Das heutige „Aufgespießt“ zitiert den früheren Industrie-Präsidenten Hans-Olaf Henkel. In der ARD hat Henkel zur Debatte über die Nebeneinkünfte von Parlamentariern gesagt:

„Ich finde es gut, dass Bundestagsabgeordnete neben diesem Job auch noch etwas Vernünftiges machen.“

FR-Leser Hans-Peter Schäfer wundert sich über diesen Beitrag:

„Herr Henkel hält die Tätigkeit von Abgeordneten offenbar für unvernünftig. Wenn jemand aus der Riege der Abzocker sein fragwürdiges Demokratieverständnis öffentlich zum besten gibt, wäre das doch wirklich einen kritischen Kommentar auf Seite 3 wert. Henkel schürt schließlich mit seiner Wertung die so sehr beklagte Politikverdrossenheit und leitet Wasser auf die Mühlen von Demokratiegegnern am rechten Rand.“

Ich finde, Herrn Henkels Worte kommentieren sich selbst!  

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7 Kommentare zu “Etwas Vernünftiges

  1. Herr Henkel betreibt hier sehr geschickt das Spiel mit nicht ganz unberechtigten Vorurteilen um sich womöglich nicht der minder „vernünftigen“ Frage stellen zu müssen, wie viele Politiker er denn auf seiner persönlichen Nebenverdienstgehaltsliste stehen hat, obwohl auch letzteres nicht gerade einer vernünftigen Aufklärung der Frage der Beziehung zwischen der „politischen“ und der herrschenden Klasse dient; insoweit stimmt natürlich die Bemerkung von Herrn Schäfer, dass Herrn Henkels Statement Wasser auf die rechten Mühlen leitet, weil – und so hoffe ich doch wenigstens – eine gescheite, also wohl eher linke Kritik, sich weder von jener noch von dieser Oberflächlichkeit beeindrucken lässt.

  2. Selbstverständlich muß man sich nicht darüber wundern, wenn ein Mensch wie H.O.Henkel die Politikerzunft abwatscht; bedenklicher ist, daß diese Meinung wahrscheinlich von einem überwältigenden Teil der Bevölkerung geteilt wird – und damit ist nicht nur der bildzeitunglesende Stammtischbruder gemeint. Könnte es nicht sein, daß die/der eine oder andere Abgeordnete/r nicht unwesentlich an dem extrem negativen Bild beteiligt ist, das der Souverän hat: durch halbherzige Entscheidungen, lustloses Lavieren und dem Unvermögen, parlamentarische Entscheidungen zu vermitteln und darüber in einen Diskurs mit der Bevölkerung (z.B. in den Wahlkreisen) einzutreten, der diesen Namen verdient?

  3. Hallo Herr Schäfer (Björn),
    vor wenigen Tagen habe ich in irgendeiner deutschen Zeitung gelesen, wie ein bekannter Politiker allen ernstes erklärte, dass der deutsche „Souverän“ (das beschönigende „Souverän“ erschein bei ihm allerdings mit keiner Silbe) „anständig regiert sein wolle“, womit er wohl glaubte, sich damit von seinem eigenen (und auch dem der anderen) Parteigezänke (und vermutlich damit auch von gewissen Politikern, die Sie eben gerade so deutlich beschrieben haben) klar distanziert zu haben. Da ich kein Wort der Entrüstung (oder wenigstens der Verwunderung) über ein solch ungebrochenes Menschenbild aus irgendeiner deutschen Zeitung vernommen habe, glaube ich daher, dass, solange es Menschen gibt, die meinen über andere Menschen regieren zu dürfen/müssen und welche, die glauben, man müsse sie (dann wenigstens nicht halbherzig) regieren, wir Leute wie Olaf Henkel und andere noch lange ertragen müssen.

  4. Nun, Herr Binsack, verstehe ich sie richtig?

    Jemand bringt es fertig zu erklären, der Souverän, der nicht genannt wird, wolle anständig regiert werden und meint, sich damit vom Parteiengezänk – das Lieblingswort der Nazis bei der Verunglimpfung der Republik – distanziert zu haben? Ein ungebrochenes (!) Menschenbild, und niemand entrüstet sich?
    Fazit: Solange es Leute gibt, welche eine Regierung für eine sinnvolle Einrichtung halten, müssen wir Leute ertragen, die die Wahl und Kontrolle der Regierung für keine vernünftige Tätigkeit halten?

    Ja mei, wie hätten sie’s denn gerne?

    Dass der Politiker statt des Wortes „Souverän“ das beschönigende „Souverän“ benützt? Dass die Parteien in friedlich-harmonischer Eintracht verweilen? Entrüsteter Aufschrei in der Zeitung: „Ein gebrochenes Menschenbild muss her!“? Und schließlich: Abschaffung der Regierung, damit die Abgeordneten in friedlicher Eintracht Beschlüsse fassen können, die umzusetzen und durchzusetzen es keine Instanz mehr gibt? Was natürlich die Abgeordneten-Tätigkeit endlich für alle so vernünftig erscheinen ließe, dass wir niemanden mehr ertragen müssten, der sie für unvernünftig erklärte, gell?

  5. Hallo Harry,
    erst mich gründlich „missverstehen“, dann kräftig dagegen polemisieren, das ist nicht gerade die feine Englische Art!
    Und doch haben Sie natürlich Recht, wenn Sie hinter meiner kritischen Anmerkung eine Vision wittern, von der hier aber nicht die Rede war. Ich denke, dass es doch einen Unterschied darin gibt, ob man ein Land oder die Leute regieren will. Ersteres träfe vermutlich den aktuellen Modus vivendi eines großen Teils der Bevölkerung, falls dieser sich darüber Gedanken machen würde. Und dass das nötig ist – das sich darüber Gedanken machen -, sollte meine Kritik an jenem – ungebrochen autokratisch anmutenden – Menschenbild verdeutlichen. Und wenn mir das selbst noch nicht gelungen war, dann dürfte das Ihre gereizte Reaktion geschafft haben: Die Erkenntnis zu vermitteln, dass das, auf Verwirklichung der Freiheit ausgerichtete Bewusstsein, die letzten Jahren schwer gelitten haben muss, wenn selbst solche, quasi der „Aufklärung“ geschuldete und solchermaßen demokratische Blickpunkte über den eigenen Tellerrand hinaus, des Anarchismus verdächtig geworden sind.

  6. „Je häufiger eine Dummheit wiederholt wird,
    desto mehr bekommt sie den Anschein der Klugheit.“

    Diese Erkenntnis Voltaires trifft besonders auf die bundesdeutsche Talk-Show-Realität mit dem Dauergast Hans-Olaf Henkel zu. Zu den Dummheiten, die sich durch häufiges Wiederholen den Anschein der Klugheit verschaffen wollen, gehört es, die kapitalistische als die einzig akzeptable Logik darzustellen. Gesine Schwans Warnung: „Es ist eine uralte Einsicht, dass die kapitalistische Logik die Werte der Demokratie unterminiert“, beeindruckt selbst viele Sozialdemokraten, die sich sonst gerne mit den Werten der Aufklärung schmücken, nicht im Geringsten. Das Glaubensbekenntnis dieser Rationalität gilt geradezu als Eintrittskarte in den Club der neoliberalen Zauberlehrlinge, die uns mit ihren ewig gleichen Gemeinplätzen von der Globalisierung den Vorrang der Ökonomie vor der Politik schmackhaft machen wollen. Da ist es nur folgerichtig, wenn Herr Henkel diese Meinung kundtut. Das bisschen Politik können in seinen Augen die Wirtschaftsverbände sicher nebenbei mit erledigen. Vielen Politikern, die das einfach hinnehmen sei Immanuel Kant ins Stammbuch geschrieben: „Wer sich zum Wurm macht, kann sich nicht anschließend beklagen, wenn er mit Füßen getreten wird.“

  7. Hallo Herr Homann,
    Herr Voltaire wusste sicherlich, wovon er sprach, als er diesen Aphorismus („Je häufiger eine Dummheit wiederholt wird, desto mehr bekommt sie den Anschein der Klugheit.“) prägte, denn beging er nicht im Alter, die in Philosophenkreisen so oft wiederholte Dummheit, einer Rückbesinnung auf die eigene Religiosität; womit er dann nicht nur gegen die Grundprinzipien der (seiner) Aufklärung verstieß, sondern eben auch bewies, dass diese nicht der Weisheit letzter Schluss gewesen sein konnte. Und genau ein dieses wird es wohl sein, was die Aufklärung für die Sozialdemokratie so bequem macht. Ein solches erspart ihr die ehrliche Aufarbeitung ihrer eigenen Grundlagen, währenddessen sie vehement und ungeniert gegen dieselbigen verstößt (Stichworte: Neoliberalismus versus Heuschreckenkapitalismus und umgekehrt). Die Aporien der bürgerlichen Gesellschaft (resp.: der Agnostizismus einer bürgerlichen Philosophie) waren es, die einen Voltaire zur religiösen Einkehr gezwungen haben, und dieselbigen sind es wohl auch, die einen Herrn Henkel so frech im Trüben fischen lassen, wenn er „die Politiker“, die er in aller Regel für seine eigene Zwecke benutzt, dann wieder so billig abwatscht.

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