Es gibt viele Faktoren, die Afrikas Entwicklung hemmen

Die Entwicklungszusammenarbeit, früher Entwicklungshilfe, steht in der Kritik, da sie vielfach in Ländern passiert, aus denen — das belegen die „Panama Papers“ — massiv Gelder in die panamischen Briefkastenfirmen abgeflossen sind. Ländern in Afrika, deren Bevölkerungen in Armut leben, während eine mickrig-dünne Elite sich bereichert. Dazu ein Gastbeitrag von Yousif S. Toma aus Frankfurt, der selbst lange in der Entwicklungszusammenarbeit gearbeitet hat und ein umfassendes Bild davon liefert, dass es nicht nur die afrikanischen Eliten sind, denen es zu „verdanken“ ist, dass Afrikas wirtschaftliche Entwicklung so schleppend verläuft. Toma äußert sich zum Gastbeitrag „Geldhahn zudrehen? Bitte nicht“ aus der FR vom 14. März 2016.

Es gibt viele Faktoren, die Afrikas Entwicklung hemmen

von Yousif S. Toma

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Als jemand, der während seines gesamten Berufslebens in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit (EZ) in vielen Regionen tätig war, möchte ich zu diesem Beitrag einige Anmerkungen machen: Bei den Geldern, die aus Afrika nach Panama geflossen sind, handelt es sich vermutlich mehrheitlich nicht um „Steuerflucht“, sondern um die „Flucht von Schwarzgeld“ aus Korruption und aus dem illegalen „Verkauf“ von nationalen Naturschätzen, also aus „Deals“, an denen meistens auch „außerafrikanische Akteure“, z.B. internationale Konzerne, beteiligt sind.

Nicht nur durch die „Machenschaften der afrikanischen Despoten“ wird eine Diskussion über Sinn und Unsinn der EZ entfacht, sondern auch im Zusammenhang mit Konflikten, Krisen, Flucht und sogar Klimawandel. Das liegt daran, dass die Wirkung der EZ als ein entwicklungsfördernder Faktor stets sehr stark übertrieben bzw. überbewertet wird, während die zahlreichen viel „wirkungsvolleren“ entwicklungshemmenden und Armut verursachenden Faktoren nicht beachtet bzw. verschwiegen werden.

Wir müssen endlich nicht nur erkennen, sondern auch offen und sachlich darüber debattieren, dass die Entwicklung (besser Fehlentwicklung) in vielen Ländern Afrikas nicht in erster Linie von der EZ, sondern von vielen entwicklungshemmenden, Armut und Perspektivlosigkeit verursachenden internen und externen Faktoren bestimmt wird. Zu den internen Faktoren gehören u.a. autoritäre Systeme, Korruption, Vetternwirtschaft, falsche Allokation von Ressourcen, Bereicherung einer kleinen Gruppe von Herrschenden auf Kosten des Staates, fehlende demokratische Strukturen, Unterdrückung, mangelnde Teilhabe und Mitwirkung der Zivilgesellschaft etc.

Zu den externen Faktoren, die mindestens so stark wie die internen Faktoren die Entwicklung in den afrikanischen Ländern hemmen, zur Verstärkung von Armut, zur großen Bereicherung von wenigen Machthabern und ihrer engeren Gefolgschaft und schließlich zu Unruhen und militärischen Konflikten beitragen, gehören z.B.:

A) die internationale Handels- und Landwirtschaftspolitik, die Machenschaften der internationalen Konzerne (Ausbeutung von Rohstoffen und Arbeitskräften, Landgrabbing, Etablierung von Monokulturen für unseren „Bedarf“ – z.B. Palmöl, Soja, Blumen, Bio-Kraftstoffe-, Export von stark subventionierten landwirtschaftlichen Erzeugnissen nach Afrika (Hühnerteile!), der zur Zerstörung der Existenzgrundlagen von Hunderttausenden von landwirtschaftlichen Kleinbetrieben führt, Umweltzerstörung etc.).

B) Die Politik der Industriestaaten, die durch internationale Vereinbarungen und Abkommen die Voraussetzungen für diese Machenschaften der internationalen Konzerne schafft, sie unterstützt und beschützt.

C),In der Außenpolitik schließen die westlichen Staaten vor den herrschenden Bedingungen in den Partnerländern und den „Machenschaften von Despoten“ häufig beide Augen, solange die herrschenden Regime die internationalen Wirtschaftsbeziehungen akzeptieren, mit den internationalen Konzernen kooperieren und für nationale und regionale „Stabilität“ sorgen.

D) Schließlich soll auf die negativen Wirkungen unseres Lebensstils und Wirtschaftssystems hingewiesen werden: Wachstums- und Konsumorientierung, Gewinn- und Exportmaximierung – auch Waffen -, der verschwenderische und umweltschädigende Lebensstil (Vernichtung von 18 Millionen Tonnen Lebensmittel pro Jahr allein in Deutschland).

Solange diese Aspekte von der Politik tabuisiert bleiben und diese Faktoren, ihre Treibkräfte und Wirkungen nicht objektiv analysiert und entsprechende Korrekturen umgesetzt werden, kann die EZ, nur sehr punktuell und in sehr eingeschränktem Umfang und auf sehr kleine Gruppen begrenzte positive Wirkungen entfalten. Eine Erhöhung der Mittel – auch über die Grenze von 0,7% des BNP hinaus -, Veränderungen von Konzeptionen, Strukturen, Verknüpfung der Hilfe mit Bedingungen usw. usw. werden nicht dazu führen, dass die EZ auch nur einen kleinen Teil der geschilderten negativen Wirkungen kompensieren kann.
Thilo Hoppe hat also Recht: Es soll nicht schon wieder über „Entwicklungshilfe“ diskutiert werden. Ich füge hinzu: Es muss endlich über die entwicklungshemmenden Faktoren diskutiert werden und zwar nicht nur zwischen den „Fachleuten“ sondern seitens der Politik!
Yousif S. Toma, Frankfurt/M.

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3 Kommentare zu “Es gibt viele Faktoren, die Afrikas Entwicklung hemmen

  1. Es heisst zwar, dass viele Faktoren schuld sind, aber dann sind es doch nur wenige.
    Punkt A, B, C: die Politiker und die Konzerne sind schuld.
    Ich weiss aus eigener Erfahrung, dass sich die Welt bezüglich Schmiergeld von grossen europäischen Konzernen, geändert hat. Der Hauptgrund ist das Vorgehen der amerikanischen Justiz. Ein Indiz ist auch der Verlust von Marktanteilen europäischer Firmen in einigen Ländern (nicht nur in Afrika).
    Punkt D:
    „Wachstums- und Konsumorientierung, der verschwenderische und umweltschädigende Lebensstil“
    Ich hatte im letzten Jahr ein Abendessen mit einigen Leuten aus West- und Südafrika. Als ein Europäer meinte, dass Afrika nicht die Fehler der Europäer bezüglich des Lebensstils machen sollten, kam heftiger Widerspruch von allen Afrikanern: „Wir sind ganz wild darauf, eure Fehler zu wiederholen.“ Ihr Verständnis ist, dass nach unserer Meinung Reichtum für alle umweltschädlich ist und da wir schon reich sind, sie aus Umweltschutzgründen besser arm bleiben.
    In meinen Augen sind die Beträge in der Entwicklungshilfe viel zu klein, als ob man damit es Substanzielles erreichen könnte. Wenn man sieht, wie China ist Afrika auftritt, kann man sich die Diskussion über Entwicklungshilfe wirklich sparen.

  2. @ Henning Flessner 12. Mai 2016 um 20:53

    Ich verstehe nicht, was Sie genau sagen wollen.

  3. Wenn man Afrika wirklich helfen will sollte man mit Ländern wie Tunesien enger zusammenarbeiten. Tunesien hat derzeit eine demokratische Regierung und könnte als Beispiel für andere Länder dienen. Es wäre da sicher möglich den Menschen die da leben eine Perspektive zu geben. Ob in der Landwirtschaft oder Industrie. Mir fällt dazu z.B. das Wort Desertec ein. Die Basis dafür ist preiswerte Energie. Was könnte man mit den 94 Milliarden alles machen die D. bis 2020 für seine Flüchtlinge ausgeben will. Das wäre dann Fluchtursachenbekämpfung für Millionen und die Basis dafür wäre das.

    http://energyload.eu/energiewende/international/rekord-solarstrom-dubai/.

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