Gaby Rohr, Großefehn

fr-debatteZiemlich undemokratisch

Erwiderungen auf „Rotlackierte Nazis“,  FR-Forum  vom 12. November

Lieber Manfred Kirsch aus Neuwied, ein Leserbrief ist zwar eine vollkommen subjektive Meinungsäußerung, aber da Sie mehrfach das Wort „Demokratie“, ja sogar verstärkend „unsere Demokratie“ benutzen und „Demokratinnen und Demokraten“ ins Feld führen, sollten Sie sich doch darüber bewusst werden, was „Demokratie“ auch ausmacht: Nämlich ein pluralistisch verfasstes Gemeinwesen zu sein, dass vom Diskurs der unterschiedlichsten Meinungen lebt! Anstatt auf die Aussagen von Frau Wagenknecht im Einzelnen einzugehen und sie auseinander zu nehmen, verhindern Sie den Diskurs darüber aber einfach, indem Sie schreiben:
„Die Positionen Wagenknechts (…) sind so ekelerregend wie das gesunde deutsche Volksempfinden in Zwickau“. Damit erübrigt sich für Sie jede weitere Auseinandersetzung mit dem Thema. Sie würgen sie ab! Das nennt man auf Neudeutsch „framen“! Das ist so, als würden Sie von vornherein in Ihrer Argumentation die Begriffe „Verschwörungstheoretiker“, „Schwurbler“ oder gleich „Nazi“ (bei Ihnen am Schluss sogar
„rotlackiert“) verwenden. Damit sind die so genannten Personen „verbrannt“ und können der unkritischen Masse nicht mehr entkommen! Das nenne ich nicht ekelerregend aber ziemlich undemokratisch.
Zum von Ihnen so genannten „Grünen-Bashing“ durch Wagenknecht, die die Grünen als „gefährlichste Partei im Bundestag“ bezeichnet hat, was Sie „eine Bankrotterklärung demokratischer Grundwerte“(?) nennen, noch folgende Anmerkung: Vielleicht kennen Sie nicht das Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages „Rechtsfragen der militärischen Unterstützung der Ukraine durch NATO-Staaten zwischen Neutralität und Konfliktteilnahme“, sonst wäre Ihnen wahrscheinlich die Entwicklung der Grünen von der ehemaligen Friedenspartei (niemals Waffen in Kriegsgebiete) zur bellizistischen Partei (immer mehr und immer schwerere Waffen in die Ukraine sowie die militärische Ausbildung daran) nicht mehr so ganz geheuer?

Matthias Wooge, Neu-Isenburg

Das herrschende Narrativ

Die Diffamierung als Spalterin ist m.E. ungerecht, da unzutreffend. Es war ihre Partei, die ihren bis dato klaren Antikriegs- und Anti-NATO-Kurs verlassen hat und sich mit ihrer Zustimmung zur Sanktionspolitik an das herrschende Narrativ angepasst hat. Deswegen ist Parteimitgründer Lafontaine ausgetreten. Sarah Wagenknecht ist hier konsequent geblieben. Wenn sie außer von linksorientierten Bürgern auch auf breite Zustimmung auf der rechten Seite (AfD) stößt, ist das tendenziell eher vereinend als spaltend. Wenn ich als Linker beim Corona-Komplex und bei der Kriegsfrage so etwas wie eine gemeinsame Schnittmenge mit der konservativen (NICHT rechtsextremen!) Opposition sehe, bin ich deswegen ja noch nicht klima-ignorant, migrantenfeindlich oder sozial-/wirtschaftspolitisch „unsozial“.
Übrigens gebe ich ihr Recht in ihrem Urteil, die Grünen seien die gefährlichste Partei, ganz einfach, weil diese an der Regierung sind und die AfD nur in der Opposition. Ich (Jahrgang 1951) war in den 80ern bei der Friedenspartei Die Grünen und bin heute nur noch entsetzt!

Björn Scherer-Mohr, Steinau

fr-debatteLindners Geschenke

Zu: “‚Ich mache keine Schulden für Wahlgeschenke‘“, FR-Wirtschaft vom 12. November

Die Philosophie von Christian Lindner kann nicht ganz überzeugen, auch wenn es gewissermaßen in der Natur der Sache liegt, dass sich ein Finanzminister in erster Linie für seine Arbeit selber über den grünen Klee loben muss. Schließlich gibt es gerade beim Thema der Generationengerechtigkeit erhebliche Defizite bei der gegenwärtigen Ampel-Politik, da die Investitionen bei der Bildung eben nicht so erhöht werden, wie es schon aufgrund des demographischen Wandels angemessen wäre, und selbst der Ausbau des schnellen Internets erst jüngst einen erheblichen Dämpfer erhalten hat, indem einfach lapidar erklärt wurde, dass die bisherigen Fördertöpfe eben leer seien. Deshalb bedarf es hier in jedem Fall einer nachhaltigeren Politik, die trotz einer sich anbahnenden und nicht zu unterschätzenden wirtschaftlichen Rezession wieder mehr die Zukunft in ihren Mittelpunkt stellt, zumal ebenfalls weiterhin insbesondere auch auf Druck der FDP ein erkennbarer Ehrgeiz innerhalb der Bundesregierung für einen fairen solidarischen Lastenausgleich fehlt, um den gesellschaftlichen Zusammenhalt wirklich mit echtem Leben zu erfüllen und gemeinsam gestärkt aus der aktuellen Krise zu gehen!

Rasmus Ph. Helt, Hamburg

fr-debatteEine Frage des Willens

Zu: „Gaspreisbremse kommt“, FR-Wirtschaft vom 15. November

Frank-Thomas Wenzel fasst die aktuelle Situation gut zusammen und legt auch den Finger in die Wunde. Einige Anbieter verdienen auf Kosten anderer, weil Risiken auf die Allgemeinheit abgewälzt werden. Wenn die Steuerzahler schon einspringen müssen, um eine sozialverträgliche Energieversorgung zu gewährleisten, warum übernimmt die öffentliche Hand nicht gleich die Energieversorgung? Warum sollen in guten Zeiten die Gewinne an Firmeneigner fließen und in schlechten Zeiten die Allgemeinheit die Zeche zahlen?
„Der Markt wird’s schon regeln“ – das stellt sich immer häufiger als irreführendes Narrativ heraus. Der freie Markt bedingt als Korrektiv die Möglichkeit des Scheiterns eines Teilnehmers. Wo das nicht mehr gilt, existiert per se kein freier Markt.
Auch die Aussage der VKU-Sprecherin, die Politik hätte nur begrenzten Handlungsspielraum, ist irreführend. Die Politik kann auf parlamentarischem Weg die Regeln ändern, die sie angeblich begrenzen – alles eine Frage des politischen Willens.

Thomas Kranz, Rosbach

 

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Leserforum 2 20190916Forum vom 19. November

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Kein Lob ist laut genug

Kolumne: „Die Moschee im Dorf lassen“, FR-Meinung vom 15. November

In einem Leserbrief habe ich kürzlich Michael Herl kritisiert, weil ich seine Ansichten in einem seiner Beiträge überheblich und intolerant fand. Dieses Mal, als es in seiner Kolumne um Fußball und Katar ging, kann ich ihn für seine Zeilen nicht laut genug loben. Hier stimmt wirklich alles, hier sitzt jedes Wort. Es ist eine seiner schönsten Beschimpfungen der letzten Zeit.
Allerdings hat er bei seinen Betrachtungen des Wüstenstaates im Besonderen und der Emirate im Allgemeinen eine Gruppe zu erwähnen vergessen: die Influencer, die in Scharen aus dem grauen Corona-Deutschland ins glitzernde Dubai auswandern, ihren treuen Followern in der Heimat Sinne und Hirn vernebeln, weil sie das autoritäre Regime dort positiv vermarkten und sich und ihren neuen Reichtum bei jeder sich bietenden Gelegenheit inszenieren.
Und noch jemand genießt jetzt das süße Leben im Nahen Osten. Ein geläuterter Bushido, der in einem Fernsehsender in mehreren Folgen in teuren Sendeminuten sich selbst, seine Familie, seinen Moralkontext und sein Weltbild einem staunenden deutschen Fernsehvolk präsentiert.

Christa Rosenberger, Sulzbach

fr-debatteMensch, Mensch, Mensch!

Bevölkerungswachstum: „8 000 000 000“, FR-Titel vom 15. November

Acht Milliarden Chancen – für wen denn? Etwa für die Tiere, die Pflanzen, oder ganz allgemein – für die Schöpfung? Nein, auch hier mal wieder ein selbstverliebter Gruß aus dem Land des Anthropozentrismus – vertreten dieses Mal durch eine „Bevölkerungsforscherin“.
Trinkwasser für Menschen, Nahrung für Menschen, Wohnraum für Menschen, Ressourcen für Menschen, Rente für Menschen – Menschen, Menschen und nochmal Menschen.
Einst behauptete die katholische Kirche, die Erde sei der Mittelpunkt des gesamten Universums. Heute klammern sich „Bevölkerungsforscherinnen“ an Genesis 1,28 – alles dreht sich nur um den Menschen.
Frau Hinz und ihresgleichen erinnern mich an eine Begebenheit aus meiner Kindheit. Ich hatte vergessen, den Wasserhahn in der Küche zuzudrehen, das Becken lief über und der Fußboden stand bis zur Diele hin unter Wasser. Ich glaubte sämtliche Lappen, Handtücher, Schwämme und was ich sonst noch Aufsaugendes finden konnte, zusammen – doch das Wasser wurde immer mehr.
Mein zu diesem Zeitpunkt gerade mal 7-jähriger Bruder kam herein – und drehte den Wasserhahn zu. Frau Hinz hätte wohl erst mal in neue Aufwischlappen investiert und die Saugkraft von Schwämmen gefördert.
Da ich nun schon lange genug auf diesem bedauernswerten von Menschen verseuchten Planeten zugebracht habe, weiß ich sehr wohl, dass Menschen für die Industrie in erster Linie Konsumenten sind – und für die Generäle in erster Linie Kanonenfutter. Deshalb je mehr davon desto besser – und nach uns die Sintflut.
Was der „Club of Rome“ in Sachen Überbevölkerung vor 50 Jahren meinte, John B. Calhoun (Psychologe und Forscher im Dienst der amerikanischen Gesundheitsbehörden) 1962 erforschte und unser ehemaliger Bundespräsident Horst Köhler in seiner Eröffnungsrede bei der Konferenz „Demographischer Wandel“ am 06.12.2005 in Berlin sagte – was interessiert das eine „Bevölkerungsforscherin“ – oder sollte ich besser sagen, eine willfährige Lobbyistin von Wirtschaft und Militär?
Bevor jetzt von irgendwoher wie schon so oft aus dem Tal der Ahnungslosen die Frage an mich gerichtet wird, ob ich 5 Milliarden Menschen umzubringen gedenke – NEIN, mit Sicherheit nicht. Mir ist klar, dass die Reduzierung der Menschheit einige Generationen lang dauern wird – aber wir müssen damit anfangen. Die längste Reise beginnt mit dem ersten Schritt.
Kindergeld, Baukindergeld, Elterngeld, Elternurlaub, kostenlose Kita – es fehlt wahrhaftig nur noch das „Mutterkreuz“ in Gold und Silber. 1938 hatte es der irre Adolf gestiftet – vielleicht kommt ja heute einer von den (H)AMPEL(n) auf die Idee, dem „100-Milliarden-Paket“ für die Bundeswehr noch einen „Bonus“ in Form von mehr Kanonenfutter draufzupacken.
Ach übrigens: Die Vereinten Nationen schätzen, dass die Weltbevölkerung bis zum Jahr 2040 von derzeit etwa sieben Milliarden Menschen auf knapp neun Milliarden anwachsen wird. Dann würden die Süßwasservorkommen der Erde nur noch 70 Prozent des Bedarfs decken.
„Wir können acht Milliarden und auch zehn Milliarden Menschen ernähren“ – keine Frage: Satt und sauber auf 30 qm vor der Glotze im Plattenbau mitten in der Betonwüste. Das gilt natürlich nicht für leitende Direktorinnen und Hampel von der AMPEL.
Aber keine Sorge: Die Verteilungskämpfe um Trinkwasser, atembare Luft und Wohnraum werden sich sehr schnell zum Weltkrieg 3.0 entwickeln. Schade nur um die Tiere und die Pflanzen …
Catherina Hinz widme ich derweil den Ausruf der erstaunten Miranda aus „The Tempest, Act 5, Scene 1“ von William Shakespeare: „Oh, wonder! How many goodly creatures are there here! How beauteous mankind is! O brave new world, that has such people in ‚t!“.
Vielleicht ist ja das, was Aldous Huxley 1932 in seinem Roman „Brave New World“ daraus machte, die Lösung. „Es braucht Investitionen in Gesundheit, Familienplanung …“

Gerhard Hoffmann, Nidderau

fr-debatteKeine Lobby für Arme

Zu: „Union blockiert Bürgergeld“, FR-Politik vom 15. November

Das Verhalten der Union ist nicht nur schäbig, weil sie versucht, untere Einkommensgruppen gegen Arbeitslose auszuspielen, es trägt auch dazu bei, die Gesellschaft weiter zu spalten. Den Konzernen gegenüber wurde als Regierungspartei stets der freiwilligen Selbstkontrolle das Wort geredet, obwohl diese (siehe Auto-Industrie) einen Skandal nach dem nächsten produzierten. Bei Arbeitslosen hingegen wird auf Strafen bestanden. Dies ist eine schreiende Ungerechtigkeit und ein Denken in
Klassen- und Herrschaftssystemen. Und es war wiederum die CDU/CSU als Regierungspartei, die immer wieder dafür gesorgt hat, dass die unteren Lohngruppen gedrückt wurden, und die sich jetzt beklagt, das Bürgergeld sei zu hoch, sodass sich Arbeit nicht mehr lohne. Tatsächlich hat sie dafür gesorgt, und dies ist der eigentliche Skandal, dass die Schere nicht nur zwischen Armen und Reichen immer weiter auseinander ging, sondern die zwischen Besser- und Schlechterverdienenden. Und jetzt biedert sie sich mit ihrer schäbigen Argumentation den Rechtsradikalen an, und die SPD muss sich zurück halten, weil sie Hartz-4 verbockt hat, und die FDP freut sich auf den Vermittlungsausschuss, denn als Lobby für Arme wollen sie sich auch nicht verstehen.

Robert Maxeiner, Frankfurt

fr-debatte

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5 Kommentare zu “FR-Forum vom 15. bis 19. November

  1. Sehr geehrte Damen und Herren,

    ich bin einigermaßen empört über Ihre Überschrift zum Tooze-Interview: In der letzten (13.) Frage geht es um die Folgen des Krieges in der Ukraine. Aus der Antwor: „Die Amerikaner sind die puren Gewinner.“ machen Sie: „Amerika ist der große Gewinner des Ukraine-Krieges“ – fehlt nur noch, dass Sie schreiben: „…und haben ihn in dieser Gewinnerwartung angezettelt“. Damit befördern/bedinen Sie geradezu die Einstellung jener, die noch immer nicht Putins retro-imperialistischen Gründe für den Angriffskrieg erkennen wollen. In dem Interview ging es, wie die Unterzeile der Überschrift richtig wiedergibt, vor allem um die Parteientwicklung in den USA seit 150 Jahren usw.; daraus hätte auch die Überschrift werden können: „Trump ist nur ein Mythos“ oder so etwa. Ich halte Ihre tatsächliche Übershrift für eine absolute (pure!) Verfälschung des Interviews, das ich sehr aufschlußreich fand!

    Mit freundlichen Grüßen

    Dieter Hartwig, Kiel

  2. @ Robert Maxeiner:

    Ein sehr guter Leserbrief, in dem mit wenigen Worten alles Wichtige gesagt wird.

    Ich wünsche Ihnen viel Mut zum weitermachen.

    Trotz allem ein schönes Wochenende.

  3. @ Dieter Hartwig

    Obwohl ich unter Ihr Verdikt falle, zu denjenigen zu gehören, „die noch immer nicht Putins retro-imperialistischen Gründe für den Angriffskrieg erkennen wollen“, führe ich einige Zahlen an, die bestätigen, dass die USA – nicht Amerika! – die Gewinner des Krieges sind.

    Das Energiewirtschaftliche Institut der Uni Köln kommt nach einer Studie zu dem Schluss, dass die USA Russland in Kürze als wichtigsten Energielieferanten ablösen werde. Auch auf dem EU-Gasmarkt werden die USA mit einem Importvolumen von 40 Prozent künftig die dominante Rolle einnehmen, die zuvor Russland inne hatte. In vier Jahren werden nach dieser Studie die LNG-Liefermengen mit 130 Milliarden Kubikmetern die bisherigen Liefermengen des russischen Erdgases aus der Vorkriegszeit von 128 Milliarden Kubikmetern übertroffen haben. Dass die LNG-Lieferanten aus den USA sich auf kurzfristige Lieferverträge einließen, ist reines Wunschdenken deutscher Politik. 15 bis 25 Jahre Laufzeit werden die Regel sein. Schließlich gilt es, die bisherigen Vorinvestitionen in Gewinne umzuwandeln, die seit mindestens 2010 zur Erschließung des Fracking-Gasmarktes getätigt wurden. Der Umweltschutzgedanke zerbröselt zwischen den Fingern.

    Die aus dem US-Fracking-Boom entstandenen Überschüsse ließen in den letzten Monaten den US-amerikanischen Gasmarkt sich festigen und die milliardenteuren Investitionen amortisieren. Eine drohende Finanzkrise konnten die US-Amerikaner dadurch verhindern. Das Nachsehen haben die Deutschen, die künftig mindestens das Dreifache für die Primärenergie Gas zu zahlen haben. Nicht wenige Stimmen aus den Führungsetagen der deutschen Wirtschaft sehen diese Entwicklung sehr kritisch, da sie einen Wettbewerbsnachteil mit all seinen Folgen auf die Industrie zukommen sehen.

  4. @Maxeiner/Boettel
    Dem möchte ich vollinhaltlich zustimmen. Allerdings mit einer Ergänzung: Die Überschrift halte ich von ihrem Gehalt her, wenn man es heute betrachtet, für richtig, denn kein anderes Land hat auch nur annähernd so große außenwirtschaftliche und arbeitsmarktpolitische Vorteile durch den Krieg und die Sanktionen wie die USA. Dass das nichts mit dem Interviewtext zu tun hat, ist ein anderes Problem, aber das kommt bei der FR leider immer mal wieder vor…
    PS + disclaimer: Unter Beachtung des neuen §130 Abs.5 STGB möchte ich betonen, dass meine Aussage zu den wirtschaftlichen Vorteilen der USA im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg keine Verharmlosung der kriegsverbrecherischen, völkerrechtswidrigen Entfesselung eines Angriffskrieges durch den russischen Präsidenten Putin darstellt!

  5. @ Robert Maxeiner: Keine Lobby für Arme

    Unter dem Vorsitz von Friedrich Merz lässt die CDU die letzten Masken der Merkel-Ära fallen und offenbart ihr wahres Gesicht. Nämlich als Interessensvertreterin jener, die zu Lasten anderer, vor allem sozial Schwacher, leben. Die ihre Verpflichtungen für die Gemeinschaft klein rechnen, obwohl sie dank ungerechtfertigter steuerlicher Privilegien zu den größten Nutznießern dieser von ihr entsolidarisierten Gesellschaft zählen.

    Um von sich abzulenken, konstruiert die CDU erneut einen nur virtuell existierenden „hart arbeitenden Facharbeiter und Handwerker“, der sich nicht auf die „faule Haut“ legt, sondern „früh aufsteht“ und seinen Beitrag zum allgemeinen Wohlstand leistet. Damit diesen deutlich mehr im Portmonee bleibt, dürfe der Abstand zwischen Transferleistungen und Arbeitseinkommen nicht schrumpfen, was weder real noch perspektivisch durch das Bürgergeld der Fall ist bzw. wäre.

    Vom anderen Abstand, dem zu den Großeinkommen, die ohne Arbeit, vor allem durch Spekulationsgeschäfte und Erbschaften, erzielt werden, schweigt man in diesen Kreisen wohlweislich. Man muss ja eine soziale Vogelscheuche platzieren, die Schrecken verbreitet und von genauen Recherchen abhält.

    Von einer christlichen Partei würde der aufgeklärte Bürger erwarten, dass sie eine soziale Ethik vertritt, die sich am Gleichnis der Arbeiter im Weinberg orientiert (Matthäus 20, 1 – 16). Der Eigentümer des Weinbergs hat sie alle gleich bezahlt. Unabhängig davon, ob sie am frühen Morgen, am Mittag oder erst kurz vor Sonnenuntergang gekommen waren. Auf Vorhaltungen der vermeintlich zu kurz Gekommenen antwortete der Winzer: „Siehst du darum scheel, dass ich so gütig bin? So werden die Letzten die Ersten und die Ersten die Letzten sein.“

    Die Ethik des Evangeliums übersteigt die intellektuellen Möglichkeiten und speziell das Moralin der CDU. Denn sie ist eine missgünstige und im Kern inhumane Partei.

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